Die Suche nach dem neuen Messias

Philipp Dornhegge
16. Juni 201113:44
Chris Bosh, Dwyane Wade und LeBron James (v.l.) bestaunen die Künste von Dwight HowardGetty
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Im Sommer garantierte LeBron James den Fans der Miami Heat Titel, nach der Pleite in den Finals gegen die Dallas Mavericks kommen jedoch erste Zweifel auf. Passen Wade und James überhaupt zusammen? Wie will man den Kader in der Breite verbessern? Die Lösung der Probleme könnte Dwight Howard von den Orlando Magic sein.

"Gott weiß am besten, wann meine Zeit gekommen ist. Dieses Jahr war es offenbar noch nicht soweit." Im bisher bittersten Moment seiner Karriere bemühte LeBron James den Willen des Schöpfers, um die 2-4-Pleite der Miami Heat in den Finals gegen die Dallas Mavericks zu erklären und für sich erträglich zu machen.

Keiner stand in den Finals so unter Beobachtung wie der King, keiner wurde so hart rangenommen für all seine Verfehlungen. Verfehlungen, die man so nicht von ihm erwartet hätte. Verfehlungen wie das regelmäßige Abtauchen in den vierten Vierteln und die rätselhafte Passivität in den wichtigsten Phasen der Finalspiele. Verfehlungen, mit denen James zweifellos zu den vier Niederlagen seiner Mannschaft beigetragen hat. Und für die die Journaille mit Freuden verbal auf den Superstar eindrosch.

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"Ich habe mich sehr unter Druck gesetzt, meine Teamkollegen bloß nicht zu enttäuschen. Damit habe ich mir vielleicht selbst das Leben schwer gemacht", so James. "Ich habe nicht mein Leistungsvermögen abgerufen. Hat uns das die Meisterschaft gekostet? Ich weiß es nicht. Aber so oder so bin ich unzufrieden mit mir."

Auch mit einigen Tagen Abstand beschrieb James seinen Gemütszustand als "die Definition von niedergeschlagen".

Wade: "Haben noch Arbeit vor uns"

Seinem Kumpel Dwyane Wade geht es offenbar nicht besser. Der Shooting Guard, Miamis bester Spieler gegen die Mavericks, gab zu, dass er sich in einem depressiven Zustand befinde.

"Vor Saisonbeginn habe ich auf den Kader geschaut und gedacht: Dieses Jahr wird mir das Spiel leichter fallen", so Wade. "Man denkt, dass viel Gutes passieren wird. Aber es hat sich gezeigt, dass wir noch Arbeit vor uns haben. Man kann keinen NBA-Meister aus dem Boden stampfen."

Gemeint ist damit sicher nicht nur, dass sich James und Wade immer noch nicht aufeinander eingespielt haben.

Es bleibt der Vorwurf vieler Experten, dass die beiden Slasher mit ihrem Spiel gar nicht zueinander passen - und vielleicht nie zueinander passen werden.

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James: Vergleich mit Jordan hinkt

Es sei denn, beide - besonders James - legen sich einen Mitteldistanz-Wurf zu, auf den man sich verlassen kann. Stand heute sind beide als Weakside-Shooter nicht zu gebrauchen, zudem mangelt es James an einem effektiven Low-Post-Spiel.

Ex-Champion Steve Kerr führt das auf die Jugend und die fehlende College-Erfahrung des heute 26-Jährigen zurück. James wechselte direkt von der High School in die NBA. Kerr: "Michael Jordan konnte drei Jahre unter Coach Dean Smith in North Carolina lernen. James dagegen hat nur High School gespielt und ist gewissermaßen ein Opfer des Systems geworden, das in erster Linie auf Athletik setzt. Da wird häufig versäumt, an den Schwächen zu arbeiten. So ist zu erklären, dass James heute technische Mängel hat, die er unbedingt aufarbeiten muss."

Die harsche Kritik an seiner Person, der Anblick der feiernden Mavs und ehrliche Selbstreflektion sollten auch einem Spieler, dem bisher in seiner Karriere alles zugeflogen ist, genug Motivation bieten, den Sommer in der Halle zu verbringen und härter zu schuften als je zuvor.

Bibby, Dampier und Co. haben keine Zukunft in Miami

Darüber hinaus haben die Heat andere Baustellen. Der Kader war in der abgelaufenen Saison deutlich zu alt, Spieler wie Mike Bibby, Juwan Howard oder Erick Dampier sind eigentlich keine weitere Spielzeit tragbar.

Center Joel Anthony hatte über drei Runden gute Playoffs gespielt, kam mit dem variablen Offensivspiel der Mavericks aber überhaupt nicht zurecht und ist offensiv ohnehin limitiert. Ob der Kanadier jemals mehr als ein Backup wird, ist derzeit zweifelhaft.

Eddie House wiederum, der Scharfschütze vom Dienst, kam erst spät in den Finals so richtig zum Einsatz. Er war im zweiten Viertel entscheidend für Miamis 14:0-Lauf, ansonsten aber defensiv nicht mehr wert als eine Slalomstange.

Stand heute werden im kommenden Jahr neben Wade und James nur Chris Bosh, Mike Miller, Anthony, Udonis Haslem und James Jones unter Vertrag stehen.

