Die NFL macht ernst in Deutschland! Am Mittwoch wurde im Vorfeld des Super Bowls bekannt gegeben, dass die NFL in den nächsten vier Jahren Regular-Season-Spiele in München und Frankfurt austragen wird - und mit Alexander Steinforth hat die Liga seit Februar auch einen General Manager für Deutschland. Im Interview mit SPOX erklärt der 36-Jährige die Ziele für die NFL in einem ihrer wichtigsten Märkte.
Außerdem erzählt Steinforth von seinem bemerkenswerten Karriereweg, der ihn bereits zu Manchester United und zu Fortuna Düsseldorf führte, ehe er sich jetzt für die Herausforderung NFL entschied.
Herr Steinforth, hat der neue General Manager der NFL für Deutschland eigentlich ein Lieblingsteam?
Alexander Steinforth: Ich habe von langjährigen NFL-Mitarbeitern gleich zu Beginn den Tipp bekommen, mich neutral zu verhalten. Das fällt mir in diesem Fall aber sehr leicht. Ich habe tatsächlich nicht das eine Lieblingsteam in der NFL. Meine Verbindung zum American Football ist in den 1990er- und 2000er-Jahren vor allem durch Düsseldorf Rhein Fire entstanden. Aber ich bin ganz ehrlich, ich hatte bislang keine so tiefe Beziehung wie die deutschen NFL-Hardcore-Fans. So kann ich aber ganz unvoreingenommen in die Aufgabe starten und mich einfach über gute Spiele freuen.
Sie reisen jetzt direkt zu Beginn Ihrer Amtszeit als NFL-Deutschland-Chef zum Super Bowl nach Los Angeles.
Steinforth: Ich gebe zu, einen besseren Einstand könnte ich mir gar nicht wünschen. Ich war vor einigen Jahren mal beim Spiel Jets vs. Dolphins, das war mein erstes Spiel, das ich live in den USA gesehen habe.
Mein Beileid.
Steinforth: (lacht) Es war dennoch sehr beeindruckend für mich damals. Im vergangenen Jahr war ich dann zum ersten Mal bei einem Spiel in London, da war dann noch größer. Die Verbindung zwischen Sport und Entertainment, die Professionalität, die Begeisterung der deutschen Fans, die trotz Corona nach London gereist sind, das war fantastisch zu sehen. Ich bin gespannt, welche Eindrücke ich vom Super Bowl mitnehmen werde.
ManUnited? "Tief verankert, dass man der Beste sein will"
Was macht für Sie die Faszination der NFL aus?
Steinforth: Ganz unterschiedliche Faktoren. Die NFL ist, denke ich, unbestritten die größte, erfolgreichste und professionellste Sportliga der Welt. Ich habe ja auch schon im Fußball-Business gearbeitet und auch dort wird die NFL für viele Themen als Benchmark angesehen. Das Medienprodukt ist herausragend. Und dann fasziniert mich natürlich das spezielle deutsche Umfeld. Die NFL hat in Deutschland so ein starkes Momentum und ist aus der Nische heraus gewandert. So viele Menschen schlagen sich die Nächte um die Ohren. Die NFL ist in Deutschland zu einem Phänomen geworden. Und jetzt wollen wir noch weiter wachsen, diese Herausforderung ist extrem spannend.
Wenn wir ein bisschen über Ihren Karriereweg sprechen, springen natürlich Ihre Rollen im Fußball ins Auge. Sie waren Strategie-Manager bei Manchester United, wie kam es denn dazu?
Steinforth: Das war ein Job, den du nicht planen kannst. Ich habe damals über einen ehemaligen Kollegen davon gehört, dass bei United diese Stelle zu besetzen war. Ich hatte als Kind wie so viele die naive Vorstellung, dass es toll wäre, später einmal im Sport arbeiten zu können. Als ich den Job bekam, war das für mich der perfekte Einstieg, um in der Sportbranche Fuß zu fassen.
