Es war der erste große Schocker der Free Agency: Die Houston Texans geben Quarterback Brock Osweiler via Trade an die Cleveland Browns ab - und große Fragezeichen folgen. Warum machen die Browns diesen Trade? Wer profitiert davon? Und welche Bedeutung hat er womöglich für die Zukunft? SPOX blickt auf die wichtigsten Fragen.
1. Was bedeutet der Trade für Houston?
Ganz konkret erst einmal zwei Dinge: Die Texans können ein Jahr früher als gedacht - nach der kommenden Saison hätten sie Osweiler finanziell problemlos entlassen können - mit dem Neuanfang beginnen. Houston hat ganz offensichtlich eingesehen, dass die im Vorjahr noch gefeierte Verpflichtung des 26-Jährigen ein großer Fehler war, und zieht die drastischen Konsequenzen. Mit dem netten Nebeneffekt, dass zusätzliche zehn Millionen Dollar an Cap Space für 2017 frei werden.
Denn so gestaltet sich der Trade im Detail: Cleveland erhält Osweiler und Houstons Zweitrunden-Draft-Pick 2018, im Gegenzug übernehmen die Browns den noch ausstehenden Vertrag des Quarterbacks. Darüber hinaus ist Berichten zufolge außerdem ein Tausch zweier Compensatory-Draft-Picks vorgesehen.
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"Wir haben es uns als Ziel gesetzt, einen Titel nach Houston zu bringen", stellte Texans-Geschäftsführer Rick Smith anschließend klar. "Wir hinterfragen unsere Entscheidungen permanent, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse mit unseren Zielen übereinstimmen. Die Entscheidung, Brock zu traden, wurde getroffen, weil sie im besten Interesse des Teams ist. Das gibt uns mehr Geld, damit wir unser Team verbessern können."
Wohin dieses Geld jetzt fließen könnte, ist ebenfalls kein Geheimnis: Houston hat es nicht geschafft, seinen Top-Free-Agent A.J. Bouye (nach Jacksonville) zu halten. Stattdessen aber gibt es jetzt die Möglichkeit, Tony Romo zu verpflichten. Schon im Vorfeld galt Houston, gemeinsam mit den Denver Broncos, als der heißeste Kandidat auf die Dienste des Routiniers. Der Osweiler-Trade gibt den Texans hier jetzt entschieden mehr Spielraum.
Allerdings entpuppt sich das Werben um Romo bislang als zäh. Ursprünglich hieß es, Dallas würde Romo noch vor dem Start der Free Agency entlassen. Jedoch spekulieren die Cowboys wohl noch auf einen Trade, so dass er vorerst doch in Dallas bleibt. Sollte der Trade ausbleiben, gäbe es womöglich ein Wettbieten - für das Houston jetzt zumindest bestens gerüstet ist.
2. Warum macht Cleveland diesen Trade?
Man musste lediglich Browns-Vizepräsident Sashi Brown zuhören, um die Motive für den Trade zu verstehen: "Wir freuen uns wirklich darüber, einen Zweitrunden-Pick in diesem Trade zu erhalten. Draft-Picks sind für unseren Ansatz, ein Championship-Team aufzubauen, sehr wichtig. Wir wollen auf jeder Position einen Wettbewerb haben, und freuen uns darauf, dass Brock zu uns kommt und in den Wettkampf einsteigt." Draft-Picks stehen im Fokus. Nicht Osweiler.
Der Kontext: Cleveland ist mit 102 Millionen Dollar an Cap Space in diese Free Agency gegangen, mehr als jedes andere Team in der 24-jährigen Geschichte der Free Agency hatte. Geld war also für die Browns nie das Thema, unabhängig davon, dass mit Kevin Zeitler und J.C. Tretter sowie dem neuen Vertrag vor Joel Bitonio kräftig in die Offensive Line investiert wurde.
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Im Fokus des neuen Browns-Regimes steht, das wurde schon im Vorjahr überdeutlich, der Neuaufbau durch den Draft - und das mit möglichst vielen Picks, um einerseits die Chance auf Treffer im Draft zu erhöhen, und um sich andererseits auch zusätzliche Flexibilität für Trades und dergleichen zu geben. Die Möglichkeit, einen finanziellen Verlust zu schlucken, und dafür einen Zweitrunden-Pick zu erhalten, war somit mehr als verlockend für die Browns-Bosse.
Cleveland könnte sich gar, was mehreren Berichten zufolge auch passieren wird, entschließen, Osweiler direkt wieder zu entlassen, und sich so das ganze Drumherum ("spielt Osweiler oder Quarterback X?") ersparen. In dem Fall wäre es ganz pur und simpel: Cap Space gegen einen Draft-Pick. Damit vergrößert sich das Arsenal der Browns weiter, so sehen jetzt Clevelands Draft-Picks (nach Runden aufgezählt) aus:
2017: 1, 1, 2, 2, 3, 4, 4, 5, 5, 5, 6
2018: 1, 2, 2, 2, 3, 4, 4, 5, 6, 6, 7
Aktuell also macht Cleveland vor allem eines: Die Weichen für die Zukunft stellen, indem der Draft so effektiv wie möglich genutzt werden soll. Die Investitionen in die Offensive Line zeigen darüber hinaus, dass nicht nur Ressourcen in die theoretische Zukunft gesteckt werden. Die Browns haben vielmehr einen klaren Plan, und den verfolgen sie.
Das ist vielversprechend für alle Fans in Cleveland, hat letztlich aber eine klare Bedingung: All das ist nämlich nur dann zielführend, wenn die angehäuften Draft-Picks auch tatsächlich in gute Spieler umgemünzt werden.
