Die Boston Celtics haben die NBA Finals gegen die Golden State Warriors verloren, nicht zuletzt aufgrund der eigenen Fehler. Wie geht es nun weiter mit dem Team - und was lief am Ende vor allem bei Jayson Tatum schief?
Warum hat es nicht zum Titel gereicht?
Vorab: Die Warriors hatten eine Menge damit zu tun. Golden State erwies sich über die Serie als das erfahrenere, smartere, insgesamt bessere Team. Die Dubs hatten den besten Spieler, sie witterten jede Schwächephase beim Gegner und nutzten diese ziemlich konsequent aus. Sie spielten vor allem defensiv eine beeindruckende Serie und wurden zum Ende hin absolut verdient Meister.
Es ist dennoch gerade nach dieser Serie angemessen, auch auf die Fehler der Gegenseite zu achten, darauf, dass Boston durchaus seinen Teil dazu beitrug, dass die Warriors die letzten drei Spiele der Serie allesamt gewinnen konnte. Die Celtics nutzten ihre Chancen weitaus weniger konsequent, und sie schossen sich immer wieder selbst in den Fuß.
Ihre gefürchtete Defense war auch in den Finals zu sehen - im Halbfeld war es für Golden State stets schwierig, an Punkte zu kommen, die Dubs waren weit unter ihrem gewohnten Offensiv-Niveau unterwegs. Stephen Curry konnte zwar zumeist etwas kreieren, der Rest des Teams tat sich in der Regel ziemlich schwer damit, auch wenn es Ausnahmen gab.
Boston Celtics: Immer wieder Ballverluste
Golden State war nur eben nicht abhängig von seiner Halbfeld-Offense. Immer wieder sorgten Turnover der Celtics für Transition-Möglichkeiten auf der Gegenseite, gerade Draymond Green drückte mit zunehmendem Verlauf der Serie bei jeder Chance aufs Tempo. Und es gab jede Menge Chancen. 15, 18 und 23 Turnover produzierte Boston über die letzten drei Spiele, einfach zu viel auf diesem Niveau.
"Wir sind schwer zu schlagen, wenn wir auf den Ball aufpassen. Wir sind ziemlich leicht zu schlagen, wenn wir nicht auf den Ball aufpassen", sagte Jayson Tatum während der Serie, und das erwies sich als richtig - wie zuvor schon einige Male in der Postseason. Die Warriors konnten diese Anfälligkeit nur besser bestrafen, als es Milwaukee oder Miami zu leisten imstande gewesen waren.
Es kam hinzu, dass die Celtics anfällig für Offensiv-Rebounds waren (wieder 15 in Game 6) und ihrerseits vorne zu oft vergaßen, den Ball sauber zu bewegen. Immer wieder verfielen sie in eher statistischen Iso-Basketball, über die ganze Serie trafen sie zudem unheimlich schlecht aus dem Zweierbereich.
Boston verlor zweimal trotz Führung im letzten Viertel
Die Defense hat Boston in vielen Spielen weit getragen, aber die Offense reichte nicht, um Spiele zum Ende zu bringen. Gerade in Spiel 4 war das eklatant, hier hätte sich Boston die 3-1-Führung holen können, machte über die letzten 7:32 Minuten aber nur noch 6 Punkte. Es war nicht das einzige, aber das wohl wichtigste Beispiel.
Den größten Unterschied sprach Head Coach Ime Udoka an, als er über die Warriors sinnierte: "Sie sind eine sehr konstante Gruppe. Sie sind ein Team, das sich nicht selbst schlagen wird. Sie üben dadurch großen Druck auf dich aus, weil du konstant punkten musst, um mit ihnen mitzuhalten." Das konnte Boston am Ende nicht.
NBA Finals - Warriors vs. Celtics: Die Serie im Überblick (4-2)
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 3. Juni | 3 Uhr | Golden State Warriors | Boston Celtics | 108:120 |
2 | 6. Juni | 2 Uhr | Golden State Warriors | Boston Celtics | 107:88 |
3 | 9. Juni | 3 Uhr | Boston Celtics | Golden State Warriors | 116:100 |
4 | 11. Juni | 3 Uhr | Boston Celtics | Golden State Warriors | 97:107 |
5 | 14. Juni | 3 Uhr | Golden State Warriors | Boston Celtics | 104:94 |
6 | 17. Juni | 3 Uhr | Boston Celtics | Golden State Warriors | 90:103 |
Wie fällt das Saisonfazit aus?