Was haben Sie in Ihrer Rolle konkret gemacht?
Steinforth: Meine Hauptaufgabe war es grundsätzlich, kommerzielle Themen voranzutreiben. Das war meistens projektbezogen, einmal ging es um mediale Themen, ein anderes Mal um Merchandising, das konnte alles Mögliche sein. Immer, wenn ein Thema identifiziert wurde, in dem United einen Fokus setzen wollte, bin ich quasi auf das Thema draufgesprungen und habe mich darum gekümmert. Die Zeit hat mich sehr geprägt, weil ich hautnah eine der weltweit sicher am professionellsten geführten Sport-Organisationen kennenlernen durfte. Natürlich hat United extrem hohe sportliche Ansprüche, aber bei United ist auch in allen anderen Bereichen ganz tief verankert, dass man der Beste sein will. Dass man den größten kommerziellen Erfolg haben will beispielsweise. Und dafür ist jeder im Klub bereit, viel zu investieren - und jeder ist mit größter Leidenschaft dabei.
Steinforth über seine Zeit bei seiner Fortuna
Ihre zweite Station im Fußball war im Anschluss eine ganz spezielle, Sie wurden Commercial Director bei Fortuna Düsseldorf.
Steinforth: Für meinen Heimatverein zu arbeiten war etwas Besonderes, ganz klar. Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt auch Angebote von anderen Bundesligisten, aber ich wollte zur Fortuna. Ich bin als Zuschauer mit dem Verein in die vierte Liga abgestiegen und habe dort fast alle Auswärtsstadien kennengelernt. Nun lernte ich die andere, berufliche Seite kennen und hatte großen Gestaltungsfreiraum in meiner Rolle. Das war mir wichtig - insbesondere die Zusammenarbeit mit Robert Schäfer hat hervorragend funktioniert. Am Ende wurden es drei aufregende Jahre, in denen wir uns vom abstiegsbedrohten Zweitligisten so gut entwickelten, dass wir plötzlich im Mittelfeld der 1. Bundesliga standen.
War es auch eine emotionale Zeit?
Steinforth: Definitiv. Wir haben versucht, jeden Stein umzudrehen und vor allem haben wir unheimlich viel Energie in die Kommunikation mit den Fans gesteckt. Wie spreche ich mit den Fans, dass es dem Markenkern der Fortuna entspricht? Das ist die entscheidende Frage gewesen. Wir haben es etwa geschafft, dass wir die komplette Hoheit bekommen haben über die Gestaltung des Trikots. Wir haben jede Naht besprochen, wirklich jedes Design, so etwa auch bei unserem Gemeinschaftstrikot mit den Toten Hosen.
Ihre berufliche Karriere bewegt sich im kommerziellen Bereich, aber man hört trotzdem einen Romantiker raus, richtig?
Steinforth: Ein wenig Fußball-Romantiker steckt sicherlich in mir. Wenn etwas nicht passieren darf, dann ist das eine Entfremdung von den Fans. Die Nähe zu deinen Fans ist das allerwichtigste und darf nicht verloren gehen. Ich finde nur, dass manchmal Gegenpole aufgebaut werden, die es für mich gar nicht gibt. Also Fannähe auf der einen und eine extrem professionelle Sport-Organisation auf der anderen Seite. Wir brauchen beides. Und so romantisch ich da veranlagt bin, bin ich auch nicht naiv und verschließe mich nicht vor den Notwendigkeiten des Geschäfts.
Sie haben promoviert zum Thema "Gegenwart und Zukunft von Eigentumsstrukturen im deutschen und englischen Fußball".
