College Football blickt auf eine lange, reiche Geschichte zurück; voller verrückter Anekdoten, voller Umbruch und Entwicklung, voller gesellschaftlicher Implikationen. Hier ist die Wiege auch des Footballs, wie man ihn heute kennt, zu finden. Zum Start der College Football Themenwoche taucht SPOX ein in diese Geschichte - und erzählt, wie die ersten Schritte des Sports aussahen.
Ein altes Sprichwort besagt, dass Rache noch immer am besten kalt serviert wird. Das kann sich über Jahre hinziehen, und auch mal mehrere Sportarten überschreiten.
So geschehen in Georgia in den 1910er Jahren.
John Heisman - nach dem die heutige Trophäe für den besten College-Spieler des Landes benannt ist - coachte damals das Baseball- sowie gleichzeitig auch das Football-Team der Georgia Tech University und eine der kuriosesten Anekdoten in weit über 100 Jahren College-Football-Geschichte wird noch heute wie folgt erzählt.
Im Frühling 1915 traf Georgia Tech auf das Baseball-Team der Cumberland University, eine kleine Schule etwas außerhalb von Nashville. Eigentlich eine Pflichtaufgabe für Georgia Tech, doch spielte Cumberland unsauber: Der Underdog hatte sich - zunächst ohne, dass es rauskam - mehrere semi-professionelle Spieler aus Nashville eingekauft - und gewann das Spiel prompt mit 22:0. Ein unglaublicher Schock für Georgia Tech.
Es war eine Niederlage, die für nationale Schlagzeilen sorgte und die Heisman schwer zu schaffen machte. Bis er herausfand, dass Cumberland betrogen hatte.
Heisman schwor Rache.
222:0 - eine unglaubliche Geschichte
Und er sollte seine Revanche bekommen, auch wenn er darum kämpfen musste. Der Reihe nach: Ein Jahr nach der Baseball-Schmach stand Cumberland vor finanziellen Problemen und entschied sich, das Football-Programm auf Eis zu legen und die bereits angesetzten Spiele abzusagen. Die Gegner wurden dementsprechend informiert - außer, so die Erzählung, ausgerechnet Georgia Tech.
Eine Chance, die sich Heisman nicht entgehen lassen würde.
Um sicher zu stellen, dass das Spiel auch stattfinden würde, schrieb er einen Brief an Cumberland, bot 500 Dollar sowie alle Spesen für die Reise nach Atlanta an. Nur um dann hinterher zu schieben, dass Georgia Tech eine Entschädigung in Höhe von 3000 Dollar fordern würde, sollte Cumberland das Spiel nachträglich noch absagen. Eine Summe, die für das kleine College sehr gut den Ruin hätte bedeuten können.
So waren Cumberlands Coach - der das Debakel vor seinem Direktor geheimhielt - die Hände gebunden. Ein Team von 13 bis 19 Spielern bestehend aus Verbindungsstudenten und auch Jungs aus der Stadt wurde zusammengestellt. Um bei der Universitätsleitung kein Aufsehen zu erregen, wurden die Trainigseinheiten als Chor-Treffen tituliert. Die Play-Calls wurden für die frisch gebackenen Football-Spieler komplett vereinfacht, jeder Spieler bekam den Namen eines Gemüses zugeteilt - als Code.
Natürlich half all das nichts, genauso wenig wie die Tatsache, dass drei Spieler den Anschlusszug nach Georgia verpasst hatten und so nicht zur Verfügung standen. Vor über 1000 Fans stand es an jenem 7. Oktober 1916 schon zur Halbzeitpause 126:0, als Coach Heisman sein Team für die zweite Halbzeit nochmal in die Pflicht nahm und auf mögliche Trick-Spielzüge des Gegners hinwies.
Mit 222:0 endete jene Partie, die als Inbegriff für die Bezeichnung "ungleiches Duell" herhalten kann. Ein Duell zwischen Neulingen und einem der Top-Teams des Landes - Georgia Tech legte in der damaligen Zeit eine Serie von 33 Siegen in Folge hin und gewann 1917 die National Championship.
Der Bloody Monday und sein Begräbnis
Auch wenn die Cumberland-Spieler von damals mutmaßlich protestieren würden: Der College Football hatte bis zu jenem 222:0 schon eine lange Entwicklung hinter sich, welche einen der Ursprünge - den "Bloody Monday" - vergessen ließen. Diese nicht grundlos so genannte Tradition begann 1827 in Harvard; ursprünglich als Wrestling-Match, daraus entwickelte sich nach und nach eine Art Football-Fußball-Rugby-Mischung.
