Jahrelang wiesen die Detroit Pistons Michael Jordan und die Chicago Bulls in die Schranken, dann beendete der GOAT 1991 aber die Vorherrschaft der Bad Boys. Was blieb war eine innige Feindschaft mit Isiah Thomas. Teil 3 der Jordan-Woche auf SPOX.
Gut viereinhalb Minuten waren noch auf der Uhr, doch die Partie war entschieden. Das wussten Chuck Daly und Phil Jackson, die beiden Head Coaches der Pistons und Bulls, die ihre Stars kurz vor dem Ende von Spiel 4 der Eastern Conference Finals 1991 auf die Bank beorderten. Das wussten die Spieler selbst und das wussten auch die gut 21.000 Fans im Palace von Auburn Hills.
Das Spiel, und damit auch die Serie, war entschieden und das nicht zugunsten der heimischen Pistons. Dennoch erhoben sich die Anhänger kollektiv aus ihren Sitzen, um Isiah Thomas, Joe Dumars und Co. bei deren Auswechslung zu feiern. Es war das Ende einer Ära, der erfolgreichsten der Franchise-Geschichte.
Und es war ein äußerst unrühmliches Ende, wie wenige Minuten später klar wurde. Die finale Sirene war noch nicht einmal ertönt, da verabschiedeten sich einige Pistons-Stars angeführt von Thomas bereits in Richtung Kabine. Die Teamkollegen standen noch auf dem Court.
7,9 Sekunden vor Schluss stolzierten Zeke und Co. an der Bulls-Bank vorbei in die Katakomben, erneut unter dem lauten Jubel der Fans, aber ohne den Gegner auch nur eines Blickes zu würdigen. Geschweige denn, wie es sich für einen guten Verlierer gehört, den siegreichen Bulls zu gratulieren.
Bad Boys Pistons: Kein Vorbeikommen für MJ
Die Aktion passte irgendwie ins Bild dieser Bad Boys Pistons, die das Ende der 1980er-Jahre in der Association dominierten und vor allem mit den Bulls eine innige Rivalität pflegten. Thomas und Co. spielten harten, aggressiven und in den Augen vieler unsauberen Basketball, das machte sie zu einem der unbeliebtesten, aber auch zu einem der erfolgreichsten Teams dieser Ära. Bis Michael Jordan die Vorherrschaft der Pistons auf dem Weg zu seinem ersten Titel 1991 per Sweep beendete.
In den drei Jahren zuvor standen die Pistons jeweils in den Finals, 1989 und 1990 holte sich das Team aus der Arbeiterstadt, die den dreckigen Basketball der Pistons liebte, sogar den Titel. Und in allen drei Jahren wiesen sie die damals noch aufstrebenden Bulls um einen jungen Superstar mit den Initialen MJ in die Schranken.
Zuvor waren Larry Birds Celtics so etwas wie der Nemesis der Nummer 23, in zwei von Jordans ersten drei Jahren in der Liga sorgten sie für ein frühes Playoff-Aus der Bulls in der ersten Runde. 1988 führte MJ sein Team erstmals in die zweite Runde, dort warteten jedoch die Pistons. Nach fünf Spielen waren Chicagos Titelträume ausgeträumt, in den beiden Folgejahren fanden die Bulls immerhin erst in den Conference Finals nach 6 beziehungsweise 7 Spielen in Detroit ihren Meister.
Die frühen Playoff-Resultate von MJ und den Bulls
Saison | Resultat | Gegner | Ergebnis |
1984/85 | Aus in der ersten Runde | Milwaukee Bucks | 1-3 |
1985/86 | Aus in der ersten Runde | Boston Celtics | 0-3 |
1986/87 | Aus in der ersten Runde | Boston Celtics | 0-3 |
1987/88 | Aus in der zweiten Runde | Detroit Pistons | 1-4 |
1988/89 | Aus in den Conference Finals | Detroit Pistons | 2-4 |
1989/90 | Aus in den Conference Finals | Detroit Pistons | 3-4 |
1990/91 | Champion | Los Angeles Lakers | 4-1 |
Die Jordan Rules: Vollmacht zum Rumschubsen
Einer der Gründe, warum His Airness die Pistons zunächst nicht bezwingen konnte: die sogenannten Jordan Rules. Nachdem Pistons-Coach Daly in der regulären Saison 1987/88 mit ansehen musste, wie MJ seinem Team einmal 59 und einmal 49 Zähler einschenkte, fühlten sich die Defensiv-Fanatiker aus der Motor City an der Ehre gepackt. In den Playoffs sollte sich so etwas nicht wiederholen.
