Moritz Böhringer hat sich innerhalb weniger Wochen in der NFL einen Namen gemacht: Der deutsche Receiver ist auf dem besten Wege, Ende April gedraftet zu werden - dabei bleibt er aber dennoch bescheiden. SPOX-Reporter Daniel Herzog begleitete Böhringer in Florida. Im Interview berichtet der 22-Jährige von seinen ersten Football-Schritten, dem aktuellen Hype, Combine-Gesprächen - und erklärt seinen verrückten Weg in Richtung NFL.
SPOX: Moritz, die ganze NFL-Welt spricht gerade über Sie. Die Artikel laufen bei NFL.com rauf und runter, Deutschlands Medien drehen völlig durch. Begreifen Sie eigentlich schon, was da gerade alles passiert?
Moritz Böhringer: Ich begreife es schon, ja - aber das alles ist nicht so meine Welt. Ich bin eher ein ruhiger Familienmensch. Ich brauche den ganzen Trubel drum herum nicht. Klar macht es auch Spaß, aber mir sind andere Dinge wichtiger.
SPOX: Andere Dinge - wie zum Beispiel Football spielen. Allerdings sind Sie da ja noch gar nicht so lange dabei, erst seit etwa vier Jahren. Wie kamen Sie denn dazu, und wie haben Sie sich angestellt?
Böhringer: Tatsächlich kam ich durch ein YouTube-Video dazu. Ich bin dann mit zwei Kumpels in meiner Heimatstadt Aalen ins Training gegangen, allerdings bekamen wir da nicht genügend Leute für eine komplette Mannschaft zusammen - also erst mal viel Training. Dann sind wir in die Nachbarstadt Crailsheim gegangen, da habe ich die meiste Zeit gespielt. Und im vergangenen Jahr schließlich für Schwäbisch Hall.
Pro Day: Moritz Böhringer lässt es krachen!
SPOX: Über YouTube zum Football - waren Sie dann eigentlich auch gleich ein richtiger NFL-Fan?
Böhringer: Nicht sofort, nein. Das hat sich erst über die letzten zwei, drei Jahre entwickelt. Dann habe ich begonnen, die NFL intensiver zu verfolgen. Ich habe jetzt nicht jedes Spiel gesehen, hatte aber schon ein echtes Highlight: Beim Saisonauftakt der Cowboys gegen die Giants war ich letztes Jahr im Stadion.
SPOX: Und hat sich über die drei Jahre auch ein Lieblingsteam heraus kristallisiert?
Böhringer: Ja! Mein Lieblingsteam sind die Minnesota Vikings, wegen Adrian Peterson. Ich mag die Art und Weise wie er spielt einfach, genau wie seine Physis. Aber wo ich selbst letztlich spiele, das ist mir im Voraus relativ egal.
SPOX: Hat auf dem Feld alles gleich von Anfang an gut geklappt? Also quasi Liebe auf den ersten Blick?
Böhringer: Körperlich war ich noch nicht wirklich in der Verfassung. Ich war ein bisschen... dünn. (lacht) Davor habe ich vor allem Fußball gespielt, etwa sieben Jahre lang.
SPOX: Hilft der Fußball beim American Football?
Böhringer: Am ehesten noch beim Ballgefühl, aber ansonsten sind es schon sehr unterschiedliche Sportarten.
SPOX: Sieben Jahre Fußball, vier Jahre Football - und dann plötzlich entdeckt. Wie kam's dazu?
Böhringer: Vor etwa fünf Wochen wurde ich auf Facebook von Coach Aden Durde angeschrieben. Zuerst habe ich das überhaupt nicht ernst genommen. Aber dann hat mich auch Anthony [Dable, hat bereits bei den New York Giants unterschrieben, d. Red.] angeschrieben und dann habe ich meine Handynummer raus gegeben. Noch am selben Abend wurde ich angerufen und eine Woche später war ich in Florida.
SPOX: Stimmt es, dass Sie vorher bereits Videos an Colleges geschickt hatten?
Böhringer: Das stimmt. Ich habe mein Highlight-Video genommen, das mit etwas Text versehen und verschickt. Allerdings habe ich keine Antworten bekommen - warum, weiß ich selbst nicht.
SPOX: Auf jeden Fall eine wirklich verrückte Geschichte. Was ging Ihnen denn im Flieger hierher durch den Kopf?
Böhringer: Ich hab zunächst einmal gehofft, dass mich überhaupt irgendwer am Flughafen abholt. (lacht) Ich wusste ja, dass ich vor allem trainieren würde und dass Anthony auch hier ist. Dass ich aber so lange hier bleiben würde, habe ich erst einmal nicht erwartet. Es ging ja jetzt doch alles relativ schnell.
SPOX: Und dann war gleich von Anfang an Training angesagt.
Böhringer: Genau. Wir haben viel gearbeitet, auch beispielsweise die Combine-Drills und Speed-Training gemacht. Die Sprünge haben wir allerdings nicht gezielt geübt. Am Nachmittag trainierte ich dann mit den anderen Coaches Football-spezifisch.
SPOX: Die Zahlen bei den Combine-Übungen waren ja sensationell. Haben Sie bereits währenddessen gemerkt, dass es nicht so schlecht läuft?
Böhringer: Nein, ich habe einfach das gemacht, was ich kann, und eine Disziplin nach der anderen abgehakt.
SPOX: Osi Umenyiora, zweifacher Titelträger mit den New York Giants, war auch dabei und hat Sie extrem gelobt. Wie fühlt sich so etwas aus dem Munde eines Super-Bowl-Champions an?
Böhringer: Sehr schön, keine Frage - vor allem weil er eben auch etwas zu sagen hat.
SPOX: Neben den sportlichen Aspekten gehören bei einem Pro Day aber bekanntermaßen auch die Fragen der Scouts dazu...
