Manute Bol war nach Gheorghe Muresan der größte NBA-Spieler aller Zeiten und glänzte über Jahre als Block-Maschine. Der Südsudanese kam dabei nur durch Zufall in die NBA und wurde auch deshalb zu einem echten Publikumsliebling. Bol definierte sich bis zu seinem Tod über Basketball hinaus.
"You can't teach height" - Dieses Zitat dürfte jeder Basketball-Fan mal gehört haben. Bei keinem anderen Spieler traf das so sehr zu wie bei Manute Bol. Mit einer Größe von 2,31 Meter und einer Spannweite von 2,59 Meter setzte er aufgrund seiner körperlichen Voraussetzungen neue Maßstäbe. Selbst echte Seven-Footer überragte Bol um einen guten Kopf.
Knapp elf Jahre war Bol in der NBA aktiv und erzielte lediglich 1.599 Punkte (2,6 im Schnitt), dafür blockte er aber satte 2.086 Würfe (3,3 im Schnitt). Das macht ihn zum einzigen Spieler, der mehr Blocks als Punkte in den Statistikbogen brachte.
18-mal blockte der Südsudanese mindestens zehn Würfe, zweimal gelangen ihm sogar acht Rejections in einem Viertel. Legendär bleibt auch ein Spiel gegen Orlando, als Bol in einem Ballbesitz vier Würfe gegen vier verschiedene Spieler blockte.
Manute Bol: Einer der größten NBA-Spieler aller Zeiten
Bol mutierte zu einem Fanliebling, wo auch immer er spielte, Washington, Golden State, Philadelphia oder zum Ende seiner Karriere in Miami. Bol war nicht der typische NBA-Spieler, nicht nur aufgrund seiner Größe stach er heraus. Der Mann mit den spindeldürren Gliedmaßen hatte stets ein Lächeln auf den Lippen, kommunizierte mit den Fans. Auch er wusste, wie klein die Chance eigentlich war, dass er mal vom Basketball würde leben können.
Bol stammte aus dem damaligen Sudan und gehörte dem Stamm der Dinka an, welche der Volksgruppe der Niloten zuzuordnen sind. Sie zählen zu den größten Menschen der Welt und zeichnen sich zudem durch ihren enorm schlanken Körperbau sowie die extrem dunkle Hautfarbe aus.
Dem späteren NBA-Center wurde Größe in die Wiege gelegt. Laut eigenen Angaben war Bols Mutter 2,08 Meter und der Vater 2,03 Meter groß, der Großvater (er hatte 30 Frauen und 80 Kinder) soll Manute mit 2,39 Meter sogar deutlich überragt haben. Dass Bol unüblich groß war, war ihm zunächst gar nicht klar. "In meinem Dorf wurde ich nie gemessen, erst mit 18 oder 19 Jahren wurde mir gesagt, dass ich 2,31 Meter bin", sagte er später.
Manute Bol: Wie alt war er wirklich?
Sein genaues Alter kannte Bol dagegen nie, es existierte keine Geburtsurkunde und machte Bol zu einer Art Mysterium. Später ging beispielsweise auch mal die Legende um, dass er mit einem Speer einen ausgewachsenen Löwen zur Strecke gebracht hatte. Entdeckt wurde Bol von einem College-Coach aus New Jersey, Don Feeley, der im Sudan ein Camp abhielt. Feeley vermittelte Bol an Cleveland State. Deren Coach Kevin Mackey hatte aber ein Problem: Bol hatte kein Alter, also dachte sich der Coach einfach den 16. Oktober 1962 als Geburtsdatum aus.
"Er hatte keine Ahnung, wie alt er ist, und auch sein Freund konnte es nicht sagen", erinnerte sich Mackey gegenüber Adam Zagoria später. Bols Alter wurde also auf 21 Jahre gesetzt, damit er für das College spielberechtigt war, auch wenn Mackey Zweifel daran hatte. "Ich glaube, dass er über 40 war. Wir werden es aber nie erfahren. Mit 19 stehen dir alle Türen offen, aber mit 35 sind im Sport alle Türen geschlossen."
Da Bol aber kein Wort Englisch sprach, schaffte er den Aufnahmetest nicht und meldete sich stattdessen 1983 direkt für den Draft an. Die San Diego Clippers drafteten Bol auf Empfehlung von Entdecker Feeley schließlich mit dem 97. Pick in der fünften Runde und Bol sorgte für jede Menge Erstaunen.
2,31 Meter und 81,6 Kilo waren seine Daten, andere Teams, welche noch nie seinen Namen gehört hatten, gingen von einem Tippfehler aus. Ein Scout sagte sogar im Fernsehen, dass er noch nie etwas von diesem Spieler gehört oder gesehen habe - in heutigen Zeiten unvorstellbar.