"Wenn Michael den Ball hatte, haben wir ihn auf seine linke Seite gezwungen und gedoppelt. Wenn er auf dem linken Flügel war, haben wir ihn sofort gedoppelt. Wenn er auf dem rechten Flügel war, haben wir langsam das Double Team geschickt", erklärte Daly Jahre später gegenüber Jack McCallum von Sports Illustrated die Verteidigungsstrategie gegen Jordan. "Er konnte auf beiden Flügeln den gleichen Schaden anrichten - verdammt, er konnte uns selbst vom Hot-Dog-Stand Schaden zufügen -, aber wir wollten einfach variieren."
So sollte Jordan möglichst aus dem Spiel genommen werden, den Bulls-Rollenspielern wurde damals noch nicht zugetraut, in die Bresche zu springen. Der Plan ging auf, das ständige Doppeln war aber bei weitem nicht der einzige Erfolgsgarant der später von Journalisten getauften Jordan Rules, die sich angeblich Thomas ausdachte.
"Die andere Regel war: Jedes Mal, wenn er an dir vorbeigeht, musst du ihn drankriegen. Wenn er um einen Screen kommt, nagel ihn fest", erinnerte sich Daly. "Wir wollten nicht unsauber spielen - ich weiß, viele Leute denken, dass wir das waren -, aber wir mussten sehr physisch spielen."
Bad Boys Pistons und Thomas? "Habe den Spielstil verachtet"
Das Spieleramterial der Bad Boys war perfekt für diese Strategie geeignet. Bill Laimbeer war sich nie zu schade, dem Gegner unter dem Korb eins mitzugeben. Dazu gesellten sich in Dennis Rodman ein zweifacher Defensive Player of the Year (1990 und 1991) oder in Rick Mahorn ein typischer Enforcer für die Drecksarbeit.
Und im Backcourt? Da wartete in Dumars einer der härtesten Verteidiger, gegen den Jordan Zeit seiner Karriere antreten musste, wie der GOAT später einmal selbst zugab. Und natürlich Isiah Thomas.
Thomas, Hall of Famer, zwölffacher All-Star und Finals-MVP 1990, war einer der besten Point Guards seiner Generation und der unumstrittene Anführer der Bad Boys Pistons. Zum einen dank seiner sportlichen Qualitäten, aber eben auch aufgrund seiner harten Gangart.
"Als wir Konkurrenten waren, als er in Chicago und ich in Detroit war, habe ich mit allem, was ich in mir hatte, versucht, ihn zu schlagen", erklärte Thomas später gegenüber der Washington Post angesprochen auf sein Verhältnis mit Jordan. "Ich habe größtmöglichen Respekt für das, was er getan hat. Aber auf dem Court habe ich alles getan, um ihn zu schlagen."
Manchmal war es aber eben auch etwas zu viel des Guten, was der Nummer elf der Pistons nicht überall Freunde bescherte. "Ich habe es verachtet, wie er gespielt hat", erklärte Scottie Pippen in einer 2012 veröffentlichten Doku von NBA-TV. "Isiah war der General. Der Typ, der seine Teamkollegen anmault und ihnen sagt: 'Tritt [deinem Gegner] in den Arsch. Mach das, was auch immer du tun musst.'"
Persönliche Fehde zwischen MJ und Thomas bleibt
Nachdem die Bulls Detroit 1991 auf dem Weg zum ersten Titel der Jordan-Ära vom Thron gestoßen hatten, fand die Dominanz der Pistons ein jähes Ende. Die in den Jahren zuvor elitäre Defense fand kein adäquates Mittel gegen die von Coach Jackson eingeführte Triangle-Offense, mit der die Bulls nicht mehr nur allein auf Jordans Exzellenz angewiesen waren.