Böhringer: ...da ging es generell um meinen Hintergrund, um meine Familie, solche Dinge. Und natürlich gab's auch einige Football-Fragen. Der Scout der Cleveland Browns hat mich außerdem gefragt, welches mein Lieblingsteam ist. Ich habe ihm geantwortet, dass es für ihn die Browns sind. (lacht)
SPOX: Und jetzt liegen die Visitenkarten aller Teams auf dem Tisch?
Böhringer: Das heißt noch nichts, denn es sind eben nur Visitenkarten. Jedoch zeigt es natürlich auch, dass sie meine Arbeit wertschätzen.
SPOX: Gleichzeitig werden aus Visitenkarten aber auch gerne Meetings. Zwei hatten Sie jetzt bereits, mit den Vikings und den Chiefs. Wie kann man sich so ein Treffen vorstellen?
Böhringer: Das war eigentlich alles sehr entspannt, wir haben einfach ein bisschen geredet. Vor allem über Football. Aber die wollen so ziemlich alles von dir wissen, ganz klar. Ich musste auch einige Fragebögen ausfüllen.
SPOX: Als nächstes steht der Draft auf dem Programm - wann haben Sie entschieden, sich anzumelden?
Böhringer: Entschieden habe ich mich eigentlich schon nach der ersten Woche hier in Florida. Ich will es einfach mal ausprobieren, vielleicht klappt es ja! Wenn ein Team dich mag, dann draftet es dich vielleicht auch. Aber man kann sich nie komplett sicher sein, dass man gedraftet wird. Es kann durchaus auch passieren, dass ich anschließend als Free Agent irgendwo unterschreibe.
SPOX: Wie sähe denn die perfekte Draft Night aus?
Böhringer: Da bin ich nicht sehr wählerisch. In welcher Runde ich gedraftet werde ist mir völlig egal. Meine Familie hätte ich dann aber schon gerne um mich herum. Vorher aber treffe ich mich jetzt noch mit einigen Teams und habe noch ein Workout für die Coaches. Dann gehe ich wahrscheinlich für ein oder zwei Tage nach Deutschland zurück. Ansonsten wird jetzt vor allem trainiert.
SPOX: Ganz nebenbei sind hier ja auch einige NFL-Receiver, die sich ebenfalls fit halten. Konnten die Ihnen bereits Tipps geben?
Böhringer: Ja, absolut. Mit Pierre Garcon habe ich beispielsweise Release-Drills gemacht, um da aggressiver zu sein und schneller mit den Armen arbeiten zu können. Aber ich weiß, dass ich mich noch überall verbessern muss - man kann sich immer verbessern! Ganz besonders beim Blocking ist das bei mir der Fall, das habe ich in der GFL nur selten gemacht.
SPOX: Stichwort GFL: Was kann man denn aus der deutschen Football Liga vielleicht für die NFL mitnehmen? Was habt ihr in der GFL für eine Offense gespielt?
Böhringer: Relativ viel Spread, also mit vier Receivern gleichzeitig auf dem Platz. Das auf die NFL zu übertragen ist allerdings schwer, denn bei uns in der GFL war der Quarterback kaum einmal Under Center, statt in der Shotgun. Das ist in der NFL definitiv anders. Aber die Routes sind natürlich ähnlich - und es ist und bleibt Football.
SPOX: Football nimmt als zukünftiger Job jetzt natürlich einen immer größeren Platz in Ihrem Leben ein. Bleibt da eigentlich noch Platz für andere Hobbys?
Böhringer: Früher habe ich noch Schlagzeug gespielt, inzwischen aber aufgehört. Generell kann man schon sagen, dass sich bei mir vieles um Sport dreht. Ich spiele etwa auch gerne Basketball und gehe gerne mit Freunden trainieren.
SPOX: In Florida wohnen Sie unter anderem mit Anthony Dable zusammen. Wie würden Sie den ehemaligen GFL-Kollegen beschreiben?
Böhringer: Anthony und ich sind schon ziemlich unterschiedlich. (lacht) Anthony redet gerne und ist sehr aktiv. Aber in der Haus-internen FIFA-Rangliste stehe ich oben! Am liebsten mit dem FC Everton - wegen Romelu Lukaku, meinem Lieblings-Fußballer.
SPOX: Ansonsten ist hier auch Aden Durde, der Coach, der Sie entdeckt hat. Wie würden Sie das Verhältnis beschreiben?
Böhringer: Er ist ein bisschen Mädchen für alles. Aden kümmert sich die ganze Zeit um uns und in letzter Zeit auch relativ viel um mich. Er ist hier auf jeden Fall die wichtigste Ansprechperson für mich.
SPOX: Das hat das Einleben in den USA sicher erleichtert. Wie gefällt es Ihnen nach jetzt fünf Wochen? Gibt es etwas, das Sie an Deutschland schon besonders vermissen?
Böhringer: Ich vermisse natürlich meine Familie, das ist ja klar. Wir telefonieren ab und zu, ansonsten wird eben per WhatsApp kommuniziert. Aber natürlich ist meine Familie auch stolz auf mich und überrascht darüber, dass sich das alles so krass entwickelt hat. Und ab und zu fehlt mir auch das Fahrradfahren, hier fährt man ja eigentlich überall mit dem Auto hin. Aber sonst ist schon alles in Ordnung.
SPOX: In Deutschland gibt es derweil jetzt schon leise Vergleiche mit Dirk Nowitzki, weil auch Sie ein eher ruhiger Typ sind und ebenfalls nie College gespielt haben.
Böhringer: Das ist natürlich eine große Ehre, Nowitzki ist das deutsche Basketball-Idol schlechthin. So weit bin ich noch lange nicht. Aber man weiß ja nie...