Für den Moment überwiegt logischerweise die Enttäuschung, gerade in Anbetracht der verpassten Chancen. Boston hätte seine Saison mit weniger Fehlern vielleicht krönen, endlich das 18. Banner unter die Hallendecke ziehen können. Das wird noch lange weh tun, wie nahezu alle Spieler nach dieser Partie sagten.
Nüchtern betrachtet ist die Saison dennoch ein voller Erfolg, wohl auch ein Durchbruch für diesen Kern gewesen. Das sollte bei aller Enttäuschung nicht unter den Tisch fallen. Die Celtics schafften während der Spielzeit einen bemerkenswerten Turnaround, schafften es von einer 18-21-Bilanz zu einer 2-1-Führung in den NBA Finals. Das passiert quasi nie.
Und es war nicht durch eine einzelne Transaktion während der Saison begünstigt, auch wenn der Derrick White-Trade sich positiv auswirkte - die wichtigsten Figuren waren Spieler, die schon lange für Boston spielten oder vor der Saison zurückkehrten. Udoka bastelte die beste Defense der Liga zusammen, die ab Mitte Januar endgültig ihr Potenzial abrief.
Al Horford: "Stolz auf diese Gruppe"
Wie groß dieses Potenzial ist, verdeutlicht die Tatsache, dass ALLE Starter der Celtics mindestens eine Stimme für den Defensive Player of the Year-Award erhielten - Marcus Smart gewann letztendlich den Award, dazu schaffte es auch Robert Williams ins All-Defensive Team. Tatum wurde erstmals ins All-NBA First Team gewählt.
Die Regular Season endete mit einem 26-6-"Lauf" voller Blowouts, und Boston nahm dieses Momentum auch in die Playoffs mit. Der Sweep gegen die hoch gehandelten Nets, die 7-Spiele-Schlachten gegen Milwaukee und Miami - am Ende stand die erste Finals-Teilnahme für die Celtics seit 2010 und auf dem Weg dorthin wurden diverse alte "Dämonen" aus dem Weg geräumt.
Für die Krönung hat es am Ende nicht gereicht - auch, weil der Superstar des Teams in den Finals seine schlechteste Serie spielte (siehe Seite 3). Enttäuschung sollte dennoch nicht die einzige Emotion sein. Al Horford fasste es treffend zusammen: "Ich bin sehr stolz auf die Gruppe, ich bin sehr stolz auf das Wachstum, das wir das gesamte Jahr gezeigt haben."
Kann Jayson Tatum die Nummer eins eines Contenders sein?
Es war nicht die Serie des 24-Jährigen. Sein Playmaking und seine Defense waren überwiegend stark, doch seine eigentliche Primärqualität, das Scoring, stand hinten an: Nur in Spiel 5 erreichte er 50 Prozent aus dem Feld, über die gesamte Serie fiel quasi kaum ein Zweier, im Schnitt kam Tatum auf 21,5 Punkte bei 36 Prozent aus dem Feld.
Die vielen Ballverluste kamen hinzu, Tatum verlor als erster Spieler während eines Playoff-Runs 100 Mal den Ball. Er führte die Playoffs zwar auch bei den Gesamtpunkten und -assists an, am Ende bleibt dennoch ein säuerlicher Geschmack, gerade nach Game 6, das alle Zweifel an Tatum gefühlt noch einmal hervorrief.
Tatum kam eigentlich gut in die Partie, wurde dann aber immer passiver, am Ende verweigerte er sogar mehrere Sprungwürfe. Ein offener Dunk war sein einziger Korb in der zweiten Hälfte, das war natürlich viel zu wenig. Die Frage, ob die in der Miami-Serie verletzte Schulter ihn noch immer behinderte, wischte Tatum zwar nach dem Spiel weg, zweifelsohne wirkte er in den Finals jedoch eingeschränkt, zaghafter als vor der Verletzung.
Sicherlich hatte auch die aggressive Defense der Warriors ihren Anteil daran, die Tatum fast nie zu seinen präferierten Spots kommen ließ und sein Ballhandling unter Druck setzte. So oder so: Er hinterließ keinen guten Eindruck, es war schlichtweg eine schwache Serie von Tatum. Und trotzdem sind die Zweifel an seiner Tauglichkeit als Nr. 1 etwas überzogen.