Die Erstsemester traten gegen die Schüler im zweiten Jahr an, während die älteren Studenten sich das Spektakel anschauen und die Szenerie muss man sich dabei so vorstellen: Auf der einen Seite des Feldes die Erstsemester, auf der anderen die etwas älteren Schüler. Alles ohne Helme oder Pads, versteht sich.
Plötzlich wird ein Ball ins Feld geworfen und beide Teams stürmen aufeinander los. Sobald sich eine chaotische Menschentraube gebildet hat, wird auf alles eingetreten, das sich bewegt oder auch nicht bewegt. Wenn der Ball da zufällig dabei ist - umso besser! So bewegt sich dieser Haufen dann über das Feld, mit dem Ziel, das Leder irgendwie über die gegnerische Torlinie zu befördern.
Über 30 Jahre ging das so, bis sich die örtliche Polizei und die College-Verantwortlichen einig waren: Der Bloody Monday musste weg. Die Studenten protestierten, doch es war vergebens - mehr als zwölf Jahre lang sollte es in Harvard kein Football mehr geben.
Allerdings nicht, ehe eine Gruppe junger Studenten in feinster Garderobe am 3. September 1860 buchstäblich den Football zu Grabe trugen. In einer ausführlichen Prozession wurde ein Sarg unter Trommeln beim Football-Feld in die Erde gelassen und eine Eulogie gesprochen sowie ein Lied angestimmt:
Ah! Woe betide the luckless time
When manly sports decay,
And football, stigmatized as crime,
Must sadly pass away.
Auf dem Grabstein war zu lesen: "Hier liegt Foot Ball Fightum. Er wurde 60 Jahre alt. Gestorben am 2. Juli 1860. Stehe wieder auf."
Vom Chaos bis zum ersten College-Football-Spiel
Mit organisiertem Football hatte all das natürlich noch nichts zu tun, doch war das auch nicht das Thema dieser Zeit. Wenn eine Schule für weite Teile des 19. Jahrhunderts auf eine andere traf - insbesondere eine Schule aus einem anderen Teil des Landes - wurde auch nach anderen Regeln gespielt; das Heim-Team hatte das Recht, die Regeln festzulegen. Gespielt wurde anfangs zudem noch mit 25 Spielern, erst in den 1870ern ging diese Zahl schrittweise runter, bis man 1880 bei den elf Spielern angekommen war, die wir heute noch kennen.
Diese und viele weitere Regeln wurden erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geformt, so dass gemeinhin erst das Duell zwischen Rutgers und Princeton am 6. November 1869 als erstes College-Football-Spiel zweier unterschiedlicher Schulen betrachtet wird.
In dieser Zeit erlebte das Land erstmals wieder eine Phase der Stabilität. Der Bürgerkrieg endete 1865 und einige Jahre später begann man wieder intensiver damit, sich mit so etwas wie Freizeitgestaltung zu befassen. An einigen Schulen an der Ostküste bedeutete das, mit einer Mischung aus Fußball und Football herum zu experimentieren, wobei der Fußball-Einschlag anfangs noch der klar dominierende war. Das galt auch für den 6:4-Sieg für Rutgers im November 1869, unbestreitbar ist, dass es eine Zeit des Football-Aufbruchs war.
Maßgeblich vorangetrieben von Walter Camp, ein Yale-Halfback in den späten 1870er Jahren sowie anschließend Coach in Yale und Stanford, wurde ein neues, allgemein gültiges Regelwerk aufgestellt. 1873 und 1876 trafen sich Vertreter von Columbia, Rutgers, Princeton und Yale, um die Intercollegiate Football Association zu gründen und sich endlich auf standardisierte Regeln zu einigen.
Football war geboren.
Tote und Schwerverletzte: Der Football vor seinem Untergang
Wer jetzt aber denkt, dass es von hier an ein einziger Siegeszug war, der könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Vielmehr stand der Football rund um die Jahrhundertwende vor seinem Untergang, so groß war der Druck der Gesellschaft - denn die Todesfälle und die schweren Verletzungen häuften sich.
