NFL - Erkenntnisse zur Free Agency: Die Bears stehen vor dem nächsten Fiasko

Marcus Blumberg
18. März 202112:29
Die Chicago Bears stehen sportlich erneut auf wackligen Beinen.getty
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Die Free Agency ist in vollem Gange und schon jetzt droht den Chicago Bears nach gescheiterten Verhandlungen das nächste Fiasko. Die Arizona Cardinals wiederum sorgten für Verstärkungen, spielen jedoch ein gefährliches Spiel. Und: Warum kommt der Wide-Receiver-Markt eigentlich nicht in Schwung?

Chicago Bears: Das nächste Fiasko droht

Die Bears gingen in diese Offseason mit dem klaren Auftrag, ihr grundsolides Team so zu verbessern, um schnell wieder konkurrenzfähig zu sein. Konkret hieß das, zunächst mal einen verlässlichen Quarterback für die Gegenwart und idealerweise auch Zukunft zu finden.

Hauptgrund für die klare Dringlichkeit in dieser Sache war die allgemeine Auffassung, dass die Stühle von General Manager Ryan Pace und Head Coach Matt Nagy so allmählich bedenklich ins Wanken geraten sind. Und in solchen Fällen ist es naheliegend, mit der einen oder anderen aggressiven Verpflichtung kurzfristigen Erfolg herbeizuführen, um langfristig arbeiten zu können.

Das Ergebnis des Ganzen ist nach den ersten Tagen Free Agency jedoch äußerst ernüchternd. Mit Andy Dalton wurde zwar ein neuer Quarterback verpflichtet, doch löst der alles andere als Begeisterung aus. Im Grunde genommen wiederholen die Bears hier eigentlich nur ihr Manöver der Vorsaison, als sie Nick Foles aus Jacksonville geholt haben.

Damals entschieden sie sich für Foles, obwohl andere Quarterbacks mit mehr Potenzial auf dem Markt waren, wie etwa Teddy Bridgewater oder auch Jameis Winston - mit Abstrichen sicherlich auch Cam Newton, für den sich letztlich aber lange Zeit niemand interessiert hat.

Die Begründung für Foles war seinerzeit, dass die Coaches ihn bereits kennen und schon gut mit ihm zusammengearbeitet hatten. Konkret waren das Offensive Coordinator Bill Lazor, der Foles' QB Coach 2013 in Philadelphia war und eben Head Coach Matt Nagy, den Foles in Kansas City als OC hatte.

Bei Dalton nun ist der gemeinsame Nenner ebenfalls Lazor, der zwei Jahre lang Daltons Offensive Coordinator bei den Cincinnati Bengals war. Der Kern: Man kennt sich, man respektiert sich. Und vor allem kennt der jeweilige QB in groben Zügen das System.

Bears: Daltons gute Jahre liegen länger zurück

Doch wie schon Foles kommt nun Dalton nach einem Jahr, in dem er nicht wirklich überzeugte. Fairerweise muss man einräumen, dass Daltons letzte herausragende Saison sogar schon mindestens sechs Jahre zurückliegt. Aber immerhin schaffte er es dreimal insgesamt in den Pro Bowl in seinen zehn Jahren in der NFL.

Und er bewies, dass er mit optimalen Bedingungen um sich herum durchaus überzeugen kann. Dazu zählt eine starke Offensive Line, sehr gute Receiver und am besten auch noch mindestens ein dominanter Running Back.

Findet sich dies aber in Chicago? Nun, die Bears hatten aggressiv versucht, Left Tackle Trent Williams aus San Francisco loszueisen. Das schlug bekanntlich fehl, er unterschrieb stattdessen einen Rekordvertrag bei den 49ers.

Aber immerhin verfügen die Bears über einen absoluten Star-Receiver in Allen Robinson. Der allerdings soll unter dem Franchise Tag spielen und scheint darauf überhaupt keine Lust zu haben. Vielmehr deutete er schon seit Monaten an, dass er wegwolle, um endlich mal ernsthaft um Titel mitzuspielen. Dem Vernehmen nach habe er wohl auch nicht vor, allzu bald seinen Franchise Tender zu unterschreiben.