Manute Bol: Fast ein Triple-Double mit Blocks
Aufgrund von Unstimmigkeiten mit Bols Pass sowie der nicht fristgerechten Anmeldung griff die NBA ein und entzog ihm die Spielberechtigung. So war Bol laut Pass lediglich 1,57 Meter groß. Die Erklärung: Die sudanesischen Behörden hatten Bol tatsächlich im Sitzen gemessen. Da auch die NCAA Bol kein grünes Licht gab, schrieb sich Bol an der University of Bridgeport (mit einem Division-II-Team) ein und belegte dort einen Englisch-Kurs für ausländische Studenten.
Nebenbei spielte Bol ab 1984 auch Basketball - und das ziemlich gut. Der Hüne legte über die Saison fast ein Triple-Double mit Blocks auf (22,5 Punkte, 13,5 Rebounds, 7,1 Blocks), die kleine Halle mit 1.800 Zuschauern war plötzlich immer voll. Nach einem Jahr meldete sich Bol für den Draft 1985 an, vornehmlich weil er Geld brauchte, um seine Schwester aus dem Sudan zu holen. Dort wütete nach einem Militärputsch nach 14 Jahren Frieden schon wieder ein Bürgerkrieg.
Schon während seiner Karriere versuchte Bol zu helfen, sich zu engagieren. Fast sein komplettes NBA-Salär steckte er in humanitäre Projekte, während er selbst aufgrund der Unruhen lange nicht in sein Heimatdorf zurückkehren konnte.
Manute Bol: Ein elitärer Ringbeschützer
Derweil kreierte Bol in den USA einen kleinen Hype um seine Person. In der Preseason blockte er alle drei (!) Minuten einen Wurf und auch in den ersten echten Spielen fand kein Team eine Lösung gegen diese Anomalie. "Wenn er noch kräftiger wird, kann ihn keiner mehr stoppen", prophezeite Knicks-Center Patrick Ewing und auch Celtics-Coach K.C. Jones sah in Bol einen Franchise Player: "Ich sage euch, dass sie mit diesem Jungen einen Titel gewinnen können."
Was sie alle übersahen: Bol konnte lediglich eine Sache richtig gut, und das waren eben Blocks beziehungsweise Ringschutz. In Bridgeport spielte Bol stets in einer Zonen-Verteidigung, welche in der NBA damals verboten war. So kassierten die Bullets wegen Bol tonnenweise "Illegal Defense"-Pfiffe, darüber hinaus konnte Bol nicht Mann-gegen-Mann verteidigen, weil sein Körperschwerpunkt so hoch war und er kaum Kraft in den Beinen (welche über 1,20 Meter lang waren) hatte.
Seine Rebound-Zahlen waren für einen Center unterirdisch. Bol galt als "Projekt", weil er offensiv ebenfalls sehr roh war und außer einem kleinen Hakenwurf keinerlei Moves anbieten konnte. So wurde er gewissermaßen auch zu einem Ziel. Die Celtics sammelten untereinander 10.000 Dollar, die derjenige bekommen sollte, welche als Erster über Bol dunken würde. Es gelang allerdings niemanden.
Manute Bol: Mehr Blocks als Punkte
Und Bol war selbst kein Kind von Traurigkeit, sondern auch ein gewandter Trash-Talker. "Hast du kein Kabelfernsehen? Hat es dir niemand gesagt? Niemand dunkt über Manute B-O-L!", sagte Bol seinen Gegenspielern, wenn er mal wieder einen Wurf geblockt hatte.
397 Blocks (5,0 im Schnitt!) waren es in seiner Rookie-Saison, nur Jazz-Center Mark Eaton gelangen in einer NBA-Saison offiziell mehr (456, 1984/85; zu Zeiten von Bill Russell und Wilt Chamberlain wurden Blocks nicht gezählt). Die Bullets erreichten in ihren drei Jahren mit Bol immer die Playoffs, allerdings war auch immer in der ersten Runde Schluss. Bols Spielzeit sank dabei Jahr für Jahr, zumal die Franchise ihm Hall of Famer Moses Malone vor die Nase setzte.
Doch aufgrund seiner Rookie-Saison hatte Bol weiter Fans in der Liga und so landete der Big Man 1988 bei den Golden State Warriors von Coach Don Nelson, wo er zu einer netten Randnotiz der sich anbahnenden Run-TMC-Ära wurde. Nelson ermutigte den Hünen, der in seinen drei Jahren in der Hauptstadt gerade einmal drei Dreier genommen hatte, Distanzwürfe zu versuchen.
Fast einen pro Spiel nahm Bol und traf immerhin 22 Prozent. "Nellie sagte mir, dass ich werfen solle, wenn ich es für einen guten Wurf halten würde." Es wurde ein Gimmick, die Fans forderten Bol nun vermehrt auf zu werfen, oft spielte er aber nur in der Garbage Time.
