Brown, Gronkowski, Fangio - die größten Verluste der Offseason

Marcus Blumberg
16. Mai 201909:56
Tyreek Hill droht eine Sperre, während Antonio Brown getradet wurde und Rob Gronkowski seine Karriere beendet hat (v.l.). Allesamt werden sie ihren Teams 2019 fehlen.getty
Werbung
Werbung

Viel wird traditionell über die Neuzugänge der einzelnen Teams via Free Agency und Draft gesprochen und was diese ihren neuen Teams bieten werden. Doch was ist mit den Teams, die solche Akteure auf allen Ebenen verlieren? SPOX blickt auf die "Hinterbliebenen" und zeigt die größten Verluste dieser Offseason.

10. Matt Paradis - Denver Broncos

Matt Paradis war seit 2015 der Starting Center der Denver Broncos und ein absoluter Eckpfeiler dieser Offense. Die Offensive Line belegte zuletzt Rang 6 der Liga mit 4,75 Adjusted Line Yards und Platz 11 in Adjusted Sack Rate (6,3 Prozent). Mit seinem PFF-Grade von 79,0 war er indes der zweitbeste Center 2018 und galt als bester Center auf dem Markt.

Sein Nachfolger, Connor McGovern, ersetzte ihn verletzungsbedingt bereits 2018 in insgesamt sieben Spielen, knüpfte aber keineswegs an die Zuverlässigkeit von Paradis an. Es ist daher eine der größten Herausforderungen für die Broncos, die O-Line vor Joe Flacco in den Griff zu bekommen.

9. Vic Fangio - Chicago Bears

Der neue Head Coach der Broncos, Vic Fangio, hinterlässt seinerseits ebenfalls eine signifikante Lücke bei den Bears. Fangio gilt als Defensiv-Guru und Vater des jüngsten Erfolgs in Chicago. Die Bears-Defense war unter seiner Regie laut Football Outsiders die beste Defense der NFL mit -26 Prozent DVOA. Nach einigen eher durchwachsenen Jahren legten Fangio und die Bears 2018 den Schalter um und präsentierten eine Defense, die die Konkurrenz das Fürchten lehrte.

Doch wer weiß, ob dieser Trend ohne Fangio weitergeht. Nicht wenige Bears-Spieler lobten Fangio in den höchsten Tönen: "Ich will gar nicht daran denken. Jeder in der Liga weiß, was für ein großartiger Coach und eine großartige Person Vic ist. Und sie wissen, was er mitbringt", sagte etwa Cornerback Prince Amukamara kürzlich.

In erster Linie wird sich die Defense aber auf einen neuen Stil einstellen müssen, denn Nachfolger Chuck Pagano dürfte sicher einige Dinge anders machen als Fangio.

8. Dee Ford und Justin Houston - Kansas City Chiefs

Es wurde viel geschrieben über die Abgänge von Dee Ford und Justin Houston, die beiden Edge-Rusher, die neben Chris Jones die wohl wichtigsten Spieler in der Defense der Kansas City Chiefs über die letzten paar Jahre waren. Beide wurden per Trade weggeschickt.

Nun kann man natürlich sagen, dass die Chiefs sich auch ordentlichen Ersatz geholt haben mit Frank Clark und Alex Okafor. Aber ein Qualitätsverlust insgesamt ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen.

Das Argument, dass beide nicht unbedingt die 5-Technique beherrschen - die Defense wird unter dem neuen Defensive Coordinator Steve Spagnuolo auf 4-3 umgestellt - und ein Clark da besser für geeignet ist, kann man so akzeptieren. Doch wenn die 49ers Ford dann in eben jener Rolle einplanen, muss schon die Frage erlaubt sein, ob diese teuren Wechselspiele wirklich notwendig waren.

