Stephen Curry hatte etwas gegen eine potenzielle 3-1-Führung für Boston in den NBA Finals einzuwenden, die in Spiel 4 lange Zeit im Bereich des Möglichen lag. Doch die Celtics schossen sich mit altbekannten Problemen teils auch selbst ins Bein. Die Gründe für den Kollaps im vierten Viertel - und was künftig besser laufen muss.
1. NBA Finals: Die alten, fatalen Celtics-Muster
"Wir machen das nicht mit Absicht, das verspreche ich euch." Das waren Jayson Tatums Worte nach der 97:107-Pleite seiner Celtics in Spiel 4, als ein Reporter ihn auf ein wiederkehrendes Phänomen ansprach: Boston macht es sich scheinbar immer wieder selbst schwerer als unbedingt nötig.
Das war bereits gegen Milwaukee und gegen Miami zu beobachten. Die Kelten hatten durchaus Chancen, frühzeitig die Kontrolle über die jeweilige Serie zu übernehmen und mussten sich am Ende doch in sieben Spielen durchbeißen. Auch in Spiel 4 der Finals lag eine goldene Möglichkeit auf dem Präsentierteller. 5:18 Minuten vor Schluss lagen die Hausherren mit +4 in Front - doch es folgte ein 17:3-Lauf der Warriors.
Auf der Suche nach den Gründen für diesen Einbruch landet man sehr schnell bei Stephen Curry. Glaubt man dessen Splash Brother Klay Thompson, hat der 34-Jährige das beste Finals-Spiel seiner Karriere hingelegt. 43 Punkte, 7/14 Dreier, gegen das neue Warriors-Motto "Strength in Number 30" fand Boston letztlich keine Antwort.
Fast automatisch geht da der Blick in Richtung der defensiven Leistung Bostons, doch hier können sich die Gastgeber kaum Vorwürfe machen. Die Celtics haben meist sogar ordentlich verteidigt, Curry hat nur überragend getroffen. "Darunter waren verrückte Würfe gegen einen guten Contest", befand Celtics-Coach Ime Udoka. Er, wie viele seiner Spieler, sah ein anderes Problem: "Unsere Offense war nicht gut genug."
NBA Finals: Deshalb enttäuscht Bostons Clutch-Offense
Auch das war eine korrekte Beobachtung, vor allem aufs vierte Viertel bezogen. Im Schlussabschnitt legte Boston ein Offensiv-Rating von 86,4 Punkten pro 100 Possessions auf, letztlich gingen sieben der letzten acht Wurfversuche nach der angesprochen 4-Punkte-Führung daneben. Über die gesamte Partie lag das Offensiv-Rating bei immer noch mageren 101,0.
Schon die gesamte Saison über bekleckerte sich die Crunchtime-Offense der Celtics nicht mit Ruhm, sowohl in der Regular Season als auch Playoffs. Das bestätigte sich in Spiel 4. Die Clutch-Stats von nba.com (alles innerhalb von 5 Minuten vor dem Ende bei einer Punktedifferenz von 5 oder weniger) sollten nur mit einer Altersbeschränkung erscheinen, so brutal lesen sie sich: 0:13 zeigte das Scoreboard in der Crunchtime aus Celtics-Sicht an, die bei 0/6 FG und 0/5 Dreier standen.
Dabei zeigten sich alte Muster, mit denen sich Boston immer wieder selbst das Leben schwer machte. "Wir haben uns eigentlich in eine Position gebracht, um das Spiel zu gewinnen", merkte auch Tatum an. "Es gibt da eine Menge Dinge, von denen wir wünschten, dass wir sie anders gemacht hätten - vor allem in der Offense. Wir waren viel zu träge im vierten Viertel."
"Träge" war ein Wort, das bei den Celtics Postgame fast in aller Munde war. "Jeder stand nur rum und hat denjenigen angestarrt, der den Ball hatte. Wir müssen einen besseren Job machen, unsere Offense in engen Spielen auszuspielen", monierte Derrick White.
