Die Celtics trennt nur noch ein Sieg von den NBA Finals. Während sich Boston in der zweiten Halbzeit auf seine Starpower verlassen konnte, lief bei den Heat offensiv weiterhin nichts zusammen. Wo hat Miami eine Chance auf den Sieg liegen gelassen? Und welche Aspekte bereiten auch für die kommende(n) Partie(n) Sorgen? Die Erkenntnisse zu Spiel 5.
1. Miami hätte zur Pause höher führen müssen
38,2 Prozent aus dem Feld, 25 Prozent aus der Distanz, 10 Turnover, 9 zugelassene Offensiv-Rebounds. Das waren die erschreckenden Zahlen der Celtics in der ersten Halbzeit von Spiel 5 der Ost-Finals. "Das war großer Mist, unsere Defensive hat uns im Spiel gehalten", sagte Jaylen Brown zum Gezeigten und ergänzte gleichzeitig, dass es in den Playoffs eben auch nicht immer schön sein muss.
"Wenn du etwas Besonderes erreichen willst, gehört das nun einmal dazu. Wir sind stolz darauf, auf verschiedene Arten zu gewinnen." Und da Miami eben auch nur 18/48 aus dem Feld und 4/21 vom Perimeter traf und somit das Mehr an Würfen (+15) nur unzureichend nutzte, ging es für die Celtics nur mit einem 5-Punkte-Rückstand in die Kabine.
Bei aller defensiver Qualität der Heat ließ sich früh erahnen, dass Boston offensiv keinen solch schwachen Auftritt über 48 Minuten hinlegen wird. Klar: Beide Teams haben in diesem Bereich ihre Stärken und kennen sich in- und auswendig. Dennoch waren viele der Ballverluste der Gäste nicht erzwungen, insbesondere Brown stand völlig neben sich (4 TOs zur Pause). Aus diesen machte Miami recht wenig, am Ende waren es gerade einmal 17 Punkte nach Ballgewinnen und nur 5 im Fastbreak.
"Wir können uns nicht weiter solche Ballverluste erlauben", sagte Head Coach Ime Udoka in der Pause seinem Schützling und dieser hielt Wort. Nach dem Wechsel kam kein einziger mehr dazu. Folglich bereitete dann "nur" noch die Schwäche an den defensiven Brettern Sorgen (19 zugelassene Offensiv-Rebounds), dank einer verbesserten Offensive konnte dies jedoch locker kompensiert werden.
In der ersten Hälfte erzielte Boston 37 Punkte, allein im dritten Viertel waren es 32, während Miami im gleichen Zeitraum nur 16 gelangen. So schafften es die Celtics in gefühlt zehn Minuten, aus einem völlig offenen Spiel einen Blowout zu machen, nach 2 Dreiern von Brown zu Beginn des Schlussviertels führten die Gäste mit +23, die Halle am South Beach leerte sich schlagartig.
Hauptproblem bei den Heat war natürlich die Trefferquote aus der Distanz, 19 Prozent waren es zur Pause, am Ende sogar nur noch 15,6. Neben einigen gut herausgespielten Würfen, die einfach nicht fallen wollten, versuchten es die Hausherren irgendwann allerdings auf Teufel komm raus zu erzwingen - obwohl die Wurfqualität teilweise einfach nicht gegeben war. Duncan Robinson drückte gleich zehnmal ab, dabei hatten die Celtics ein klares Augenmerk darauf gelegt, diesen erst gar nicht in einen Rhythmus kommen zu lassen.
In Person von Jimmy Butler gingen die Heat in Halbzeit eins nur zweimal an die Linie (2/2, BOS: 7/9), es waren spielübergreifend die ersten Freiwürfe für Miami seit 32 Minuten. In der Half Court Offense hatten die Heat massive Probleme, zum Korb zu kommen oder sich hochprozentige Würfe zu erspielen. Dass das Spiel im weiteren Verlauf kippen würde, war fast abzusehen.
getty2. Bostons Starduo liefert - und bei Miami?
Denn: Dafür ist das Starduo der Celtics aus Tatum und Brown einfach zu gut. Bei kombiniert 10 Punkten und 3/16 FG standen sie zur Pause, dass beide weiter so miserabel treffen würden, war nahezu ausgeschlossen. Zu gut war Tatum in Spiel 4, zu konstant Brown abgesehen von der schwächeren Begegnung zuletzt. Und das zeigte sich dann auch: Tatum legte im dritten Viertel 9 Punkte auf, Brown 13 im Vierten.
