Der Draft wirft seine Schatten voraus und die Spannung steigt. Wen schnappen sich die Rams mit dem ersten Pick? Welcher Spieler fällt überraschend, wer wird deutlich früher gewählt als gedacht? Es ist die spannendste Zeit in der Offseason und bei SPOX verpasst ihr nichts! Los geht's mit dem Überblick: Worum geht es eigentlich, was genau passiert vom 28. bis zum 30. April - und warum gibt es den Draft überhaupt?
Worum geht es eigentlich?
Es geht um die besten College-Spieler, die den Sprung in die NFL wagen. Über sieben Runden, jedes Team hat zunächst pro Runde einen Pick, dürfen dann die 32 Franchises der Reihe nach einen Spieler wählen und so ihrem Team neues Talent geben und Problemzonen angehen.
Grob zusammengefasst lässt sich sagen, dass Teams in der NFL ihren Kader über drei Wege zusammenstellen können: Die Free Agency (also das Transferfenster, in dem Spieler, deren Verträge auslaufen, auf den Markt kommen), über Trades mit anderen Teams (Spieler und/oder Draft-Picks gegen Spieler) oder eben im Draft.
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Dieser ist gemeinhin der Königsweg: Nur Teams mit guten Scouting-Abteilungen können sich in der NFL lange an der Spitze halten, denn das schlechteste Team aus der gerade beendeten Saison darf in jeder der sieben Draft-Runden als erstes picken. Es folgt das zweitschlechteste, das drittschlechteste Team und so weiter - bis schließlich der amtierende Super-Bowl-Champion den letzten Pick hat.
Doch die Wichtigkeit guter Draft-Picks geht noch weiter: Ein Rookie-Vertrag beläuft sich in aller Regel auf vier Jahre (bei Erstrunden-Picks gibt es die Team-Option auf ein fünftes Jahr) mit klaren Vorgaben für das Gehalt: Je nachdem, wann ein Spieler im Draft gezogen wird, variiert das Gehalt deutlich.
Ein Beispiel aus dem 2014er Draft: Der Vierjahresvertrag von Nummer-1-Pick Jadeveon Clowney belief sich auf insgesamt 22,2 Millionen Dollar. Der Deal von Xavier Su'a-Filo, erster Pick der zweiten Runde, auf nur noch 5,5 Millionen Dollar. Die Lektion: Wer gut draftet, kann viel Talent auf Jahre hinweg zu günstigen Verträgen in seinem Team haben - wichtig vor allem mit Blick auf den Salary Cap.
Wie und warum entstand der Draft?
In einem Wort: Chancengleichheit! Da das schlechteste Team der Vorsaison die Chance erhält, den besten College-Spieler zu bekommen, soll verhindert werden, dass einzelne Teams die Liga über Jahre hinweg dominieren. Genau davon hatte Eagles-Mitbesitzer Bert Bell 1935 genug und somit stellte er beim Eigentümer-Treffen einen entsprechenden Antrag auf ein Draft-System für College-Spieler, wobei die Reihenfolge von der Vorjahres-Bilanz abhängt.
Zu deutlich war die Vormachtstellung der Chicago Bears, der Green Bay Packers, der New York Giants und der Washington Redskins - die reichen Teams der Zeit - damals, wie Bell gegenüber AP einst ausführte: "Ich kam zu dem Schluss, dass diese Liga niemals überleben würde, wenn nicht jedes Team gleiche Chancen auf die größten Talente bekommt. Die Liga ist nicht stärker als ihr schwächstes Glied und in jedem Jahr wurden die Reichen reicher und die Armen ärmer. Die erfolgreichen Teams sind im freien Markt natürlich interessanter für die College-Spieler."
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Selbstverständlich wurde seitdem an diversen Schrauben gedreht, viele Details (was passiert mit Expansion Teams? Wie viele Spieler stehen zur Verfügung? Wer darf überhaupt zum Draft melden? und viele mehr) mussten noch geklärt werden. Doch Bell ist in gewisser Weise der Vater des Drafts und damit des heute größten Offseason-Events im NFL-Kalender.
Dabei war der ganze Prozess anfangs allerdings noch komplett anders. Wo heute der Scouting-Stab für ein Team von enormer Bedeutung ist und die College-Spieler das ganze Jahr über bis ins kleinste Detail bewertet, wurde bis in die 50er Jahre hinein meist noch anhand von Fachmagazinen festgelegt, welchen Spieler man nimmt. So entschieden sich die Colts 1956 für Receiver Dick Donlin, ohne ihn jemals spielen gesehen zu haben. Die Verantwortlichen hatten lediglich gehört, dass er ein guter Spieler sei. Donlin wurde ohne ein Spiel für die Colts entlassen. All das änderte sich flächendeckend erst in den 60er Jahren, in den späten 70ern gab es die erste Combine.