7. C.J. Mosley

Sicherlich war Mosley nicht der allerbeste Linebacker der Liga. Keine Frage. Aber er war wichtig für die Ravens, er war der zentrale Punkt dieser Defense und galt für viele als möglicher Nachfolger von Ray Lewis. Er brachte es bis auf 2016, als er zwei Spiele verletzt verpasste, stets auf über 100 Tackles und fing in fünf Jahren sogar neun Interceptions.

Die Ravens haben scheinbar keinen adäquaten Ersatz gefunden und setzen nun auf Chris Board im Zentrum, ein letztjähriger Undrafted Rookie Free Agent, der als Backup fungierte und nicht annähernd nachwies, in die beträchtlichen Fußstapfen Mosleys treten zu können.

6. Frank Clark - Seattle Seahawks

Nach drei richtig guten Spielzeiten beschlossen die Seahawks, dass sie für Frank Clark nicht tief in die Tasche greifen wollten. Stattdessen schickten sie ihn samt Franchise Tag zu den Kansas City Chiefs und bekamen noch einen ordentlichen Preis dafür.

Im Gegenzug aber stellt sich die Frage, ob die Seahawks den Edge-Rusher auch vernünftig ersetzen können. Rookie L.J. Collier jedenfalls scheint dafür noch nicht bereit zu sein und Ziggy Ansah ist eine Wundertüte, sodass zu sagen ist, dass die Seahawks-Defense auf den ersten Blick ohne Clark merklich geschwächt und weniger imposant daherkommt.

5. Telvin Smith - Jacksonville Jaguars

Die Jaguars dürften die Nachricht vom möglichen freiwilligen Rückzug von Telvin Smith für die Saison 2019 wie ein Schlag getroffen haben. Anscheinend ohne Vorwarnung verkündete Smith seine Entscheidung und wirft damit viele Fragen auf.

Rein sportlich betrachtet stellt sich den Jaguars das Problem, dass ihnen hiermit einer ihrer besten Linebacker abgehen wird. Seit er in die Liga kam (2014), hat kein Spieler mehr Solo-Tackles gesammelt als Smith (441). Zudem ist er einer von nur 13 Spielern in der Geschichte der NFL, der in seinen ersten fünf Spielzeiten jeweils mindestens 100 Tackles erzielte. Und er ist der einzige Spieler, der in den letzten drei Jahren auf jeweils mindestens 100 Tackles, zwei Interceptions und eine Fumble Recovery kam.

Unterm Strich wird dieser Ausfall eine große Lücke reißen, zumal sich ein direkter Nachfolger auf den ersten Blick nicht aufdrängt.

4. Odell Beckham Jr. - New York Giants

Zugegeben, in den letzten zwei Jahren ging Beckhams Produktion zurück, das hatte aber in erster Linie Verletzungsgründe. Zudem hat er mit Eli Manning auch nicht unbedingt einen Quarterback gehabt, der einen Wide Receiver noch zu Höchstleistungen dirigieren kann. Und dennoch gab ihm PFF ein Overall Grade von 90 - nur drei Wide Receiver waren 2018 ligaweit besser!

Die Giants haben zahlreiche Wide Receiver, um diesen Verlust im Verbund irgendwie zu ersetzen, aber qualitativ kommt da niemand in die Nähe. General Manager Dave Gettleman wird argumentieren, dass er den Trade zu den Browns nicht ablehnen konnte. Aber ein Ausnahmetalent und einen Elite-Spieler auf einer wichtigen Position wie OBJ es ist abzugeben, wird sich insgesamt nicht als Netto-Gewinn oder wenigstens schwarze Null verkaufen lassen.

3. Tyreek Hill - Kansas City Chiefs

Die Situation ist traurig: Tyreek Hill wird Kindesmissbrauch vorgeworfen. Er - oder seine Frau - sollen unter anderem dafür verantwortlich sein, dass sich der gemeinsame dreijährige Sohn den Arm gebrochen hat. Nach ersten Ermittlungen fehlten der Staatsanwaltschaft aber die Beweise, um zu klären, welches der Elternteile die Tat begangen hat, weshalb es nicht zur Anklage kam.

