Charles Barkley war als kleiner und übergewichtiger, aber trotzdem dominanter Power Forward wohl eine der größten Anomalien des Basketballs. Mit Sicherheit aber war er eine der charismatischsten und witzigsten Personen, die jemals eine Halle der NBA betreten haben. 1993 erreichte er mit Phoenix endlich die Finals - und verlor dramatisch. Heute wird Sir Charles 58 Jahre alt.
"Ich bin genau das, was Amerika braucht. Ein weiterer arbeitsloser Schwarzer." Der Kommentar nach der Verletzung, die seine Karriere letztendlich beendete, passt zum Menschen Charles Barkley wie die Faust aufs Auge. "Chuck Wagon" sagte immer genau das, was er dachte - und interessierte sich nicht im Geringsten dafür, ob das den Menschen passte oder nicht. "Ob ich in den Himmel komme? Das wird eine echt knappe Entscheidung."
Zeit seiner Karriere war der Power Forward eine polarisierende Figur. Auf der einen Seite war Barkley ein Spieler, der die Fans dank seiner Athletik mit Blocks und Dunks begeistern konnte, obwohl er regelmäßig mindestens einen halben Kopf kleiner als sein Gegner und übergewichtig war. Auf der anderen Seite war er ein Lebemann, der gerne viel aß, feierte und trank und vor allem in seinen Anfangsjahren ein gefundenes Fressen für den Boulevard war.
Da war der ominöse "Spuck-Vorfall": Barkley wurde von einem Fan permanent beleidigt und spuckte in dessen Richtung, traf aber ein kleines Mädchen. Für die Zeitung ein gefundenes Fressen, obwohl Barkley sich schnell entschuldigte und bis heute mit seinem "Opfer" befreundet ist. Er prügelte sich mit den legendären "Bad Boy" Pistons und legte sich mit Shaquille O'Neal an.
gettyCharles Barkley: Die Anfänge in Philly
Barkley wollte nie ein Vorbild sein. "Wenn ich im Jahr nicht drei Millionen Dollar verdienen würde, um einen Basketball zu dunken, würden die meisten Menschen bei meinem Anblick die Straßenseite wechseln", sagte er einst. Umso mehr Spaß machte es dem "Round Mound of Rebound", seine Kritiker mit seinem Spiel ruhig zu stellen.
Nach drei Jahren am College in Auburn kommt Barkley als fünfter Pick im legendären 1984er Draft zu den Philadelphia 76ers. Die haben mit Julius "Dr. J" Erving und Moses Malone zwei ehemalige MVPs im Kader und gehören im Osten zur absoluten Elite. Bereits in Barkleys erstem Jahr geht es für die Sixers ins Ostfinale, wo sie jedoch gegen den amtierenden NBA-Champ aus Boston scheiterten. Er selbst hat sich da bereits als veritable dritte Option etabliert.
Als Rookie legte Barkley neben den beiden Altstars 14 Punkte und 8,6 Rebounds auf, im zweiten Jahr steigerte er seine Ausbeute auf 20 Punkte und 12,8 Rebounds pro Spiel. Nach einem Playoff-Aus in der zweiten Runde traden die Sixers allerdings Moses Malone und lösen damit eine der besten Rebound-Kombinationen der Liga-Geschichte auf. Ein Jahr später verlässt auch Dr. J das Team und geht in den wohlverdienten Ruhestand.
Charles Barkley: Wie Larry und Magic
"Sir Charles" ist ab 1987 also der uneingeschränkte Star der Mannschaft. Beeindruckend ist dabei vor allem die Vielseitigkeit des lediglich 1,98m großen Forwards. Seine vielleicht größte Stärke ist es, einen Defensiv-Rebound zu holen und sofort durchzustarten, um den Ball vorne mit aller Macht durch den Ring zu drücken. Barkley ist in dieser Hinsicht eine Art Vorgänger von LeBron James, nur einen Kopf kleiner und mit leichtem Bierbauch. Es kommt selten vor, dass jemand gegen diese Dampflok versucht, ein Offensivfoul anzunehmen. Im Gegenteil: Seine Kontrahenten gehen regelmäßig ehrfürchtig in Deckung...
Bill Walton vergleicht ihn schon damals mit Larry Bird und Magic Johnson: "Barkley ist wie Magic und Larry in der Hinsicht, dass sie alle nicht wirklich eine Position spielen. Er spielt alles; er spielt Basketball. Es gibt niemanden, der das tut, was Barkley tut. Er ist ein dominanter Rebounder, ein dominanter Verteidiger, ein Dreierschütze, ein Dribbler, ein Playmaker."
Trotz aller individueller Brillanz und der ersten Nominierung ins All-NBA First Team kann Barkley die Sixers ohne Hilfe nicht in die Playoffs führen. In den nächsten Jahren versucht er alles Menschenmögliche, wird 1990 sogar Zweiter bei der MVP-Wahl, weiter als bis in die zweite Runde geht es für Philly jedoch nicht. Der ausbleibende Erfolg lässt das Frustlevel immer deutlich anwachsen, bis Barkley nach der Saison 91/92 schlussendlich einen Trade fordert - und bekommt. Vor dem Neustart bei den Phoenix Suns stehen jedoch zunächst die Olympischen Spiele an.
