NBA Mailbag: LaMelo und Co. - Aufstieg a la Grizzlies oder nur Zirkus?

Philipp Jakob
22. April 202211:40
LaMelo Ball und die Hornets wollen nächstes Jahr unbedingt in die Playoffs - dafür muss allerdings Verstärkung her.getty
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Mailbag-Time! Wir leeren zum Ende der ersten Playoff-Woche unser Postfach, dieses Mal mit dabei: die Suche nach Schwachstellen bei den Topfavoriten, ein neues Gesicht der Warriors-Zukunft und die Frage nach den Grizzlies 2.0.

Ihr habt Fragen für die nächste Ausgabe des NBA Mailbags? Alles, was Ihr wissen wollt, könnt Ihr schon jetzt via Twitter an Ph_Jakob weiterleiten.

NBA: Bucks und Suns - Die Suche nach den Schwachstellen

SPOX-User Santachristo: Bitte mal eine Frage, die Number-Crunching braucht. Was sind die Schwächen der Suns und Bucks?

Vor dem Start der Playoffs war Bucks vs. Suns ein beliebter Finals-Pick. Tatsächlich sprach vieles für ein Rematch: Phoenix dominierte die Liga fast nach Belieben, Milwaukee hatte einen veritablen MVP-Kandidaten und den Championship-Swagger. Nun stehen beide Teams in ihrer ersten Playoff-Runde etwas überraschend bei 1-1.

Ich persönlich denke, dass Chicago und New Orleans sehr schnell merken werden, dass Spiel 2 jeweils nur ein Ausrutscher des Favoriten war. Die echten Hürden kommen erst in späteren Runden. Klar ist aber auch, Phoenix und Milwaukee sind nicht komplett vor Schwachstellen gefeit. Während man bei den Suns zwar schon sehr intensiv suchen muss, fällt bei den Bucks insbesondere die Defense ins Auge.

Im Ranking von Cleaning the Glass, das Garbage Time aus den Statistiken herausrechnet, belegte der amtierende Champion in der regulären Saison nur einen durchschnittlichen 14. Platz im Defensiv-Rating (112,0 zugelassene Punkte pro 100 Possessions). Vor zwei Jahren war Milwaukee hier sogar noch an der Spitze zu finden.

Die einfachste Erklärung: Verletzungen. Die Bucks hatten in der Regular Season selten ihr komplettes Team zur Verfügung. Der ehemalige DPOY Giannis Antetokounmpo verpasste 15 Spiele, der gefürchtete Guard-Verteidiger Jrue Holiday ebenfalls und Defensiv-Anker Brook Lopez fast die komplette Spielzeit. Dass nun das Defensiv-Rating in den letzten zwölf Spielen, als die Stars weitestgehend an Bord waren, auf Platz 22 abrutschte, kann vielleicht noch auf eine gewisse Eingewöhnungsphase oder eine laxe Herangehensweise vor dem Playoff-Ernst geschoben werden.

Kommt es womöglich zum Finals-Rematch zwischen Chris Paul und Giannis Antetokounmpo?getty

NBA: Die Defense der Bucks in der Analyse

Tauchen wir aber mal etwas tiefer in die Zahlen ein. Offensichtlich ist, dass Milwaukee in der regulären Saison mehr Probleme hatte, den Ring zu verteidigen - ohne Lopez in der Mitte und mit Ersatzmann Bobby Portis ist das verständlich. Die Gegner trafen in der Restricted Area 66,2 Prozent ihrer Abschlüsse (Platz 19), in den Vorjahren war das eine der Stärken der Bucks-Defense (2019/20: 55,2 Prozent, Platz 1 - 2020/21: 61,3, Platz 2). In den letzten zwölf Spielen mit Lopez lag dieser Wert sogar bei 68,9 Prozent.

Dabei basiert eigentlich das Defensiv-Konzept von Head Coach Mike Budenholzer darauf, den Ring dicht zu machen. Das zeigt die Dominanz der vergangenen Jahre ganz gut. Dafür machte und macht Milwaukee Abstriche in der Verteidigung der Dreierlinie. Giannis und Co. haben in der Regular Season die mit Abstand meisten Dreier zugelassen (40,6), das war in den Vorjahren ähnlich.

Die meisten davon kamen Above the Break, von den eigentlich einfacheren Eckendreiern ließ Milwaukee nicht ganz so viele zu. Dafür aber war ein Großteil der gegnerischen Dreier "weit-offen" (20,3, die drittmeisten ligaweit), wobei die Gegner aber nur 36,3 Prozent trafen. Soll heißen: Da war für Milwaukee eine Portion Glück dabei, auch wenn Coach Bud natürlich Wert darauf legt, wer offen stehen gelassen wird. Dennoch ist die Trefferquote deutlich unter dem Ligaschnitt (37,8 Prozent).