Jayson Tatum ist nicht "Prime LeBron"
Tatum hatte einen sehr großen Anteil daran, dass Boston so weit kam. Er hatte auch große Momente, allen voran das 46-Punkte-Meisterwerk im Do-or-Die-Spiel 6 in Milwaukee. Er zeigte, dass er Spiele nicht nur durch sein Scoring dominieren kann, etwa durch starke Defense oder seine 13 Assists in Spiel 1 der Finals.
Tatum ist einer der besten Two-Way-Player der Liga - und er ist 24. Wenn die Warriors eines zeigten, dann, dass er als offensiver Decision-Maker nicht auf der "Prime LeBron"-Stufe steht - aber wie viele Spieler haben diese Stufe jemals erreicht? Meister werden kann man auch ohne, allzu weit davon entfernt war Boston auch in diesem Jahr nicht.
Die Checkliste für Jayson Tatum
Was natürlich nicht heißt, dass Tatum nicht noch besser werden kann oder sollte. Mit etwas Reflektion wird er mit einer Checkliste in die Offseason gehen, auf der allen voran Ballhandling und Finishing am Ring stehen sollten - und ein striktes Verbot für "stehen bleiben, um sich über fehlende Calls zu beschweren". Auch ein verlässliches Floater Game würde viel dazu beitragen, um sein Offensiv-Spiel abzurunden.
Das Gute ist: Tatum ist 24, und bisher ist er stets besser geworden. Sein Playmaking in dieser Saison ist das beste Beispiel. "Er ist ein sehr motivierter Typ, der hart arbeitet, einen hohen IQ hat und der von dieser Erfahrung lernen wird. Ich glaube, es wird ihn antreiben und ihn auf die nächste Stufe bringen", sagte Udoka.
Um es einzuordnen: Curry hatte mit 24 noch kein All-Star-Game oder Playoff-Spiel absolviert, selbst LeBron gewann erst mit 26 sein erstes Finals-Spiel (und mit 27 seinen ersten Ring). Wer nach dieser Postseason mit der Erkenntnis raus geht, dass Tatum nicht die Nummer eins eines Contenders sein kann, wischt quasi alles weg, was vor den Finals passiert ist.
Was ist die größte Baustelle in der Offseason?
Wir haben über Tatums Checkliste gesprochen, es gibt einige davon bei den Celtics. Jaylen Brown etwa muss an seiner linken Hand und seinem Ballhandling arbeiten, Robert Williams muss erstmal gesund werden und dann alles dafür tun, um etwas stabiler zu werden. Die vielleicht größte Baustelle hat aber das Front Office vor sich, komischerweise.
Die Top 7 der Celtics steht dabei unter Vertrag für die kommende Saison, es gibt also viel Klarheit, auch wenn etwa bei Grant Williams und Brown eine vorzeitige Verlängerung anstehen könnte. Problematisch ist eher die Situation darüber hinaus, auch das haben diese Finals gezeigt.
Boston bekam in vielen Spielen quasi nichts von seiner Bank, allein in Spiel 6 erzielte Warriors-Guard Jordan Poole dreimal so viele Punkte wie alle Celtics-Reservisten zusammen (15:5). Die Celtics vertrauten über einen Großteil der Playoffs nur zwei Bankspielern so richtig, beide (Grant Williams und Derrick White) brachten in den Finals aber kaum noch etwas.
Das Problem dabei: Spieler, die für sie in die Bresche springen konnten, hatten sie auch nicht. Der Kontrast zu den Warriors war enorm, die ihre Rotation in nahezu jeder Serie ein Stück weit anpassten, unterschiedliche Spieler für unterschiedliche Aufgaben hatten. In den Finals kamen etwa Moses Moody oder Jonathan Kuminga kaum noch zum Einsatz, sie hatten aber zuvor mit dafür gesorgt, dass die wichtigsten Spieler ansatzweise frisch blieben.
Boston muss seine Bank aufbessern
Diesen Luxus hatte Boston nicht, es waren im Wesentlichen permanent dieselben sieben Leute, mit vereinzelten Gastauftritten von Payton Pritchard oder Daniel Theis. Die Starter mussten so unheimlich viele Minuten abreißen, auch das zeigte sich am Ende. Auf den Plätzen acht bis 15 in der Rotation saßen überwiegend Spieler, die Udoka nicht einsetzen wollte.
Ein Kandidat, der das auf lange Sicht vielleicht ändern könnte, ist Aaron Nesmith, wahrscheinlicher ist aber, dass die Celtics aktiv werden müssen, um ihre Rotation noch ein wenig aufzupolstern. Einen Firstrounder haben sie im kommenden Draft nicht, allerdings ist dieses Team vermutlich ohnehin an einem Punkt, an dem Veteranen für die nächste Stufe nötig sind.