Thomas spielte noch drei weitere Jahre in der Association, die Postseason erreichten die Pistons allerdings nur noch einmal. Während also langsam aber sicher die Rivalität zwischen den Bulls und Pistons verblasste, blieb die persönliche Fehde zwischen MJ und Thomas bestehen.
Viel gemeinsam hatten die Guards Zeit ihrer Karriere nie, abgesehen von einer innigen Abneigung gegeneinander. Die fand wohl nicht im verweigerten Handschlag nach den Eastern Conference Finals 1991 ihren Höhepunkt, sondern in den Monaten danach. Als im September Team USA den Kader für die Olympischen Spielen 1992 bekanntgab, fehlte ein Name: Isiah Thomas.
Eine Geschichte von Neid und Missgunst
Offenbar hatte sich Jordan zuvor mit einer eindringlichen Botschaft an die Verantwortlichen gewandt: Entweder Thomas oder ich. Gemeinsam mit dem Pistons-Guard nach Barcelona zu reisen und das Dream Team zu bilden, schloss MJ offenbar aus. Mit dieser Einstellung war er nicht alleine. Zahlreiche weitere Stars sprachen sich angeblich gegen eine Aufnahme Thomas' ins Team auf, beispielsweise auch Pippen: "Nein, ich wollte ihn nicht im Dream Team haben."
Aus rein sportlicher Sicht hätte es Thomas sicherlich verdient gehabt, gemeinsam mit den anderen Stars um die Goldmedaille zu kämpfen. Seine aggressive Art auf und neben dem Court verhinderten dies jedoch. Für Jordan könnte diese Episode mit einer gewissen Genugtuung verbunden gewesen sein. Eine Revanche für den berühmt-berüchtigten "Freeze Out"?
Die Rivalität zwischen Thomas und Jordan begann nämlich bereits in dessen Rookie-Saison. Schon als MJ 1984 in die Liga kam, flogen ihm die Herzen der Bulls-Fans nur so zu. Das sorgte Gerüchten zufolge für eine Menge Neid bei Thomas. Der gebürtige Chicagoan wurde selbst lange Zeit in seiner Heimatstadt verehrt, nun drohte Jordan ihm diesen Legendenstatus zu stehlen.
Die Legende besagt, dass sich Thomas beim All-Star Game 1985 mit anderen Veteranen der Eastern Conference zusammenschloss, um dem Liebling der Fans und Medien eins auszuwischen. Angeblich einigten sich Thomas und Co. darauf, den Ball während des Spiels nicht zu Jordan zu passen. Thomas verneint jedoch bis heute, dass es solche Absprachen gab.
Thomas vs. Jordan? "Das ist einfach nur Hating"
Generell hat sich die in den 80er- und 90er-Jahren teils offene Feindschaft in den vergangenen Dekaden abgekühlt. "Unser Dialog ist respektvoll", sagte Jordan bereits 2003, als er im Wizards-Trikot nach seinem zweiten Comeback ins All-Star Team gewählt und dort von niemand Geringerem als Thomas (damals der Head Coach der Indiana Pacers) gecoacht wurde.
"Wir machen hier und da Witze, aber ich gebe zu, dass es etwas reserviert ist", erklärte MJ damals gegenüber der Washington Post. "Wir wählen unsere Worte vorsichtig. Wir kennen unsere Geschichte, aber wir sind jetzt älter."
So ganz scheint die alte Rivalität aber noch nicht überwunden zu sein. Im März 2018 schaltete sich Thomas in die GOAT-Debatte ein. Seine Nummer eins? Kareem Abdul-Jabbar, nicht MJ. Seine Nummer zwei? LeBron James, nicht MJ. Der folgte erst auf dem dritten Platz in Thomas' persönlicher Rangliste, ganz zum Unmut zahlreicher Bulls-Fans oder ehemaliger Jordan-Teamkollegen.
"Das ist einfach nur Hating", antwortete Pippen bei ESPNs The Jump. Zeke habe MJ noch nie angemessen gewürdigt, so die Bulls-Legende. Eine innige Freundschaft zwischen Isiah Thomas und Michael Jordan wird sich in diesem Leben wohl nicht mehr entwickeln.