NBA - Gründe für den Fehlstart der Philadelphia 76ers: Doch kein Contender? Die Gründe für den verkorksten Start

Robert Arndt
24. Oktober 202210:12
Doc Rivers' Stuhl könnte schon bald wackeln.getty
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Die Philadelphia 76ers haben ihre ersten drei Spiele verloren. Das sorgt schon wieder für Unruhe, auch weil die Gründe für den Fehlstart so offensichtlich sind. Wackelt deswegen auch bald Head Coach Doc Rivers?

"Wir sind noch nicht bereit", fasste Sixers-Coach Doc Rivers den verkorksten Saisonstart seiner Mannschaft nach der Pleite gegen San Antonio zusammen. "Wir können noch keine Spiele gewinnen, das spüre ich. Auf uns wartet noch jede Menge Arbeit." Harter Tobak!

Dies wurde vor allem gegen die Spurs deutlich, die vor der Saison als eines der schlechtesten, wenn nicht sogar das schlechteste Team der Liga galten. Diesen Titel halten nun die Sixers, die bereits zum Auftakt in Boston und gegen Milwaukee unterlagen. Wir gehen deswegen auf Ursachenforschung.

Philadelphia: Joel Embiid noch nicht in Form

Die 40 Punkte gegen San Antonio verzerren etwas das Bild, dennoch dürfte jedem klar sein, dass Joel Embiid noch nicht in dieser Saison angekommen ist. Gegen die Bucks blieb er in einer ganzen Halbzeit ohne Punkte, überhaupt trifft der zweimalige Zweite bei der MVP-Wahl bisher nur für ihn magere 45,3 Prozent aus dem Feld. Es fehlt an Rhythmus und das auf beiden Seiten des Feldes. Auch in der Defense wirkt der Kameruner einen Schritt langsamer als üblich.

Zuletzt wurde über die Folgen seiner Daumen-OP spekuliert, dabei ist es laut eigener Aussage der Fuß, genauer gesagt der Fersensporn, welcher Embiid zu schaffen macht. "Zuerst war es nur etwas schmerzhaft, doch dann wurde es immer schlimmer", berichtete Embiid. Dies war im Juli, danach konnte der Center über zwei Monate nicht trainieren. "Irgendwann konnte ich kaum mehr laufen. Nun geht es und ich brauche das nicht als Ausrede."

Auf seine Minuten hat sich das bisher nicht ausgewirkt, Embiid spielte stets seine 36 Minuten, baute gegen Ende gerade in den ersten beiden Spielen ab. Der Touch ist noch nicht da. Hinzu kommen bereits 12 Turnover, ein Rückfall in alte Zeiten. Embiid war stets anfällig dafür, bekam das aber besser in den Griff. In den ersten Spielen waren sie aber wieder da. Leichte Fehler beim Dribbling, zu ambitionierte Pässe oder aber Embiid trennte sich einfach zu spät vom Ball.

Dass Embiid darüber hinaus den Ball oft erst sehr spät in der Shotclock erhielt, verschärfte diese Probleme. Der Center wird sich steigern, es dürfte auf kurze Sicht die Baustelle sein, welche am leichtesten verschwinden wird. Derzeit hat der 27-Jährige ein negatives Net-Rating von -8,9, während seiner kompletten Karriere war es ansonsten stets (deutlich) positiv. Die Stichprobe dafür ist klein und zeigt, dass mit einem Embiid in Normalform die Sixers deutlich besser dastehen könnten.

Joel Embiid: Sein Net-Rating über die Jahre

SaisonNet-RatingSixers ohne EmbiidBilanz Sixers
2016/174,1-7,828-54
2017/1811,7-1,852-30
2018/197,6-3,551-31
2019/205,20,143-30
2020/2112,00,149-23
2021/227,9-3,651-31
2022/23-8,9-4,10-3

Philadelphia 76ers: Zu viel Harden, zu wenig Maxey

Ebenso ein Teil der Wahrheit ist, dass Embiid bisher weniger Touches erhielt. Der Grund dafür ist offensichtlich. Bisher sehen die Sixers mehr wie ein Harden-Team aus. Der 33-Jährige wirkt deutlich fitter als noch im Vorjahr, die Oberschenkelprobleme sind offensichtlich Geschichte. Das ist eine gute Nachricht für Philly, gleichzeitig muss eine bessere Balance gefunden werden.

So hält Harden den Ball für fast elf Sekunden pro Possession, das ist grob gesagt die halbe Shot Clock und ein deutlicher Anstieg zum Vorjahr. Für den Moment ist es Phillys beste Offense, doch wenn die Sixers im Titelrennen ein Wörtchen mitreden wollen, wird das nicht reichen. Es ist dennoch gut zu wissen, dass Harden wieder besser zum Korb kommt und endlich auch wieder mehr Midrange Game zeigt (bisher 7/10 FG). Nur bei der Dosierung besteht Luft nach oben.

Das sind nicht mehr die Houston Rockets, die so designt wurden, dass sich alles um Harden dreht. Embiid ist einer der besten Offensiv-Center der Liga, dazu gibt es mit Tobias Harris oder Tyrese Maxey weitere Spieler, die für sich selbst kreieren können und mehr als nur reine 3-and-D-Rollenspieler sind. Vor allem Maxey leidet unter der Harden-Zentrierung, seine Stärken kommen kaum zur Geltung.

