Die erste große Welle der Free Agency ist vorbei. Auch wenn einige große Namen, allen voran Dont'a Hightower, sowie mehrere interessante Spieler - etwa Colin Kaepernick, Adrian Peterson, Jay Cutler oder Jamaal Charles - auf dem Markt bleiben, ist es Zeit, für ein erstes Zwischenfazit. Wer geht bislang als Sieger hervor, wer als Verlierer? SPOX liefert den Überblick.
Gewinner
Die Browns: Ob der Plan der im Vorjahr installierten neuen Browns-Führung funktioniert, wird sich zeigen müssen - ultimativ hängt bei dieser Strategie alles davon ab, dass Cleveland seine massive Draft-Pick-Munition auch in gute College-Spieler ummünzt. Doch die Vorgehensweise ist konsequent, in sich schlüssig, und mitunter auch kreativ. So etwa gesehen beim - für NFL-Verhältnisse - fast schon revolutionären Trade für Brock Osweiler.
Cleveland hat jetzt, wie schon im vergangenen Jahr, in den nächsten beiden Drafts eine absurde Menge an Picks, um einerseits viel junges Talent zu verpflichten, andererseits aber auch, um sich via Trades fast frei im Draft bewegen zu können. Gleichzeitig beinhaltet der Rebuild auch einen "Build", also einen Aufbau. Und den sieht Cleveland in der O-Line: Mit der Vertragsverlängerung von Joel Bitonio sowie den Neuzugängen J.C. Tretter und Kevin Zeitler sollte die Line auf vier von fünf Positionen bestens aufgestellt sein.
Ohnehin hatte Cleveland Probleme, sein Geld - die Browns gingen mit über 100 Millionen Dollar an Cap Space in die Free Agency - unter die Leute zu bringen. So nahm etwa Safety Tony Jefferson weniger Geld von den Ravens. Das rückt auch die Osweiler-Aktion ins rechte Licht, in dem Fall spielt das Geld für die Browns fast keine Rolle. Sein Geld in die Offensive Line als Rückgrat für das Team und Quarterback X zu stecken, ist da nicht die schlechteste Vorgehensweise.
Die Patriots: Ob es jetzt ein All-In-Ansatz, oder angesichts der Verträge (Stephon Gilmore ausgeschlossen) ein schlicht gutes Risk-Reward-Verhältnis ist, ist zum jetzigen Stand Interpretationssache. Klar ist: New Englands ungewöhnlich aggressive Free Agency bringt das Team in die frühe Pole Position, auch 2017 als absoluter Top-Favorit in die Saison zu gehen.
Für Gilmore hat New England zwar tief in die Tasche gegriffen, aber auch einen der beiden Top-Cornerbacks auf dem Markt verpflichtet. Sei es als Ersatz oder als Nebenmann für Malcolm Butler, für den die Pats in einem Trade Draft-Picks einsammeln könnten. Die nämlich sind vor allem in den frühen Runden aktuell eher rar in Foxborough.
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Stattdessen investierte New England Picks in Defensive End Kony Ealy (Panthers), Tight End Dwayne Allen (Colts) und vor allem Receiver Brandin Cooks. Drei Spieler mit viel Talent, aber auch klaren Limitierungen, insbesondere Ealy (Konstanz) und Allen (primär ein Blocker). Cooks dagegen sollte mit seiner Geschwindigkeit über die Mitte New Englands Offense eine neue Dimension geben. Alle drei haben eines gemeinsam: Sehr gute Verträge für 2017.
Fullbacks: Kyle Shanahan hat es in der vergangenen Saison vorgemacht: Der neue Head Coach der 49ers gab Fullback Patrick DiMarco in Atlantas hochklassiger Offense eine Rolle, setzte ihn als Blocker, aber auch ausgewählt im Passing Game ein. Und weil in der NFL erfolgreiche Schachzüge kopiert werden, reagierte der Free-Agency-Markt darauf eindrucksvoll.