Manute Bol: Mehr als nur Basketball
Die Sixers investierten 1990 trotzdem einen Erstrundenpick, um den längsten NBA-Spieler in den Kader zu holen. "Er kommt auf das Feld und verändert alles. Jeder muss seine Offense anpassen, bei keinem anderen Spieler muss man das machen", frohlockte Sixers-Coach Jimmy Lynam.
Dort traf Bol auf einen anderen Paradiesvogel, nämlich Charles Barkley, welcher stets mit großem Respekt über Bol sprach: "Viele Leute bemitleiden ihn, weil er so groß ist und merkwürdig läuft. Aber ich sage euch eins: Wenn jeder so wie Manute Bol wäre, wäre das eine Welt, in der ich leben möchte."
So war Bol vermutlich nach seiner Karriere beschäftigter, als es noch während seine NBA-Zeit war. Er besuchte so oft es ging sudanesische Flüchtlingscamps, er gründete eine eigene Stiftung. 2002 unterschrieb Bol sogar einen Vertrag bei einem Eishockey-Team, obwohl er überhaupt nicht skaten konnte. Stattdessen nutzte er die gesteigerte Aufmerksamkeit, um Geld für Kinder zu sammeln.
Apropos Kinder: Bol eiferte gewissermaßen auch seinem Großvater nach (zur Erinnerung: 30 Frauen, 80 Kinder) und zeugte mit zwei Frauen insgesamt zehn Kinder, darunter auch Bol Bol, der 2019 ein Zweitrundenpick war und inzwischen im Kader der Denver Nuggets steht.
Manute Bol: Seine Statistiken in der NBA
Saison | Team | Minuten | Punkte | FG% | Rebounds | Blocks |
85/86 | Bullets | 26,1 | 3,7 | 46,0 | 6,0 | 5,0 |
86/87 | Bullets | 18,9 | 3,1 | 44,6 | 4,4 | 3,7 |
87/88 | Bullets | 14,8 | 2,3 | 45,5 | 3,6 | 2,7 |
88/89 | Warriors | 22,1 | 3,9 | 36,9 | 5,8 | 4,3 |
89/90 | Warriors | 17,5 | 1,9 | 33,1 | 3,7 | 3,2 |
90/91 | Sixers | 18,6 | 1,9 | 39,6 | 4,3 | 3,0 |
91/92 | Sixers | 17,8 | 1,5 | 38,3 | 3,1 | 2,9 |
92/93 | Sixers | 14,7 | 2,2 | 40,9 | 3,3 | 2,1 |
93/94 | Heat/Sixers/Bullets | 8,3 | 0,6 | 21,1 | 1,3 | 1,1 |
94/95 | Warriors | 16,2 | 3,0 | 60,0 | 2,4 | 1,8 |
Manute Bol: Sein Vermächtnis bleibt
Im Spätherbst seiner Karriere sah Bol kaum noch Spielzeit. Nach seiner Entlassung 1993 bei den Sixers absolvierte er in zwei Jahren nur noch 19 Partien für Miami, Washington, wieder Philadelphia und erneut Golden State. Danach spielte Bol noch in einigen kleineren Ligen und widmete sich anderen Dingen.
Seine rund sieben Millionen Dollar, die er über seine Karriere erspielte, gab er komplett für seine humanitären Projekte aus, was ihm 2004 beinahe zum Verhängnis wurde. Bei einer Taxifahrt war Bol in einen Unfall verwickelt, das Auto überschlug sich und der alkoholisierte Fahrer starb. Bol hatte Glück und überlebte nach einigen Tagen im Koma, obwohl er kein Geld für eine Krankenversicherung hatte.
Sechs Jahre später verstarb Bol aufgrund eines Nierenversagens, seine Leiche wird inzwischen im Süd-Sudan aufbewahrt. Seine Geschichte wird für immer weiterleben. Bol entkam der Armut im Sudan, verlor aber nie seine Werte. Als er seine erste Frau heiratete, schenkte er ihrer Familie 80 Kühe. Politisch blieb er engagiert und protestierte mehrfach in Washington gegen die radikale Regierung in seiner Heimat.
Bol war mit sich im Reinen, ganz im Gegensatz zu vielen anderen Spielern, die nur aufgrund ihrer Größe zum Basketball kamen: "Meine Größe hat mich nie gestört. Es ist ein Geschenk Gottes und man muss damit leben, was man bekommt", wischte der Center jegliches Selbstmitleid weg. "Ich hatte eine gute Zeit. Ich hoffe, sie werden mich als guten Jungen in Erinnerung behalten, der hart gespielt hat. Ich war nicht Michael Jordan, aber ich war jemand, den sie Manute Bol nannten."