George Gervin gehört zu den besten NBA-Scorern der Geschichte und war der erste Superstar der San Antonio Spurs. SPOX sprach mit dem "Iceman" über sein irres Scoring-Duell mit David Thompson, die GOAT-Debatte und seine Begeisterung für Stephen Curry.
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Gervin führte die NBA in den 70er und 80er Jahren viermal beim Scoring an. Der heute 69-Jährige begann seine Karriere 1972 in der Konkurrenzliga ABA, wo er eine Saison an der Seite von Julius "Dr. J" Erving für die Virginia Squires spielte. Während seiner zweiten Saison landete er dann bei den San Antonio Spurs, die er über zwölf Jahre zu ihrer ersten erfolgreichen Ära führte.
Gervin war eines der Zugpferde der ABA und im Jahr 1976 angeblich auch der Hauptgrund dafür, warum die Spurs bei der Übernahme der ABA zu einer NBA-Franchise werden konnten. Der Swingman gewann dort zwar nie eine Meisterschaft, gehörte aber dennoch zu den meistdekorierten und dominantesten Spielern seiner Zeit. Insbesondere der "Finger-Roll" wurde zu einem ikonischen Move, der bis heute vor allem mit ihm in Verbindung gebracht wird.
1985 wechselte Gervin nach Chicago, wo er für eine Saison an der Seite des jungen Michael Jordan spielte, der verletzungsbedingt allerdings nur 17 Spiele absolvieren konnte. Seine Karriere ließ Gervin dann in Europa ausklingen, wo er noch jeweils eine Saison in Italien und Spanien spielte. 1996 kürte ihn die NBA zu einem der 50 besten Spieler der Geschichte.
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Mr. Gervin, wir haben soeben ein ziemlich verrücktes Ende der Regular Season erlebt, in dem unter anderem die Scoring-Krone erst am letzten Tag vergeben wurde. Sie waren aber Teil eines noch viel engeren Rennens als dem diesjährigen zwischen Stephen Curry und Bradley Beal. Wie haben Sie den letzten Tag der Saison 1977/78 in Erinnerung?
George Gervin: Das war schon eine ziemlich verrückte Sache. Es ging für mich um meinen ersten Scoring-Titel und ich hätte es ohne mein Team nicht schaffen können. David Thompson erzielte am selben Tag 73 Punkte und das auch noch in Detroit, meiner Heimatstadt. Dadurch lag er dann vorne und ich wusste, dass ich mindestens 59 Punkte brauchen würde, um mir den Titel zu holen. Es ist unfassbar, wie es dann lief. Ich denke, das war in Sachen Scoring sicherlich einer der größten Momente meiner Laufbahn.
George Gervin: "Wir haben den Basketball sprechen lassen"
Thompson und Sie kamen beide frisch aus der ABA, über Jahre lieferten Sie sich einige heiße Duelle. Gab es da eigentlich auch Trash-Talk zwischen Ihnen?
Gervin: Nie! David und ich haben uns nie provoziert, nie gestichelt. Wir haben immer den Basketball sprechen lassen. Wir hatten großen Respekt voreinander, er war ein toller Spieler. An diesem Tag dachte er, er kann gewinnen - und ich dachte, solange ich eine Chance habe, kann ich mir den Titel zurückholen. Ich hatte 53 Punkte zur Halbzeit, und ich brauchte ja nur 59. Am Ende waren es 63 und ich hatte meinen ersten Scoring-Titel sicher. Alles ohne Dreierlinie übrigens - ich kam auf 63 Punkte in 33 Minuten.
Ich versuche mir vorzustellen, was heute passieren würde, wenn an einem Tag zwei Spieler quasi im Fernduell solche Scoring-Leistungen produzieren würden. Von Ihren Spielen gibt es meines Wissens nach gar kein Bewegtbild mehr. War das Rennen denn damals in Echtzeit eine große Sache?
Gervin: Nein, nicht wirklich. Also, es gab damals natürlich schon eine Berichterstattung im Fernsehen, aber bei diesem Spiel zum Beispiel gab es keine Übertragung. Im Nachhinein werden die TV-Partner natürlich denken: Da haben wir etwas verpasst. Soweit ich weiß, gab es nie wieder so ein enges Rennen, und es gibt gar kein Video davon. Das ist natürlich schade, aber Sie reden noch darüber, ich rede noch darüber, und so wird es trotzdem nie vergessen. (lacht)
Sie sind als Botschafter der Spurs noch immer im Geschehen involviert. Wie würden Sie die damalige Berichterstattung rund um die NBA mit der heutigen vergleichen?
Gervin: Oh, das ist gar kein Vergleich. Bedenken Sie: Damals wurden die Playoffs zeitverzögert übertragen! Wenn sie überhaupt gezeigt wurden. Zu sehen, wie sehr das Spiel gewachsen ist und sowohl hier in den USA als auch global so groß geworden ist, ist daher unglaublich - das hätte ich mir niemals vorstellen können. Wenn ich allein schon sehe, wie viele internationale Spieler heute in der NBA sind und dort eine große Rolle spielen, das ist großartig. Ich bin stolz darauf, Teil des Fundaments gewesen zu sein, auch wenn das zu meiner Zeit noch ganz anders ablief. Wir konnten zumindest den Weg ebnen.