Seither jedoch tauchte eine Audioaufnahme auf, die suggeriert, dass es tatsächlich Hill war, der seine damals schwangere Freundin bereits zu College-Zeiten geschlagen hatte. Seither wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen. Die Chiefs stellten Hill danach zunächst mal "nur" von jeglichen Teamaktivitäten frei. Die NFL wiederum reagierte noch gar nicht auf die Situation, es ist aber davon auszugehen, dass Hill 2019 nicht in der NFL wird spielen dürfen oder zumindest einen ordentlichen Teil der Saison verpasst.

Und das wäre sportlich betrachtet ein krasser Tiefschlag für die Chiefs, bei denen so viel darauf beruht, dass Patrick Mahomes improvisiert und irgendwie Hill findet, der dann mit seiner Explosivität Plays macht, die andere einfach nicht machen können. Wer weiß, wie viel Qualität dieser Offense abhanden kommt, wenn Hill - der als Deep Threat, als Ablenkung und nach dem Catch eine Waffe ist, raus ist und man verständlicherweise keinen gleichwertigen Ersatz findet.

2. Rob Gronkowski - New England Patriots

Rob Gronkowski ist zurückgetreten und hinterlässt eine signifikante Lücke. Es besteht wohl kein Zweifel, dass er über seine Karriere hinweg der wohl beste Tight End der Liga war; er ist in der Diskussion, der beste Tight End überhaupt gewesen zu sein und setzte Maßstäbe für diese Position. Und auch wenn er im Vorjahr aus verschiedensten Gründen nicht mehr ganz der Alte war, zeigte er spätestens in den Playoffs, was er doch noch im Tank hatte.

Die Patriots werden, wie es eben ihre Art ist, nicht lange trauern und "einfach" ihr künftiges Offensivkonzept anders ausrichten, was sie bereits im Vorjahr mit mehr Laufspiel und mehr Pässen nach außen angedeutet hatten. Beides wird nun wohl noch extremer forciert werden.

Den Patriots wird man diesen Verlust vielleicht nicht so sehr ansehen wie anderen Teams in vergleichbaren Situationen, aber es wird eine Zeit dauern, bis sie sich vollends vom offensiven Erfolgskonzept der letzten Jahre verabschiedet haben werden. Und der große Playmaker in kritischen Situationen ist jetzt nicht mehr da, um enge Spiele zu entscheiden.

1. Antonio Brown - Pittsburgh Steelers

Insgesamt kann man argumentieren, dass 2018 für Antonio Brown keine sonderlich brillante Saison war. Er hatte freilich schon ein paar bessere Jahre. Doch er war seit seiner Ankunft in der NFL ohne Frage einer der besten Spieler auf seiner Position. Und er führte die NFL 2018 trotz vieler Nebenkriegsschauplätze mit 15 Touchdown-Receptions sogar an.

Brown war der Fixpunkt einer Offense, die wie keine zweite aufs Passspiel ausgelegt war. Da den Steelers schon 2018 Le'Veon Bell im Backfield nicht mehr zur Verfügung stand, warf man fast jegliche Bereitschaft zu laufen über Bord und konzentrierte sich fast ausschließlich aufs Passspiel. Wenn die Pässe dann nicht zu Brown kamen, dann konzentrierte sich dennoch die gegnerische Defense vordergründig auf ihn, was anderen Freiheiten gab, die es in der kommenden Spielzeit so wohl nicht mehr geben wird.

Die Steelers ohne Brown laufen Gefahr, nicht nur ihre offensive Identität zu verlieren, sondern auch ihre Durchschlagskraft. Sie müssen nun ihre komplette Herangehensweise ändern, denn selbst wenn JuJu Smith-Schuster die großen Fußstapfen Browns füllen kann, scheint es weit und breit keine weiteren klaren Top-Optionen in dieser Offense zu geben. 2019 droht schon deshalb ein unangenehmes Übergangsjahr zu werden, zumal der Dead Cap des Brown-Vertrags jetzt geschluckt werden muss.