NBA - Oscar da Silva von Alba Berlin im Interview: "Kann verstehen, dass die Fans böse auf mich sind"

Philipp Jakob
09. November 202113:32
Oscar da Silva ist erst kurz nach dem Saisonstart zu Alba Berlin gewechselt.imago images
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Oscar da Silva hat in der Summer League in Las Vegas um seinen NBA-Traum gekämpft. Nun ist er zurück in der BBL - vorerst, wie der 23-Jährige betont - und will mit Alba Berlin um Titel spielen. Im Interview mit SPOX spricht der Big Man über seine Erfahrungen in Las Vegas und seinen kontroversen Wechsel in die Hauptstadt.

Nach vier Jahren an der Stanford University und einem abgeschlossenen Biologiestudium kehrte der gebürtige Münchener im März nach Deutschland zurück. Nach guten Auftritten im Trikot der MHP Riesen Ludwigsburg in der BBL ging da Silva im NBA Draft 2021 jedoch leer aus, anschließend versuchte er, sich in der Summer League im Team der Oklahoma City Thunder zu beweisen.

Im Gespräch mit SPOX zieht er sein persönliches Fazit eines ereignisreichen Sommers in Las Vegas, spricht über das Feedback der Thunder-Coaches, seinen Traum von der NBA und erklärt die Hintergründe seines Wechsels von Ludwigsburg nach Berlin.

Herr da Silva, Sie haben vor Kurzem verraten, dass Angeln schon seit der Kindheit Ihr großes Hobby ist. Das war in Las Vegas eher schwierig, schätze ich. Wie haben Sie sich im Sommer sonst Ihre Freizeit in der Wüste vertrieben?

Oscar da Silva: Fische kann man sich da jedenfalls keine angeln. (lacht) In Las Vegas gibt es allerlei wildes Zeug zu tun, aber ich habe mich auf Basketball konzentriert und ansonsten gar nicht viel gemacht. Wenn kein Spiel oder Training anstand, war ich die meiste Zeit im Hotelzimmer und habe Videomaterial studiert. Der Sommer in Las Vegas war ein Business-Trip.

In der Summer League sind Sie für die Thunder aufgelaufen, am Ende der knapp zwei Wochen hatten Sie durchaus respektable Stats vorzuweisen: im Schnitt 7,5 Punkte und 5 Rebounds bei 44,0 Prozent aus dem Feld in vier Spielen und 15 Minuten Einsatzzeit pro Partie. Wie lautet Ihr persönliches Fazit?

da Silva: Das fällt insgesamt positiv aus. Ich war zufrieden, wie ich gespielt habe. Wichtig war in erster Linie, dass ich in jedem Spiel Einsatzzeit bekommen habe. In der Summer League geht es darum, auf dem Feld zu stehen und zu zeigen, was man kann. Ich hatte natürlich gehofft, dass noch ein paar Minuten mehr herausspringen, aber im Großen und Ganzen war der Sommer ein Erfolg für mich.

Oscar da Silva: An diesen zwei Dingen muss er noch arbeiten

Wie fiel das Feedback der Coaches in der Summer League aus?

da Silva: Auch das war sehr positiv. Die Coaches haben mir aber auch mit auf den Weg gegeben, woran ich noch arbeiten muss, damit ich es in die NBA schaffe. Zu dem Zeitpunkt im Sommer hatte es sich schon angedeutet, dass ich bei OKC keinen Kaderplatz bekommen würde - wenn dann eine Einladung ins Training Camp mit der Option, anschließend G-League zu spielen. Aber für mich war dieser Austausch wichtig. Die Trainer haben mir erklärt, was ich noch brauche, um in der NBA auf meiner Position erfolgreich zu sein.

Aktuell spielen sieben Deutsche in der NBA, wie schätzen Sie die Chancen ein, dass wir Sie als Nummer acht in der Liga sehen werden?

da Silva: Mein Ziel ist es natürlich, der nächste Deutsche in der NBA zu werden. Ich denke, ich habe mir und den Zuschauern bereits bewiesen, dass ich auf dem EuroLeague-Level mitspielen kann. Jetzt heißt es: weiter an mir arbeiten und versuchen, besser zu werden. Ob ich diesen Schritt schaffe, hängt nur davon ab, was für Leistungen ich auf dem Feld zeige.