Mit Mike Tolbert (von Carolina nach Buffalo), DiMarco (von Atlanta nach Buffalo) und Kyle Juszczyk (von Baltimore nach San Francisco) kamen gleich drei Fullbacks erstaunlich schnell vom Markt. Besonders bemerkenswert: Juszczyk unterschrieb bei Shanahans 49ers für vier Jahre und bis zu 21 Millionen Dollar. Derweil ist der Markt für Running Backs ein Ödland.
O-Liner: Timing ist oft alles, und für die diesjährige Offensive-Line-Klasse lässt sich diese Erkenntnis definitiv festhalten. Angesichts einer in der Spitze bestenfalls durchwachsenen Draft-Klasse auf den O-Line-Positionen sowie einem insgesamt dünnen Free-Agency-Markt hier, kassierten mehrere O-Liner richtig ab.
Konkret: Mit den Guards Kevin Zeitler (31,5 Mio. garantiert), T.J. Lang (19 Mio.), Ron Leary (18,6 Mio.) und Larry Warford (17 Mio.) sowie den Tackles Russell Okung (25 Mio.. garantiert), Matt Kalil (21 Mio.), Ricky Wagner (20,5 Mio.) und Andrew Whitworth (15 Mio.) sind in der Top-18 der diesjährigen Free-Agency-Verträge, was die garantierte Summe betrifft, acht O-Liner.
Davon mögen einige - Zeitler, Lang, Whitworth unter anderem - ihr Geld wert sein. Doch vor allem die Deals von Kalil und Okung kamen angesichts ihrer Leistungen in den vergangenen Jahren mehr als überraschend.
Carson Wentz: Die Eagles hatten in der vergangenen Saison Drop-Probleme. Große Drop-Probleme. Wentz baute im Laufe seiner Rookie-Saison auch selbst deutlich ab, Gegner stellten sich besser auf die eher simple Offense ein. Doch die ersten Weichen für seine Weiterentwicklung 2017 sind gestellt: Mit Torrey Smith als Speedster und Alshon Jeffery als Catch-Point-Receiver kann Jordan Matthews den Slot übernehmen. Ergänzt durch Tight End Zach Ertz und Allzweckwaffe Darren Sproles hat Wentz jetzt ein grundsolides Receiving-Corps.
Tampa Bay: Die beiden Top-Verpflichtungen der Bucs sollen Tampa in der kommenden Saison endlich in die Playoffs führen: Mit DeSean Jackson kam endlich der Speed-Receiver, der Mike Evans ergänzen soll, darüber hinaus holten die Bucs Chris Baker, Washingtons besten D-Liner in der vergangenen Saison. Nummer drei im Bunde ist Safety J.J. Wilcox (Ex-Cowboys), Tampa hat sich sinnvoll verstärkt und dabei keine Leistungsträger verloren. Bleibt noch die Frage: Was passiert auf der Running-Back-Position?
Jacksonville: Die Jaguars sind einer der Gewinner der Free Agency - wieder einmal. Reicht es in diesem Jahr endlich, um das auch in Ergebnisse umzumünzen? Klar ist: Die Defense, die schon gegen Ende der Vorsaison merklich besser aussah, hat mit Cornerback A.J. Bouye, Defensive End Calais Campbell und Safety Barry Church nochmals drei deutliche Upgrades bekommen.
Campbell, der letztjährige Free-Agency-Star Malik Jackson und Dante Fowler sollten an der D-Line Offenses große Probleme bereiten, Bouye mit Jalen Ramsey eines der besten Cornerback-Duos der Liga bilden. Dazu kommen Spieler wie Telvin Smith und Myles Jack: Die Jaguars haben auf dem Papier eine sensationelle Defense zusammengestellt. Gleichzeitig bleibt dabei aber stets die Frage, zu was das reicht, so lange Blake Bortles das Ruder nicht tatsächlich komplett herumreißt.
