"Der beste deutsche Import seit Bier"

Von Adrian Franke
18. Mai 201620:05
Daniel Benetka verfolgte seinen NFL-Traum jahrelang - fand sein Glück aber dann als Schauspielergetty
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Moritz Böhringer ist aus deutscher Sicht dieser Tage das große NFL-Thema: Der 22-Jährige will es als erster deutscher Receiver in die NFL schaffen, bereits als erster direkt aus Europa gedrafteter Spieler schrieb Böhringer Geschichte. Doch ist er mitnichten der erste Deutsche, der sein Glück jenseits des Teichs versucht: Nach dem ersten Teil in der Vorwoche blickt SPOX auf das bunte Podpourri deutscher Geschichten in der NFL.

Ralf Mojsiejenko (Punter/Kicker, Chargers 1985-88, Redskins 1989/90, 49ers 1991)

Es war ohne jeden Zweifel ein besonderer Moment, als Ralf Mojsiejenko zu seinem ersten Field-Goal-Versuch antrat. Der in Salzgitter geborene Kicker trug das Michigan-State-Trikot und sollte es jetzt gegen Illinois richten - aus schlanken 61 Yards. Er traf und es war der Beginn einer erfolgreichen College-Karriere, die für Mojsiejenko schließlich in der 4. Runde des 1985er Drafts endete.

Und an Selbstvertrauen mangelte es ihm ebenfalls nicht, wie der Deutsche wenige Monate nach Beginn seiner Rookie-Saison durchblicken ließ: "Ich will jetzt nicht angeben, aber ich habe die körperlichen Voraussetzungen, um Punter und Kicker zu sein. Ich bin mit vielen körperlichen Fähigkeiten gesegnet. Ich glaube, ich könnte einer der besten Punter und einer der besten Kicker sein."

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Verletzungen im Team sorgten dafür, dass Mojsiejenko tatsächlich beide Jobs für die Chargers übernehmen musste, der Großteil seiner NFL-Karriere lag aber im Punting - ein Pro-Bowl-Ticket 1987 inklusive. Als die Redskins dann 1989 einen Fünftrunden-Pick (für einen Punter/Kicker!) anboten, ließen ihn die Chargers dennoch gehen. "Mann, ich war echt überrascht. Ich hatte jetzt nicht das überragende Training Camp, aber ich glaube, das gilt für alle Punter", gab Mojsiejenko anschließend zu.

Es war gleichzeitig der Anfang vom Ende. In der Hauptstadt konnte der Deutsche nie an seine guten Tage als Chargers-Allzweckwaffe anknüpfen und nach nur einem Jahr während der Saison ersetzt. "Ein Schock", bilanzierte er. Nach nur noch fünf Spielen für die San Francisco 49ers beendete Mojsiejenko seine Karriere.

Horst Mühlmann (Kicker, Cincinnati Bengals 1969-74, Philadelphia Eagles 1975-77)

Horst Mühlmann hatte nie Angst vor dem riskanten Sprung: In der Jugend von Borussia Dortmund gereift, entschied sich der Torwart für den brisanten Wechsel zum FC Schalke, wo er 1961 sein Oberliga-Debüt gab. 1967 packte er den Koffer und wagte den Sprung über den Großen Teich, um für die Kansas City Spurs aufzulaufen und nur ein Jahr später machte er den Sprung-Dreierpack perfekt: Mühlmann ging den Schritt in die American Football League, unterschrieb bei den Cincinnati Bengals - und wurde eine Legende.

"Der beste Import aus Deutschland seit Bier und Elke Sommer", titelte die San Diego Union. Mühlmann kam zur genau richtigen Zeit, als europäische Kicker im Football Hochkonjunktur hatten. Ob Armenier, Norweger oder Deutsche - von überall her kamen die ehemaligen Fußballer, um in den USA in der nur halb so langen Saison das gleiche Geld zu verdienen.

Für ein Leben in Saus und Braus reichte Mühlmanns Gehalt aber trotzdem nicht. In der Off-Season gab es für den Kicker, der mit Field Goals aus über 50 Yards in drei aufeinanderfolgenden Spielen einen Rekord aufstellte, keine wilden Party-Nächte. Stattdessen arbeitete er währenddessen als Fliesenleger in der Heimat - und lief für Schalkes Altherrenmannschaft auf.