Das traditionelle Duell zwischen Harvard und Yale wurde nach 1894 bis 1897 ausgesetzt, nachdem die 1894er Partie aufgrund schwerster Verletzungen bei vier Spielern als "Hampden Park Blutbad" in die Geschichte eingegangen war. Ähnliches passierte zwischen Army und Navy, dieses Duell wurde von 1894 bis 1898 auf Eis gelegt.
Ein Grund für die vielen schweren Verletzungen und Todesfälle waren die sogenannten "Massen-Formationen", wie etwa der hier abgebildete Flying Wedge. 1905 alleine wurden in den USA 18 Todesfälle vermeldet, die auf dem Football-Feld zustande gekommen waren.
Die Washington Post schrieb am 15. Oktober 1905: "Fast jeder Todesfall geht auf "Unnecessary Roughness"-Vergehen zurück. Wenn Spieler bewusstlos unter der Menschenmenge hervorgebracht wurden, konnte man oft feststellen, dass das Opfer Tritte gegen den Kopf oder in den Magen erhalten hatte, woraus innere Verletzungen entstanden, die zum Tod führten."
Es formten sich Gruppen, die es sich zum Ziel machten, Football abzuschaffen. Die Lage war ernst - so ernst, dass der Präsident der Vereinigten Staaten eingreifen musste.
Der Präsident damals war Theodore Roosevelt, seines Zeichens selbst ein glühender Football-Fan. Erst 1903 hatte er eine Rede gehalten, in der er Football vehement verteidigte: "Ich glaube an harte Spiele und an harte, männliche Sportarten. Ich empfinde keine sonderliche Sympathie für jemanden, der dabei kräftig einsteckt - solange es sich dabei nicht um einen Todesfall handelt."
"Football-Fan" in jener Zeit bezog sich übrigens rein auf das College-Spiel. Hier kamen zehntausende Zuschauer zu den Spielen und machten College Football so zu einer der populärsten Sportarten jener Zeit, hier wurde der qualitativ beste Football geboten. Viele College-Football-Stars kehrten dem Sport nach der Schul-Karriere den Rücken, um einen "richtigen Job" auszuüben. Die semi-professionellen Teams zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren meist wenig attraktiv und die National Football League gab es noch nicht.
Zwei Jahre nachdem er öffentlich die Härte des Spiels verteidigt hatte, musste Roosevelt - dessen Söhne ebenfalls College Football spielten - also in eine andere Richtung denken, um den Sport als Ganzes nicht aufs Spiel zu setzen. Am 9. Oktober 1905 lud er deshalb Vertreter von Harvard, Yale und Princeton ein, um die Verantwortlichen dazu anzuhalten, das Spiel sicherer zu machen.
So weit so gut, doch war das selbstverständlich kein magischer Knopf, der alles änderte. Die logische Konsequenz: Auch 1905 wurde das Spiel mitnichten sicherer. Im Gegenteil, das traditionelle Harvard-Yale-Spiel dieses Jahres gilt als besonders gewalttätig und nachdem Harvards Francis Burr nach einem Fair Catch so hart getackelt wurde, dass er das Bewusstsein verlor, erklärte Uni-Präsident Charles Eliot, dass man nicht mehr gegen Yale spielen würde. Bis zum Saisonende hatten mehrere Schulen ihre Football-Programme gestrichen.
Die Wiege des modernen Footballs
Jetzt bestand ernsthaft die Gefahr, dass Football von der Bildfläche verschwinden würde, und Roosevelt merkte, dass er sich noch stärker einmischen musste. Zu verhärtet waren die Fronten zwischen Yale - repräsentiert von Walter Camp, der nahezu allen Regeländerungen höchst kritisch gegenüberstand - und Harvard, dessen Präsident Eliot Football als "brutaler als Boxen oder Stierkämpfe" bezeichnete und unter den aktuellen Regeln seine Studenten nicht mehr diesem Risiko aussetzen wollte.
Roosevelt, obgleich selbst besorgt, dass man Football "entmannen" könnte, setzte sich im Dezember 1905 unermüdlich dafür ein, dass die Gespräche fortgesetzt und neue Regeln beschlossen wurden. Aus diesem Treffen gingen ultimativ bahnbrechende Neuerungen hervor, darunter der Pass nach vorne, die Erweiterung auf 10 Yards bis zum neuen First Down, Strafen für unnötige Härte, die Einführung der Neutral Zone und der Line of Scrimmage und auch das Verbot der Massen-Formationen. Regeln, die dem Spiel bis heute einen maßgeblichen Rahmen geben.