Vor allem Brown konnte phasenweise nicht mehr danebenwerfen - ob Dreier, gut contesteter Jumper aus der Midrange oder mit einem monströsen Dunk, bei dem er die Schwerkraft außer Kraft setzte. Brown und Tatum kamen in der zweiten Halbzeit auf 37 Punkte, die Heat auf 38. "Das ist nicht gut", sagte Head Coach Erik Spoelstra zur Dreierquote seiner Mannschaft, hätte diesen Satz allerdings auch auf die gesamte Performance beziehen können.
"Wir mochten es nicht, wie wir gespielt haben. Wir haben uns die Frage gestellt: 'Wie viel bedeutet es uns?' Wir haben all die 50/50-Bälle gesehen, die weggingen, und ihren Einsatz und wir haben uns dafür entschieden, dass wir das bereinigen müssen", sagte Tatum zum Aufschwung seiner Mannschaft, nachdem er einen historischen Meilenstein erreicht hatte. Als zweitjüngster Spieler der NBA-Geschichte hat er im Alter von 24 Jahren und 83 Tagen die Marke von 1.500 Playoff-Punkten erreicht. Jünger war nur Kobe Bryant. "Wir wissen, dass, wenn wir in Fahrt kommen, nicht viele Leute mit uns mithalten können", sagte Brown über das Zusammenspiel mit Tatum.
Und bei den Heat? Die konnten sich nicht auf eine entsprechende Starpower verlassen. Das ist kein neues Problem. Die Last auf Jimmy Butler, der sichtbar nicht bei 100 Prozent war, aber dennoch mit Abstand die meiste Spielzeit bei den Heat absolvierte, ist offensiv (zu) groß. Bereits in der Anfangsphase ließ er ungewöhnlich viele einfache Punkte am Korb liegen, die Würfe verfehlten teilweise weit ihr Ziel, die Beine ließen ihn bei den Jumpern im Stich. Das Ergebnis waren 4/18 FG für 13 Punkte.
Bam Adebayo, der als zweiter Heatle mehr als 38 Minuten auf dem Feld stand, war der klar beste Spieler bei den Gästen. Den Beweis, dass er ein Team konstant im Angriff tragen kann, bleibt er allerdings weiterhin schuldig. Als er seine beste Phase hatte, war die Partie bereits mehr oder weniger entschieden. Seine Punkteausbeute in der aktuellen Serie: 10, 6, 31, 9, 18. Spiel 3 scheint rückblickend vielmehr ein Ausreißer als die Regel zu sein. Für den zweitbesten Spieler einer Halbfinal-Mannschaft ist das zu wenig. Die Firepower von Sixth Man Tyler Hero, dessen Mitwirken auch in Spiel 6 völlig offen ist, fehlt an allen Ecken und Enden.
3. Alle Celtics-Spieler leisten Beitrag - unklare Rollenverteilung bei den Heat
Und wie sieht es bei den Rollenspielern aus? Dass Kyle Lowry überhaupt in dieser Kategorie genannt werden muss, zeigt, wie es um den Zustand des Ex-Raptors-Stars bestellt ist. Bei ihm ließe sich ebenso wie bei Max Strus, Gabe Vincent und P.J. Tucker damit argumentieren, dass sie angeschlagen in die Partie gingen. Dies war aber auch bei Marcus Smart der Fall. Zudem hielt sich Tatum bereits früh im Spiel schmerzverzerrt die Schulter und bestätigte im Nachgang die Probleme.
Ohne diese Beschwerden gegeneinander aufwiegen zu wollen: Die Leistung von Lowry war absolut indiskutabel, er wirkte wie ein alter Mann, der im Gegensatz zu einem Al Horford nichts mehr im Tank hat, um zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Saison einen Beitrag zu leisten. Es hilft sicherlich nicht, dass die Conference Finals im Zwei-Tages-Rhythmus durchgeboxt werden, ohne Pause für die Spieler. Bereits in der Nacht auf Samstag geht es mit Spiel 6 weiter. Chance zur Regeneration? Fehlanzeige.
Lowrys Spielzeit von 25 Minuten war in Anbetracht dieser Tatsache fast schon zu viel, wobei er wahrscheinlich ohne seine Foulprobleme eher mehr gespielt hätte. Kein Assist, 3 Turnover, 0/6 aus dem Feld, 0/5 aus der Distanz, 1 Rebound. Und auch in der Defensive war er kein Plusfaktor und wusste sich meist nur mit Fouls zu helfen. Sein Partner im Backcourt Strus vollendete das katastrophale Bild. Auch er verfehlte alle seine Würfe (0/9 FG, spielübergreifend steht er bei 0/16 FG!). Zusammengerechnet 0/15 ist die schlechteste Shooting-Leistung eines Starting Backcourts in den Playoffs, seit diese offiziell getrackt wird (1970/71).
