Die Boston Celtics haben sich in Spiel 3 der NBA Finals die Führung in der Serie zurückerobert. Wieder einmal sind die Warriors zwölf Minuten lang das beste Team aller Zeiten - aber wieder einmal schlägt das Mentalitätsmonster aus Boston zu. Die Erkenntnisse.
1. NBA Finals: Bostons Taktikkniffe fruchten vs. Warriors
Aus vielen Ecken der Basketball-Welt kam nach Spiel 2 die Forderung nach mehr Small-Ball der Celtics auf, Coach Ime Udoka ließ Taten folgen. Zumindest drei Viertel lang, bevor er wieder zu seinem bekannten Lineup mit zwei Bigs (Al Horford und Robert Williams III) zurückkehrte. In gewisser Weise stellte sich beides als die richtige Entscheidung heraus, Udokas Adjustments sowohl vor als auch während dem 116:100-Erfolgs gegen die Warriors fruchteten.
Es begann mit einem vermehrten Fokus auf Small Ball. Zwar startete die selbe Starting Five wie in den Spielen 1 und 2 mit eben Horford und Williams III, doch Udoka nahm Letzteren bereits nach 3:15 Spielminuten vom Feld, um ihn mit Derrick White zu ersetzen - deutlich früher als gewohnt. So war Horford der einzige Big, später spielte Boston einige Minuten mit Williams III als einzigem Center bzw. zusätzlich mit Grant Williams, der aber ohnehin ausschließlich als Floor Spacer agiert.
Das machte sich vor allem beim Thema Spacing bezahlt, eins der Probleme in Spiel 2. Bostons Small-Ball machte das Spielfeld breiter, dadurch öffnete sich die Zone für Drives. Im ersten Viertel war es vor allem Jaylen Brown, der seinen Verteidiger Draymond Green mehrfach abschüttelte und aus seinen Penetrationen entweder für sich oder die Teamkollegen kreierte. Da auch Golden State den Small-Ball mitging, fehlte den Dubs fast jeglicher Ringschutz.
Die Statistiker zählten in der Folge 18 Plays der Celtics direkt am Ring, viermal zogen die Hausherren ein Foul, das Resultat der anderen 14 Plays waren 10 Treffer. Laut Second Spectrum erzielte Boston in der ersten Halbzeit 1,4 Punkte pro Drive - ein überragender Wert. Dazu muss allerdings auch die schwache Point-of-Attack-Defense der Warriors erwähnt werden, die Bostons Guards zu oft zu leicht in die Zone ließ. Neben Green galt das auch für Stephen Curry, der aufgrund seiner Foulprobleme zu passiv agierte und laut ESPN eine gegnerische Trefferquote von 8/12 FG zuließ.
Es gab aber noch einen anderen Grund für den Erfolg dieser Lineups. Im direkten Vergleich der Small-Ball Lineups der Warriors und Celtics hat Boston deutlich mehr Größe und Athletik im Handgepäck, was sich bei den Rebound-Zahlen (15:6 Offensiv-Rebounds, 22:11 Second Chance Points) bemerkbar machte.
NBA Finals: Boston Celtics finden mehrere funktionierende Lineups
Trotz dieser Lobhudelei: Im dritten Viertel hatten die kleinen Lineups der Kelten vermehrt Probleme, vor allem, weil Curry gegen Horfords Drop Coverage nun heiß lief. Udokas Anpassung: Im Schlussabschnitt vertraute er über weite Strecken wieder seiner Starting Five, die nun mit mehr Größe noch mehr die Bretter dominierte (4 Offensiv-Rebounds im vierten Viertel).
Und dank der starken Leistung von Williams III ließ auch die ohnehin hervorragende Defense den Dubs kaum Luft zum Atmen. "Nicht nur seine Blocks, er hat allein durch seine Präsenz viele Würfe beeinflusst und die Gegner davon abgehalten, in die Zone zu ziehen", lobte Coach Udoka. "Er war extrem wichtig für uns."
Da "Time Lord" wieder deutlich agiler, deutlich beweglicher aussah, ermöglichte er Coach Udoka gleich mehrere funktionierende, variable Lineups, was in Spiel 2 nicht der Fall war. Die Warriors dagegen scheinen weiterhin auf der Suche nach der besten Fünf zu sein.
getty2. NBA Finals: Das Mentalitätsmonster aus Boston
Während einer Auszeit, als Boston nach mehreren Turnovern ins Schlingern geraten war, machte Coach Udoka Gebrauch von seiner vielleicht wichtigsten Stärke: einer eindringlichen Wortwahl. "Würdet ihr bitte aufhören, wie Arschlöcher zu spielen?", soll er laut Steve Bulpett von Heavy.com seine Jungs gefragt haben. Die Message kam an.
