Die Personalie Jameis Winston ist nach der Drei-Spiele-Suspendierung wegen eines Belästigungs-Vorfalls gegenüber einer Uber-Fahrerin vor zwei Jahren weiter stark umstritten. Einige Stimmen legen den Tampa Bay Buccaneers sogar nahe, sich von ihrem auserkorenen Franchise-Quarterback zu trennen. Eine Idee, von der die Bucs vorerst Abstand halten sollten.
Als wären die Fragezeichen, die Jameis Winstons Spiel begleiten, nicht schon groß genug. Nun wird Tampas Quarterback für die ersten drei Spiele seiner vierten Saison in der NFL auch noch gesperrt. Und das nicht aufgrund eines Vergehens mit ausschließlich sportlich relevanten Auswirkungen, sondern wegen der Belästigung einer Uber-Fahrerin.
Winston, dessen Sperre ihn zugleich 124.000 Dollar seines Basis-Gehalts kosten, ist in Sachen fragwürdiges Verhalten neben dem Football-Feld kein unbeschriebenes Blatt. Schon während seiner College-Zeit bei Florida State wurde der heute 24-Jährige wegen eines sexuellen Übergriffs angezeigt, wurde jedoch in Ermanglung an Beweisen nie strafrechtlich angeklagt. Die Klägerin verklagte ihn schließlich zivilrechtlich, man einigte sich aber schließlich außergerichtlich.
Der Uber-Vorfall von vor zwei Jahren könnte den letzten Warnschuss für eine Karriere bedeuten, die mit vielen Lorbeeren begann, einigen davon gerecht wurde, aber auch vielerlei Kritikpunkte beinhaltete, deren Verbesserung der junge Quarterback bis heute schuldig geblieben ist. Die Franchise von der West-Küste Floridas stand schon vor der Bestätigung der Sperre vor einer für viele der Verantwortlichen schwierigen Saison, die Causa Winston hätte man sich sicherlich gerne erspart.
Der ehemalige Heisman-Trophy-Gewinner und First-Overall-Pick des 2015er-Draft-Jahrgangs ist einerseits auf dem Weg, der beste Quarterback der Franchise aller Zeiten zu werden. Doch andererseits muss er dennoch um einen zweiten Vertrag im Piraten-Land bangen.
Tampa Bay Buccaneers: Der Druck ist schon vor der Saison da
Für nicht wenige war es eine Überraschung, dass Head Coach Dirk Koetter nach einer maßlos enttäuschenden Saison seinen Job auch für die kommende Saison (5-11) behalten durfte. Noch überraschender war es, dass das Team, welches mit eindeutigen Playoff-Aspiranzen ins Jahr 2017 gegangen war, an Defensive Coordinator Mike Smith festgehalten hatte, obwohl es in mehreren der relevantesten Statistiken (Team DVOA, Gegnerische Yards, Gegn. Yards pro Play, Sacks, Sack Rate, Pressure Rate, Tackles for Loss, Third-Down-Stop-Rate) abgeschlagen als Letzter abgeschnitten hatte.
Und selbst Geschäftsführer Jason Licht, der das Amt 2014 übernahm und dementsprechend für einen Großteil des Kaders der weiterhin nach seiner ersten Playoff-Teilnahme seit zehn Jahren lechzenden Franchise verantwortlich ist, ist im Auge der Kritik und von Rauswurf-Gerüchten verfolgt. Für so viele steht in der kommenden Spielzeit der Job auf dem Spiel.
Doch auch die Rahmenbedingungen sind in einer der schwierigsten Divisions der Liga nicht gerade erfolgsversprechend. Die anderen drei Teams der NFC South schafften in der abgelaufenen Spielzeit allesamt den Sprung in die Playoffs und machen nicht den Anschein, sich verschlechtert zu haben.
NFL: Tampa Bays Neuzugänge - Lösen sie die Probleme?
Tampa seinerseits adressierte in erster Linie seine größten Baustellen - und davon gab es viele. Eine generalüberholte Defensive Line sollte dank der Verpflichtungen von Jason Pierre-Paul, Vinny Curry, Mitch Unrein, Beau Allen und First-Round-Pick Vita Vea endlich Druck auf Quarterbacks ausüben. Zwei Zweitrunden-Picks investierte das Team im Draft für die Cornerbacks M.J. Stewart und Carlton Davis.