NBA Finals: So macht sich Bostons Offense selbst das Leben schwer
Dieses Problem ist nicht neu. Schon öfters ließ sich beobachten, wie Bostons Offense in engen Spielen das Tempo herausnahm, keine Sets mehr lief, sondern vermehrt ihr Heil in Isolations spät in der Shotclock suchte. So auch in Spiel 4, als teils Matchup-Hunting im schlechtesten Sinne überhandnahm. Zum Beispiel attackierte Boston Nemanja Bjelica, während das restliche Team herumstand. Der Serbe aber hielt dem Druck mit ordentlicher Defense stand.
Andere Male wurde ein potenzielles Mismatch durch ein Screen ignoriert wie hier. Jaylen Brown könnte den Switch auf Jordan Poole bekommen, lehnt den Screen aber ab, um Klay Thompson zu attackieren. Der Warriors-Guard macht seine Sache aber ebenfalls sehr solide und ist selbst nach zwei schlimmen Verletzungen und deutlich verminderter Geschwindigkeit noch ein besserer Verteidiger als Poole.
Und wieder andere Male wollten auch gute Looks in der Crunchtime einfach nicht fallen, Boston war in dieser Phase eiskalt. Sowohl die Rollenspieler, als auch die Stars. Brown stand im vierten Viertel bei 3/7 FG, Marcus Smart bei 1/4 und Tatum gar bei 1/5. Vor allem Letzterer muss zwingend mehr liefern.
2. NBA Finals: Warten auf Jayson Tatums Scoring-Explosion
Der 24-Jährige spielt in Sachen Scoring nicht auf dem Level, das sowohl neutrale Beobachter wie Celtics-Fans als auch er selbst vom All-NBA First Teamer erwarten. Tatum spielt mitnichten schlechte Finals, vor allem als Playmaker brillierte er bei den beiden Celtics-Siegen (22 Assists bei 4 Turnover). Doch wenn es darum geht, selbst zu punkten, enttäuscht er bislang.
22,3 Punkte im Schnitt in vier Spielen klingen durchaus ordentlich, doch beim Blick auf die Feldwurfquote von 34,1 Prozent (aber starke 45,2 Prozent Dreier) wird schnell das Verbesserungspotenzial des Celtics-Stars deutlich. In Spiel 4 benötigte er für seine 23 Zähler auch 23 Würfe (nur 8 Treffer), in der zweiten Halbzeit tauchte er mit nur 2/9 FG fast ab. Seinen 6 Vorlagen standen zudem 6 Ballverluste gegenüber.
"Hut ab vor den Warriors. Sie sind ein großartiges Team, sie spielen gut, sie haben einen guten Gameplan", sagte Tatum nach der Partie, bevor er zu seinem eigentlichen Punkt kam. "Aber diese Niederlage geht auf mich. Ich muss besser spielen. Ich weiß, dass ich das Spiel auch anders beeinflusse, aber ich muss effizienter sein, den Ball besser werfen und besser am Ring abschließen. Ich übernehme die Verantwortung."
Coach Udoka will bereits eine Erklärung für die Probleme seines Franchise-Stars gefunden haben. "Manchmal will er nur Fouls ziehen, anstatt ein Play zu beenden. Das habe ich schon in ein paar Spielen gesehen." Tatum müsse zudem die richtige Balance finden aus Playmaking und Scoring. Und wenn er sich für den eigenen Abschluss entscheidet, auch wirklich aggressiv sein und nicht nur auf den Pfiff hoffen.
In Spiel 4 versenkte er nur 3 seiner 9 Abschlüsse in der Zone, über die komplette Serie steht er bei 36,5 Prozent Feldwurfquote innerhalb der Painted Area. Darunter sind aber auch leichte Korbleger, die Tatum nun schon des Öfteren danebensetzte.
3. Celtics vs. Warriors: Der offensichtlichste X-Faktor der Finals
Es war schon Thema in unserer Vorschau, es war ein Thema nach gefühlten jedem der vier bisherigen Finals-Spiele und es wird ziemlich sicher ein Thema in dieser Serie bleiben: Boston muss dringend zusehen, zu viele Turnover zu vermeiden.
In Spiel 4 waren es 16 Ballverluste, die Golden State wiederum in 19 direkte Punkte umwandelte. Nun war das zugegebenermaßen nicht der entscheidende Faktor in dieser Partie - auch die Warriors schenkten 16-mal den Ball her (für 17 Celtics-Punkte), entscheidender für den Vorteil bei den Abschlüssen (+6) war eher das Offensiv-Rebounding (16:11) - doch die Ballverluste sind eben doch in doppelter Hinsicht wichtig.