Auch für diese gibt es "Tools": Boston hat theoretisch die Taxpayer Midlevel Exception (6,4 Mio. Dollar) sowie drei üppige Trade-Exceptions (17,1 Mio., 9,7 Mio., 6,9 Mio.) zur Verfügung, um neue Spieler zu holen. Das wäre allerdings teuer. Weshalb es am Ende entscheidend ist, wie die Besitzer der Celtics zur finalen Frage stehen ...
Ist dieser Kern gut genug für eine Meisterschaft?
Ein gutes Team mit guten selbst gedrafteten Spielern wird irgendwann ziemlich teuer. Die Warriors sind ein gutes Beispiel dafür mit ihrer mittlerweile astronomischen Payroll, die mit den nächsten Deals für Jordan Poole oder Andrew Wiggins sogar noch astronomischer werden wird, die Celtics stehen in dieser Hinsicht am Scheideweg.
Theoretisch könnten sie in der Offseason sogar knapp unter die Luxussteuer-Grenze kommen, der Preis dafür wäre allerdings, dass sie Horford entlassen. Der Oldie verdient kommende Saison 26,5 Mio. Dollar, von denen nur 19,5 garantiert sind. Es wäre jedoch schockierend, wenn Boston Horford nach seiner starken Saison nicht halten würde.
Wie mit den anderen Ressourcen umgegangen wird, ist eine andere Frage. Im Luxussteuer-Bereich zahlt man für jeden Dollar extra, nicht alle NBA-Besitzer sind dazu bereit, dies konsequent zu tun - selbst die Bucks ließen 2021 nach dem gewonnenen Titel aus finanziellen Gründen P.J. Tucker ziehen.
Welchen Weg wählt Boston? Laut Spotrac zahlten die Celtics seit 2012 nur einmal Luxussteuer (2018), Teambesitzer Wyc Grousbeck sagte in der Vergangenheit aber, dass die Bereitschaft durchaus gegeben ist, wenn die Leistungen stimmen. Das tun sie nun, die Frage ist eben, wie sehr Grousbeck und Co. daran glauben, dass auf diese Saison aufgebaut werden kann.
Marcus Smart ist "echt" genug als Point Guard
Für den Moment ist Boston in jedem Fall eins der Teams, mit denen auch 22/23 zu rechnen ist. Ein paar Makel gibt es, die dünne Bank, Playmaking und Shooting von der Bank allgemein, aber perfekt ist ohnehin kein Team. In der aktuellen Verfassung hat Boston die vielleicht beste Starting Five der Liga mit vier Spielern zwischen 24 und 28.
Wenn Horford seine Leistungen auch im kommenden Jahr halten kann, gibt es zumindest hier keinen dringenden Bedarf, etwas zu verändern. Das schließt die Point Guard-Position mit ein. Die Frage, ob Smart ein "echter Point Guard" ist, kam zwar während den Finals wieder auf, sie ist aber eigentlich in den Monaten zuvor widerlegt worden.
Smart ist kein Point Guard von der Bauart Chris Paul - das gilt aber auch für jeden anderen aktuellen Einser in der Liga. Echte Point Guards existieren kaum noch. Smart hat offensiv seine Makel, aber er passt in dieses Team, als Beschleuniger, als Passer, manchmal auch als Initiator aus dem Post und als Schütze. Und er gibt dem Team defensiv ohnehin unfassbar viel.
Es ist richtig, dass Boston am Ende von Spielen bisweilen die Linie fehlt, dass die Celtics zu fehleranfällig sind. Die Lösung dafür wird jedoch vermutlich durch die Entwicklung von Tatum kommen müssen. Ein "echter Point Guard", mit dem das Defensivkonzept mit den vielen Switches so nicht mehr spielbar ist, würde am Ende vielleicht sogar mehr Probleme verursachen als lösen. Falls diese Art von Spieler überhaupt noch existiert.
Die Celtics wären gut damit beraten, wenn sie Geld in die Breite des Kaders investieren, den einen oder anderen Two-Way-Spieler, vielleicht auch noch einen "echten" Guard für die Bank verpflichten - und in erster Linie aber auf internes Wachstum setzen. Mit Ausnahme von Horford hat jeder ihrer Leistungsträger noch reichlich Luft nach oben.
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