Die Dallas Cowboys verlieren das Auftaktspiel gegen die Tampa Bay Buccaneers - und dennoch dürften die eigenen Ziele nach dieser Partie eher noch höher gesteckt werden. Das sind potenziell keine guten Nachrichten für Coach Mike McCarthy. Außerdem: Einige altbekannte Probleme in Tampa - und eine Dominanz, welche die Bucs nochmal auf ein anderes Level heben könnte.
1. Cowboys trotz Pleite Favorit - Schonfrist für McCarthy vorbei
Für Cowboys-Fans wird sich der Morgen nach diesem Spiel umso bitterer anfühlen, denn Dallas war so dicht dran am überraschenden Auftaktsieg beim Titelverteidiger. Ein paar bessere Coaching-Entscheidungen von Mike McCarthy - oder alternativ zumindest einige bessere Kicks von Greg Zuerlein -, und dieses Spiel wäre vermutlich anders ausgegangen.
Dazu gleich noch mehr, doch es gibt auch positive Dinge, die man in Big D aus diesem ersten Spiel mitnehmen kann.
Zumindest bei den Buchmachern ging Dallas als klarer Underdog in die Partie, und nach der ersten Hälfte konnte Dallas froh sein, dass das Spiel noch so eng war. Aber die Partie kippte in kleinen Schritten und es war aus eigener Perspektive vor allem die Passing-Offense, welche die Cowboys trug.
Prescott war physisch merklich noch nicht bei 100 Prozent, das sah man teilweise in der Art und Weise, wie er sich bewegte, vor allem aber daran, dass seine Pässe nicht die gewohnte Power hatten. Aber wie sicher und präzise er das ganze Spiel aus der Pocket aufzog, allein das gibt Dallas einen extrem hohen Floor. Umso mehr mit der Rückkehr der beiden Offensive Tackles. Und dann haben die Cowboys die Waffen, um offensiv jederzeit durch die Decke zu gehen.
Selbst mit Prescott fernab der 100 Prozent, selbst mit einigen bitteren Fehlern von Receiver CeeDee Lamb, selbst mit einem Run Game, das kaum etwas beisteuerte, war das phasenweise gegen die aggressive Buccaneers-Defenes zu beobachten.
Und diese Erkenntnis alleine darf Cowboys-Fans für die weitere Saison ein gutes Gefühl geben. Dallas hat zwar das Auftaktspiel verloren, viele der Offseason-Fragen rund um die Offense und insbesondere rund um Prescott wurden allerdings beantwortet. Dallas sollte die klar beste Offense und den klar besten Quarterback in der eigenen Division haben, und trotz der Niederlage sollte dieses Spiel die Cowboys als Division-Favorit bestätigen.
Druck auf McCarthy sollte zunehmen
Und McCarthy? Die Jason-Garrett-Ära hat gezeigt, dass Cowboys-Besitzer Jerry Jones dazu neigen kann, einem Head Coach zu lange zu vertrauen. Doch wie viel Geduld hat er mit McCarthy, mit dem er nicht die gleiche persönliche Verbindung wie zu Garrett haben dürfte?
Man kann McCarthy für die vergangene Saison nur bedingt kritisieren, zu gravierend waren die Ausfälle in der Offense. Diese Ausrede gibt es jetzt nicht mehr und wenn nach dem Auftaktspiel einerseits Prescott mit Lob überschüttet wird und Tampa Bay erst mit den Schlusssekunden die 30-Punkte-Marke knackte, dann muss das Scheinwerferlicht auf einen anderen Teil des Teams gehen - und dieser Teil könnte ganz schnell McCarthy sein.
Nicht so sehr für den offensiven Game Plan; gegen Tampa Bay mit der extrem starken Front und einer Offense, die jederzeit explodieren kann, nicht auf eine ausbalancierte Offense was Runs und Pässe angeht zu setzen, war genau der richtige Schritt. Hier wäre eher die Frage, wie groß die Rolle von Kellen Moore - der auch als offensiver Play-Caller fungiert - ist. Auch die Play-Designs waren durchaus kreativ, Dallas präsentierte sich flexibler im Passspiel.