Was fehlt Ihnen noch für einen potenziellen Sprung in die NBA? Was sind die Punkte, die Sie in Ihrem Spiel verbessern möchten?

da Silva: Physisch muss ich eine größere Präsenz werden, insbesondere in der EuroLeague ist das mein größtes Manko. Gestandenen Big Men wie zum Beispiel einem Othello Hunter von Bayern München hinke ich in dieser Hinsicht noch hinterher. Außerdem möchte ich an meinem Dreier arbeiten. Diese zwei Dinge würden mir am meisten dabei helfen, den Sprung in die NBA zu schaffen.

Oscar da Silva hat in der Summer League vier Spiele für die Oklahoma City Thunder absolviert.getty

Oscar da Silva: NBA-Traum? "Es gab mehrere Interessenten"

Gab es bereits in diesem Sommer Angebote aus den USA? Ihr Vertrag in Ludwigsburg enthielt eine Ausstiegsklausel für die NBA, die Sie letztlich nicht gezogen haben.

da Silva: Es gab mehrere Interessenten. Ich hatte Einladungen fürs Training Camp von unter anderem OKC, den Bulls, den Spurs und den Nuggets auf dem Tisch liegen. Aber man kann meistens schon vor dem Start des Training Camps abschätzen, wer eine realistische Chance auf einen Kaderplatz hat oder wer höchstens für die G-League eingeplant ist. Und bei keinem der Teams war für mich die Chance gegeben, die Rotation zu knacken. In der G-League zu spielen ist auch nicht das Gelbe vom Ei, deshalb habe ich mich dagegen entschieden und bin wieder zurück nach Deutschland gegangen.

Verfolgen Sie die Thunder nun etwas intensiver, nachdem Sie für die Organisation gespielt haben?

da Silva: Auf jeden Fall. Ich hatte die Chance, ein paar der Spieler sowie Coaches kennenzulernen und stand mit einigen selbst auf dem Parkett. Man hat natürlich ein Auge drauf, was die ehemaligen Kollegen so machen.

Thunder-Rookie Josh Giddey hat in der Vorbereitung und in den ersten Saisonspielen mit spektakulären Highlights aufgezockt. In der Summer League hat er sich leider schon in der ersten Partie verletzt, Sie konnten von seinen Assists also nicht profitieren. Ein bisschen haben Sie ihn aber kennengelernt, was trauen Sie Giddey in seiner Karriere zu?

da Silva: Es hätte sicherlich Spaß gemacht, mit ihm zusammenzuspielen, aber es hat nicht sollen sein. Giddey wird ein richtig guter Spieler werden. Er hat eine gute Größe und ein super Auge. Er sieht unglaublich viel, was auf dem Court passiert, und trifft dann gute Entscheidungen - sei es, den Pass zu spielen oder selbst abzuschließen. Das ist seine große Stärke. Jetzt muss er nur noch an seinem Wurf arbeiten.

Zurück zu Ihnen: Nach vier Jahren in Stanford endete Ihre College-Zeit in diesem Frühjahr. Konnten Sie Ihre letzten beiden Saisons in Corona-Zeiten überhaupt genießen?

da Silva: Definitiv, die letzte Saison hat trotz Corona viel Spaß gemacht. Wir sind als Team noch enger zusammengewachsen - es gab ja ansonsten nicht viel zu tun, entsprechend haben wir viel Zeit miteinander verbracht. Zwischenzeitlich haben wir einen Monat lang in einem Hotel gelebt, da bei uns am Campus Sport verboten war. Das war eine spannende Zeit. Leider haben wir das NCAA-Turnier verpasst. Ich fand aber, wir haben gezeigt, dass wir dort hingehört hätten.

