NBA Playoffs - Erkenntnisse Warriors vs. Grizzlies: Müssen wir uns Sorgen um Curry machen?

Philipp Jakob
14. Mai 202210:21
Stephen Curry trifft in dieser Postseason nur 33 Prozent aus der Distanz.getty
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Game 6 Klay is back! Nach über zweieinhalb Jahren Leidenszeit hat Klay Thompson den Warriors als Topscorer in Spiel 6 gegen Memphis zum Sprung in die West-Finals verholfen. In der Serie gegen die Grizzlies wurde aber auch deutlich: In dieser Form sind die Warriors nicht titelreif.

1. Die Legende von Game 6 Klay

Game 6 und Klay Thompson - das ist eine magische Verbindung. Eine, wie sie sonst vielleicht nur Michael Jackson mit der Musik, Mike Tyson mit dem Boxring oder Michael Jordan mit dem orangefarbenen Leder gespürt hat. Zumindest stellte der Warriors-Star sein "Game 6"-Ich in einem Instagram-Post scherzhaft auf eine Stufe mit diesen Legenden, in Anspielung auf eine berühmte Zeile aus dem Song "Ni**as in Paris" von Jay-Z und Kanye West.

Was ist da also zwischen dem Splash Brother und einem Spiel 6? "Ich weiß es nicht, keine Ahnung", gab Thompson nach dem 110:96-Erfolg in Spiel 6 der Conference Semifinals zu, in dem er mit 30 Punkten zum Topscorer avancierte. "Ich liebe einfach diese Momente, ich liebe den Druck. Wir sind keine Sänger oder Schauspieler, wir können das nicht ewig machen. Während wir also noch dazu fähig sind, sollten wir jede einzelne Nacht wertschätzen, denn manchmal geht es schnell vorbei."

Kaum jemand weiß das so gut wie Thompson. 1066 Tage sind mittlerweile seit seinem letzten Spiel-6-Meisterwerk vergangenen, als er in den Finals 2019 30 Punkte in 32 Minuten gegen Toronto auflegte, bevor er sich das Kreuzband riss. Bekanntermaßen folgte ein Jahr später ein Achillessehnenriss und mehr als zweieinhalb Jahre Zwangspause.

Nun meldete er sich mit 8 Dreiern auf der großen "Game 6-Bühne" zurück, schon in den Anfangsminuten fing er Feuer, indem er die Drop Coverage von Grizzlies-Center Steven Adams gnadenlos bestrafte. Dabei sei er den ganzen Tag nervös gewesen, sagte Thompson. Man sah es ihm nicht an.

Seit seinem berühmten Spiel 6 gegen die Thunder 2016 hat der Splash Brother nun in sieben Auftritten in einem Game 6 im Schnitt 28,1 Punkte aufgelegt. "Ihr seid alle schon eine Weile dabei. Ihr wisst, wie Klay in einem Spiel 6 drauf ist", meinte Warriors-Coach Mike Brown (Steve Kerr fehlte erneut) nur lapidar.

Die Frage ist nun allerdings: Kann Thompson diese Leistung mit seinen mittlerweile 32 Jahren und nach zwei schweren Verletzungen konstant abrufen? Die bisherige Postseason spricht eher dagegen, in der Serie gegen Memphis (16,2 Punkte bei miserablen 38,1 Prozent FG in den ersten fünf Duellen) war Thompson meist eher ein Negativ-Faktor. Auch defensiv ist er aufgrund der verständlicherweise verloren gegangenen Athletik nicht mehr die Macht früherer Tage, sondern hechelt manchmal hinterher.

In den West-Finals - bis zum Start in der Nacht auf den 19. Mai können sich Thompson und Co. immerhin etwas ausruhen - werden die Dubs wohl öfters den Game 6 Klay brauchen. Es wäre ihm nach der langen Leidenszeit zu wünschen, wenn er ihn öfters aus sich herauskitzeln kann.

