NBA Playoffs - Erkenntnisse zum Warriors-Sieg in Spiel 1 gegen die Grizzlies: Steve Kerr hat sich beinahe verzockt

Robert Arndt
02. Mai 202210:02
Poole zeigte in Spiel 1 gegen Memphis eine ganz starke Leistung - erneut.getty
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Die Golden State Warriors haben in Memphis einen Thriller gewonnen, obwohl Draymond Green in der zweiten Halbzeit gar nicht mehr spielte. Die Ejection war strittig, gleichzeitig hatten die Dubs einen Ersatz für den Defensiv-Star. Jordan Poole bleibt die Entdeckung der Saison.

1. Warriors: Steve Kerr hat sich beinahe verzockt

Wenn man als favorisiertes Team sein Lineup ändert, um auf den Gegner zu reagieren, wird das gerne als Schwäche ausgelegt. Man frage nur bei Avery Johnson nach, der 2007 für das 1-8-Matchup gegen die Golden State Warriors in Erick Dampier seinen Center schon in Spiel 1 auf die Bank setzte und dafür auch wegen der Niederlage heftig kritisiert wurde.

15 Jahre später überraschte Warriors-Coach Steve Kerr mit seiner Maßnahme, Gary Payton II in die Starting Five zu nehmen und dafür Shooting-Star Jordan Poole zu opfern. Der Gedankengang war durchaus nachvollziehbar, schließlich wollten es die Warriors Klay Thompson nicht zumuten, Ja Morant zu verteidigen. Gleichzeitig beraubte man sich seiner größten Stärke, dem Three-Guard-Lineup mit Klay, Poole und Stephen Curry.

Erschwerend kam hinzu, dass Payton selbst keine Chance gegen den Superstar der Grizzlies hatte und in gut acht Minuten in der ersten Halbzeit schon drei Fouls eingesammelt hatte. Die Maßnahme gab Morant einen Platz, wo er sich in der Defense verstecken konnte. Nach der Pause durfte Poole dagegen sofort ran und es wurde offensichtlich, dass dies für die Grizzlies ein großes Problem war.

Trae Young wird ob seiner Defense stets harsch kritisiert, Morant ist in dieser Hinsicht nicht viel besser, auch wenn er deutlich aktiver als der Hawks-Guard wirkt. Das kann aber auch nicht überdecken, dass er an jedem Screen kleben bleibt und seine Gegenspieler ständig aus den Augen verliert.

Mit Andrew Wiggins hatten die Dubs ohnehin noch eine solide Alternative, um Morants Drives einzudämmen und das gelang recht gut. Im dritten Viertel erzielte der Spielmacher nur ein Field Goal in der Zone, Memphis als Team erzielte nur 6 Zähler und blieb nur dank des heißen Shootings von Jaren Jackson Jr. im Spiel.

2. Warriors-Small-Ball funktioniert auch ohne Green

Der Luxus der drei Guards ist es auch, dass zwei zu jeder Zeit auf dem Feld stehen können. In Spiel 1 waren es Curry und Poole, welche heiß waren und Memphis letztlich versenkten. Payton hatte dennoch im vierten Viertel defensiv einen riesigen Einfluss, wohl auch weil Green nicht mehr dabei war (dazu später mehr). Einen Non-Shooter konnten die Dubs sich leisten.

Und sie hatten am Ende ein Killer-Lineup auf dem Feld. Payton agierte als Center, dazu waren die drei Guards sowie Wiggins auf dem Court. Mit 2,01 Meter war der Kanadier der größte Warrior auf dem Feld, die Rockets aus der Bubble lassen grüßen. Trotz allem funktionierte es, vornehmlich aufgrund der guten Arbeit am offensiven Brett und dank Payton, der den Greens Absenz an beiden Enden vergessen machte und der heimliche Matchwinner der letzten Minuten war.

Durch die Penetration der Guards mussten die Grizzlies, welche auch extrem klein spielten, viel rotieren. Jackson Jr. war zwar der größte Spieler auf dem Feld, Rebounding ist aber keine Stärke von ihm. Dazu verbrachte er viel Zeit am Perimeter, sodass die Abpraller eher durch Positionsspiel und Willen gesichert wurden. Golden State schnappte sich 5 Offensiv-Rebounds im Schlussabschnitt, über 48 Minuten waren es 16.

Womöglich war es auch ein Umstand der Terminierung, schließlich machten die Gastgeber erst 40 Stunden zuvor im gut 1.300 Kilometer entfernten Minneapolis den Einzug in die nächste Runde klar. Es war schon fast bezeichnend, dass der Gamewinner von Thompson erst zustande kam, als die Warriors in einer Possession zuvor drei Würfe am Stück vergeben hatten.

3. Klay Thompsons Winner, aber ...

Es war einer der wenigen guten Momente von Thompson in diesem Spiel. Der Splash Brother brauchte für seine 15 Zähler 19 Würfe, immerhin spielte er im Schlussabschnitt einige gute Pässe, aber ansonsten war sein Auftritt alles andere als gut. Wann gab es das mal, das der 31-Jährige zwei Freiwürfe am Stück vergab?