Einerseits schadet es natürlich der eigenen Offense, was in einem engen Spiel besonders schmerzhaft sein kann. Andererseits kommen so die Warriors in Transition und entgehen damit der besten Defense der Liga, die Golden State im Halbfeld regelmäßig vor Probleme stellt. 10 der 16 Ballverluste waren Live-Ball-Turnover. Boston steht nun bei 1-6 in den Playoffs, wenn es sich mindestens 15 Ballverluste erlaubt.
Turnover werden auch in den kommenden Partien ein wichtiger X-Faktor bleiben, der über Sieg oder Niederlage entscheiden kann. Übrigens auch auf der anderen Seite, die Dubs sind bekanntermaßen ebenfalls fehleranfällig.
4. NBA Finals: Was muss für Boston in Spiel 5 besser laufen?
Die einfachste Antwort auf diese Frage: In all den oben genannten Aspekten muss Boston Fortschritte zeigen. Das gilt für die Crunchtime-Offense im Ganzen (sollte es wieder ein enges Spiel geben), wie auch für Tatum im Speziellen. "So einfach ist es", betonte der Celtics-Star. "Ich muss besser spielen. Ich weiß auch, dass ich das kann. Mein Team und ich verlangen nichts Unmögliches von mir. Ich kenne das Level, das ich abrufen kann."
Das wichtigste Adjustment für den Forward wird sein: Würfe treffen. Wohl niemand bezweifelt, dass Tatum jederzeit heiß laufen kann, auch in Spiel 5 in der Nacht auf Dienstag (3 Uhr live auf DAZN) - trotz der insgesamt guten Defense, die Andrew Wiggins oder teils auch Gary Payton II gegen ihn spielen. Bislang ist Curry mit großem Abstand der beste Spieler der Serie, aber Tatum verfügt über das Potenzial, ihm diesen Titel in den verbliebenen bis zu drei Spielen noch streitig zu machen.
Ansonsten sah Boston in diesen Finals phasenweise wie das bessere Team aus, konnte dies aus unterschiedlichen Gründen aber nicht in eine komfortable Führung ummünzen. Der Heimvorteil liegt nun wieder bei den Warriors, doch das muss noch lange nichts heißen. Die Mannen von der Ostküste haben schon mehrfach bewiesen, dass sie mit Widrigkeiten aller Art äußerst gut umgehen können.
Bestes Beispiel: In diesen Playoffs hat Boston nach jeder der sieben Niederlage mit einem Sieg geantwortet, gelingt das nun auch zum achten Mal? "So treten wir schon das ganze Jahr über auf", sagte Marcus Smart. "Wir nehmen die Niederlage hin und kommen wieder auf die Beine. Das macht uns aus und das wird uns auch weiterhin ausmachen."
"Wir mussten den schwierigen Weg gehen", schlug Coach Udoka in eine ähnliche Kerbe. "Wir sind nach den Serien gegen Milwaukee und Miami kampferprobt. Jetzt müssen wir es wieder machen." Die Warriors werden allerdings ebenfalls ein Wörtchen mitreden wollen - für den neutralen Fan könnte die Situation nach Spiel 4 kaum besser sein.
NBA Finals - Celtics vs. Warriors: Die Serie im Überblick (2-2)
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 3. Juni | 3 Uhr | Golden State Warriors | Boston Celtics | 108:120 |
2 | 6. Juni | 2 Uhr | Golden State Warriors | Boston Celtics | 107:88 |
3 | 9. Juni | 3 Uhr | Boston Celtics | Golden State Warriors | 116:100 |
4 | 11. Juni | 3 Uhr | Boston Celtics | Golden State Warriors | 97:107 |
5 | 14. Juni | 3 Uhr | Golden State Warriors | Boston Celtics | - |
6 | 17. Juni | 3 Uhr | Boston Celtics | Golden State Warriors | - |
7* | 20. Juni | 2 Uhr | Golden State Warriors | Boston Celtics | - |
*falls nötig
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