Und seine Haltung ist durchaus verständlich, wenn man bedenkt, mit wem er bislang auf Quarterback zusammengespielt hat. Den Großteil seiner Targets hatte er mit Blake Bortles in Jacksonville und Mitchell Trubisky in Chicago. Kein Wunder, dass er langsam aber sicher einfach nur noch weg will. Immerhin dürfte Dalton der kompetenteste QB sein, mit dem er je zusammengespielt hat.

Bears: Masterplan fehlgeschlagen

Die Misere der Bears ist damit aber noch nicht abgeschlossen, denn der Masterplan des Teams war es offenbar, das QB-Problem ein für allemal zu beenden. Es wurde offenbar ein aggressiver Versuch gestartet, Russell Wilson aus Seattle loszueisen. Die Rede war von drei Erstrundenpicks, ein paar weiteren Picks sowie zwei Startern. Die Seahawks lehnten ab.

Die Bears haben es also durchaus versucht, ihre Situation mit Nachdruck schlagartig zu verbessern. Doch am Ende stehen sie mal wieder mit leeren Händen da und bleiben ein Team, das zwar über eine starke Defense verfügt, jedoch offensiv vor allem von Fragezeichen geprägt ist.

Die letzte Hoffnung, doch noch eine positive Wende herbeizuführen, bleibt damit der anstehende Draft. Wenn sie gewillt waren, bei Wilson aggressiv zu werden, sind sie es vielleicht auch, um von Position 20 hoch zu traden, um auf diese Weise ihren zukünftigen QB zu finden.

Gelingt auch das nicht, dürfte die Zeit für das Duo Pace/Nagy bald abgelaufen sein.

Arizona Cardinals: Mit aller Macht ins Titelfenster

Die Cardinals gingen in die Offseason mit zahlreichen eigenen Free Agents und klaren Baustellen, die es zu schließen galt, um den nächsten Schritt zu machen. Schon zuvor waren sie ein Team mit einem gewissen Gerüst und einem gewissen Potenzial, das hauptsächlich vom jungen Quarterback Kyler Murray ausging.

Doch was sind sie nun, nach essenziell vier Tagen Free Agency? Immer noch ein Team im Wandel, aber eines, das gewisse Tendenzen erkennen lässt, wie es in diesem Jahr vorzugehen gedenkt.

Head Coach Kliff Kingsbury geht in seine dritte Saison und hat bis auf ein paar Achtungserfolge noch nicht allzu viel vorzuweisen. Seine Offensivphilosophie wirkte seinerzeit revolutionär, doch fehlte es zuletzt an gewissen Schlüsselelementen, um sie auch vollends umzusetzen.

Entsprechend wurde das Team tätig und verpflichtete mit A.J. Green einen erfahrenen Wide Receiver. Jener hat seine besten Tage zwar schon lange hinter sich, dürfte Murray aber eine weitere sichere Passoption bieten. Ein guter Route-Runner mit sehr guten Händen, auch wenn der Top-Speed nicht mehr ganz da ist.

Das freilich wird noch nicht reichen, um stetig auf 4-Receiver-Sets zu setzen, was wohl der ultimative Plan dieser Offense ist. Doch Green ist ein Anfang, der wenig Risiko birgt, weil man weiß, was man kriegt. Die große Frage hier bleibt aber, ob Wide Receiver Larry Fitzgerald seine Karriere fortsetzen wird. Wenn nicht, bräuchte es wohl immer noch ein bis zwei (dynamische) Receiver, um die Offense unterm Strich zu verbessern.

Cardinals: Center Hudson eine echte Verstärkung

In der Offensive Line wurde Right Tackle Kelvin Beachum gehalten und als neuer Center kam Rodney Hudson per Trade von den Las Vegas Raiders. Er ist einer der besten Center der NFL und als solcher sicherlich eine Bereicherung für das Team. Ein klares Upgrade noch dazu.

Defensiv wiederum sorgten die Cardinals für einen Splash schon vor dem Start der Free Agency. Mit J.J. Watt kam ein Superstar für die defensive Front. Er soll den Pass Rush zusammen mit Chandler Jones auf ein neues Level hieven.

Allerdings hatte Watts Verpflichtung den erwartbaren Nebeneffekt, dass Edge Rusher Haason Reddick dadurch entbehrlich wurde und sich schließlich den Carolina Panthers angeschlossen hat.