Constantin Ritzmann (Defensive End, Buffalo Bills 2004, Atlanta Falcons 2005)

Der erste deutsche Nicht-Special-Teamer in der NFL kam aus...Freiburg! Ritzmann zeichnete sich schon früh in Deutschland aus, über das Jugendteam der Berlin Adler wurde er drei Mal in Folge als MVP der Europa-Auswahl ausgezeichnet und verfolgte seinen Traum in den USA, wo er seine Schule mit der High School abschloss, weiter. Die Angebote ließen nicht lange auf sich warten: Florida, Florida State, Alabama, Tennessee, Ohio State - zahlreiche große Colleges wollten den deutschen Pass-Rusher.

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Ritzmann entschied sich für Tennessee, wo er zum Team-Kapitän aufstieg und Teil des Teams war, das Miamis Rekord-Heimsieg-Serie beendete. Trotz guter College-Saison wurde er 2004 nicht gedraftet, schaffte als Undraftet Free Agent aber den Sprung in den finalen Kader der Buffalo Bills. Und gleich im ersten Preseason-Spiel sorgte Ritzmann für einen TV-Moment: Gegen Denver gelang dem Deutschen direkt ein Sack, im gleichen Spiel flog ihm während eines Spielzugs spektakulär der Helm vom Kopf.

Den ersten Regular-Season-Einsatz gab es allerdings erst ein Jahr später und für ein neues Team. "Sehr aufregend, aber auch sehr stressig", blickte Ritzmann Jahre später im SWR zurück: "Das war an Heilig Abend. Mit den Atlanta Falcons habe ich gegen die Tampa Bay Buccaneers gespielt. Für die letzten acht Spielzüge kam ich rein. Es ging alles so schnell." Zahlreiche Verletzungen verhinderten eine langfristigere Karriere, nach der dritten Knie-OP machte Ritzmann 2007 Schluss.

Daniel Benetka (Defensive Tackle, 49ers 2000, Colts 2001, Patriots 2002, Chiefs 2003, Falcons 2004)

Judo, Diskuswerfen, Kugelstoßen (inklusive Landesmeister-Titel in den letzten beiden Kategorien) - Benetka entpuppte sich bereits in jungen Jahren als sportliches Ausnahmetalent. Das fiel auch der University of Idaho auf, die Benetka zunächst ein Leichtathletik-Stipendium gab, das aber schon bald in ein Football-Stipendium umgewandelt wurde und nach nur einem Jahr College-Football wagte der gebürtige Zwickauer den Sprung in die NFL.

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Leider war es der Beginn einer frustrierenden Reise. Der Defensive Tackle war Jahr für Jahr in einem anderen Training Camp, scheiterte aber jedes Mal kurz vor dem finalen Kader. So hielt er sich parallel in der NFL Europe fit, wo er von 2001 bis 2007 für Frankfurt Galaxy auflief und zwei Mal den World Bowl gewann. Er lernte die knallharte NFL-Welt kennen, etwa als sein Spind bei den Colts eines Morgens einfach leergeräumt war. "Da wusste ich, dass es vorbei war", blickte Benetka zurück.

Mitnichten vorbei ist aber seine Karriere in der Unterhaltungsindustrie: 2013 feierte Benetka sein Debüt bei der Pseudo-Reality-Show "Berlin Tag&Nacht", wo er es auf immerhin 147 Folgen brachte. Seit nunmehr drei Jahren versucht er sich außerdem in der elektronischen Musik-Szene.

Ulrich Winkler (Defensive End, Cleveland Browns 2006, Tennessee Titans 2007-09)

Winklers Weg ist dem von Moritz Böhringer gar nicht unähnlich. Ohne High-School- oder College-Erfahrung spielte sich der Defensive End bei den München Cowboys hoch und wurde über die NFL Europa entdeckt. Ein internationales Scouting-Programm der NFL brachte Winkler ins Practice Squad der Cleveland Browns. "Ich habe jetzt die Chance, mich dort zu empfehlen und 2007 einen Vertrag angeboten zu bekommen", erklärte er im Sommer 2006 noch hoffnungsvoll.

