NFL: Die besten Pass-Rusher im Draft 2021

Marcus Blumberg
15. April 202113:54
Gregory Rousseau führte die ACC 2019 mit 15,5 Sacks an.getty
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Der NFL Draft ist in Sichtweite (29. April bis 1. Mai live auf DAZN) und bietet den Teams auch in diesem Jahr wieder interessante Optionen, um den eigenen Pass Rush zu verbessern. Doch welche Spieler bieten hier das größte Potenzial? SPOX stellt die interessantesten Pass-Rusher der Klasse von 2021 kurz vor.

Kwity Paye (Michigan): Der vielseitige Sprinter

Der vielleicht beste Athlet in diesem Draft spielte auf der High School Fußball, lief in der 4x100m-Staffel und begann erst relativ spät mit Football. Als High-School-Freshman begann er als Safety und Running Back, ehe er zum Ende der Schulkarriere auf Defensive End gewechselt ist.

Diese Flexibilität setzte sich schließlich auch bei den Wolverines fort, wo er im Prinzip überall in der 4-Men-Front eingesetzt wurde - selbst als Nose Tackle war er mitunter anzutreffen. Was ihn auszeichnet, ist seine unbändige Energie, mit der er gerade gegen den Run äußerst effektiv ist.

In den vergangenen zwei Jahren führte er Michigan jeweils in Tackles for Loss an. Ebenso beeindruckte Paye die Scouts an seinem Pro Day beim 3-Cone-Drill, den er in unter sechseinhalb Sekunden beendete, was gerade bei seiner Masse - 123 Kilogramm verteilt auf 1,93 Meter - kaum zu schaffen ist.

Er verfügt über gute, aggressive Hände, mit denen er seine Blocker abschütteln kann, und eine bemerkenswerte Beinarbeit: Seine schnellen, fast nahtlosen Richtungswechsel dürften ihm noch sehr zugutekommen.

Kwity Paye: Es fehlt noch der klare Plan

Was ihm jedoch noch fehlt, ist ein klarer Plan in Sachen Pass Rush. In vier College-Jahren stehen nur 11,5 Sacks auf dem Zettel. Das mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass Paye meist inside des Tackles aufgestellt war und sich teilweise sogar als Spion gegen den Quarterback zurückfallen ließ, doch insgesamt besteht hier noch viel Raum für Verbesserungen.

Zudem zeigte er Defizite in Sachen Übersicht. Zwar antizipiert er den Ball gut entlang der Line, doch mit Zone-Reads etwa hat er so seine Probleme. Für ihn spricht jedoch, dass ihm seine Coaches nachsagen, dass er gut trainierbar sei. Sprich: Was er bislang noch nicht auf dem Kasten hat, kann ihm durchaus in den kommenden Jahren noch beigebracht werden!

Unterm Strich ist Paye ein Top-Athlet, der noch nicht ausgereift ist, aber das Potenzial mitbringt, einer der Top-Pass-Rusher dieser Draftklasse zu werden. Wenn er im richtigen Umfeld und bei den richtigen Coaches landet.

Azeez Ojulari (Georgia): Adel verpflichtet

Ojulari ist der Sohn nigerianischer Einwanderer und der Enkel eines echten nigerianischen Prinzen - Prinz Twins Seven-Seven -, der bis zu seinem Tod 2011 als großer Künstler in Afrika bekannt war. Ojulari wuchs in der Nähe von Atlanta auf und schloss sich als 4-Star-Defensive-End den heimischen Bulldogs an.

Er führte Georgia nach einem Redshirt-Jahr in den vergangenen zwei Spielzeiten jeweils bei den Sacks an und erwies sich als talentierter Speed-Rusher auf der JACK-Position (Weakside Linebacker) in der 3-3-5-Grundformation Georgias. Er wird gern mit Yannick Ngakoue (Las Vegas Raiders) verglichen, weil er ähnlich schmal gebaut ist (1,90 m, 108 kg).