Man muss dies also als Eins-zu-Eins-Tausch ansehen, obgleich beide unterschiedliche Positionen spielen. Der 26 Jahre alte Reddick, der im Vorjahr großes Potenzial auf neuer Position (Edge) zeigte, wurde abgegeben, um den bald 32 Jahre alten Watt zu holen. Er hat freilich ein viel größeres Standing, doch jener hatte seine letzte vollends dominante Saison 2018. Seither fiel er merklich ab.

Gerade mit Green und Watt gingen die Cardinals also den ungewöhnlichen Schritt, Zukunftspotenzial gegen Erfahrung und möglicherweise noch vorhandene größere Klasse einzutauschen. Die Cardinals schielen damit nicht mehr allzu weit voraus, sondern wollen sofort Erfolg erzwingen.

Ein Grund dafür ist sicherlich auch, dass Murrays Rookie-Vertrag in absehbarer Zeit gegen einen potenziellen Monster-Deal ausgetauscht werden muss. Schon deshalb gilt es jetzt, so schnell es geht das mögliche Titelfenster kurzfristig aufzustoßen.

NFL Free Agency: Der schleppende Wide-Receiver-Markt

Zählt man die "Legal Tampering Period" mit, dann gehen wir nun in den vierten Tag der Free Agency. Und noch immer sind mit Kenny Golladay, JuJu Smith-Schuster oder auch T.Y. Hilton namhafte Wide Receiver auf dem Markt. Die große Frage ist: wie kann das sein?

Die trivialste und naheliegendste Erklärung dürfte einfach sein, dass das Angebot die Nachfrage momentan gewaltig übersteigt.

Das geht schon damit los, dass nicht viele Teams über üppigen Cap Space verfügen, zudem durch die Einnahmeverluste aus der Coronavirus-Pandemie ohnehin lieber sparen wollen. Und dann kommt hinzu, dass die Draftklasse von 2020 sehr tief mit verheißungsvollen Wide Receivern besetzt war und sich Teams entsprechend bedient haben.

Die meisten Teams sind damit per se schon gut aufgestellt, was die Receiving Corps angeht. Und wer noch Nachholbedarf hat, kann auch in diesem Jahr wieder im Draft fündig werden, wenn abermals zahlreiche Top-Prospects zu haben sind.

Rookies sind per se günstig und daher wohl in vielen Fällen einfach attraktiver für NFL-Teams als gestandene Veterans, die womöglich nicht zur Extraklasse gehören. Extraklasse wiederum ist in diesem Jahr auf dem Free-Agent-Markt nur schwer zu finden. Golladay könnte dazu gehören, doch da Allen Robinson und Chris Godwin per Franchise Tag aus dem Verkehr gezogen wurden, hört die Liste hier wohl auf.

NFL: Teams verzichten auf Top-Receiver auf dem Markt

Ein anderes Problem für die Wide Receiver dürfte sein, dass Teams mit viel Cap Space und Motivation, Geld auszugeben, sich anderweitig orientiert haben. Die Patriots etwa setzen nun lieber wieder auf zwei dominante Tight Ends im Passspiel mit Jonnu Smith und Hunter Henry. Mit dieser Philosophie fuhren sie vor zehn Jahren bereits sehr gut mit Rob Gronkowski und Aaron Hernandez, bevor sich Letzterer als Psychopath und Mörder herausstellte.

Auf Wide Receiver griffen die Patriots dagegen eher in die zweite und dritte Etage mit Nelson Agholor und Kendrick Bourne. Und genau in dieser Preisklasse orientierten sich auch die meisten anderen Teams mit Needs auf diesen Positionen - die Jets holten Corey Davis, die Jaguars Marvin Jones und die Bills griffen bei Emmanuel Sanders zu. Allesamt solide Spieler, aber eben keine teuren Nummer-1-Optionen.

Es besteht zwar kein Zweifel, dass auch die Top-Namen auf dem Markt letztlich irgendwo unterkommen werden. Doch müssen sie sich wohl davon verabschieden, in diesem Jahr einen Mega-Vertrag zu erhalten.

So komisch das im Vergleich zu anderen Jahren klingt, aber womöglich macht es dieses Jahr für die Golladays und JuJus mehr Sinn, sich für kurzfristige Verträge zu entscheiden, um dann im kommenden Jahr - oder 2023 - erneut auf den Markt zu kommen. Dann mit eventuell etablierterem Markt und tieferen Taschen, wenn die neuen TV-Verträge greifen und die Salary Cap explodiert sein wird.