Heute gibt es für alles extrem ausgefeilte Systeme, etwa auch für den Fall, dass zwei Teams die gleiche Bilanz aufweisen. Zunächst wird dabei die Schwierigkeit des Spielplans berücksichtigt, also die Bilanz der Gegner in der vergangenen Saison. Besteht auch hier Gleichheit, zählt die Bilanz gegen Teams aus der eigenen Conference und schließlich aus der eigenen Division. Ist dann immer noch alles ausgeglichen, entscheidet der Münzwurf.
Warum gibt es mehr als 7x32 Picks?
32 Teams, sieben Runden - nach Adam Riese müsste es 224 Picks geben. Doch die Realität sieht anders aus, so gut wie nie ist das tatsächlich der Fall. In diesem Jahr etwa sind es insgesamt 253 Picks, der Grund dafür sind die Compensatory Picks. Hiermit soll noch mehr Gleichheit erzeugt werden: Vereinfacht gesagt werden damit Teams entschädigt, die in der Free-Agency-Periode des Vorjahres die besten Spieler verloren haben.
Berücksichtigt werden dabei nur Spieler, deren Verträge ausgelaufen waren. Entlassungen oder Trades spielen keine Rolle. Im diesjährigen Draft wird also das 2015er Transferfenster einberechnet. Ein Beispiel: Die Detroit Lions mussten Ndamukong Suh ziehen lassen, Detroit konnte die Gehaltswünsche des vertragslosen Defensive Tackle nicht mehr erfüllen.
Der ging stattdessen nach Miami und unterschrieb einen extrem hoch dotierten Kontrakt bei den Dolphins, folgerichtig erhielten die Lions den höchstmöglichen Compensatory Pick: Nummer 33 in der dritten Runde. Auch Einsatzzeiten und mögliche Auszeichnungen im Laufe der Saison zählen in die Formel zur Ermittlung des Compensatory Pick hinein.
Es folgen ebenfalls in der dritten Runde die New England Patriots, die Darrelle Revis ziehen ließen, sowie die Seattle Seahawks (Byron Maxwell) und die Denver Broncos (Julius Thomas). Die Compensatory Picks erstrecken sich von der dritten bis in die sechste Runde, ab 2017 können diese Picks auch in Trades eingebunden werden. Maximal 32 Compensatory Picks werden pro Jahr vergeben.
Trades? Drama, Baby!
Besonders spannend wird es am Draft Tag, wenn Teams den einen Spieler unbedingt wollen - und bereit sind, viel herzugeben, um einige Picks früher an der Reihe zu sein. Für den großen Hammer sorgten in diesem Jahr bereits im Vorfeld die Los Angeles Rams, die jetzt statt an Nummer 15 als erstes wählen dürfen. L.A. hofft damit, den Quarterback zu bekommen, den das Team seit Jahren sucht.
Als generelle Orientierung für Draft-Pick-Trades dient die Draft Trade Value Chart: Eine von Ex-Cowboys-Coach Jimmy Johnson entwickelte Tabelle, die jedem einzelnen Pick einen gewissen Wert zurechnet (der erste Pick ist 3.000 Punkte wert, der 32. 590). Will ein Team also hoch traden, wissen die Verantwortlichen etwa, was sie dafür hergeben müssen.
Abgesehen von allen Trades ist der Ablauf klar vorgegeben. In der ersten Runde hat jedes Team zehn Minuten Zeit für seinen Pick, in der zweiten Runde sind es noch sieben Minuten, von der dritten bis zur sechsten Runde lediglich noch fünf. In der letzten Runde muss jedes Team innerhalb von vier Minuten seine Entscheidung treffen und die Karte mit dem Namen des Spielers beim Commissioner abgeben.
Und wenn innerhalb des Zeitfensters keine Entscheidung getroffen wird? Selten, aber es kommt vor: 2011 passierte das den Baltimore Ravens, 2003 den Minnesota Vikings. In dem Fall ist schlicht das nächste Team in der Reihenfolge dran, kann also dem zu langsamen Vorwähler zuvorkommen und einen Wunschspieler weg schnappen. Das so übergangene Team verliert seinen Pick allerdings nicht, lediglich das exklusive Zeitfenster ist weg.
Bei SPOX verpasst ihr von all dem Irrsinn nichts: Ob eine Übersicht über die Top-Prospects, exklusive Interviews, Mock Draft oder Hintergrund-Berichte: Bis zum Draft (28.-30. April in Chicago) gibt's hier alles Wissenswerte!