Das wiederum ist auch sein größtes Fragezeichen. Er kommt vom Start weg gut von der Line und verfügt über exzellente Technik mit seinen Händen, doch wird er sich kaum mit übermäßiger Power gegen die Top-Tackles durchsetzen, obgleich er sich gegen den Run durchaus fähig zeigte.

Azeez Ojulari muss für die NFL noch etwas Muskelmasse draufpacken.getty

Ojulari muss zudem an seinem Inside-Move arbeiten, um nicht zu berechenbar zu werden. Auch stellt sich auf dem NFL-Level die Frage, ob er als 5-Technique der geeignete Mann sein kann, da er eben am College stehend dahinter positioniert war. 5-Technique spielte er regelmäßig zuletzt auf der High School.

Insgesamt jedoch dürfte ihm seine Explosivität und der gute Instinkt dabei helfen, in der NFL den nächsten Schritt zu machen. Vielleicht hilft ihm auch mehr Zeit im Kraftraum, noch ein wenig an seiner Statur zu feilen.

Jayson Oweh (Penn State): Baller mit Potenzial

Oweh ist ein hochinteressantes Projekt für ein NFL-Team. Der Redshirt-Sophomore plante ursprünglich, mit einem Basketball-Stipendium aufs College zu gehen und hatte bis 2016 mit Football mehr oder weniger nichts am Hut.

Das änderte sich, als er vor seinem Junior-Jahr auf die Blair Academy in New Jersey wechselte, wo man zwei Sportarten spielen musste. Die dortigen Football-Coaches überzeugten ihn davon, neben Basketball auch Football zu spielen und Oweh blühte allmählich auf. Schon nach einem Jahr Football standen zahlreiche namhafte College-Programme Schlange, darunter Rutgers und Notre Dame.

Oweh entschied sich schließlich für Penn State, wo er nach einem Redshirt-Jahr 2018 erst 2020 zum Starter wurde, nachdem er 2019 als situativer Pass-Rusher im Sub-Package unterwegs war.

Auch Oweh ist ein außergewöhnlicher Athlet und lief trotz seiner 114 Kilogramm (1,96 m) den 40-Yard-Sprint an seinem Pro Day in 4,36 Sekunden - ein bemerkenswertes Tempo bei dieser Statur.

Jayson Oweh: Wird fehlende Erfahrung zum Problem?

Oweh ist extrem explosiv und spielt mit sehr viel Energie. Er kann sich innen und außen durchsetzen, gibt zudem nie ein Play auf und jagt seine Gegenspieler mitunter über das halbe Feld. Zudem ist er auch in der Lage, sich in Coverage fallen zu lassen, wenn es die Situation erfordert.

Was gegen ihn spricht, ist vor allem seine mangelnde Football-Erfahrung. Er spielte nur zwei Jahre auf der High School und praktisch auch nur zwei ganze Jahre auf dem College. Und das merkt man Oweh mitunter an. Sein Timing beim Snap ist noch verbesserungswürdig, er ist häufig entweder zu früh oder zu spät dran. Auch lässt seine Technik zu wünschen übrig. Kommt er mit seiner Beweglichkeit nicht am Blocker vorbei, fehlen ihm noch Komplementär-Moves - also ein Plan B.

Auch schätzt Oweh mitunter den Set-Punkt des Quarterbacks falsch ein. All das sind allerdings Dinge, die er noch lernen kann, mit mehr Erfahrung und gezieltem professionellen Training. Wer ihn im Draft auswählt, bekommt einen Spieler, der noch keineswegs ein fertiges Produkt ist. Doch er ist jemand, der Potenzial zu etwas Großem mitbringt. Es muss nur erst noch freigesetzt werden - und das könnte Zeit kosten, weshalb ein allzu hoher Pick womöglich ein zu großes Risiko bürgt.

