"Noch lange nicht das Maximum"

Jan-Hendrik Böhmer
23. Februar 201500:23
Giannis Antetokounmpo hat bei den Milwaukee Bucks den Durchbruch geschafft getty
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Giannis Antetokounmpo ist eine der positive Überraschungen der Saison. Dennoch sehen viele in ihm eine wandelnde Freak-Show. SPOX traf ihn zum Gespräch über den Erfolg der Bucks, riesige Hände und das Problem mit seinem Namen. Am Sonntag gibt es ihn dann mit den Milwaukee Bucks gegen die Atlanta Hawks ab 21.30 Uhr im LIVE-STREAM FOR FREE.

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Giannis Antetokounmpo hat die Kapuze seines dunkelgrauen Hoodies tief ins Gesicht gezogen. Als er gebückt die Kabine der Milwaukee Bucks betritt, sieht der 20-Jährige fast unscheinbar aus. Unscheinbar... mit diesem Wort wird Antetokounmpo normalerweise eher nicht beschrieben. Ganz im Gegenteil.

"The Greek Freak" nennen ihn die meisten. Dabei ist es nicht einmal die schiere Körpergröße, die Antetokounmpo selbst unter NBA-Spielern herausstechen lässt. Gleich vier Spieler der Bucks erreichen seine Größe von 2,11 Meter. Erst als er zur Begrüßung die Hand aus der Hosentasche zieht, wird klar, woher der Spitzname kommt.

Ein herausragender Athlet

Es sind die Proportionen. Diese riesigen Hände, zum Beispiel. Gut 25 Zentimeter sind es von der Spitze seines Mittelfinger bis zum Handgelenk. Der direkte Handvergleich ist besonders unter weiblichen Reportern zum beliebten Spiel geworden.

Oder aber die Beine. Diese furchtbar langen Beine, die es ihm erlauben sich trotz seiner Körpergröße unglaublich schnell über den Platz zu bewegen und mit Center-Ausmaßen einen guten Forward zu spielen. Giannis Antetokounmpo, die wandelnde Freak-Show?

Ein zweifelhaftes Image, das viele Spieler stören würde. Nicht so Antetokounmpo. "Das gehört schlichtweg zum Geschäft", antwortet er trocken. "Auf so etwas darf man als Spieler nicht hören. Für mich zählt, was ich auf dem Platz zeige. Das ist meine Antwort."

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Doch auch hier war er für viele Experten lange Zeit vor allem ein "Freak". Ein herausragender Athlet der nebenbei auch irgendwie Basketball spielt. Noch in der Pre-Season rechnete niemand mit ihm - oder gar einem Playoff-Run der Bucks.

Milwaukee überrascht

Mittlerweile hat sich dramatisch geändert. Milwaukee steht auf Platz sechs der Eastern Conference, achteinhalb Spiele vor Charlotte auf Platz acht. Und Giannis Antetokounmpo hat entscheidenden Anteil daran. Zuletzt wurde er sogar als bester Spieler der Woche im Osten ausgezeichnet, steht in einer Reihe mit LeBron James, Kyrie Irving und John Wall.

"Das ist schon eine Genugtuung", sagt er. Aber nicht ohne direkt hinterherzuschieben, dass er sich aus Expertenmeinungen eigentlich relativ wenig macht. Aus schierer Notwendigkeit. Denn als er von Filathlitikos aus der zweiten griechischen Liga in die NBA kam, gab es große Zweifel daran, ob er das Zeug dazu hätte, in der Liga zu bestehen.

Überrascht war Antetokounmpo von den Zweiflern allerdings nicht. "Ich wusste, dass es kritische Stimmen geben würde", sagt er. "Was die Experten damit sagen, ist, dass ich damals ein noch eher rohes Talent war. Und ich hatte ja wirklich noch viel zu lernen."

Kritiker Lügen strafen

Also überhaupt kein Ressentiment gegenüber den Zweiflern? "Was mich ein bisschen getroffen hat", erzählt Antetokounmpo weiter, "war der Vorwurf, dass ich sei nicht reif für NBA sei. Nur weil ich jung bin und meine Karriere in einer niedrigeren europäischen Liga begann, heißt das ja nicht, dass ich keine Ahnung von Basketball habe - selbst wenn das Level in Europa natürlich ein anderes ist als hier in der NBA."

Doch einmal in Milwaukee angekommen, gaben ihm die Bucks Sicherheit. "Das war alles nur in den Medien. Coach Larry Drew hat mir gleich vertraut und mir im Laufe der Saison immer mehr Spielzeit gegeben, nur so kann man sich schließlich verbessern. Und das habe ich getan. Deshalb bin ich heute da, wo ich bin", so Antetokounmpo.

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Dennoch hatte vor der Saison niemand mit den Bucks gerechnet. Von einem schweren Jahr war die Rede. Davon, dass das Team zu jung sei. Zu unerfahren. Und davon, dass ohne große Wundertaten von Larry Sanders ein Platz am Ende der Tabelle sicher sei.