Steinforth: Das schließt an unsere Diskussion ganz gut an. Auch hier gibt es für mich kein schwarz und weiß. Ich sehe viele gute Argumente für eine Beibehaltung der 50+1-Regel in Deutschland. Man muss die deutsche Fußballkultur berücksichtigen und aufpassen, dass sich nichts entzweit. Ich finde es aber genauso legitim, wenn andere Länder und andere Sportarten andere Ansätze verfolgen. Es darf nicht sein, dass dubiose Investoren den Sport als Spielball und reines Spekulationsobjekt benutzen, einsteigen und nach zwei Jahren wieder aussteigen und der Klub ist pleite. Aber schauen wir auf die NFL: Dort sind Teams über Jahrzehnte im Besitz von Familien. Das Modell ist dort tief verwurzelt und dem kann ich auch einiges abgewinnen.
Nach der Zeit bei der Fortuna sind Sie als Geschäftsführer zur Deutschen Sport Marketing GmbH gewechselt, dem kommerziellen Arm des DOSB. Was hat Sie daran gereizt?
Steinforth: Die Olympischen Ringe sind die wertvollste Marke der Welt. Kein Symbol hat so einen Bekanntheitsgrad und so eine Strahlkraft. Für mich war der Wechsel deshalb so spannend, weil ich in ein ganz anderes Umfeld als den Fußball eintauchen konnte. Wir wissen alle, wie viel Geld im Fußball im Umlauf ist. Wenn du dann siehst, welche Höchstleistungen unsere olympischen Sportlerinnen und Sportler bringen und dabei auch finanziell teilweise noch draufzahlen, um etwa ein Trainingslager zu finanzieren, ist das beeindruckend. Da stehen fantastische Lebensgeschichten dahinter, die zu oft unter dem Radar laufen. Für mich war es eine Ehre, in meiner Rolle die ganze Breite des Sports zu repräsentieren.
Wie kam dann der Kontakt zur NFL zustande?
Steinforth: Ursprünglich wurde ich gefragt, ob in meinem Netzwerk jemand sei, der für diese Rolle geeignet sein könnte. Als ich aber die Jobbeschreibung gelesen habe, dachte ich mir: Das liest sich so spannend, da möchtest Du selber in den Austausch gehen. So bin ich in die Gespräche gegangen und war von Anfang an begeistert, mit welchem Drive die NFL das Thema Deutschland behandelt und wie wichtig es ihnen ist.
Steinforth: So wollen wir noch näher an die Fans kommen
Was wollte die NFL von Ihnen im Bewerbungsprozess vor allem wissen?
Steinforth: Es ging vor allem darum, wo ich als jemand, der nicht das Insider-Wissen besaß, die Hebel ansetzen würde und wo ich die nächsten Schritte für die NFL in Deutschland sehe. Die Frage, wie wir die NFL noch näher an unsere deutschen Fans bringen können, spielt dabei die entscheidende Rolle. Es ist beeindruckend, wie stark die NFL in Deutschland gewachsen ist, ohne dass wir hier überhaupt ein Regular-Season-Spiel hatten. Ohne, dass die NFL ganzjährig vor Ort aktiv war.
Und wie bekommen wir die NFL noch näher an die Fans?
Steinforth: Natürlich in erster Linie mit dem Spiel auf deutschem Boden als absolutes Leuchtturm-Event. Wir hoffen und glauben, dass dieses Spiel so viel Begeisterung kreieren und den Stellenwert der NFL in Deutschland nochmal auf ein neues Niveau heben wird. Wir müssen aber auch alles daran setzen, dass die NFL das ganze Jahr über in Deutschland präsent ist. Wir denken an große Fan-Feste, an Grassroots-Aktivitäten, an Flag Football, vielleicht an eine Academy eines Tages. Wir werden ein deutsches Büro aufbauen. Die NFL kommt nicht nach Deutschland und ist dann in ein paar Jahren wieder weg. Die NFL kommt nach Deutschland, um zu bleiben.
München und Frankfurt stehen seit Mittwoch als Gewinnerstädte fest. Warum kam es zu dieser Wechsellösung?
