Elliott: Zeit der Selbstreflexion?

Pascal De Marco
12. August 201719:43
Ezekiel Elliott lief in der Saison 2016 für 1.631 Yardsgetty
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Die Vermutungen haben sich bestätigt: Die NFL hat Running Back Ezekiell Elliott von den Dallas Cowboys für sechs Spiele suspendiert. Doch was ist der Grund dafür? Wie geht es weiter und welche Konsequenzen hat dies für die Franchise und den Spieler? SPOX beantwortet die fünf wichtigsten Fragen zum Thema Elliott.

Was ist passiert?

Seit einem Jahr ist der Fall bereits bekannt. Aus der Woche des 16. Juli 2016 sieht sich Ezekiel Elliott gleich fünf Vorwürfen der häuslichen Gewalt in sechs Tagen konfrontiert. Elliotts damalige vermeintliche Freundin Tiffany Thompson hatte die Polizei kontaktiert und über die Vorfälle berichtet.

Ähnliche Vorwürfe derselben Frau, mit der Elliott selbst behauptet, lediglich eine sexuelle Beziehung geführt zu haben, gab es bereits im Februar des letzten Jahres. Die damalige Anklage wurde allerdings aufgrund von widersprüchlichen Aussagen und mangels Zeugen fallen gelassen.

Die Hämatome am Körper der Frau stammen laut dem letztjährigen Rushing-Champion von einer Barschlägerei. Dies bestätigte die Polizei. Die NFL jedoch kann einen Spieler auch dann sanktionieren, wenn er von der juristischen Seite freigesprochen wurde.

Die Liga, die den Fall seit Bekanntwerden verfolgt und ihrerseits darüber Untersuchungen durchgeführt hat, verkündete am Freitag dann in einer offiziellen Mitteilung: Ezekiel Elliott wird für sechs Spiele der regulären NFL-Saison gesperrt!

In der Mitteilung erklärte die NFL auch, dass sie im Rahmen ihrer Untersuchungen über ein Dutzend Zeugen befragte, Meinungen von medizinischen Fachkräften einholte und insbesondere Beweise in Form von Fotos und elektronischer Kommunikation auswertete.

Commissioner Roger Goodell hatte sich Meinungen von vier externen Beratern aus den Bereichen des Gesetzesvollzugs, der Rechtsprechung, der öffentlichen Ämter und aus weiteren spezialisierten Bereichen eingeholt. Diese unabhängigen Berater partizipierten auch in einer Anhörung am 26. Juni diesen Jahres in New York, bei der Ezekiel Elliott von seinen Rechtsvertretern und der NFL Players Association vertreten wurde.

Schließlich wurde Elliott in einem Brief darüber informiert, dass die Berater "der Meinung sind, erhebliche und überzeugende Beweise zu haben, dass Elliott in mehreren Gelegenheiten physische Gewalt gegen das Opfer angewendet hat."

Wie geht es weiter?

Elliott hat laut dem Schreiben der NFL nun drei Tage Zeit, gegen das Urteil Widerspruch einzulegen. Darüber hinaus muss eine Anhörung innerhalb von zehn Tagen nach Einreichen des Widerspruchs beantragt werden.

Sollte der letztjährige Erstrundenpick davon absehen, würde die Suspendierung ab dem 2. September in Kraft treten. Elliott würde erst am 23. Oktober für das Spiel gegen die Washington Redskins in Woche acht zurückkehren dürfen. Ein Szenario, in dem der Running Back allerdings keinen Widerspruch einreicht, scheint undenkbar.

Anwälte des 22-Jährigen erklärten bereits in einem Statement, dass das Urteil der Liga "mit faktischen Ungenauigkeiten und fehlerhaften Schlussfolgerungen gefüllt" sei. Die "sogenannten Beweise", auf denen das Urteil basiert, seien "herausgepickt worden, während andere kritische Beweise schlichtweg ignoriert wurden".

Auch die NFL Players Association erklärte "die Entscheidung zu überprüfen und bereits mit Elliott und dessen Vertretern in Kontakt getreten zu sein, um alle möglichen Optionen in Betracht zu ziehen".