Sie haben nun ein abgeschlossenes Biologiestudium mit den Schwerpunkten Biochemie und Biophysik in der Tasche. Haben Sie vor, das Thema nach Ihrer aktiven Karriere in beruflicher Hinsicht wieder aufzugreifen?

da Silva: So ist der Plan. Ich würde irgendwann gerne wieder im Medizinbereich arbeiten. Aber bis dahin ist noch Zeit.

Oscar da Silva über seinen kontroversen Wechsel zu Alba Berlin

Nun steht erst einmal die BBL im Fokus. Kurz nach dem Saisonstart haben Sie bei Alba Berlin unterschrieben, Ihr Wechsel aus Ludwigsburg verlief äußerst kontrovers, offenbar gab es unterschiedliche Interpretationen bezüglich Ihrer Ausstiegsklausel. Beim Abschlusstraining vor dem Saisonauftakt waren Sie noch dabei, beim Spiel gegen die Hamburg Towers dann aber nicht mehr. Können Sie uns die Umstände Ihres Wechsels aus Ihrer Sicht genauer erklären?

da Silva: Das einzig Schwierige an dem Wechsel war der Zeitpunkt so kurz vor dem ersten Spieltag. Ich kann verstehen, dass die Fans böse auf mich sind. Aber gleichzeitig bin ich nicht der Meinung, dass ich etwas falsch gemacht habe. Ich habe im Rahmen meines Vertrags gehandelt und ein Angebot angenommen, das mir eine neue Perspektive und die Chance, EuroLeague zu spielen, geboten hat. Aus meiner ganz persönlichen Sicht habe ich richtig gehandelt.

Ihr ehemaliger Coach in Ludwigsburg, John Patrick, sagte nach dem Saisonauftakt gegen Hamburg: "Er ist einfach abgehauen. So etwas habe ich noch nie gesehen." Wie haben Sie reagiert, als Sie diese Aussage gehört haben?

da Silva: Ehrlich gesagt, habe ich mich damit nicht auseinandergesetzt. Ich habe die Interviews von ihm oder Alexander Reil (Vorsitzender der MHP Riesen Ludwigsburg, Anm. d. Red.) nicht gelesen.

Oscar da Silva wechselte erst kurz nach dem Saisonstart zu Alba Berlin.getty

Alba-Big Oscar da Silva: "Diese Darstellung ist nicht richtig"

Sie sagen, Sie können den Unmut der Fans verstehen. Bereuen Sie es, wie der Wechsel abgelaufen ist?

da Silva: Ich habe kein schlechtes Gewissen. Ich habe mich von den Jungs verabschiedet, ich habe auch mit Patrick das Gespräch gesucht, aber von Ludwigsburger Seite wurde es im Nachhinein ein bisschen so dargestellt, als wäre ich gegangen, ohne irgendwem etwas zu sagen. Diese Darstellung ist nicht richtig. Aber das Thema ist jetzt abgeschlossen und da muss ich nicht nachtreten oder nochmal alles aufwühlen.

Hatten Sie nach dem Wechsel nochmal Kontakt mit Patrick oder einem der Verantwortlichen in Ludwigsburg oder ist das Thema für Sie abgehakt?

da Silva: Das Thema ist für mich abgehakt.

Werfen wir einen Blick auf Ihren jetzigen Arbeitgeber. Warum wollten sie unbedingt zu Alba?

da Silva: Die EuroLeague war natürlich ein großer Faktor. Hinzu kommt, dass Alba eine tolle Organisation ist, angefangen bei Sportdirektor Himar Ojeda und Geschäftsführer Marco Baldi. Charakterlich sind das hier sehr feine Jungs, es macht Spaß, mit ihnen zusammenzuspielen. Ich denke, ich passe auch in sportlicher Hinsicht ganz gut ins Konzept.