Jaelen Phillips (Miami): Wenn der Kopf mitspielt

Oberflächlich betrachtet ist Phillips wohl der Pass-Rusher, der am meisten bereit ist für die NFL. Er verfügt über die nötige Technik, beherrscht diverse Pass-Rush-Moves und kann sowohl inside als auch outside seine Duelle gewinnen. Ebenso zeigt er einen effektiven Bull-Rush.

Phillips war schon auf dem College ein Vorzeige-Athlet, der in gleich vier verschiedenen Sportarten glänzte - Football, Baseball, Leichtathletik und Volleyball. Was spricht also gegen ihn? In erster Linie seine Gesundheit.

Nachdem er zunächst als Tight End unterwegs war, wechselte er als Sophomore zur Defense und dominierte als Pass-Rusher. Er landete schließlich bei UCLA, wo er jedoch diverse Verletzungen und drei (!) offiziell diagnostizierte Gehirnerschütterungen erlitt.

Das führte letztlich dazu, dass er nach der Saison 2018 auf Drängen der Ärzte seine Karriere beendete. Anschließend wechselte Phillips aufs Los Angeles City College, wo er Musik studierte - sein großer Traum ist es, als Rapper und Musikproduzent Karriere zu machen.

Jaelen Phillips: Transfer zu The U nach einjähriger Football-Pause

Jedoch merkte er in der Zeit auch, dass ihm Football fehlte, sodass er einen Transfer nach Miami anstrebte. Durch die NCAA-Transfer-Regeln setzte er die Saison 2019 aus, spielte anschließend sein Redshirt-Junior-Jahr für "The U" und führte das Team prompt in Sacks und Tackles for Loss an.

Er unterstrich also 2020 nochmals, wie gut er wirklich sein kann. NFL-Teams werden jedoch skeptisch ob seiner Langzeit-Perspektive sein, denn nicht nur die Gehirnerschütterungen - die zweifelsohne die deutlichste Red Flag sind -, sorgen für Kopfzerbrechen. Darüber hinaus verpasste er viel Zeit als Freshman mit einer Knöchelverletzung und musste infolge eines Unfalls mit dem Moped zweimal am linken Handgelenk operiert werden. Dabei wurden drei Knochen entfernt. Zudem brach er sich als Senior auf der High School die linke Hand.

Sein Talent ist unbestritten, doch wer garantiert, dass Phillips auch gesund und damit auf dem Feld bleiben kann? Ohne diese Probleme wäre er wohl ein sicherer Erstrundenpick, so könnte er fallen und womöglich zum Schnäppchen am zweiten - oder dritten - Drafttag werden.

Joe Tryon (Washington): Viele Muckis, wenig Erfahrung

"Er sieht aus wie eine Actionfigur, mit seinem muskulären und athletischen Frame." So umschrieb The Athletic Tryon. Und es klingt angemessen für den 1,96 Meter großen und 118 Kilogramm schweren Modellathleten aus dem US-Bundesstaat Washington.

Tryon glänzte schon auf der High School in Baseball, Basketball, Leichtathletik und Football. In Letzterem war er sowohl als Defensive End als auch als Tight End eine verlässliche Größe, wobei er am Ende mit drei Sternen als Verteidiger bessere Chancen auf ein Stipendium hatte.

In der variablen Front der Huskies spielte er in der Defensive Line alles von 3- bis 5-Technique und wurde mitunter auch als Off-Ball-Linebacker eingesetzt. Mit seiner physischen Stärke gelingt es ihm, sich gegen seine Blocker durchzusetzen und geht mit Wucht auf den Ballführenden. Er setzt darüber hinaus seine Hände gut beim Tackling ein und beherrscht auch Richtungswechsel.