Auch Daniel Theis, der in Spiel 3 übrigens komplett aus der Rotation fiel, lobte im Interview mit SPOX Mitte April die "direkte Kommunikation" von Udoka. Der Rookie-Coach nimmt kein Blatt vor den Mund, schont selbst seine Stars nicht mit blumigen Worten. Das kommt bei Theis und den Kollegen gut an. Und wirkt.
Zum einen, was die Turnover betrifft (dazu gleich mehr). Zu anderen aber auch in Sachen Einstellung und Härte. Udoka hat seine Mannschaft im Laufe der Saison von einem zankenden Haufen in ein Mentalitätsmonster verwandelt. Dieses Celtics-Team ist so leicht nicht kleinzukriegen, das haben sie in den Playoffs nun schon mehrfach bewiesen.
In dieser Postseason hat Boston insgesamt sieben Partien verloren, jeweils antworteten die Kelten mit einem Sieg im nächsten Spiel. Diese 7-0-Bilanz ist ein geteilter NBA-Rekord für eine Postseason. In Spiel 2 der Finals ließen sie sich noch von Draymond Green und dessen Intensität die Butter vom Brot nehmen, damit war nun Schluss.
"Wir haben mit ihrer Physis und Intensität besser mitgehalten als in der letzten Partie", betonte Udoka. "Uns gefiel nicht, wie wir im letzten Spiel schlappgemacht haben. Darauf lag unser Fokus." Diese Einstellung muss sich Boston nun aber auch für Spiel 4 in der Nacht auf Samstag beibehalten: "Die Nachricht ans Team lautet: 'Uns gelingt das nach Niederlagen. Jetzt müssen wir es auch nach Siegen machen.'"
Das wird nicht leicht. Denn: Die Warriors stehen in diesen Playoffs bei einer Bilanz von 5-0 nach einer Niederlage ...
3. NBA Finals: Das beste Team aller Zeiten ... für 12 Minuten
Die "Drittes-Viertel-Warriors" sind eins der besten Teams aller Zeiten, die statistischen Belege sind dazu überwältigend. Sie stehen auf einer Stufe mit den Bubble-Suns, den TNT-Bulls oder den Game 1 Magic, wie StatMuse scherzte. Alles "legendäre" Teams, zumindest, wenn sie in einer gewissen Umgebung agieren dürfen.
Für die Warriors ist dieses positive Umfeld das dritte Viertel einer (fast) jeden Playoff-Partie. In den Finals stehen sie in diesen Abschnitten zusammengerechnet bei +43 - mit einem Offensiv-Rating von 149,3 und einem Defensiv-Rating von 88,7 (Net-Rating: +60,6). Das dritte Viertel liegt den Dubs so gut, dass selbst mal 7 Punkte in einer Possession gelingen.
Diese 7 Zähler - ein Vierpunktspiel von Curry plus ein Dreier von Otto Porter Jr. in einem durch ein Flagrant Foul zusätzlich gewährten Ballbesitz - waren Teil eines 17:3-Laufs, der Golden State nach einem 18-Punkte-Rückstand aus Halbzeit eins tatsächlich wieder die Führung einbrachte. Insbesondere Curry lief heiß und bestrafte aus dem mittlerweile bekannten High Pick'n'Roll mehrfach von Downtown die Drop Coverage der Kelten.
Aber: Nach dem Buzzer des dritten Viertels war es eigentlich auch wieder vorbei mit der Herrlichkeit. Was folgte waren vier Turnover in den ersten zweieinhalb Minuten des vierten Viertels, die den Rückstand von -4 auf -11 anwachsen ließen. Das war der Genickbruch. Die Celtics zeigten nun bereits zum zweiten Mal in drei Finals-Spielen eine beeindruckende Reaktion auf den Fausthieb der Dubs im dritten Viertel. Auch da wären wir wieder beim Thema Mentalität. Nach 63:106 in dritten Vierteln gewinnt Boston die vierten Durchgänge in dieser Serie mit 87:47.
4. NBA Finals: Warriors brauchen mehr Hilfe für Curry
Wie versprochen hier noch ein kleiner Exkurs zu den Celtics-Turnovern. Das war nach Spiel 2 das bestimmende Thema in Massachusetts und die zweite Halbzeit von Spiel 3 hat gezeigt, wie es für Boston laufen muss. Da sie kaum den Ball abgaben (4 TO nach 8 in Halbzeit eins), hatte Golden State kaum Möglichkeiten in Transition und musste stattdessen im Halbfeld Lösungen gegen die nun gut sortierte, beste Defense der Liga suchen.