2. In dieser Form sind die Warriors nicht titelreif

Bei aller Euphorie über die Eruption des Klay-Vulkans, vollends zufrieden ist man in San Francisco mit diesem Auftritt, ja mit der gesamten Serie, sicherlich nicht. Die Turnover-Probemaltik zog sich wie ein hässlicher, roter Faden durch die kompletten Conference Semifinals. In den sechs Duellen mit Memphis leistete sich Golden State im Schnitt 18,2 Ballverluste - in der regulären Saison waren selbst die weit abgeschlagenen Rockets auf dem ligaweit 30. Rang noch besser (16,5).

Auf dem vorletzten Platz in dieser Kategorie lagen in der Regular Season übrigens ... die Warriors (14,9). Das Problem ist also schon länger bekannt, es verschärfte sich gegen Memphis nur nochmal gewaltig. Über die gesamte Serie verlor Golden State das Turnover-Duell mit 109:72. In Spiel 6 lautete die Turnover-Bilanz 19:7, was Memphis in 18 direkte Punkte ummünzte.

Schon nach Spiel 5 war Draymond Green angesichts dieser Entwicklung ziemlich bedient. "Du musst Drucksituationen vermeiden und ich habe das Gefühl, dass wir das eher forcieren. Die ganze Serie über waren wir zu schnell. Wir müssen langsamer spielen." Besserung trat in Spiel 6 aber nicht wirklich ein.

Die Ballverluste waren dabei teilweise schlicht zum Haareraufen. Die Statistiker zählten gleich fünf ungenaue Bodenpässe wie diesen hier, hier spielt Damion Lee ohne Bedrängnis einen fatalen Fehlpass, hier rennt Green einfach in den Verteidiger oder in diesenbeiden Beispielen agiert Curry schlampig. Es lag also nicht nur am Druck der Grizzlies-Defense, die nichtsdestotrotz bis Mitte des vierten Viertels insgesamt einen sehr guten Job machte.

Nur eins von vielen Beispielen, wie die Warriors den Ball herschenken.nba.com/stats

Immerhin: Im vierten Viertel, als die Warriors den Sieg eintüteten, leisteten sich die Hausherren nur noch zwei Turnover - beide, als das Spiel bereits entschieden war, zum Beispiel, weil Golden State die Uhr herunterdribbelte. Es geht also doch. An dieses Viertel müssen die Warriors ansetzen, weitere Turnover-Orgien dürfen sie sich in den West-Finals nicht erlauben. Sonst reicht es nie und nimmer zum Titel.

3. Warriors: Wo bleibt das Signature-Spiel von Stephen Curry?

Um nach der vierten Larry O'Brien-Trophy für diesen Nukleus zu greifen, werden die Warriors auch eine Steigerung von Stephen Curry benötigen. In den Conference Semifinals legte er zwar 26 Punkte im Schnitt auf - allerdings bei für seine Verhältnisse miserablen Wurfquoten von 41,3 Prozent aus dem Feld und 32,9 Prozent von Downtown.

Betrachtet man die komplette bisherige Postseason, dann steht der Chefkoch bei Quoten von 45,1 Prozent beziehungsweise 35,9 Prozent. Ersteres entspricht seinem Playoff-Schnitt, doch die Dreierquote wäre ein Playoff-Karrieretiefstwert, was übrigens auch für seine aktuelle Freiwurfquote von 81,6 Prozent gilt.

Seine Scoring-Explosion in Spiel 2 gegen Denver (34 Punkte in 23 Minuten bei 12/17 FG) ist bislang eher die Ausnahme als die Regel. Bei seinen beiden 30-Punkte-Auftritten gegen Memphis in Spiel 3 und 4 traf er zusammengenommen nur 6/22 von Downtown. Das geht besser, wobei wir an dieser Stelle nochmals betonen möchten: Diese Kritik ist natürlich gemessen an seiner persönlichen, extrem hohen Messlatte.