Das könnte in den Playoffs gefährlich werden. Nicht unbedingt im Matchup gegen Chicago, das die ligaweit wenigsten Dreier in der regulären Saison nahm. Hier war bislang eher das Shotmaking von DeMar DeRozan und die eigene Turnover-Anfälligkeit ein Problem. Aber im Osten gibt es genügend andere von Downtown gefährliche Teams (Miami, Brooklyn, Boston).

Das soll aber nicht heißen, dass Milwaukee nicht das Zeug zu einem Titelanwärter hat. Ganz im Gegenteil. Auch im Vorjahr haben die Bucks die Defense in den Playoffs nochmal angezogen, dass kann wieder passieren. Wobei Milwaukee in manchen Matchups den abgewanderten P.J. Tucker vermissen könnte, der im Vorjahr beispielsweise die Defense gegen Kevin Durant übernahm.

NBA: Das (einzige?) schwarze Schaf bei den Phoenix Suns

Was bei den Bucks bereits Meckern auf hohem Niveau ist, gilt für die Suns natürlich umso mehr. Phoenix präsentierte in der regulären Saison so gut wie keine Schwachstelle, der Kader ist mit Star-Power gespickt, ausbalanciert und eingespielt. Offense, Defense, "Clutchness" - alles passt in Phoenix. Wenn dann ist das Rebounding so etwas wie das schwarze Schaf.

Bei der Offensive Rebound Percentage lag Phoenix in der regulären Saison im unteren Tabellendrittel, bei der Defensive Rebound Percentage im Mittelfeld. Doch in den (zugegeben seltenen) Pleiten hat der Suns-Gegner im Schnitt 7,4 Rebounds mehr und 15,3 Second Chance Points geholt. Letzteres wäre über die gesamte Saison gesehen Platz 30 in der Association.

Das Rebounding war auch schon in den ersten beiden Duellen gegen New Orleans ein Problem, beim Sieg in Spiel 1 waren es 25 Offensiv-Rebounds (!) und 29 Punkte über zweite Chancen. Da Phoenix deutlich hochprozentiger traf als die Pelicans, wurde das letztlich nicht bestraft. Bei der Niederlage in Spiel 2 waren es aber noch 11 Offensiv-Rebounds und 15 Second Chance Points (9 bei den Suns).

Nun kommt für Phoenix durch die Verletzung von Devin Booker ein weitaus größeres Problem hinzu. Ein enorm wichtiger Shot-Creator droht für zwei bis drei Wochen wegzufallen. Auch die Bucks werden mindestens zwei Wochen auf Khris Middleton und damit auf ein Drittel der Big Three verzichten müssen. Phoenix und Milwaukee sind gut genug, um auch ohne die beiden in der ersten Runde zu bestehen. Doch darüber hinaus? Vor einigen Tagen musste man die Schwachstellen noch mit der Lupe suchen, nun könnte das Verletzungspech zum größten Stolperstein werden.

NBA Mailbag: Ein neues Gesicht für die Warriors-Zukunft

SPOX-User NewSkool: Kann Jordan Poole der künftige Franchise-Spieler der Warriors sein, sobald die Big Three in Rente geht beziehungsweise altersbedingt abbaut?

Als in den vergangenen Jahren über die Zeit nach Stephen Curry, Klay Thompson und Draymond Green in der Bay Area spekuliert wurde, waren oft die Draft-Picks als die zukünftigen Kronjuwelen im Fokus. Der eigene Nr.2-Pick in 2020 (James Wiseman), die zwei Lottery-Picks im vergangenen Jahr (Jonathan Kuminga und Moses Moody). Ein weiteres Herzstück der Warriors-Zukunft war da aber vielleicht schon längst im Kader.

Im Draft 2019 ging Jordan Poole als 28. Pick über die Ladentheke, auf den einschlägigen Draft-Seiten im Internet waren Vergleiche mit Nick Young, J.R. Smith oder Luke Kennard zu lesen. Dass er drei Jahre später von einem Teamkollegen "Baby Curry" genannt wird, damit haben wohl die wenigsten gerechnet.

Möglich machte es eine beeindruckende Arbeitseinstellung, die ihn von gelegentlichen G-League-Auftritten in seiner Rookie-Saison zu einem erweiterten MIP-Kandidaten in der abgelaufenen Spielzeit sowie zu bereits drei Playoff-Explosionen geführt hat. Der Kollege Fraccalvieri hat hier den Weg des 22-Jährigen etwas ausführlicher beleuchtet.