NBA-Legende George Gervin im Steckbrief
Saisons | All-Star-Nominierungen | Liga-Topscorer | Karriereschnitt | Karrierepunkte |
14 (4 ABA, 10 NBA) | 12 (3x ABA, 9x NBA) | 4x | 25,1 PPG (Rang 11) | 26.595 (Rang 17) |
Mit Curry hat nun ein sehr einzigartiger Spieler den Scoring-Titel gewonnen. Auch er hat das Spiel auf seine Art und Weise verändert. Was denken Sie, wie er zu Ihrer Zeit zurechtgekommen wäre?
Gervin: So wie Curry werfen kann, wäre er in jeder Ära großartig gewesen. Der Typ kann einfach zaubern mit dem Ball. Man findet normalerweise keine Spieler, die so werfen können wie er, und die sich diese Würfe selbst aus dem Dribbling erarbeiten. Häufig sind die Schützen ja aus dem Stillstand am besten, wenn sie den Ball nur fangen und abdrücken müssen. Aber Steph kann alles: Er trifft natürlich auch aus dem Stillstand, aber er hat auch dieses Pullup-Game. Er kann mit links und rechts am Korb abschließen. Er ist etwas Besonderes - und er hätte in jeder Ära dominiert. Ich sehe ihm unheimlich gerne zu.
Curry nimmt offensichtlich sehr viele Dreier. Das taten Sie nie, obwohl Sie zunächst ja in der ABA aktiv waren, die schon Jahre vor der NBA eine Dreierlinie einführte. Sie nahmen nie mehr als 1,3 Dreier pro Spiel. Denken Sie, das wäre heute anders?
Gervin: Ich glaube nicht, dass es heute der Schwerpunkt meines Spiels wäre. Ich mag es, zu treffen. Von der Dreierlinie trifft man nicht so viele Würfe, ich mag Konstanz und hatte andere Würfe, mit denen ich einfach sicherer war. Es ist natürlich sehr unterhaltsam, wenn man von so weit draußen schießt, aber in meiner Ära wurde einfach anders gespielt: Es war Inside-Out, die besten Abschlüsse waren diejenigen in Korbnähe. Heute wird Outside-In gespielt, es werden viel mehr Dreier genommen. Das ist einfach die Entwicklung, die von Spielern wie Curry vorangetrieben wird. Er ist ja nicht der Einzige: Damian Lillard, Kevin Durant, Klay Thompson, wenn er zurückkehrt, das sind eben einfach exzellente Schützen. Niemand wird ihnen sagen, dass sie zu viele Dreier nehmen.
George Gervin: "Ich habe diesen Wurf berühmt gemacht"
Sie hatten dafür den vielleicht besten - und sicherlich berühmtesten - Finger-Roll der NBA-Historie. Heute sieht man diesen eleganten Wurf nur noch sehr selten. Was denken Sie, woran das liegt?
Gervin: Weil es mein Wurf ist und ich nicht mehr spiele! (lacht) Sind wir ehrlich: Wenn Sie an den Finger-Roll denken, denken Sie zuerst an George Gervin. Das macht mich wirklich stolz und dankbar. Ich bin nicht der Erfinder dieses Wurfs, aber ich bin derjenige, der ihn berühmt gemacht hat.
Hat Sie seither irgendwann mal ein Spieler aufgesucht und gefragt, ob Sie ihm den Wurf beibringen? Hakeem Olajuwon wurde für sein Post-Game beispielsweise ja von vielen späteren Stars aufgesucht.
Gervin: Ich bin froh, dass Sie das fragen. Nein, mich hat nie jemand aufgesucht. In meinem ganzen Leben nicht! Aber das stört mich nicht: Ich habe gern mein eigenes Ding gemacht.
Haben Sie in der heutigen NBA einen Lieblingsspieler?
Gervin: Curry ist definitiv einer davon, Durant ebenfalls. Ich bin auch begeistert davon, wie James Harden sein Spiel über die Jahre transformiert hat. Er war in Houston zuletzt vor allem ein Scorer, in Brooklyn ist er ein überragender Playmaker und ein Scorer. Es gibt einige Jungs, bei denen ich versuche, so viele Spiele wie möglich zu sehen. Und es ist schwer, dabei dann nicht auch LeBron James zu nennen. Was er geleistet hat und wie er diese Ära prägt, ist faszinierend. Auch dieses Jahr darf man den Champ nicht abschreiben.
George Gervin: "Das GOAT-Thema ist Ära-spezifisch"
Da Sie LeBron ansprechen: Sie haben für kurze Zeit mit Michael Jordan zusammengespielt, als dieser seine Karriere gerade startete, in der ABA spielten Sie auch mit Julius Erving zusammen. Sie wissen ja, das vor allem MJ und LeBron in jeder Debatte um den besten Spieler aller Zeiten auftauchen. Haben Sie eine Meinung dazu?
Gervin: Das GOAT-Thema ist Ära-spezifisch, finde ich. Es ist so schwer ... Ich habe immer gesagt, dass Kareem (Abdul-Jabbar, Anm. d. Red.) der Größte aller Zeiten ist, wegen all dem, was er erreicht hat. Aber ich weiß, dass ich da meinen persönlichen Blickwinkel habe. Julius war großartig, LeBron ist großartig, Mike war großartig. Aber dieses GOAT-Thema - es ist einfach schwer zu vergleichen. Es ist in erster Linie ein Thema, über das Leute reden, weil sie sich selbst gern reden hören.
Wie sieht es mit Spitznamen aus? "Iceman" muss ganz oben stehen, oder?
Gervin: Das gefällt mir. Ich kann nicht zustimmen, weil ich nicht so eitel bin, aber das gefällt mir wirklich. (lacht)
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