R.J. Barrett spielt im Schatten von Julius Randle eine starke zweite NBA-Saison und ist einer der Garanten für die überraschend gute Spielzeit der New York Knicks. Coach Tom Thibodeau schwärmt vom 20-Jährigen, den er vor der Saison angeblich am liebsten weggeschickt hätte.
Da stand er nun an der Freiwurflinie im Madison Square Garden mit der Chance, das Spiel gegen die Memphis Grizzlies spät auszugleichen. Dillon Brooks hatte R.J. Barrett beim Dreier gefoult, der Kanadier bekam drei Freiwürfe. Keine Selbstverständlichkeit, alle zu treffen, erst recht nicht bei einem Spieler, der im Schnitt nicht einmal drei von vier Versuchen versenkt.
Freiwürfe von R.J. Barrett, da war doch was. Genau, vor gut zwei Jahren war der Druck sogar noch größer, als Barrett, Zion Williamson und Cam Reddish mit Duke einen Wanderzirkus bildeten und als Favoriten bei der March Madness im Viertelfinale an Michigan State scheiterten. Barrett hatte 5 Sekunden vor Schluss die Möglichkeit, mit zwei Freiwürfen die Partie in die Verlängerung zu schicken, vergab aber den ersten und machte unabsichtlich den zweiten rein - Duke war ausgeschieden.
Gegen Memphis ging es nicht um Weiterkommen oder Ausscheiden, doch im Rennen um die erste Playoff-Teilnahme seit 2013 ist im verrückten Osten jeder Sieg Gold wert. Barrett versenkte alle drei Versuche, die Knicks gewannen schließlich nach Verlängerung.
R.J. Barrett: bei den Knicks: Harte Arbeit zahlt sich aus
"Ich arbeite daran jeden Tag", sagte Barrett, der auch angab, dass dies vermutlich die wichtigsten Freiwürfe seit eben jener Partie gegen Michigan State waren. Der dritte Pick von 2019 traf aber nicht nur Freiwürfe, sondern erzielte auch 15 seiner 20 Punkte im vierten Viertel und der Verlängerung. Barrett hat sich gemausert, auch wenn das noch nicht jedem auffällt, wie die Nicht-Nominierung für die besten 25 Spieler unter 25 Jahren bei ESPN zeigte.
Noch vor einigen Wochen stichelte Anthony Edwards, dass die Minnesota Timberwolves froh waren, als Barrett in einem engen Spiel den letzten Wurf bekam (und daneben setzte), seither ist die Crunchtime Barrett-Time.
"Er hat sich unglaublich gesteigert", freute sich auch Randle nach dem Sieg gegen die Grizzlies über den 20-Jährigen, selbst der grimmige Coach Tom Thibodeau stimmte zu. "Ich sehe es nun schon das ganze Jahr. Sein Selbstvertrauen wird immer größer und das kommt von den vielen Extraschichten, die er einlegt."
Thibodeau liebt harte Arbeiter, wie seine erfolgreiche Zeit mit den Chicago Bulls zeigte, nun bringt er sein Ethos ins Mekka des Basketballs. Nach jahrelangem Chaos ist Ruhe im Big Apple eingekehrt, die Knicks wirken auch dank Barrett plötzlich wieder wie ein kompetentes Basketball-Team.
R.J. Barrett bei den Knicks: Rookie-Saison unter schweren Umständen
Die Knicks sind zwar eher durchschnittlich als ein Top-Team, aber Durchschnitt ist nach vielen teils peinlichen Spielzeiten ein echter Erfolg. Auch Barrett erlebte in seinem Rookie-Jahr, wie ungemütlich es in Manhattan werden kann. Das Patenkind von Steve Nash wurde wie schon viele vor ihm als Heilsbringer gefeiert, diese Erwartungen waren nicht zu erfüllen.
Zeitweise gab er unter dem damaligen Coach David Fizdale den Spielmacher, später agierte Barrett mehr auf dem Flügel. Der Kanadier braucht für seine Drives aber Platz, diesen hatte er im Vorjahr selten. 54 Prozent am Ring waren für einen bulligen Spieler wie ihn sehr wenig, dazu kamen die mageren 32 Prozent aus der Distanz und nur 61 Prozent von der Linie. Er selbst war jedoch zufrieden mit seiner Rookie-Saison, wie Barrett im August 2020 SPOX und DAZN verriet.