Allerdings ist er kein klarer Power-Rusher und es fehlt ihm ein wenig an Beweglichkeit. Ist mehr der physische Typ, die Finesse geht ihm ab. Das führt dazu, dass er oft in Offensive Tackle reinläuft, wenn er sie nicht direkt umkurvt. Zudem zeigte er Defizite bei der Erkennung der jeweiligen Plays. In Space wirkte er zudem häufig verloren und wusste nicht so recht, wie er bewegliche Spieler stoppen sollte.

Joe Tryon: Die Spielpraxis fehlt

All das lässt sich vor allem mit überschaubarer Spielpraxis erklären. Nach einem Redshirt-Jahr war Tryon 2018 als Backup unterwegs und somit nur ein Jahr Starter. 2019 war zugleich seine mit Abstand beste Saison mit 12,5 Tackles for Loss und 8 Sacks, was ihn ins All-Pac 12 Second Team beförderte. Auf die Saison 2020 verzichtete er dann aufgrund von Covid-Bedenken komplett.

Er wird mit Marcus Davenport (Saints) verglichen. Tryon ist ein Projekt, das mit dem richtigen Training durchaus in naher Zukunft zum zuverlässigen Starter in der NFL aufsteigen kann.

Gregory Rousseau (Miami): Es fehlt am Finetuning

Rousseau ist ein gelernter Wide Receiver und Defensive Back. Mit seiner Größe (1.98 m) war er auf der High School vor allem ein sicheres Red-Zone-Target und erzielte als Junior 9 Touchdowns in der Saison. Zudem verfügt er über ordentlichen Speed.

Nachdem er mehr Muskelmasse drauflegte - heute steht er bei 117 Kilogramm -, wechselte Rousseau in die Defensive Line und etablierte sich dort als guter Playmaker.

Für Miami spielte er letztlich nur eine volle Saison im Jahr 2019, dominierte aber nach Belieben. Er wurde zum ACC Defensive Player of the Year gewählt und hatte die zweitmeisten Sacks im Land - nach einem gewissen Chase Young (15,5). Zudem führte er die ACC auch mit 19,5 Tackles for Loss an.

Dass er nur ein Jahr als Starter absolvierte, lag in erster Linie an einem Knöchelbruch in seinem Freshman-Jahr 2018, weswegen er nach nur zwei Spielen passen musste. Auf die Saison 2020 verzichtete er dann freiwillig.

Gregory Rousseau führte die ACC 2019 mit 15,5 Sacks an.getty

Greogry Rousseau kann mit Tight Ends und Running Backs mithalten

Rousseau steht vor allem für einen imposanten Frame und guten Speed, mit dem er sich vor allem physisch durchsetzt. Er versteht es auch, seine Hände zum Abschütteln seiner Blocker einzusetzen und zeigt sich auch fähig, in Space zu verteidigen.

Rousseau ist sehr flexibel einsetzbar: Er spielte zumeist 5-Technique, wechselte für Miami aber auch häufig auf 3-Technique oder gar Nose Tackle in offensichtlichen Passing Downs. Darüber hinaus bringt er den Speed und die Athletik mit, um auch Tight Ends der Seam entlang oder Running Backs auf Wheel Routes zu verfolgen.

Was ihm neben der Spielpraxis fehlt, ist wohl noch ein besseres Körpergefühl. Seine Größe bürgt die Gefahr, dass ihn Blocker an der Basis aushebeln können, ihm fehlt zum Teil die Balance im direkten Duell an der Line. Zudem muss er seine Hand-Technik verbessern und verlässt sich noch zu sehr auf seine schieren körperlichen Vorteile; er muss letztlich klüger und mit klarerem Plan spielen.

Sein Potenzial ist offensichtlich, doch besteht bei ihm auch die Gefahr, ein klarer Fehlgriff zu werden, wenn er seine Defizite nicht ausmerzt. Zudem war trotz seiner starken Produktion deutlich, dass ihm die Konstanz von Snap zu Snap fehlte. Gelingt es ihm jedoch, diese Defizite zu beseitigen, könnte er vom Typ her einer wie Mario Williams oder Chandler Jones werden.