Aber eben mit Blick auf die In-Game-Entscheidungen, welche ohne Zweifel letztlich beim Head Coach liegen. Hier war McCarthy gegen die Buccaneers unter dem Strich in mehreren Phasen des Spiels auf dem Holzweg. Oder anders formuliert: Dallas hätte dieses Spiel gewinnen können, vielleicht sogar gewinnen müssen. Dass das nicht gelang, lag maßgeblich am Head Coach.
Spätestens mit Prescotts Auftritt am Donnerstagabend ist auch die Erwartungshaltung in Dallas entsprechend zurück - und das sollte sie auch sein. McCarthy kam mit dem klaren Ziel nach Dallas, nach Jahren im oberen Mittelmaß mit Garrett den Sprung zu einem Super-Bowl-Anwärter zu schaffen.
Der Season Opener war auch eine Erinnerung daran, an was sich McCarthy in diesem Jahr messen lassen muss.
2. Die Bucs-Front gibt Tampa mehr Spielraum
Tampa Bay hatte bereits letztes Jahr eine gute Front, musste allerdings weite Teile der Saison ohne Defensive Tackle Vita Vea bestreiten - und in der Offseason investierten die Bucs dann noch zusätzlich ihren Erstrunden-Pick in Edge-Rusher Joe Tryon.
Defensive Coordinator Todd Bowles kompensierte mögliche Lücken in der Defensive Line im Vorjahr mit seinem gewohnt aggressiven Blitzing-Scheme, und das war auch gegen die Cowboys zu beobachten: Bowles blitzte Prescott bei über 40 Prozent seiner Dropbacks, Prescott legte 188 Yards und drei seiner vier Touchdown-Pässe gegen den Blitz auf.
Das wiederum macht auch gleich zwei Probleme deutlich: Erfahrene Quarterbacks spielen fast lieber gegen den Blitz, da sie so klarere Matchups bekommen und Defenses gezielt attackieren können. Genau das gelang Prescott am Donnerstagabend
Das andere Problem? Die Buccaneers gingen in der Secondary bereits angeschlagen in die Partie und verloren dann noch früh im Spiel Slot-Corner Sean Murphy-Bunting durch eine Ellbogenverletzung. Die Cowboys haben selbstredend die Wide-Receiver-Power, um so eine Situation dann auch effektiv zu bestrafen; aber Tampa Bay wäre grundsätzlich gut beraten, sich nicht darauf zu verlassen, dass die Secondary die starke Vorsaison einfach wiederholt.
Umso wichtiger ist es, dass die Front ein noch dominanterer Part wird. Next Gen Stats listet Vea gegen die Cowboys mit sechs Pressures, Shaq Barrett mit fünf und William Gholston mit drei. Bowles blitzte auch Linebacker Devin White regelmäßig und schob seine Front-Spieler generell viel herum; bei einem Third-Down-Pressure-Package stellte sich Jason Pierre-Paul gegenüber vom Center auf, während Vea den Outside Edge Rusher gab.
Bowles wird in diesem Jahr vielleicht defensiv etwas umdenken müssen, zumindest wenn es gegen die Top-Passing-Offenses geht. Dass er das kann, hat er letztes Jahr bereits im Laufe der Saison gezeigt.
Die gute Nachricht für ihn ist: Seine Defensive Line hat das Potenzial, eine der ligaweit besten D-Lines zu werden. Das wiederum würde Bowles dann auch andere Möglichkeiten bieten und die Cornerback-Gruppe entlasten.
3. Tampa Bay steht sich schon wieder selbst im Weg
Ein Thema, das Bucs-Fans nur allzu vertraut vorgekommen sein dürfte, war das der selbstverschuldeten Fehler. Insbesondere in der ersten Saisonhälfte letztes Jahr war das regelmäßig zu sehen. Gegen die Cowboys war es abermals ein Problem, welches den Titelverteidiger beinahe das Spiel gekostet hätte.