Kaum Geld für neue Spieler

Mario Chalmers wird bestimmt eine Vertragsverlängerung angeboten bekommen, nachdem er einer der wenigen war, die in den Finals überzeugen konnten.

Rookie Dexter Pittman ist eine billige Alternative auf der Center-Position und dürfte ebenfalls eine Zukunft bei den Heat haben. Zumal die Vereinsoberen vom Talent des ehemaligen Texas Longhorns überzeugt sind. Macht insgesamt neun Spieler - zu wenig, um durch eine lange NBA-Saison zu gehen.

Weitere Rollenspieler müssen also her, nur mit welchem Geld will man sie bezahlen? Die Big Three fressen schon einen Großteil des Salary Caps auf, der durch einen neuen Tarifvertrag wahrscheinlich weiter gesenkt wird. Kaum einer der anderen Spieler kommt als Trade-Ware in Betracht.

Das frühe Ende der Big Three?

Und so gibt es Fans und Experten, die inzwischen das bis vor kurzem noch Undenkbare aussprechen: Das Projekt "Wade, James und Bosh" ist gescheitert, die Big Three müssen aufgelöst werden. Einer der drei Stars muss weg. Nur wer?

Wade wird es sicher nicht treffen. Er ist das Herz der Mannschaft und der Liebling der Fans.

Chris Bosh? Der Power Forward ist vom Status sicher das schwächste Glied, mit starken Leistungen in den Playoffs hat er aber nachdrücklich Werbung in eigener Sache betrieben. In Spiel 6 war er ein Muster an Effizienz, zudem lässt sich sein Spiel optimal mit dem von Wade oder James paaren.

Bleibt nur LeBron James. Aber wer wäre so dumm, den besten, zumindest aber talentiertesten Spieler auf diesem Planeten vom davon zu jagen? Und was würde man sich davon überhaupt versprechen?

Lösung für alle Probleme: Dwight Howard

Die Antwort kommt von Ex-NBA-Coach und TV-Analyst Jeff Wan Gundy, der vorschlug, man solle sich um Dwight Howard bemühen. Er könne sich vorstellen, dass es zwischen Wade und James auf Dauer nicht klappen wird, in dem Fall müsse man reagieren.

Der Center der Magic hat bereits angekündigt, dass er seinen bis 2012 befristeten Vertrag in Orlando nicht vorzeitig verlängern werde, GM Otis Smith könnte also gezwungen sein, den Defensive Player of the Year zu traden. Howard könnte in der Tat derjenige sein, der den Heat zum Glück fehlt.

Chalmers, Wade, Spieler X, Bosh und Howard: Das klingt doch homogener als Chalmers, Wade, James, Bosh und Anthony. Klar ist aber, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr als ein Hirngespinst ohne echte Grundlage ist.

Der zweite Kandidat heißt Sam Dalembert. Ein begabter, aber zu Unbeständigkeit neigender Center, der zuletzt bei den Sacramento Kings unter Vertrag stand und sich im Sommer als Free Agent einen neuen Klub sucht. Die Heat scheinen interessiert, doch die Konkurrenz um den 30-Jährigen ist groß - und Dalembert wird ein entsprechend hohes Gehalt fordern.

Trainer steht nicht zur Diskussion

Einer, der die ganze Saison über im Kreuzfeuer der Kritik stand, geht aus den Finals übrigens als Sieger hervor: Trainer Erik Spoelstra. Ja, er wurde von Rick Carlisle nach allen Regeln der Kunst ausgecoacht.

Er fand keine Antwort auf Dallas' Zone, er passte die eigene Defense nicht an das immer besser werdende Passspiel der Mavs an und er wartete zu lange, ehe er Bibby auf den Mond schickte.

Aber wer musste sich Carlisle in diesen Playoffs nicht geschlagen geben? Mit Phil Jackson und Scott Brooks zogen der beste Coach der NBA-Geschichte und eines der größten Trainertalente ebenfalls den Kürzeren.

Spoelstra: Parallelen zum jungen Pat Riley

Spoelstra probierte viel, hatte jede Menge Ideen, nur: Die Spieler setzten diese nicht konsequent um. Spoelstra predigte immer wieder mentale Toughness, wurde aber nicht erhört. Und vor allem: Am Ende des Tages waren die Mavericks schlicht und ergreifend das bessere Team.

Die Parallelen mit dem Karriereweg von Mentor Pat Riley sind offenkundig: Auch Riley war in den 80er Jahren ein junger Trainer, dem die Lakers-Startruppe scheinbar auf der Nase herumtanzte, der aber trotzdem am Ball blieb, sich durchsetzte und schließlich zum anerkannten Fachmann reifte.

Riley ist sich darüber im Klaren, "dass die NBA heute von jungen Trainern dominiert wird, die innovativ sind und die technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit zu nutzen wissen. So ist Erik Spoelstra. Er wurde zum Coachen geboren." Der 40-Jährige wird seinen Weg als NBA-Trainer gehen.

Vorerst gemeinsam mit Dwyane Wade, Chris Bosh und LeBron James. Ob er mit ihnen auch den Titel holt, steht auf einem anderen Blatt. Denn wer weiß schon, ob Gott die Zeit der Miami Heat in der jetzigen Zusammensetzung jemals für gekommen erachtet?

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