Auch 20/21 läuft es am Ring nur marginal besser, dafür ist Barrett ein besserer Werfer geworden. "Der Wurf ist so wichtig für ihn, aber ich finde, dass er sich in allen Facetten gesteigert hat", sagte Thibs. Zieht man den 3/24-Start im Dezember ab, versenkt Barrett in dieser Saison 41,2 Prozent von Downtown bei ungefähr gleichem Volumen.
R.J. Barrett bei den Knicks: Der Wurf ist besser
Im April sind es sogar über 56 Prozent, darunter eine 6/6-Performance gegen Boston. Auch das Volumen ging zuletzt in die Höhe, da Barrett dem eigenen Wurf zunehmend vertraut. "Er lässt sich nicht aus der Bahn werfen, auch wenn es mal nicht läuft", lobt auch Thibodeau. "Er kämpft und zieht sein Ding einfach durch."
Für die Knicks ist dieser Sprung ein erfreulicher Bonus. Nur vier Teams nehmen laut Cleaning the Glass prozentuell weniger Dreier als die Knicks (Memphis, Cleveland, San Antonio und Philadelphia), die Quote von knapp 38 Prozent kann sich dagegen durchaus sehen lassen. Als echte Scharfschützen gelten im Knicks-Kader aber lediglich Alec Burks und Reggie Bullock.
Die Knicks gewinnen ihre Spiele anders, nicht mit 132:125, sondern meist mit 101:97. Kein Team spielt so langsam wie New York, kein Team arbeitet hinten so hart wie die Knicks, auch wenn das nach einem Klischee klingt. Vor allem für Barrett wartet Abend für Abend Schwerstarbeit, schließlich muss er meist die besten Flügelspieler des Gegners verteidigen, sei es der wieselflinke Donovan Mitchell oder der physische Kawhi Leonard.
R.J. Barrett: Die defensive Allzweckwaffe der Knicks
Mit 1,98 Metern, einer Spannweite von 2,08 sowie einem Kampfgewicht von knapp 100 Kilo hat Barrett beste Voraussetzungen, ein guter Verteidiger zu sein. In dieser Spielzeit zeigt es sich auch. Guards kann er mit seiner Länge entnerven, größere Forwards hält er dank seiner Physis vor sich, wie dieses Beispiel gegen Kawhi zeigt. Am Ende nimmt der Clippers-Star einen schweren Fadeaway, weil er Barrett einfach nicht wegschieben kann. Gute Fußarbeit und Disziplin spielen hier ebenfalls eine Rolle.
Und wenn Thibodeau etwas liebt, dann ist es Defense. New York stellt inzwischen die viertbeste Verteidigung. Das könnte noch ein wenig fallen, da die Knicks weiter die beste Dreier-Verteidigung der Liga stellen (33,9 Prozent), was traditionell oft mit Glück zu tun hat und nicht komplett kontrollierbar ist.
Apropos Glück: Laut Yaron Weitzman war Thibs vor der Saison der Meinung, dass Barrett und auch Mitchell Robinson für erfahrene Veteranen wie Gordon Hayward, Bogdan Bogdanovic oder Derrick Rose getradet werden sollten, der Coach bekam aber nicht seinen Willen und wurde zu seinem Glück gezwungen.
Noch 17 Spiele stehen für die Knicks aus, nach dem Big Point gegen Toronto beträgt der Vorsprung bereits 6,5 Partien auf die an Elf stehenden Raptors. Mit einer Bilanz von 28-27 ist sogar eine direkte Qualifikation für die Postseason keine Utopie. Es könnte also bald weitere Möglichkeiten für Barrett geben, sich in den entscheidenden Phasen des Spiels zu beweisen.
Eastern Conference: Der Kampf um die Playoffs
Rang | Team | Bilanz | Rückstand |
4 | Atlanta Hawks | 29-25 | - |
5 | Miami Heat | 28-25 | 0,5 |
6 | Charlotte Hornets | 27-25 | 1 |
7 | Boston Celtics | 28-26 | 1 |
8 | New York Knicks | 28-27 | 1,5 |
9 | Indiana Pacers | 25-27 | 3 |
10 | Chicago Bulls | 22-31 | 6,5 |
11 | Toronto Raptors | 21-33 | 8 |