Allerdings wurden die neuen Regeln nur schleppend angenommen. Insbesondere der Vorwärts-Pass wurde von den allermeisten Schulen als Zeichen von Feigheit und Weichheit verstanden und dementsprechend gepflegt ignoriert, und so kam es 1906 und 1907 noch immer zu je elf Todesfällen auf dem Feld.
Doch die Weichen für die Zukunft waren gestellt, auch wenn ein Umdenken der Football-Traditionalisten noch eine ganze Weile brauchen sollte. Trotz gelegentlicher spektakulärer Erfolge von Teams, die sich für den Pass öffneten, wie etwa die der Carlisle Indian School um den legendären Jim Thorpe über die University of Pennsylvania und Harvard, als Thorpe den späteren US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower vor 30.000 Zuschauern auf dem Feld in die Schranken wies.
College Football und Identitätsstiftung in den Südstaaten
Aber auch wenn die große Pass-Revolution vorerst noch auf sich warten ließ: Der Football wurde zunehmend weniger gewalttätig und die Anhängerschaft wuchs. In den 20er und 30er Jahren wurde vor allem der Süden der USA vom Football-Fieber gepackt.
Große Rivalitäten wie die zwischen Virginia und North Carolina sowie die zwischen Georgia und Auburn fanden hier ihren Ursprung, 1932 wurde die Southeastern Conference gegründet und auch wenn Teams wie Michigan, Minnesota und Ohio State noch auf ganz großer Bühne dominierten: Vor allem Alabama war massiv auf dem Vormarsch.
Für den Süden wurde Football schnell mehr als nur ein Sport. Die Nachwehen des Bürgerkrieges waren in den unterlegenen Südstaaten nach wie vor deutlich zu spüren, finanziell, wirtschaftlich und industriell war der Norden ein scheinbar unerreichbarer Ferne. Das wirkte sich natürlich auch auf das Selbstverständnis der Menschen im durch Agrarwirtschaft geprägten Süden aus; auch diejenigen, die den Krieg nicht miterlebt hatten, hatten ein Gefühl der Unterlegenheit gegenüber dem Norden, eine Art Minderwertigkeitskomplex.
Der Sport bot einen möglichen Ausweg aus diesem Gefühl und kaum etwas verdeutlicht den Wunsch danach besser, als eine Anekdote aus dem Vorfeld des College-Titel-Spiels - der Rose Bowl - nach der 1925er Saison. Alabama hatte es als erstes Team aus dem Süden so weit geschafft und trotz der tiefen Rivalitäten untereinander schickte Auburns Präsident ein Telegramm, in dem stand: "Ihr verteidigt die Ehre des Südens, und Gott wird nicht zulassen, dass ihr das Spiel verliert."
Alabama gewann das Spiel gegen das favorisierte Washington mit 20:19, bis heute trägt diese Partie den Titel "Das Spiel, welches den Süden veränderte".
Die 13 ursprünglichen SEC-Schulen:
Alabama | Auburn | Florida | Georgia | Kentucky | LSU | Ole Miss |
Mississippi St. | Tennessee | Vanderbilt | University of the South | Georgia Tech | Tulane |
"Im Süden ist Football eine Religion"
Football war spätestens danach in den Südstaaten nicht mehr wegzudenken. Die SEC schraubte sich nach und nach zur dominantesten College-Football-Conference hoch und während in den 50er und 60er Jahren im Norden und im mittleren Westen Profi-Football-Teams entstanden, konzentrierte sich im Südosten nahezu alles auf die College-Teams.
Bis heute gibt es in Mississippi, Alabama, South Carolina, Oklahoma und Arkansas kein NFL-Team und viel besser als Hall of Famer Marino Casem kann man es wohl nicht zusammenfassen: "An der Ostküste ist Football eine kulturelle Erfahrung. Im mittleren Westen ist es eine Form des Kannibalismus. An der Westküste ist es eine Touristenattraktion. Und im Süden ist Football eine Religion, und der Samstag der heilige Tag."
Doch musste auch der Süden hier einen Lernprozess durchlaufen, um zu seiner, heute noch immer gültigen, Dominanz zu gelangen.