Der 21-Jährige ist dann am besten, wenn er eine nicht sortierte Defense attackieren kann, allerdings spielt im Moment niemand langsamer als Philadelphia. Dazu erhält Maxey auch im Halbfeld nur selten die Gelegenheit, aus der Bewegung zu penetrieren. Die Folge ist, dass es Maxey mit seinen wenigen Möglichkeiten zu oft erzwingen möchte. Auch er hatte bereits mehrere Possessions, in welchen er den Ball einfach fliegen ließ, obwohl kein anderer Sixer den Ball zuvor berührt hatte.

Philadelphia 76ers: Wer verteidigt eigentlich?

Das Harden/Maxey-Tandem bringt aber auch anderweitig Probleme mit sich, vornehmlich in der Defense. Dieses Sixers-Team bekommt gegen schnelle Guards stets Schwierigkeiten, weil es vor allem mit der Starting Five keine validen Optionen gibt. Auf Hardens Point-of-Attack-Defense brauchen wir gar nicht großartig eingehen, diese ist oft nicht existent und auch Maxey ist in dieser Hinsicht ein Minus.

P.J. Tucker ist hier schon die beste Option, der wird aber auch auf dem Flügel gebraucht, weil Harris selbst maximal Durchschnitt ist. Dieses Problem deutete sich schon in der Preseason an, auch wenn man im Sommer mit De'Anthony Melton oder Danuel House in dieser Hinsicht in die Breite des Kaders investierte. Einen Effekt hatte dies aber noch nicht, beide suchen noch ihren Platz im Team (dazu später mehr).

So lastet viel auf den Schultern von Embiid, der am Ring zwar vieles wegräumt und mit seiner Präsenz den Gegner zweimal überlegen lässt, ob er wirklich einen Abschluss nehmen möchte. Und in der Tat, nur Denver lässt bisher weniger direkt unter dem Korb zu.

Gleichzeitig gibt es laut Cleaning the Glass aber auch kein Team, welches mehr Dreier als Philadelphia abgibt, eben weil die Defense so schnell kollabiert. Gleichzeitig ist Philly aber nicht nur schwach im Halbfeld, sondern auch in Transition. Hier wären wir wieder bei Harden und Maxey, die in dieser Hinsicht häufig negativ auffallen. Auch Embiid ist bekannt dafür, lieber mit den Refs zu diskutieren, als den Weg nach hinten anzutreten. Fast 18 Transition-Punkte kassieren die Sixers pro Partie, nur Brooklyn und Houston sind bislang schlechter.

Die Philadelphia 76ers haben ihre ersten drei Spiele verlorengetty

Philadelphia 76ers: Rotationen noch nicht klar

All das sind Indikatoren, die zeigen, dass sich dieses Team noch nicht gefunden hat. Nach nur drei Spielen ist das nicht verwunderlich, vor allem weil Sixers-Coach Rivers in seinem dritten Jahr in Philadelphia deutlich mehr Alternativen zur Verfügung stehen als in den beiden vorherigen Spielzeiten. Auf dem Papier sieht es so aus, als ob alles da ist, um mit Embiid erstmals richtig weit in der Postseason vorzustoßen.

Aber: Rivers hat die richtigen Kombinationen noch nicht gefunden. So hat ein Matisse Thybulle noch gar keinen Platz, der zweifache All-Defense-Spieler stand erst vier Minuten auf dem Court, trotz seiner Wurfschwäche könnte er dem Team zumindest in der Defense helfen. Für den Moment sind seine Dienste aber nicht gefragt.

Die Second Unit bleibt eine Reminiszenz an alte Rockets-Zeiten für Harden. Zusammen mit House, Melton und Tucker standen oft vier ehemalige Rockets zusammen auf dem Feld, was zumindest gegen die Bucks recht ordentlich aussah. Gleichzeitig paarte Rivers Embiid häufiger mit Maxey.

Immerhin hat Rivers davon Abstand genommen, komplette Bank Units wie in der Vergangenheit zu bringen. Großes Vertrauen scheint Rivers ohnehin nicht in die Bank zu haben, gegen die Spurs gingen Harden, Embiid, Harris und Maxey über 36 Minuten, während von den Reservisten nur House, Niang und Melton mehr als neun Minuten Einsatzzeit bekamen. Gegen die tankenden Spurs!

Die Backup-Center-Position bleibt vakant, sowohl Paul Reed als auch Montrezl Harrell durften sich versuchen, im vierten Viertel bevorzugt Rivers dennoch lieber Tucker. Alte Konstanten wie Shake Milton oder Furkan Korkmaz waren bislang nur Bankwärmer. Das sind alles mögliche Unruheherde, erst recht, wenn die Sixers weiter so durch die Saison taumeln.

Und schließlich ist schon jetzt klar, wer der offensichtliche Sündenbock sein wird - nämlich der Coach. In diesem Jahr gibt es keine Ausreden mehr, Ben Simmons ist weg, Harden machte die komplette Vorbereitung mit und der Kader ist so gut wie noch nie in der Embiid-Ära. Seine demolierte Playoff-Vita (Stichwort: 3-1-Führung) tut da ihr Übriges.

Noch ist wenig passiert, drei Niederlagen, zwei davon gegen Contender, sind in einer 82-Spiele-Saison kein Weltuntergang, doch im unruhigen Philadelphia sollte dies nicht unterschätzt werden. Die nächsten Spiele könnten bereits richtungsweisend für die Sixers werden.

Philadelphia 76ers: Die kommenden Spiele

DatumUhrzeitGegnerOrt
25. Oktober1 UhrIndiana PacersH
27. Oktober1.30 UhrToronto RaptorsA
29. Oktober1.30 UhrToronto RaptorsA
30. Oktober2 UhrChicago BullsA
1. November0 UhrWashington WizardsA