Da waren einerseits die extremen Fehler wie die unnötigen Turnover: Bradys Hail-Mary-Interception kann man hier getrost ausklammern, aber der Fumble von Ronald Jones, der Fumble von Chris Godwin und der Drop von Leonard Fournette, welcher direkt zur Interception führte - all das waren kritische Fehler, die am Ende spielentscheidend hätten sein können. Die Turnover der Running Backs führten insgesamt direkt zu zehn Cowboys-Punkten, und Godwins Fumble gab Dallas den Ball direkt vor der Endzone zurück.
Auch die Strafen - elf für 106 Yards und damit fast doppelt so viele Penalty-Yards wie die Cowboys (55) - häuften sich im Laufe des Spiels und waren ebenfalls ein Grund dafür, dass die Buccaneers ihre insbesondere in der ersten Hälfte phasenweise doch klare Überlegenheit nicht in mehr Zählbares ummünzen konnten.
Diese Aspekte stechen heraus, weil hier mehrere potenziell gravierende Szenen mit dabei waren. Etwas weniger auffällig, aber für Bucs-Fans nicht unbedingt viel weniger alarmierend, war der Rückfall im offensiven Play-Calling in einige alte Tendenzen. Wie etwa der Drang gerade früh im Spiel, Drives mit Early-Down-Runs zu eröffnen - die eindeutig nirgendwo hin gingen: Laut PFF verzeichnete Ronald Jones im Schnitt 1,8 Yards pro Run vor erstem Gegner-Kontakt, Leonard Fournette sogar nur 0,8.
Das Run Game funktionierte nicht, und die Bucs gingen dann phasenweise auch davon weitestgehend weg. Doch die Tendenzen, die letztes Jahr so lange ein Thema immer wiederkehrender Kritik waren - es geht hier gar nicht so sehr um das Run Game generell, sondern um die Vorhersehbarkeit, mit welcher die Bucs ihre Runs spielen -, waren auch beim Auftaktspiel gegen Dallas zu sehen.
Wie schnell reagiert Tampa dieses Jahr offensiv?
Und noch ein Aspekt in der offensiven Herangehensweise war viel zu präsent: Die Screens und die Pässe generell zu den Running Backs.
Keine Frage, mit Brady wird das immer ein Mittel der Offense sein. Aber es ist ein Unterschied, ob man einen agilen Back kreuz und quer durch die Formation bewegt, um Matchups zu kreieren, oder ob man relativ fantasielose Screens auf Leonard Fournette wirft. Fournette hatte in diesem Spiel mehr Targets (7) als Mike Evans und beendete das Spiel in der Kategorie gleichauf mit Antonio Brown.
Generell visierte Brady bei 20 Prozent seiner Pässe einen Running Back an, zum Vergleich: Dallas lag hier bei zehn Prozent. Man kann dieses Element in der Offense behalten, aber Tampa wäre einerseits gut beraten, das Spiel noch mehr über die Wide Receiver aufzuziehen. Und die Bucs sollten andererseits darüber nachdenken, Giovani Bernard eine größere Rolle zugeben, wenn dieser Teil der Offense in dem Ausmaß beibehalten werden soll.
Tampa Bays Offense war in mehreren Aspekten eindrucksvoll. Brady allen voran, doch auch Godwin zeigte - trotz des Fumbles - dass er in diesem Jahr eine größere Rolle einnehmen könnte. Und Antonio Brown in der Verfassung ist die wohl beste Nummer 3 in der NFL. Auch die Offensive Line präsentierte sich weitestgehend exzellent, vor allem die erste Hälfte war in Pass-Protection teilweise dominant. Die Bucs streuten auch weiter jede Menge Pre-Snap-Motion ein, 63 Prozent ihrer Plays kamen mit Shifts oder Motion, eine Fortsetzung des Trends nach der Bye Week im Vorjahr. Drei von Bradys vier Touchdown-Pässen kamen bei diesen Plays.
Doch die kleinen - und großen - Fehler, welche Tampa Bay selbstverschuldet Sand ins Getriebe schütten können, waren in Woche 1 ganz klar zu beobachten. Es gilt, die schneller zu reparieren als im Vorjahr, um die eigenen PS auch wirklich auf die Straße zu bringen.