Wie sehen Sie Ihre Rolle im Team? Eigentlich ist Ihre angestammte Position die des Power Forwards, aufgrund von zahlreichen Verletzungssorgen im Frontcourt, unter anderem fehlen Ben Lammers, Johannes Thiemann oder Christ Koumadje, mussten Sie zuletzt häufig auf Center aushelfen.

da Silva: Ich spiele gerne weiter außen, das ist richtig. Aber ich sehe auch, dass ich Vorteile auf der Fünf mitbringe, gerade im Pick'n'Roll. Langfristig sehe ich mich aber eher auf einer Außenposition. Aufgrund der Verletzungen ist aktuell etwas Not am Mann - ansonsten wäre mein Wechsel nach Berlin auch gar nicht zustande gekommen. Von daher möchte ich keine Ansprüche stellen, sondern spiele die Rolle, die die Mannschaft von mir verlangt. Von Luke Sikma oder Thiemann kann ich noch sehr viel lernen, was das Spiel auf der Vier angeht. Ich hoffe, dass ich dort früher oder später wieder mehr Minuten sehe.

Oscar da Silva bei Alba Berlin: "Das Ziel ist klar: Titel gewinnen"

In der neuen BBL-Saison hinkt der Titelverteidiger den Erwartungen hinterher. Von den ersten sechs Spielen gingen gleich drei verloren. Es ist noch sehr früh, aber machen Sie sich Sorgen um die Saison?

da Silva: Keine Frage, das können wir noch umbiegen. Es stimmt schon, der Saisonstart war durchwachsen, die Verletzungen haben da sicherlich eine Rolle gespielt. Da ich erst nach dem Saisonstart zum Team gestoßen bin, muss ich mich auch noch mit meinen neuen Kollegen einfinden. Nichtsdestotrotz müssen wir in der BBL zusehen, dass wir ein paar Spiele gewinnen. Playoffs, Finale, Meisterschaft - das ist unser Anspruch, daran hat sich nichts geändert.

In der EuroLeague steht Alba bei drei Siegen aus den ersten acht Spielen. Mit den Playoffs wird es schwierig.

da Silva: Auf europäischer Ebene können wir die Spiele mit etwas weniger Druck angehen. Wir sind das jüngste Team im Wettbewerb, vor allem nachdem ein paar erfahrene Spieler ausgefallen sind. In der EuroLeague ist es einfach wichtig, immer unser bestes Spiel abzurufen, dann kommen die Erfolge von ganz allein.

Langfristig gesehen: Was wollen Sie mit Alba erreichen? Sie haben in Berlin immerhin einen Dreijahresvertrag unterschrieben.

da Silva: Das Ziel ist klar: Titel gewinnen. In erster Linie in Deutschland, aber perspektivisch möchte ich mit Alba auch in der EuroLeague den nächsten Schritt machen, damit wir uns im Playoff-Feld etablieren können.

Für Sie persönlich wäre ein weiterer logischer Schritt in Richtung Nationalmannschaft. Bisher sind Sie nur für die deutsche Junioren- und A2-Nationalmannschaft aufgelaufen. Machen Sie sich Hoffnungen auf einen Anruf vom neuen Bundestrainer Gordon Herbert?

da Silva: Natürlich würde ich mich riesig freuen, wenn ich für die A-Nationalmannschaft berufen werde. Mit der EuroLeague und dem engen Terminkalender ist es allerdings schwieriger, die Fenster außerhalb des Sommers wahrzunehmen. Außerdem habe ich seit September letzten Jahres keine wirkliche Pause gehabt. Für mich überwiegt dennoch die Hoffnung, lieber früher als später für die Nationalmannschaft zu spielen.

Und lieber früher als später würden Sie sich sicherlich gerne den Traum von der NBA verwirklichen. Ist in Ihrem aktuellen Vertrag bei Alba eine Ausstiegsklausel inkludiert? Also könnten Sie den Sprung in die USA wagen, sollte sich eine Türe öffnen?

da Silva: Ja, die gibt es. Die NBA bleibt mein großes Ziel, diese Option war entsprechend wichtig für mich. Falls ein Team Interesse hat, will ich die Möglichkeit haben, diese Chance wahrzunehmen. Wenn sich die NBA meldet, könnte ich im Sommer wechseln.