In einem wohl unvermeidbaren Prozess wird sich Elliott dabei auch weiterhin auf die Rückendeckung von einem der einflussreichsten Männern in der NFL verlassen können. Cowboys-Besitzer Jerry Jones will bereits seit einem Jahr nichts von der Schuld seines Superstars wissen: "Ich habe alles überprüft und es gibt absolut nichts, das in irgendeiner Form mit häuslicher Gewalt zu tun hat", betonte er noch in einer Pressekonferenz Ende Juli.

Über die Entscheidung der Liga soll Jones Medienberichten zu Folge, nur eine Woche nach seiner Einführung in die Hall of Fame, extrem wütend sein. Öffentlich hat sich der Cowboys-Besitzer bislang noch nicht zu Wort gemeldet.

Nachdem allerdings bereits Vermutungen aufgekommen sind, die NFL würde nach der lauten Kritik ob der nicht gerade sorgfältigen Verfahren gegen Ray Rice und Josh Brown im Falle Elliotts ein Exempel statuieren wollen, kann mit einem lautstarken Disput zwischen Jones und Goodell durchaus gerechnet werden. Auch eine Klage gegen die NFL wäre seitens Jones nicht die erste.

Was bedeutet es für das Run Game der Cowboys?

Mit dem Rushing-Yards-Leader der vergangenen Saison verlieren die Cowboys voraussichtlich ihre stärkste Waffe für mehr als ein Drittel der Saison. Beflügelt von Elliott und Rookie of the Year Dak Prescott krönten sich die Boyz im letzten Jahr mit einer Bilanz von 13-3 zum NFC East Champion.

Hinter der auf zwei Stellen umgebauten, aber immer noch einer der stärksten Offensive-Lines in der Liga wiegt der Ausfall des laut ProFootballFocus zweitbesten Backs in der Liga zwar nicht ganz so schwer, dennoch hat sich die Abstinenz von Elliott bereits in der ersten Saison durchaus bemerkbar gemacht.

Stand Zeke 2016 nicht auf dem Feld, so vermisste Dallas 1,3 Yards pro Rush und 0,8 Yards pro Play. Ohne den Star-Back fiel auch die Quarterback-Accuracy von 72,6 auf 60,1 Prozent. Elliott teilte sich außerdem mit Buffalos LeSean McCoy die Krone für Big Plays auf der Running-Back-Position. 22 Runs für 15 oder mehr Yards waren Ligabestwert.

Erschwerend hinzu kommt der Spielplan, der es mit Dallas gerade zu Beginn der Saison nicht gerade gut gemeint hat. Ohne Elliott müssten die Boyz gegen vier der Top-Ten-Overall-Defenses der vergangenen Saison antreten. Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit Aaron Rodgers und den Green Bay Packers, die der Saison der Cowboys im Januar ein Ende gesetzt hatten.

Dallas' Gegner im Zeitraum der Elliott-Abstinenz:

WocheHeimteamAuswärtsteam
1Dallas CowboysNew York Giants
2Denver BroncosDallas Cowboys
3Arizona CardinalsDallas Cowboys
4Dallas CowboysLos Angeles Rams
5Dallas CowboysGreen Bay Packers
6BYEBYE
7San Francisco 49ersDallas Cowboys

Glück im Unglück, dass das Depth Chart auf der Running-Back-Position alles andere als dünn ist. Mit Darren McFadden, Alfred Morris und Ronnie Hillman erwartet gleich drei Backs vermehrt Spielzeit, die zwar kein Komplett-Paket a la Elliott mitbringen, aber bereits durchaus erfolgreich auf NFL-Rasen agiert haben.

McFadden beispielsweise lief vor Elliotts Ankunft hinter der starken Cowboys-Line 2015 für über 1000 Yards. Morris brach die 1000-Yard-Marke bereits dreimal im Jersey der Washington Redskins.

Bleibt noch ein Fakt zu beleuchten: Wird die Sperre gegen Elliott aufrecht erhalten, so ist er der erste amtierende Rushing-Champ seit Emmitt Smith 1993, der mehrere Spiele zum Saisonstart verpassen wird. Ohne Smith startete Dallas damals mit zwei Niederlagen, marschierte aber nach seiner Rückkehr bis in den Super Bowl und gewann diesen schließlich.