3. Wer profitiert sonst?
Man könnte durchaus argumentieren, dass sowohl die Browns als auch die Texans aus diesem Trade als Sieger hervorgehen - eine Art Win-Win-Situation, wenn man Houstons missliche Situation als Ausgangslage hinnimmt. Doch wer profitiert sonst von Osweilers Wechsel nach Cleveland?
Tony Romo: Nach wie vor ist es auffällig ruhig um Romo. Niemand kann sagen, was passiert wäre, hätten die Texans Osweiler nicht abgegeben - Romos Markt wäre womöglich deutlich weniger attraktiv gewesen als im Vorfeld angenommen. Durch die neue Situation aber scheint ein Wechsel nach Houston mehr als möglich, und so würde der 36-Jährige dann tatsächlich die Chance bekommen, mit einer starken Defense im Rücken den Titel anzupeilen.
Rick Smith und Bob McNair: Problem erkannt, Problem gebannt - ganz so einfach ist es im NFL-Alltag meist nicht. Viel zu selten räumen Verantwortliche eigene Fehler ein und geben sich selbst so die Möglichkeit, diese Fehler zu korrigieren. Texans-Geschäftsführer Rick Smith macht genau das mit dem Osweiler-Trade und Team-Besitzer Bob McNair beweist dabei ein, gerade für das heikle Thema Franchise-Quarterback, besonderes Maß an Geduld.
Die Patriots: Die Gerüchteküche brodelt schon längst: Patriots-Backup Jimmy Garoppolo soll der Wunsch-Quarterback der Browns sein, Cleveland bastelt angeblich nach wie vor an einem Angebot für Garoppolo. In dem Fall hätten die Browns gerade mehr Munition bekommen, um New England eine lukrative Offerte zu unterbreiten. Allerdings: Berichten zufolge wollen die Pats den diesjährigen Nummer-1-Pick und einen Erstrunden-Pick 2018 für den Quarterback.
Trevor Siemian: Davon ausgehend, dass Houston jetzt Romo holt, gäbe es einen großen Gewinner aus der ganzen Sache auch in Denver: Trevor Siemian dürfte sich dann nämlich mutmaßlich noch ein Jahr lang bei den Broncos und vor den Augen der ganzen Liga beweisen, ehe er womöglich von Paxton Lynch abgelöst wird.
4. Wer sind die Verlierer?
Brock Osweiler: Überhaupt keine Frage: Finanziell mag sich der Wechsel von Denver nach Houston für Osweiler gelohnt haben. Doch mit Blick auf seine NFL-Karriere war es rückblickend betrachtet eine Katastrophe. Osweiler kam mit der Offense von Bill O'Brien nie zurecht und tat sich mit den Feinheiten - wie etwa den Option-Routes - bis zuletzt deutlich sichtbar schwer. Dazu kamen schlicht zahlreiche Aussetzer, so dass am Ende eine Trennung nach nur einem Jahr steht. In wenigen Tagen könnte dann auch die Entlassung in Cleveland folgen, und plötzlich stünde Osweiler Anfang April auf dem Markt. Die Interessenten dürften sich dann deutlich in Grenzen halten.
Die Texans: Ja, Houstons Entscheidung, sich auf diesen Trade einzulassen und so den eigenen Fehler einzugestehen, ist richtig. Trotzdem kann man das Team für dieses ganze Szenario nicht nur loben. Die Texans haben nicht nur eine Saison (trotz Playoff-Teilnahme) in den Sand gesetzt und waren mit Osweiler trotz der guten Defense letztlich chancenlos, sie haben mit der Verpflichtung von Osweiler vielmehr komplett daneben gelegen. Das kostet sie nicht nur Zeit und Geld, man wird auch 2018 noch davon reden. Dann nämlich, wenn Houstons Zweitrunden-Draft-Pick den Browns gehört.
Robert Griffin III: Griffin hätte wohl ohnehin nur eine kleine Chance gehabt, im Kader der Browns zu bleiben. Informationen von NFL-Network-Insider Ian Rapoport zufolge wird Cleveland RG3 jetzt jedoch definitiv entlassen, und so 7,5 Millionen Dollar einsparen, um die Ausgaben für Osweiler ein wenig zu relativieren. Griffin wird sich wohl erneut auf dem Free-Agency-Markt nach einem neuen Team umschauen müssen.
5. Welche Auswirkungen hat der "Geld-für-Pick-Trade"?
Es ist nicht auszuschließen, dass dieser Trade weitreichende Wirkungen hat. Denn während in den vergangenen Jahren Teams gerne mal Spieler überbezahlt haben, um die Cap-Mindestanforderungen zu erfüllen, haben die Browns einen Alternativweg eingeschlagen - einen Alternativweg, der streng genommen zumindest in einer Grauzone liegt.
Denn die NFL erlaubt es nicht, für Draft-Picks finanziell zu bezahlen. Daher gibt es die Compensatory-Draft-Picks, und deshalb sind solche Salary-Cap-Trades in der NFL, gerade verglichen mit anderen US-Sportligen, auch überaus selten. Somit wird es spannend sein zu sehen, wie die Liga darauf reagiert, sollten die Browns Osweiler etwa direkt entlassen - oder ihn anderweitig "parken".
In dem Fall nämlich stünde unter dem Strich, wenn auch womöglich irgendwie beschönigt, genau das: Houston gibt Osweilers Vertrag und damit die Belastung für den eigenen Salary Cap an Cleveland ab, und "bezahlt" dafür mit dem Zweitrunden-Draft-Pick 2018. Gibt es vonseiten der NFL jedoch keine Beanstandungen, dürften wir einen solchen Trade nicht zum letzten Mal gesehen haben. Für Teams würden sich so ganz neue Möglichkeiten ergeben, in vielerlei Hinsicht.