Das gelang nicht wirklich. Laut Cleaning the Glass erreichte Golden State über die komplette Partie gesehen ein Offensiv-Rating im Halbfeld von katastrophalen 92,4 Punkten pro 100 Possessions. Zum Vergleich: In der regulären Saison stellten die Orlando Magic mit einem Offensiv-Rating von 104,7 den schlechtesten Angriff der Liga. Die Warriors waren im Halbfeld nochmal ein ganzes Stück schlechter.
Auffällig ist, dass die Warriors zu sehr von Curry abhängig sind. Der Chefkoch zeigte an diesem Ende des Courts einen hervorragenden Auftritt (31 Punkte, 6/11 Dreier) und immerhin meldete sich endlich Klay Thompson in den Finals an (25, 5/13). Doch ansonsten? Draymond wird von der Celtics-Defense allein gelassen, auf die Explosion von Jordan Poole (10) warten Dubs-Fans weiterhin vergeblich und nur Andrew Wiggins lieferte mit 18 Punkten (aber 1/6 Dreier) mehr oder weniger Unterstützung.
Nun müssen die Warriors aber auch noch um Curry bangen, der nach einer unglücklichen Aktion kurz vor Schluss mit einem dick bandagierten Knöchel zur Pressekonferenz humpelte. Zwar betonte der 34-Jährige mit Blick auf Spiel 4 "es wird schon gehen", doch ein angeschlagener Curry tut der Warriors-Offense gegen diese Boston-Defense definitiv nicht gut. Thompson wird nun seinen guten Eindruck bestätigen müssen, aber vor allem von Poole wird Golden State mehr brauchen, wenn sie nicht nur auf Celtics-Turnover hoffen wollen.
5. NBA Finals: Kleinliche Pfiffe sind Draymonds Erzfeind
Er habe "wie Schei**" gespielt, fasste Green seine eigene Leistung zusammen und man kann ihm wohl nur recht geben (SPOX-Note: 5). Wie bereits angesprochen: Offensiv fand der 32-Jährige quasi nicht statt, defensiv zog Brown des Öfteren an ihm vorbei in Richtung Zone. Am Ende des Tages foulte er auch noch aus. Green war ganz weit entfernt von seinem starken Auftritt in Spiel 2.
In gewisser Weise hat da auch die Linie der Referees eine Rolle gespielt. In der vorigen Partie ließen sie noch eine Menge durchgehen und gaben damit der physischen Spielweise von Green freie Bahn. In Spiel 3 wurde aber deutlich kleinlicher gepfiffen (23 Warriors-Fouls, 17 in Spiel 2), sodass Golden State nicht ganz so viel Druck ausüben konnte.
Das zeigte sich auch am Beispiel Curry, der schon früh in der Partie und jeweils früh in jedem Viertel mit Foulproblemen zu kämpfen hatte. Coach Steve Kerr ließ seinen Superstar aufgrund der offensiven Abhängigkeit dennoch auf dem Feld, was Boston wiederum mal mehr, mal weniger aggressiv mit Attacken gegen Curry ausnutzte.
Greens schwacher Auftritt lag aber natürlich nicht allein an der Linie der Refs. "Ich habe nie einen Rhythmus gefunden, an beiden Enden des Courts", gab er zu. "Ich habe nicht mit genug Wucht gespielt." Genau das war in Spiel 2 noch gegenteilig der Fall. Und dieser Draymond Green muss auch in Spiel 4 wieder auftauchen, wenn Golden State den Heimvorteil zurückerobern will.
NBA Finals - Warriors vs. Celtics: Die Serie im Überblick (1-2)
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 3. Juni | 3 Uhr | Golden State Warriors | Boston Celtics | 108:120 |
2 | 6. Juni | 2 Uhr | Golden State Warriors | Boston Celtics | 107:88 |
3 | 9. Juni | 3 Uhr | Boston Celtics | Golden State Warriors | 116:100 |
4 | 11. Juni | 3 Uhr | Boston Celtics | Golden State Warriors | - |
5 | 14. Juni | 3 Uhr | Golden State Warriors | Boston Celtics | - |
6* | 17. Juni | 3 Uhr | Boston Celtics | Golden State Warriors | - |
7* | 20. Juni | 2 Uhr | Golden State Warriors | Boston Celtics | - |
*falls nötig