Es kam anders. Sanders spielt keine Rolle und wird das Team vermutlich bald verlassen. Dennoch ist Milwaukee eine der Überraschungen der Saison. Und ein großer Grund dafür ist die "jetzt erst recht"-Mentalität der Spieler. "Die Kritik vor der Saison hat uns motiviert, noch härter zu arbeiten. Die vergangene Saison war extrem hart für uns, keine Frage. Kaum etwas lief zusammen. In diesem Jahr wollten wir deshalb unbedingt die Wende schaffen. Das hat dem Team einen Extra-Schub gegeben", sagt Antetokounmpo.

"Jason ist ein hervorragender Coach"

Selbst Verletzungen wie die von Jabari Parker warfen die Bucks nicht aus der Bahn. Ein großer Grund dafür, so erklärt Antetokounmpo, sei Trainer Jason Kidd. Jener Kidd, dem vor der Saison viele Experten Probleme vorausgesagt hatten. Nach seinem Wechsel von den Nets nach Wisconsin würde es eine Weile dauern, bis er sein junges Team ohne starken Leader unter Kontrolle und auf Kurs gebracht haben würde.

Genau das Gegenteil ist der Fall. "Jason war ein sensationeller Spieler und ist ein hervorragender Coach", erklärt Antetokounmpo. "Es ist wichtig für ein junges Team, einen Trainer zu haben, der selbst vor kurzer Zeit noch gespielt hat. Da fällt es den Spielern deutlich leichter, eine Verbindung zu ihm aufzubauen. Er ist sehr intelligent. Man muss ihm nur richtig zuhören. Dann lernt man jeden Tag etwas. Wir lernen jeden Tag etwas Neues. Als individuelle Spieler, aber vor allem auch als Team. Wenn man diese Fortschritte sieht, macht es auf dem Platz richtig Spaß."

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Und das sieht man in Antetokounmpos Spiel. In nahezu allen wichtigen Statistik-Kategorien hat er einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht. Mittlerweile trifft er gut 50 Prozent seiner Würfe aus dem Feld, macht 12 Punkte pro Spiel und kommt zudem auf 6,6 Rebounds im Durchschnitt. Und vor allem: Er versteht das Spiel besser.

Ende noch lange nicht in Sicht

Aus dem Talent, das in seiner ersten Saison noch oft scheinbar planlos über den Platz rannte und den Mangel an Übersicht nur durch körperliche Überlegenheit wettmachen konnte, ist ein ernsthafter Basketballspieler geworden.

"Das Spiel hat sich für mich verlangsamt", sagt Antetokounmpo. "Ich verstehe die Spielzüge viel Besser und laufe dem Ball deshalb nicht mehr konstant hinterher. Ich weiß jetzt, wo ich zu welcher Zeit auf dem Platz zu sein habe und kann das Spiel auch einfach mal auf mich zukommen lassen." Und ein Ende sei noch lange nicht in Sicht.

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"Mein Ziel ist es, mich jeden Tag weiter zu verbessern. Das was ich bisher zeige, ist nur der Anfang. Das ist noch lange nicht das Maximum. Kaum jemand weiß, wie gut ich noch werden kann. Das Limit ist noch lange nicht erreicht", verspricht Antetokounmpo.

Dann würden auch mehr Fans und Spieler endlich seinen Namen richtig aussprechen können, sage ich in Anspielung auf ein kursierendes Youtube-Video, in dem diverse Teamkollegen beim Versuch kläglich scheitern. Alleine nach den letzten Erfolgen und der Teilnahme am All-Star Weekend wäre das doch sicherlich schon besser geworden.

"Höre immer noch wildesten Dinge"

"Ist es das?" Antetokounmpo schaut mich fragend an. "Ich weiß nicht. Ich höre immer noch die wildesten Dinge. Selbst bei Hallensprechern und Reportern. Kannst Du denn meinen Namen richtig aussprechen?" "Antetokounmpo", sage ich. Offenbar relativ fehlerfrei, denn plötzlich zieht der 20-Jährige seine Kapuze ein wenig zurück und schaut mich zustimmend an. "Respekt", sagt er nach einer kurzen Pause. "Gar nicht schlecht." SPOX

Antetokounmpo erklärt, dass das bisher eher die Ausnahme ist - und sich "The Greek Freak" vermutlich auch wegen des komplizierten Nachnamen etabliert hat.

Ob ihm das nicht langsam auf die Nerven geht, frage ich. "Ach was", gibt Antetokounmpo schnell zurück. Er habe sich mittlerweile damit abgefunden, dass in nahezu allen Gäste-Umkleiden lediglich "Giannis" auf seinem Spind steht, ihn im Team fast jeder nur mit Vornamen anredet und die Hallensprecher der gegnerischen Teams regelmäßig wildeste Interpretationen seines Namens zum Besten geben.

Lange werde das schließlich nicht mehr so weiter gehen. "Ich muss wohl noch ein bisschen länger auf hohem Niveau spielen, bevor die ganze NBA-Welt meinen Namen kennt", sagt Antetokounmpo und sieht zum ersten Mal an diesem Tag richtig glücklich aus. "Aber dieser Tag wird kommen. Und zwar schon bald."

Die Statistiken zu Bucks - Hawks