Segretation und Rassismus prägen den Süden lange
Bereits seit dem Zweiten Weltkrieg durften Schulen Stipendien an College-Football-Spieler vergeben werden, was für einen deutlichen Anstieg der Spielqualität sorgte. Den gleichen Effekt hatte die Berücksichtigung farbiger Athleten, die im Norden sowie an der Westküste bereits in den 20er und 30er Jahren große Rollen spielten - UCLA etwa hatte Ende der 30er Jahre bereits ausschließlich Afro-Amerikaner in seinem Backfield, inklusive des Quarterbacks. Der Süden dagegen beharrte auf der Segregation auch in den Schulen.
Colleges aus dem Süden drohten in den späten 50er und frühen 60er Jahren immer wieder damit, Spiele abzusagen oder gar eine Conference zu verlassen, wenn andere Teams beziehungsweise Gegner Afro-Amerikanische Spieler in ihren Reihen hatten. Offene Morddrohungen waren nichts Ungewöhnliches, in einer Zeit, in der Alabamas Gouverneur George Wallace für das berüchtigte Zitat "Segregation jetzt, Segregation morgen und Segregation für immer!" sorgte (1963).
1961 waren Alabama und Mississippi die einzigen US-Bundesstaaten, in denen es keine einzige öffentliche Schule gab, in der die Rassensegregation abgeschafft worden war. Es dauerte bis 1966, ehe die ersten Afroamerikaner in der SEC zu sehen waren und erst 1967 gab es die ersten SEC-Stipendien für Afroamerikaner. Zuvor wurden die noch erfolgreichen und komplett aus weißen Spielern bestehenden Titel-Teams Alabamas für White-Supremacy-Ideologien missbraucht.
Alabama vs. USC als Anfang eines Paradigmenwechsels
Der wirkliche Umbruch begann im Süden erst 1970. Alabama unter dem legendären Coach Paul "Bear" Bryant hatte zunehmend Probleme, Gegner zu finden, weil viele Schulen im Norden nicht mehr gegen Colleges, die an der Segregation festhalten, spielen wollten. So einigte sich Bryant mit USC (University of Southern California), eines der stärksten Teams des Landes damals, auf ein Duell in Tuscaloosa. Dieses Spiel sollte die Weichen neu stellen.
Als USC in Alabama ankam, war die afro-amerikanische Bevölkerung Alabamas auf den Beinen - um USC anzufeuern. USC reiste sogar mit einem farbigen Quarterback, Jimmy Jones, an; für viele Spieler Alabamas ein komplett unbekannter Anblick. Noch ungewohnter aber war das Gefühl, auf dem Feld chancenlos zu sein: Running Back Sam Cunningham, ebenfalls Afro-Amerikaner, lief Bama in Grund und Boden, bei zwölf Runs verzeichnete er 135 Rushing-Yards sowie allein im ersten Viertel zwei Touchdowns.
USC gewann das Spiel mit 42:21, der Spielverlauf aber war noch deutlicher als das Endergebnis - und in Alabama waren die Fans geschockt. Bryant soll nach dem Spiel zu USC-Coach John McKay gesagt haben: "Ich kann Ihnen nicht genug dafür danken, was Sie heute für mich getan haben." Wenig später begann Bryant damit, Afro-Amerikaner zu rekrutieren und als der große Bear Bryant diese Grenze überschritt, folgten schnell auch die anderen Schulen im Süden.
Auch wenn der College Football zu jener Zeit im Süden nach wie vor alles dominierte - eine Aussage, die bis heute so getroffen werden kann - so muss man doch festhalten: Auf der nationalen Bühne war in den 70er Jahren längst ein Machtwechsel in vollem Gange.
Mit dem Endspiel der 1958er NFL-Saison, das bis heute den vielsagenden Titel "The greatest game ever played" trägt, begann der Siegeszug des Profi-Footballs. Erstmals ging ein Championship Game in die Overtime, etwa 45 Millionen Menschen sahen das Spiel live im TV - eine absolute Sensation für die Zeit.
Das Fernsehen war auf dem aufsteigenden Ast, erstmals wurde ein Profi-Spiel landesweit übertragen. Es war ein derart einschlagender Erfolg, dass es die Wahrnehmung und den Umgang mit dem Profi-Football nachhaltig veränderte.