Mike Glennon: Über Jahre war Mike Glennon der alljährliche Quarterback-Trade-Kandidat. Jedes Team, das Anfang März einen Quarterback brauchte, wurde früher oder später mit Glennon in Verbindung gebracht. Letztlich blieb es jedoch stets bei den Gerüchten. Bis zu diesem Jahr und dem Ende von Glennons Rookie-Vertrag. Der komplette QB-Umbruch bei den Bears (Jay Cutler, Brian Hoyer und Matt Barkley sind weg) macht es möglich, Glennon bekommt endlich die zweite Chance, sich als Starter zu beweisen. Und falls es nicht klappt, wird er mit 18,5 Millionen Dollar garantiert entschädigt.
Verlierer
Washington: Den Geschäftsführer pünktlich zum Start der Free Agency feuern? Eher kein Modell für die Zukunft. Gepaart mit dem bereits vorher feststehenden Abgang von Offensive Coordinator Sean McVay, den Abgängen der Receiver DeSean Jackson und Pierre Garcon sowie des besten D-Liners Chris Baker und der Tatsache, dass die Redskins Defensive Coordinator Joe Barry Anfang Januar entließen, nur um keinen ihrer Wunschkandidaten zu bekommen und schließlich OLB-Coach Greg Manusky beförderten, zeichnet vor allem ein Bild: Eine Franchise im Chaos.
Und dabei ist noch gar nicht erwähnt, dass rund um Ex-Geschäftsführer Scott McCloughan ein Machtkampf in Form einer Schlammschlacht entbrannt war, mit öffentlichen Anspielungen auf das aus früheren Zeiten bekannte Alkoholproblem von McCloughan. Im Zuge dessen sollen von Team-Verantwortlichen gar schlicht Lügen verbreitet worden sein.
Dazu kommt die Situation rund um Kirk Cousins. Der erhielt zum zweiten Mal in Folge den Franchise Tag und hat den auch schon unterschrieben, die Gerüchte über einen Wechsel des Quarterbacks nach San Francisco spätestens 2018 halten sich jedoch unbeirrt davon. Mehr noch: Laut CSN Mid-Atlantic schließt Cousins einen neuen langfristigen Vertrag in der Hauptstadt kategorisch aus, solange Bruce Allen der Team-Präsident ist. Mehrere Spieler sollen intern über Allens Umgang mit McCloughan alles andere als einverstanden sein.
Tony Romo: Noch rund 24 Stunden vor dem Start der Free Agency schien die Lage klar: Dallas würde Romo entlassen, ehe der Free-Agent-Markt eröffnet ist und es dem verdienten Quarterback so ermöglichen, einen Deal zu unterschreiben, ehe die Flut an neuen Spielern kommt. So weit die Theorie.
In der Praxis sah das ganz anders aus: Romo wurde bis heute nicht entlassen, allem Anschein nach versucht Cowboys-Besitzer Jerry Jones krampfhaft, irgendwie noch einen Trade einzufädeln. Was genau dahinter steht, ist unklar - Gerüchten zufolge will Jones womöglich nicht, dass Romo beim Texas-Rivalen unterschreibt und im extremsten Fall mit Houston, statt mit Dallas, den Super Bowl gewinnt. Dann wäre wohl Denver die erste Alternative.
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Wie es auch kommt, Romo hat in jedem Fall schon jetzt jede Menge Zeit verloren. Teams haben bereits viel Geld ausgegeben und die Planungen schreiten voran. NFL-Network-Insider Ian Rapoport vermeldete zuletzt, dass sich die Romo-Saga gar bis zum Draft hinziehen könnte. Für den 36-Jährigen wäre das wohl das Worst-Case-Szenario.
Green Bay: Zugegeben: Die Verpflichtung von Martellus Bennett gestaltet die Free Agency aus Sicht der Packers fraglos positiver und ist mehr als nur eine Kompensation für den Abgang von Jared Cook, der sich ganz offensichtlich verzockt hat. Green Bay ist schon traditionell eines der passivsten Teams auf dem Free-Agent-Markt, insofern lenkte Bennett jede Menge Aufmerksamkeit auf sich.