Was dabei heraussticht, ist, wie viel sich Poole von seinen Backcourt-Kollegen Curry und Thompson abgeschaut hat. Off-Ball-Movement, um Screens hetzen, Handoffs, gepaart mit einem absolut heißen Händchen aus der Distanz (36,4 Prozent Dreierquote in 2021/22 und 39,8 Prozent Dreierquote nach Movement Actions laut Recherchen von The Ringer) - all das kennt man auch von den Splash Brothers.

Es hilft einfach ungemein, "jeden einzelnen Tag Steph und Klay zuzusehen und mit ihnen Videos zu schauen, sie spielen auf dem höchsten Level", schwärmte Poole bei The Ringer von seinen Vorbildern. "Ich ahme einfach nach, was sie machen." Und das mit Erfolg, wie die Nuggets in den Playoffs und viele Gegner in der regulären Saison bereits feststellen mussten.

Golden State Warriors und das Poole-Problem: Luxussteuer en masse

Nun profitierte Poole auch enorm von der Präsenz der "alten Garde", die ihm etwas mehr Freiraum ermöglicht. Dass er währenddessen Fortschritte beim Shotmaking und Decision-Making macht und von zwei der besten Schützen aller Zeiten lernt, bereitet ihn aber optimal auf eine Zeit ohne die Big Three vor. Und geht es nach den Plänen der Warriors, ist Poole auch dann nicht allein, sondern hat in Person von Kuminga und Wiseman ebenfalls vielversprechende Youngster an seine Seite.

Kann dieses Trio eine neue Ära der Warriors prägen? Für die Beantwortung dieser Frage ist es natürlich noch viel zu früh, gerade Kuminga und Wiseman haben erst 70 beziehungsweise 39 Spiele auf NBA-Niveau bestritten. Bei Poole sprechen aber tatsächlich die Anzeichen dafür, dass er das Potenzial zum Franchise-Player hat. Vor allem, weil diese Aufgabe in Golden State noch einige Jahre auf sich warten lassen wird, Curry (34 Jahre, Vertrag bis 2026), Thompson (32, bis 2024) und Green (32, bis 2024) sind noch lange nicht fertig - noch mehr Zeit für Poole, um zu lernen.

Bleibt nur die Frage, ob er die in San Francisco auch bekommt. Poole wird 2023 Restricted Free Agent, kann aber schon in diesem Sommer eine Vertragsverlängerung aushandeln und wird diese auch wollen. 2023/24 könnte dann auch ohne den dann auslaufenden Vertrag von Andrew Wiggins eine Rechnung von 500 Millionen Dollar - inklusive Luxussteuer - auf die Warriors zukommen.

Das Risiko, sich seinen Salary Cap auf Jahre hinaus zu verbauen, ist gefährlich. Gleichzeitig wäre es ebenso gefährlich, Poole zu vergraulen, indem man ihm keinen neuen Kontrakt anbietet. Die Warriors, bei denen Geld eigentlich kein Problem ist, werden das erstgenannte Risiko wohl in Kauf nehmen (Salary-Dumps werden wahrscheinlich irgendwie immer möglich sein). Zu aussichtsreich glänzt die Aussicht auf eine neue Ära in Golden State.

NBA Video-Mailbag: Kann Simmons den Nets helfen?

Wäre Ben Simmons wirklich eine Verstärkung für die Nets, sollte er, wie berichtet, während der Celtics-Serie sein Comeback nach fast einem Jahr Pause geben?

Welche Franchise schafft kommende Saison einen krassen Turnaround vom Lottery- zum Playoff-Team? Und wie? Die Antworten gibt es hier im Video-Mailbag!

NBA Mailbag: Hornets - Memphis 2.0 oder nur Highlight-Show?

SPOX-User StrengthInNumbers: Da sie noch gar nicht thematisiert wurden: Hornets - die Grizzlies 2.0 oder eine Highlight-Show ohne Mehreffekt?

Es lassen sich leicht Argumente finden, dass die Grizzlies und Hornets die beiden spektakulärsten, jungen Teams der Association sind. Da ist Sprungwunder Ja Morant auf der einen, die gut geölte Alley-Oop-Maschinerie um LaMelo Ball und Miles Bridges auf der anderen Seite. Aber die Grizzlies sind eben viel mehr als das. Morant und Co. stehen als 2-Seed in den Playoffs, für die Hornets war zum zweiten Mal in Folge im Play-In-Turnier Schluss.