College Football: Nicht nur der Süden dominiert
Und dennoch hat es auch die manchmal scheinbar alles verschlingende NFL auch bis heute nicht geschafft, vor allem die starken regionalen Bande im College Football aufzubrechen. Die Menschen bleiben "ihrem" College oft auf Lebenszeit verbunden, mal aktiver, mal weniger aktiv; und nicht nur im Süden herrscht eine unglaubliche Stimmung, wenn das örtliche College-Team spielt.
So waren etwa die Michigan Spartans eines der landesweit prägenden Teams in den 50er Jahren, auch Ohio State konnte einige Dynastien hervorbringen. Die Westküste hat bis heute mit USC eines der traditionellen Powerhouse-Teams und viele sehen in den 1971er und 1995er Teams von Nebraska zwei der besten Teams aller Zeiten.
Auch der landesweite Markt nahm phasenweise rapide zu. Gab es 1950 nur acht Bowl Games, stieg diese Anzahl auf 15 in den 80ern und mit Kabel-TV und Sendern wie ESPN kamen bis 2008 noch 20 weitere dazu.
Texas gegen USC - eines der größten Spiele überhaupt
So wirkt der College Football heute bisweilen aufgrund seiner schieren Masse an Spiele und Teams teilweise durchaus etwas unübersichtlich. Das aber ändert nichts an der Tatsache, dass einige der größten Football-Spiele auch unserer Zeit von College-Teams geliefert wurden.
Da wäre sicher ganz oben der Rose Bowl im Januar 2006 zwischen den beiden ungeschlagenen Teams von Texas und USC. Für nicht wenige Experten war es das beste (College-)Spiel aller Zeiten, als USC mit den beiden Heisman-Trophy-Gewinnern Reggie Bush und Matt Leinart auf Texas und dessen herausragenden Quarterback und ebenfalls Heisman-Sieger Vince Young traf.
Das unglaubliche USC-Team galt im Vorfeld als Favorit, doch gerade Bush schien teilweise zu viel zu wollen. Dennoch drehte der Favorit das Spiel nach einem 10:16-Rückstand zur Halbzeitpause und zog im dritten Viertel auf zwölf Zähler davon. Abgesehen von einem Punt zu Beginn des dritten Viertels blieb die zweite Hälfte komplett ohne Punt.
Texas kämpfte sich zurück und kam bis auf fünf Punkte wieder ran. Und als die Defense USC bei Fourth Down stoppte, war alles für das Hollywood-Ende bereitet: Young, der neben 267 Passing- auch 200 Rushing-Yards verzeichnete, führte seine Offense bis an die 8-Yard-Line, dann gab es 4th&5. Mit 26 Sekunden auf der Uhr.
Doch Young hatte das bessere Ende für sich. Ein kurzer Blick nach links, eine schnelle Bewegung, um einen Pass-Rusher aussteigen zu lassen und Young war im offenen Feld, wo USC ihn nicht mehr stoppen konnte. Touchdown, Sieg - ein unglaubliches Spiel!
Unfassbare College-Spiele - immer wieder Alabama
Diese Liste könnte man ins schier Unendliche fortsetzen.
Da wäre das Duell zwischen Auburn und Alabama im November 2013, als Alabama die Partie in der Schlusssekunde mit einem 57-Yard-Field-Goal gewinnen wollte - und stattdessen Auburns Chris Davis den zu kurzen Kick zum Return-Touchdown und damit dem Game-Winner für Auburn zurück trug, womit er letztlich Alabamas Titelhoffnungen zerstörte.
Oder das National Championship Game im Januar 2017, als Deshaun Watson einen unglaublichen Comeback-Sieg über Alabama dirigierte. Oder als Außenseiter Ohio State 2003 Miami, das 34 Spiele in Folge gewonnen hatte, in Double Overtime schockte. Oder der unglaublich dramatische 31:30-Sieg von Miami über Nebraska 1984. Oder, oder, oder.
College Football hat nicht nur seine ganz eigene Faszination sowie legendäre Spiele und Spieler, er hat auch maßgeblichen Einfluss auf das Spiel, wie wir es heute kennen. Lange bevor man an die NFL auch nur dachte oder der Profi-Football gar die größte Kraft war, formten die Colleges das Spiel - auf und abseits des Platzes.
Meistgelesene Artikel
Das könnte Dich auch interessieren

.jpg?quality=60&auto=webp&format=pjpg&width=317)