Und wann gab es das zuletzt, dass ein Gegner Thompson gezielt attackiert? Wir können uns nicht erinnern, aber genau das taten die Grizzlies in Person von Morant in der Crunchtime und hatten damit Erfolg. Zugegeben, Morants Speed gepaart mit seinen Abschlussqualitäten am Ring suchen in der NBA seinesgleichen, dennoch war es auffällig, wie chancenlos Klay in diesen Situationen war.

Memphis suchte immer wieder diesen Switch und konnte die Zone attackieren. Das war die ersten drei Viertel nicht immer so, Memphis verlor sogar das Duell in der Zone deutlich mit 44:56. Die Warriors setzten dabei auf viele Switches und die Grizzlies suchten immer wieder Thompson mit Erfolg.

"Ich habe mit Wut gespielt", sagte Thompson zu seiner Vorstellung. "Andre Iguodala kam dann spät im Spiel zu mir und meinte, dass ich die Ruhe bewahren solle."

4. Jordan Poole ist weiter der X-Faktor der Warriors

Thompson war aber nicht der einzige Warrior, der attackiert wurde. Auch Poole wurde immer wieder gejagt, sein Einfluss auf der anderen Seite des Feldes war aber ungleich größer. Über Jahre hatten die Warriors Probleme, die Minuten ohne Curry erfolgreich zu gestalten, mit Poole haben sie einen kleinen Curry-Klon, der in seiner Spielweise dem 34-Jährigen so sehr ähnelt.

Dazu ist Poole inzwischen der dynamischste Spieler im Backcourt der Dubs und war enorm wertvoll, als Memphis selbst mehr switchte und die Warriors-Offense ins Stocken geriet. Der Youngster gibt den Warriors noch mehr Shot Creation und kann wie die anderen beiden Splash-Brüder nicht alleine stehen gelassen werden.

31 Punkte, 12 von 20 aus dem Feld, Poole machte genau da weiter, wo er in der Nuggets-Serie aufgehört hatte. Selbst seine Versetzung auf die Bank schien dem Guard nichts auszumachen. "Wenn Stephen Curry das kann, kann jeder Spieler von der Bank kommen", brachte Kerr simple Argumente.

"Der Jordan, den wir in den vergangenen Monaten gesehen haben, ist der, der er ist. Er ist ein Spielmacher, ein Shot Creator und war die ganze Saison über fantastisch für uns. Seine Leistung hat mich also kein Stück überrascht."

5. Die Debatte um das Flagrant-Foul von Draymond Green

Durch den Warriors-Sieg ist dieses Thema doch ein wenig kleiner, ansonsten hätte es vermutlich leidenschaftliche Diskussionen gegeben. Wir sind uns einig, dass ein Flagrant-Foul in dieser Situation unausweichlich war, ein Flagrant-2, also eine automatische Ejection, war dann aber doch eine Spur zu hart.

Man könnte meinen, dass hier Greens Reputation auch eine Rolle spielte, Trae Young brachte dies via Twitter treffend auf dem Punkt. Die Definition eines Flagrant-2-Fouls lautet, dass dieses "unnötig" und "übertrieben" zugleich sein soll, ein Flagrant-1 wird von der NBA lediglich als "unnötig" definiert.

Dass es unnötig war, Clarke zu Boden zu ziehen, ist klar. Auch dass der rechte Arm im Gesicht des Grizzlies-Bigs landete, war unnötig, aber mit Sicherheit nicht übertrieben. Dies sind zwei Plays in einer Aktion von Green, aber im Regelbuch gibt es hierfür keine Addition von Umständen. Gleichzeitig versuchte Green, Clarke sogar noch vor dem Fall zu bewahren, was das "übertriebene" Einsteigen eigentlich ausschließen sollte.

Flagrant Fouls sind in dieser Saison ohnehin ein ständiges Thema, gefühlt werden sie inzwischen zu häufig gepfiffen und teilweise ist es unmöglich zu sagen, was nun ein solches zur Folge hat und was nicht. Vielleicht sollte die NBA in dieser Hinsicht ein wenig am Regelbuch schrauben (und gleichzeitig eine Lösung für die unsäglichen Take Fouls finden).

So fand die zweite Halbzeit eben ohne Green statt, der in seinen 17 Minuten trotz 6-Punkte-Rückstand ein Plus-Minus von +2 hatte. Es mag dennoch beinahe ketzerisch klingen, doch Golden State vermisste Green nur bedingt. Das lag daran, dass die Warriors ohne den 32-Jährigen etwas langsamer und auch weniger fehlerbehaftet spielten, Green hatte sich bis zur Pause alleine schon 5 Turnover geleistet.

Genau das ist jedoch der Stil der Grizzlies, sie sind die Meister des Chaos, eigentlich eine Disziplin, in welcher die Warriors vor einigen Jahren noch unschlagbar waren. Stattdessen wurde mehr Halbfeld-Basketball gespielt und hier haben die Warriors doch deutliche Vorteile. Das kann Golden State natürlich auch mit Green, es ist unstrittig, dass Golden State mit dem Forward ein besseres Team sind. Ein umso besseres Zeichen für die Kalifornier, dass es diesmal auch ohne ihn ging.