Es ließe sich dafür argumentieren, dass die Heat das etwas tiefere Team stellen, wenn denn jeder seine Normalfall erreicht. Die Reservisten um Vincent, Caleb Martin und Duncan Robinson zählten noch zu den Lichtblicken, auch ein (dieses Mal schwacher) Victor Oladipo darf nicht vergessen werden. Doch Stand jetzt stellt Boston nicht nur den besten Spieler der Serie, sondern überzeugt auch durch eine klare Rollenaufteilung.
Udoka hat die Rotation nochmals gestrafft und setzte bis zur Garbage Time nur sieben Spieler ein, von der Bank kamen White und Grant Williams. Payton Pritchard fiel dieser Maßnahme zum Opfer, wie es bereits mit Daniel Theis der Fall war nach der Nets-Serie (mit Ausnahme von Spiel 1 gegen Miami). Der Deutsche wurde als einziger Kelte im Aufgebot gar nicht eingesetzt.
White, der die zweite starke Leistung in Folge zeigte, verlieh dem Spiel der Celtics nach seiner Einwechslung neue Energie, er traf 6 seiner 8 Würfe für 14 Punkte. Williams, der Held aus Spiel 7 gegen die Bucks, beließ es bei 5 Punkten und 6 Rebounds. Dafür hatte Boston allerdings keine Ausfälle a la Lowry oder Strus in der Starting Five. Der angeschlagene Smart und Robert Williams III rieben sich in der Defensive auf, vor allem letzterer machte einen hervorragenden Job als Help Defender (3 Blocks). Und wenn man dann noch zwei Stars hat, die in der entscheidenden Phase übernehmen können, macht das die Sache natürlich deutlich einfacher.
4. Heat vs. Celtics: Weitere Beobachtungen:
- Es hätte endlich mal eines der wenigen spannenden Playoff-Spiele werden können. Die Differenz von 5 Punkten zur Pause war die knappste im bisherigen Serienverlauf. Kurz nach der Pause gab es den vierten Führungswechsel, so viele wie in der bisherigen Serie zusammen! Doch dann kamen Tatum und Brown und die Heat blieben weiter eiskalt - und die Spannung war schnell dahin.
- Die gemeinsam erzielten 79 Punkte in Halbzeit eins waren die wenigsten in einem Conference Final seit 2014 (Heat vs. Pacers, Spiel 5).
- Dass die erste Halbzeit von Tatum und Brown nicht die allerbeste war, wird auch durch die Zahlen untermauert: 19 Prozent (3/16 FG) sind die schlechteste kombinierte Quote des Duos in irgendeiner Halbzeit (inklusive Regular Season), seit die beiden gemeinsam auflaufen.
- Einen kurzen Schreckmoment gab es nach der Pause, als Grant Williams für Namensvetter Robert startete und dieser nicht einmal auf der Bank zu sehen war. Udoka gab Entwarnung, Williams III wurde aufgrund einer Verspannung lediglich nochmal ordentlich durchgedehnt und wirkte kurz darauf wieder mit. Und das mit Erfolg: Laut SecondSpectrum trafen die Heat nur 2/13 FG, wenn er der nächste Verteidiger war.
- Welche Message hat Tatum an seine Mitspieler vor Game 6? "Glaubt nicht, was ihr (die Medienvertreter, Anm. d. Red.) im TV sagt. Dass wir schon die Meisterschaft gewonnen haben. Es ist noch nicht vorbei." Tatum spricht aus Erfahrung: Er war dabei, als die Celtics letztmals eine 3-2-Führung in den Conference Finals hatten und diese gegen die Cavaliers 2018 noch verspielten. Es fühle sich nun aber definitiv anders an: "Das war mein Rookie-Jahr, wir hatten ein anderes Team. Ich bin viel besser, JB ist es auch. Wir sind älter und haben einiges durchgemacht."
Miami Heat vs. Boston Celtics: Die Serie im Überblick (2-3)
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 18. Mai | 2.30 Uhr | Miami Heat | Boston Celtics | 118:107 |
2 | 20. Mai | 2.30 Uhr | Miami Heat | Boston Celtics | 102:127 |
3 | 22. Mai | 2.30 Uhr | Boston Celtics | Miami Heat | 103:109 |
4 | 24. Mai | 2.30 Uhr | Boston Celtics | Miami Heat | 102:82 |
5 | 26. Mai | 2.30 Uhr | Miami Heat | Boston Celtics | 80:93 |
6 | 28. Mai | 2.30 Uhr | Boston Celtics | Miami Heat | - |
7* | 30. Mai | 2.30 Uhr | Miami Heat | Boston Celtics | - |
*falls nötig