Der größte Unterschied: die Defense. Das ist auch der Grund, warum ich Stand jetzt für die Hornets kommende Saison keinen kometenhaften Aufstieg a la Grizzlies an die Spitze der Eastern Conference vorhersagen würde. Laut Cleaning the Glass stellte Memphis in der abgelaufenen Regular Season die fünftbeste Defense (109,6 zugelassene Punkte), aber auch schon im Vorjahr landeten sie in der Top 10 (111,6, Platz 7). Dieses Fundament fehlt den Hornets komplett.

Im Defense-Ranking reichte es für Charlotte gerade einmal zu Platz 20 (113,6), ähnlich sah es auch im Vorjahr aus. Die Hornets erlaubten die drittmeisten Dunks und die drittmeisten Eckendreier, das ist kein Erfolgsrezept. Für das Front Office muss in der Offseason der Fokus darauf liegen, Restricted Free Agent Bridges zu halten und Verstärkung für die Defense zu holen. Vor allem die Center-Position muss adressiert werden. Charlotte braucht dringend einen defensiven Anker in der Mitte, der gleichzeitig rebounden kann (Platz 29 in der Defensive Rebound Percentage).

Dafür sollten sie im Sommer Ausschau nach einem Abnehmer für Gordon Haywards Vertrag (noch zwei Jahre und 61,6 Mio. Dollar) halten, der zu oft verletzt fehlt und offensiv mittlerweile etwas entbehrlicher als noch in der Vorsaison geworden ist. Das macht ihn aber auch nicht gerade schmackhaft für andere Teams. Für potenzielle Trades hätten die Hornets zudem immerhin ihren eigenen Lottery-Pick plus den Erstrundenpick der Pelicans.

Womöglich kommt der Name Myles Turner im Laufe des Sommers wieder auf, der Pacers-Center scheint mit seinem Shotblocking in der Defense und Spacing in der Offense ein perfekter Fit zu sein. Will Indiana den 26-Jährigen aber abgeben, nachdem sie zur Trade Deadline bereits Domantas Sabonis getradet haben? Ansonsten sollte sich Charlotte auch nach einem Wing-Defender umschauen.

Positiv hervorzuheben ist die Entwicklung der Hornets aber schon jetzt. In einer Saison mit zehn Spielen mehr als im Vorjahr hat Charlotte auch zehn Siege mehr geholt (43-39 zu 33-39). Einen jungen All-Star-Eckpfeiler sowie weitere Talente sind bereits im Kader. Der Trend wird auch in Zukunft weiter nach oben gehen, aber für einen schnellen Aufstieg a la Memphis wird es wohl eher nicht reichen.

NBA Mailbag: Das Potenzial der Denver Nuggets

SPOX-User jcmPaul: Wie können die Nuggets ihr Potenzial nächste Saison am besten ausschöpfen? Wie hat Denver die besten Chancen auf einen Titel-Run?

Gegenfrage: Muss dafür wirklich so viel passieren? Ich glaube nicht, denn mit den Comebacks von Jamal Murray und Michael Porter Jr. bekommt Denver im Sommer ganz automatisch zwei hochkarätige "Neuzugänge". Nikola Jokic wiedervereint mit seinen zwei besten Teamkollegen macht die Nuggets extrem gefährlich - genau diese Unterstützung hat ihm in der aktuellen Saison gefehlt.

In der kurzen Zeitspanne zwischen dem Trade für Aaron Gordon Ende März 2021 und dem Kreuzbandriss von Murray Mitte April sah das Team aus der Mile High City wie ein veritabler Titelanwärter aus. Das Quartett Jokic, Murray, Gordon und MPJ stand bei einem soliden Net-Rating von +18,2 - natürlich aber in einer kleinen Stichprobe von nur fünf gemeinsamen Einsätzen.

Dennoch: Jokic' Brillanz als Scorer und Playmaker gepaart mit dem Scoring von Murray und Porter Jr. sowie der Defense von Gordon sollte den meisten Gegnern einen Schrecken einjagen. Auch der restliche Kern um Will Barton, Monte Morris und Bones Hyland steht für 2022/23 unter Vertrag, die beiden Greens Jeff und JaMychal besitzen jeweils eine Spieleroption.

Die Perimeter-Defense erhält mit Murray ebenfalls ein Upgrade, auch wenn Denver in dieser Hinsicht nachbessern sollte, um nicht zu viel Last auf den Schultern des nun ein Jahr pausierenden Guards zu verteilen. Letztlich hängt ohnehin vieles davon ab, wie fit und auf welchem Level Murray und MPJ zurückkommen. Sollten sie zum Saisonstart auf dem Court stehen, hätten sie immerhin viel Zeit, in einen Groove zu kommen, anstatt direkt ins kalte Playoff-Wasser geschmissen zu werden. Das sollte ihnen helfen - und die Nuggets zu einem echten Titelanwärter machen.