Charles Barkley als Top-Scorer des Dream Teams
Die USA stellen in Barcelona das wohl beste Basketballteam aller Zeiten. Michael Jordan, Larry Bird, Magic Johnson sind klar die populärsten Spieler, der heimliche Star der Mannschaft wird jedoch Barkley. Er setzt sich gegenüber Karl Malone als Starting Power Forward durch und avanciert zum Top-Scorer der Amerikaner. Zudem "glänzt" er nebenher wieder mal als Sprücheklopfer und erntet Sympathien, die ihm in Philadelphia so nicht mehr zuteilwurden. Gegenüber Malone gibt es gleich mal die Ansage: "Es gibt einen neuen Sheriff im Westen."
Tatsächlich wird seine erste Saison in Phoenix zu einem einzigen Triumphzug. Nachdem er sich den Sommer über im Training mit den Besten der Besten messen konnte, kommt Barkley fitter denn je zu seiner Mannschaft - und findet in Phoenix ein Team vor, das mit Kevin Johnson und Dan Majerle bereits über einen talentierten Kader verfügte und im Vorjahr 53 Spiele gewann. Mit Barkley sichern sich die Suns mit 62 Siegen die beste Bilanz der Liga und erreichen die NBA Finals, nachdem "Chuck Wagon" im siebten Spiel der Conference Finals monströse 44 Punkte und 24 Rebounds abliefert.
Zuvor hatte Barkley mit 25,6 Punkten, 12,2 Rebounds und 5,1 Assists pro Partie abermals das ganze Paket seiner Fähigkeiten zur Schau gestellt. Belohnt wird er mit der MVP-Trophäe. In den Finals sind jedoch die Chicago Bulls um seinen Freund Michael Jordan eine Nummer zu groß. Ein schwacher Trost: Von allen sechs Finals-Gegnern der Bulls waren die Suns wohl der stärkste. Näher wird Barkley dem NBA-Titel jedoch nie mehr kommen.
Charles Barkley: Der Anfang vom Ende
Denn obwohl die Suns auch in den nächsten beiden Jahren 56 beziehungsweise 59 Spiele gewinnen, scheitern sie in den Playoffs jeweils an Hakeem Olajuwon und seinen Houston Rockets, welche schlussendlich auch beide Larry O'Brien-Trophys holen. Barkley selbst hat zusehends mit Verletzungen zu kämpfen, erwägt phasenweise sogar, seine Karriere zu beenden, obwohl er weiterhin für mehr als 20 Punkte und zehn Rebounds pro Spiel gut ist.
Nach vier Jahren in Phoenix schließt er sich 1996 dann ausgerechnet den Rockets an, um mit Olajuwon und Clyde Drexler einen letzten Run auf den Titel zu starten. Dieses Glück bleibt ihm jedoch verwehrt. Die Rockets erreichen 1997 noch einmal die Conference Finals, in den Folgejahren ist allerdings jeweils in der ersten Runde Schluss. In der Saison '99/00 verletzt sich Barkley - ausgerechnet in Philly, wo alles begann - so folgenschwer, dass er seine Karriere beenden muss.
Er lässt sich am Ende der Saison noch einmal für einen schnellen Korb einwechseln, dann tritt er ab. Als einer von vier Spielern, denen in der NBA mehr als 20.000 Punkte, 10.000 Rebounds und 4.000 Assists gelangen, als doppelter Goldmedaillengewinner bei Olympia, als elfmaliger All-Star. Aber nicht als NBA-Champion.
Charles Barkley und die "schwarze Liste"
Barkley steht damit in einer Reihe mit Spielern wie Elgin Baylor, Allen Iverson, Karl Malone, George Gervin oder Patrick Ewing: Großartige Spieler, die nie den Titel gewinnen konnten. Barkley selbst nennt dies die "Shit List" und freut sich jedes Mal, wenn ein Spieler sie endlich verlassen kann - wie beispielsweise Kevin Garnett 2008 oder Dirk Nowitzki 2011. Er meint, er selbst hätte bessere Chancen gehabt, wenn er Philadelphia eher verlassen hätte. Sonst habe er sich nichts vorzuwerfen, weil er immer alles gegeben habe.
Tatsächlich war er bereits 30, als er mit Phoenix in den Finals stand. Einen Kritikpunkt muss sich "Sir Charles" jedoch gefallen lassen, auch wenn es ihn vermutlich nicht im Geringsten interessiert: Abgesehen von seinen beiden ersten Jahren in Phoenix ging er kaum einmal fit in eine Saison. Während ein Michael Jordan etwa im Sommer an seinem Körper und seinem Spiel arbeitete, aß Barkley Chicken Wings und trank Bier in Las Vegas. Und machte keinen Hehl daraus.
Auf dem Platz ging "Chuck" immer bis zum Äußersten, daneben aber leider auch. Vielleicht hätte er mit einem professionelleren Lebenswandel auch seinen Namen von der Liste entfernen können, wahrscheinlich hätte er zumindest weniger Verletzungsprobleme gehabt.
Sein Erbe steht so oder so. Zwar nicht als Champion, dafür aber als einer der schillerndsten Sportler seiner Zeit, der zu allem etwas zu sagen hatte - und nach wie vor hat. Passenderweise ist er mittlerweile seit Jahren bei TNT als Experte tätig und gibt seine (oft kontroverse) Meinung zum Besten. Und drückt aktiven Spielern die Daumen, dass sie ihren Namen vor dem Karriereende noch von der "Shit List" streichen können.