Steinforth: Wir haben im ersten Schritt München 2022 fix gemacht und wir wissen, wir spielen zwei in München und zwei in Frankfurt, den Rest klären wir im Lauf des Jahres. Es ist generell schwer von Gewinnern und Verlierern zu sprechen, weil es wirklich drei hervorragende Bewerbungen waren. Wir haben uns ganz genau angeschaut, wer am Ende das beste Gesamtpaket bietet. Die Verbindung aus Stadt, Stadion und dem Klub, der dort beheimatet ist, musste einfach stimmen. Wir sind überzeugt davon, dass München und Frankfurt uns die beste Möglichkeit geben, die NFL in Deutschland zu verwurzeln. Wir wollen aber auch mit Düsseldorf in Kontakt bleiben und sprechen über eine Partnerschaft, die wir auch ohne ein Spiel eingehen können. Wir freuen uns jetzt einfach sehr, dass unsere deutschen NFL-Städte feststehen und wir können es natürlich kaum abwarten, bis auch das Matchup steht. Im nächsten Schritt werden wir dann das Heimteam bekannt geben.
Chiefs, Patriots, Bucs, Panthers? "Große Lust auf Deutschland"
Es ist davon auszugehen, dass mindestens eines der Teams nach Deutschland kommen wird, das sich die exklusiven Vermarktungsrechte für den deutschen Markt gesichert hat. Die New England Patriots, Kansas City Chiefs, Carolina Panthers und Tampa Bay Buccaneers haben da den Zuschlag bekommen. Bucs vs. Chiefs wäre ein denkbares Matchup. Was können die deutschen Fans generell von diesen Teams erwarten?
Steinforth: Die deutschen Fans können sich in erster Linie freuen, dass diese Teams große Lust auf Deutschland haben. Es gibt das klare Commitment, etwas auf die Beine zu stellen - und dafür auch zu investieren. Ich hatte schon die ersten Kennenlern-Calls und habe durch den Bildschirm die Begeisterung gespürt. Gleich heute steht der nächste Austausch mit den Chiefs an. Es ist auch kein Geheimnis, dass sich viele Klubs um den deutschen Markt beworben haben bei der NFL. Und für uns ist es natürlich klasse, dass absolute Top-Teams dabei sind.
Bei der ganzen Euphorie bekommen wir bald wieder eine Diskussion, ob es eines Tages doch eine oder mehrere NFL-Franchises in Europa geben könnte.
Steinforth: (lacht) Da muss ich sie an Commissioner Goodell verweisen, er ist dafür der bessere Ansprechpartner. Die Gedankenspiele waren ja schon immer interessant, einfach weil die NFL mit der begrenzten Anzahl an Spieltagen dafür vielleicht am besten geeignet wäre. Lassen wir uns überraschen, was die Zukunft da noch so bringt.
Um zum Abschluss nochmal konkreter zu werden: Wo genau sehen Sie die größten Potenziale für weiteren Wachstum der NFL in Deutschland?
Steinforth: Wir gehen das Ganze bewusst ohne gedankliche Grenzen oder Schranken an. Es gibt das klare Commitment, weiter zu wachsen. Das steht erstmal. Schon heute haben wir eine starke Bindung zu den Fans, deren NFL-Interesse in den 1990ern und 2000ern, auch über die NFL Europe, gewachsen ist. Und wir haben durch die gesteigerte Berichterstattung über die NFL in Deutschland auch viele Jüngere angesprochen. Wir haben sehr viele in der Altersgruppe zwischen 16 und 24 für die NFL begeistern können. Darüber hinaus gibt es aber noch sehr viele Sportbegeisterte, die wir zusätzlich gewinnen wollen. Wir müssen uns fragen, wie wir diese unterschiedlichen Gruppen erreichen. Wie holen wir sie ab? Das kann das aktive Stadionerlebnis sein, das kann ein soziales Event sein, das kann Social-Media sein. Wie schaffen wir Angebote maßgeschneidert für die jeweiligen Zielgruppen und wie treten wir in Kommunikation mit ihnen, das wird eines unserer wichtigsten Themen der kommenden Zeit.
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