Was bedeutet es für Dak Prescott?

Zu behaupten, dass die Cowboys schlicht ob der Dominanz, die Ezekiel Elliott in der vergangenen Saison an den Tag gelegt hat, von einem 4-12 Team 2015 zu einem 13-3 Team 2016 geworden sind, ist sicher zu einfach. Schließlich stellt man mit Dak Prescott den aktuellen Rookie of the Year.

Allerdings hat Zeke das Leben von Dak sicherlich deutlich einfacher gemacht. Elliott hatte in der vergangenen Saison sieben 100-Yard-Spiele. In sechs davon brachte Prescott mindestens 66,7 Prozent seiner Pässe an den Mann, in vier von diesen sogar mindestens 71,9.

Ohne den Second-Year-Kumpel ist davon auszugehen, dass Prescott das Heft häufiger selbst in die Hand nehmen wird. Dies war in der letzten Saison nicht immer ein Erfolgsrezept. In Spielen, in denen Prescott über 35 Mal geworfen hat, fanden sich die Cowboys in der Endabrechnung im Schnitt mit einem Touchdown weniger wieder.

Prescott musste aufgrund seines kongenialen Partners hinter der Line nicht an die Grenzen gehen. Er konnte meist aus der Führungsposition heraus beobachten, was die gegnerische Defense angeboten hat und lenkte die Offense der Boyz mit beeindruckender Ruhe. Dabei agierte er nicht vorsichtig. Er agierte intelligent.

Nun also werden diese Grenzen unter der voraussichtlichen Abstinenz von Elliott getestet werden müssen. Prescott ist dabei keineswegs auf sich alleine gestellt, allerdings hat er diesmal auch nicht mehr die Möglichkeit, sich an der Seitenlinie Ratschläge von einem Veteranen einzuholen, der die Franchise in Passing Yards und Touchdowns anführt.

67,8 Prozent Completion-Percentage bei 23 Touchdowns und nur vier Interceptions sind die Basis, die sich Prescott nach Jahr eins für den weiteren Verlauf seiner Karriere gesetzt hat. Nun kann er wohl über sechs Spiele beweisen, dass er derartige Leistungen auch ohne einen Superstar-Running-Back abrufen kann.

Was bedeutet es für Elliott?

Die Sechs-Spiele-Suspendierung würde Ezekiel Elliott nicht nur von der sportlichen Seite hart treffen. Auch finanziell müsste der Rushing-Champ Einbußen hinnehmen. In Zahlen sind es 559.193 Dollar, die nicht auf das Festgeldkonto des 22-Jährigen flößen.

Sei ihm die saftige Bestrafung immer noch keine Lehre, so droht Elliott sogar noch ein weitaus härteres Strafmaß. In ihrem Schreiben an den Back, der nicht zum ersten Mal für negative Schlagzeilen neben dem Platz gesorgt hat, soll die Liga laut Ian Rapoport sogar mit einer Sperre auf unbestimmte Zeit gedroht haben.

Der Name Elliott wird schon seit Karrierebeginn nicht alleine mit den großartigen Leistungen auf dem Feld in Verbindung gebracht. Wie die Entscheidung nach dem zu erwartenden Widerspruch auch ausgehen mag, wird sich dies allzu schnell nicht mehr ändern.

"Ich bin eine Zielscheibe. Das habe ich nun realisiert", erklärte Elliott den Medien. Doch zeigt alleine die Sorge von Cowboys-Legenden wie Emmitt Smith, dass der sich selbst in Unschuld wähnende Elliott einen charakterlichen Wandel vollziehen muss.

"Er hat jetzt Zeit das Geschehene zu reflektieren und sich fundamentale Fragen über seine Zukunft zu stellen", so Smith. "Will ich eine lange Karriere in der NFL oder will ich nur für den Tag leben? Hier geht es um seine Zukunft!"

Selbstreflexion scheint in der Tat einer der angebrachtesten Ratschläge zu sein, die Elliott gerade wahrnehmen kann. Bis Ende Oktober werden die Cowboys den wahren Wert ihres Superstar-Running-Backs feststellen. Zeke kann bis dahin zumindest den wahren Wert feststellen, den der Sport in seinem Leben einnimmt.