Auf ein echtes Signature Curry-Spiel warten die Dubs-Fans bislang noch, gut möglich, dass es schon bald kommt. Schließlich ist der 34-Jährige jederzeit in der Lage, heiß zu laufen. Das zeigte wieder einmal das vierte Viertel von Spiel 6. Nach den ersten drei Durchgängen stand Curry bei 18 Zählern und 6/20 aus dem Feld sowie 3/12 Dreiern. Ein offener Triple in Transition brachte ihn dann in Fahrt, wenig später folgte ein tiefer Pullup.

Seiner Reaktion nach zu urteilen, waren diese Erfolgserlebnisse auch für Curry selbst wichtig. Im Schlussabschnitt vermerkten die Statistiker letztlich 11 Punkte bei 3/5 Dreiern. Er hatte einen wichtigen Anteil am vorentscheidenden Lauf. War das vielleicht die Initialzündung für eine große Curry-Show in den West-Finals?

4. Warriors vs. Grizzlies: Gebt Acht vor den jungen Wilden

Auf Seiten der Warriors ist man sich nach dieser Serie einig: Mit diesen Grizzlies ist in Zukunft zu rechnen. Memphis hat sich nicht nur in der Bay Area eine Menge Respekt verschafft, wie das junge Team auch ohne Franchise-Star Ja Morant den Warriors einen großen Kampf bot.

Warum es in Spiel 6 nicht reichte, analysierte Dillon Brooks recht treffend: "Das Rebounding und Fastbreak-Punkte haben uns umgebracht." Die Zahlen sprechen in dieser Hinsicht eine deutliche Sprache: Golden State gewann das Duell an den Brettern mit 70:44 (!), inklusive 25 Offensiv-Rebounds, an denen vor allem der neue Mann in der Starting Five Kevon Looney (11) seinen Anteil hatte. Allein im vierten Viertel schnappten sich die Hausherren 11 Abpraller am gegnerischen Brett, die zu 13 Punkten führten - darunter der Dagger von Thompson. Bei den Fastbreak-Punkten stand es 23:15 für die Warriors.

Dennoch: Memphis hat bleibenden Eindruck hinterlassen. "Das ist eine Gruppe von jungen Typen, die hungrig sind. Sie sind talentiert, athletisch, sie kapieren es", lobte Green den Gegner. "Sie werden eine gute Entwicklung in den kommenden Jahren hinlegen, denn sie sind ein unglaublich junges Team. Sie können besonders werden. Sie haben sich meinen Respekt verdient."

In eine ähnliche Kerbe schlug auch Curry: "Sie haben uns besser gemacht und ich bin mir sicher, dass wir sie besser gemacht haben. Wer weiß, was in Zukunft passiert. Aber sie werden für eine lange Zeit hier sein, es spricht vieles für sie. Definitiv Respekt."

Das Durchschnittsalter des Kaders beläuft sich auf 23,7 Jahre, damit waren die Grizzlies laut Spotrac das zweitjüngste Team in der Saison 2021/22. Aus diesem Playoff-Run werden die Youngster weitere wichtige Erfahrungen mitnehmen und ihre Lehren ziehen. Brooks bezeichnete die Niederlage gegen die Warriors als zusätzliche Motivation. Die Liga ist schon jetzt gewarnt.

NBA Playoffs: Warriors vs. Grizzlies - Die Serie im Überblick

SpielDatumUhrzeitHeimAuswärtsErgebnis
11. Mai21.30 UhrMemphis GrizzliesGolden State Warriors116:117
24. Mai3.30 UhrMemphis GrizzliesGolden State Warriors106:101
38. Mai2.30 UhrGolden State WarriorsMemphis Grizzlies142:112
410. Mai4 UhrGolden State WarriorsMemphis Grizzlies101:98
512. Mai3.30 UhrMemphis GrizzliesGolden State Warriors134:95
614. Mai4 UhrGolden State WarriorsMemphis Grizzlies110:96