Doch haben die Packers anderswo empfindlich Federn gelassen: Mit T.J. Lang und J.C. Tretter gingen, nach Josh Sitton im Vorjahr, zwei weitere Starter aus der Offensive Line, die in Aaron Rodgers' Spielstil eine enorm hohe Bedeutung hat.
Dazu ließ Green Bay Safety Micah Hyde ziehen, die ohnehin schwache Secondary ist durch den Abgang der DB-Allzweckwaffe eine noch größere Baustelle, trotz der Verpflichtung von Davon House. Pass-Rusher Julius Peppers (zurück nach Carolina) hinterlässt nicht nur eine Leadership-Lücke, sondern auch eine wichtige Rolle in der Pass-Rush-Rotation und der Abgang von Eddie Lacy macht zudem einen neuen Running Back notwendig.
Adrian Peterson: Die Gerüchteküche rund um Adrian Peterson brodelte vor dem Start der Free Agency. Zu hören waren (aus dem eigenen Lager verbreitete) Berichte über mögliche Wechsel zu den Patriots, den Raiders, oder den Seahawks. Herausgekommen ist bislang nicht mehr als ein zunächst ergebnisloser Besuch in Seattle. Petersons vermutete Gehaltsforderungen passen wohl schlicht nicht zu der 2-Down-Rolle, in der ihn Teams in der heutigen NFL noch sehen.
Gleichzeitig sei erwähnt: Peterson steht stellvertretend für alle Running Backs. Ob Jamaal Charles oder LeGarrette Blount - bestenfalls Team-Besuche wurden bisher vermeldet, die Ausnahme bildet seit Dienstag Eddie Lacy. Es bleibt, sofern man nicht über eine Rolle wie etwa Le'Veon Bell in Pittsburgh verfügt, sehr schwierig, für Running Backs auf dem Markt abzuräumen. Das gilt umso mehr, wenn der Draft auf dieser Position so stark ist wie in diesem Jahr.
Arizona: Es war zwar schon im Vorfeld klar, dass Arizona nicht alle seine Defensiv-Free-Agents halten können würde - dieser Aderlass allerdings ist extrem: Mit Calais Campbell (Jaguars, 4 Jahre, bis zu 60 Millionen Dollar), Tony Jefferson (Baltimore, 4 Jahre/34 Mio.), Marcus Cooper (Chicago, 3 Jahre/16 Millionen Dollar) und D.J. Swearinger (Washington, 3 Jahre/13,5 Millionen Dollar) haben vier Defense-Starter die Cardinals verlassen, ein fünfter könnte in Free-Agent-Linebacker Kevin Minter folgen, mit OLB Alex Okafor ging außerdem ein Rotationsspieler. Das bringt zwar Compensatory-Draft-Picks, doch hat Arizona sein Contender-Fenster bereits wieder verpasst?
Cincinnati: Über Jahre galt das Bengals-Team als das talentierteste in der NFL, mit einem quälenden Quarterback-Fragezeichen. Die Realität für 2017 lautet: Für Andy Dalton wird es mehr als schwierig. Nachdem im letzten Jahr unter anderem die Receiver Mohamed Sanu und Marvin Jones Cincinnati verließen, verabschiedeten sich jetzt mit Kevin Zeitler und Andrew Whitworth die beiden besten O-Liner der Vorsaison. Wie auch Arizona scheinen sich die Bengals vom Contender-Status erst einmal zu verabschieden.
Brock Osweiler: Was für ein Absturz! Vor einem Jahr war Osweiler noch der Retter der Houston Texans, jetzt bezahlte das Team einen Zweitrunden-Pick, um das Quarterback-Missverständnis inklusive Vertrag loszuwerden. Vorerst ist Osweiler ein Cleveland Brown, das Vergnügen aber dürfte von kurzer Zeit sein: Es wird spekuliert, dass die Browns Osweiler entlassen, sollten sie ihn nicht weiter traden können. Anschließend winkt mutmaßlich ein Einjahresvertrag mit Backup-Rolle.