Doch NFL-Einsätze waren als internationaler Practice-Squad-Spieler nicht erlaubt und neben einem netten Gehalt und gutem Coaching war so nichts zu holen. Es ging 2007 weiter zu den Tennessee Titans, nach einer hoffnungsvollen Preseason verletzte sich Winkler aber. 2009 wurde er endgültig entlassen.

Fred Steinfort (Kicker, Raiders 1976, Falcons 1977/78, Broncos 1979-81, Bills 1983, Patriots 1983)

Position und Ära lassen es bereits vermuten: Auch Fred Steinfort hatte seine Wurzeln im Fußball, ging in den USA allerdings aufs Boston College und sollte, nachdem er als Fünftrunden-Pick über Oakland und Atlanta bei den Denver Broncos gelandet war, den legendären George Blanda ersetzen.

Der war davon überhaupt nicht angetan und auf Steinfort angesprochen antwortete Blanda: "Wie hat es Norm van Brocklin immer gesagt? Die Einwanderungsgesetze müssen verschärft werden." Am Ende absolvierte Steinfort drei seiner acht NFL-Jahre für die Broncos, traf fünf Field Goals von mindestens 50 Yards - und war darüber hinaus für eine extrem kuriose Szene berühmt: Am 29. September 1980 ließ Red Miller den Deutschen Sekunden vor der Halbzeitpause ein 73-Yard-FG versuchen. Der Schuss sah dann doch eher...kläglich aus.

Samuel Gutekunst (Offensive Tackle, Ravens 2006, Jaguars 2007, Seahawks 2008)

Wäre alles etwas anders gelaufen - Samuel Gutekunst könnte heute für Russell Wilson blocken. Der Karlsruher schaffte es 2006 erstmals in die NFL, bei den Baltimore Ravens sowie den Jacksonville Jaguars gelang ihm der Schritt vom Practice Squad in den aktiven Kader allerdings nicht. Den Football entdeckte Gutekunst für sich, weil er als Fußball-Torhüter nur sehr bedingt überzeugte. Und er war bereit, für seine neue Leidenschaft alles zu geben: "Wir mussten damals vor den Spielen noch die Linien auf den Rasen sprühen. Anschließend musste natürlich wieder alles grün gemacht werden, weil ein Fußball-Spiel anstand."

2008 gaben ihm die Seahawks im Rahmen des internationalen Programms der NFL eine weitere Chance - aufgrund einer Rückenverletzung aber verpasste der O-Liner das Training Camp. Vielleicht aber hat Gutekunst auch eine Karriere im Coaching vor sich: Bereits 2004 und 2005 fungierte der heute 31-Jährige in seiner Heimat im Saarland als Offensive-Line-Coach, 2009 kehrte er vorübergehend in gleicher Funktion in die GFL 2 zurück.

Claudius Osei (Defensive Back, New York Giants 2006)

Ein Hamburger Kung-Fu-Schüler mit ghanaischen und nigerianischen Wurzeln, der sich über Florida State für die NFL empfohlen hat? Zumindest auf dem Papier eine spannende Geschichte! Gemeinsam mit seinem Hamburger Trainer Patrick Esume bereitete sich Osei akribisch auf den Draft vor und in Deutschland wuchs die Hoffnung auf einen deutschen Safety in der NFL - mehr als ein kurzes Gastspiel im Practice Squad bei den Buccaneers sowie bei den Giants war allerdings nicht drin.

Ralf Kleinmann (Kicker, Tampa Bay Buccaneers 2003)

"Ich war noch nie so nervös", verriet Kleinmann nach seinem Preseason-Debüt für die Tampa Bay Buccaneers, "besonders vor dem ersten Kickoff. Es ist schon etwas ganz Besonderes, in der NFL zu spielen und das wurde mir immer bewusster, je näher das Spiel kam." Doch der NFL-Traum des Kickers war schnell wieder ausgeträumt. Ende August trennten sich die Bucs von Kleinmann, der daraufhin zu seinem alten Team Frankfurt Galaxy zurückkehrte.

Der NFL-Schedule für 2016 im Überblick