Auf der offensiven Seite wurde die Line durch Ryan Jensen aufgewertet, der 2017 alle 16 Spiele als Center der Ravens startete. Das nahezu inexistente Running Game soll dagegen durch den Speed des ebenfalls in der zweiten Runde gezogenen Ronald Jones in frischem Glanz erstrahlen.
Die offensive Seite der Bucs abgesehen von Problemen in der Red Zone zwar die weitaus verlässlichere, doch trügen gute Statistiken teilweise über den Wahrheitsgehalt des Bildes. Meist aus großen Rückständen heraus setzte die Bucs-Offense in der zweiten Halbzeit zu Comebacks an. Große Raumgewinne wurden gegen Prevent-Defenses erzielt, deren Priorität es war, Zeit von der Uhr laufen zu lassen.
Grundsätzlich basiert die Offense viel zu stark auf dem physischen Vorteil, den sich Tampa durch Wideout Mike Evans und Tight End Cameron Brate erhofft. Die Route-Konzepte erschienen viel zu einfältig. Underneath-Routes hatten Seltenheitswert. Nur Houstons Deshaun Watson hatte mehr Intended Air Yards pro Passversuch als Starting-Quarterback als Winston. Zudem schaffte es Tampa Bay zu keiner Zeit, Neuzugang DeSean Jackson in ihr Spiel einzubinden.
Jameis Winston: Verkörperung der Gunslinger-Mentalität
Winston pendelt unter diesen Voraussetzungen seit Beginn seiner NFL-Karriere zwischen Genie und Wahnsinn. Er passierte die 4000-Yard-Marke in seinen ersten beiden Saisons und hätte dies wohl auch in der vergangenen geschafft, hätte ihn eine Schulter-Verletzung nicht bei drei Spielen auf die Seitenlinie beordert.
Doch leidet das Spiel des 24-Jährigen auch immer wieder an folgenschweren Fehlentscheidungen, die er in seiner Passauswahl trifft. Jameis ignoriert auch einmal eine Double-Coverage, wenn er seinen Lieblings-Receiver auserkoren hat. Außerdem zwingt ihn das Scheme den Ball lange in der Hand zu halten. Fumbles sind ein ähnlich großes Problem wie die vielen Interceptions, die die Bucs bereits mehrere Spiele gekostet haben.
In drei Jahren in der NFL sind die 44 Picks Winstons eine dunkle Kehrseite neben den 69 Touchdowns, die er geworfen hat. Die Frage, ob die Fehler, die Winstons Gunslinger-Mentalität mit sich bringt, nicht zu viel sind, um einem Franchise-Quarterback-Status gerecht zu werden, sind auch nach drei Jahren allgegenwärtig.
Keinen seiner Fehler allerdings könnte er teurer bezahlen, als den, den er vor zwei Jahren abseits des Platzes an einem Abend in Arizona begangen hatte.
Buccaneers: Ist Winstons Vertrauensbündnis zur Franchise gebrochen?
Einerseits belastet Winston die Franchise durch die Strafe sportlich, andererseits in ihrem öffentlichen Ansehen. Sein Statement, dass die Fahrerin ihm "fälschlicherweise unangebrachtes Verhalten" vorwerfe, macht nun den Anschein einer Lüge, nachdem er nach dem Urteil der NFL nicht in Berufung gegangen ist.
Hat Winston hinsichtlich des Vorfalls auch die Franchise angelogen, so würde dies einen Riss in der Vertrauensbasis der beiden Parteien bedeuten, der wohl vorerst geschlossen werden könnte, aber gleichzeitig eine große Narbe hinterlassen würde. Winston bestätigt mit dem Vergehen außerdem die Zweifler, die ihn bereits beim Draft in Frage stellten. Zu Recht?
Jameis steht nun vor seiner letzten Chance. Ein weiterer Vorfall dieser Art würde eine einjährige Suspendierung oder gar eine lebenslange Sperre der NFL nach sich ziehen. Die Bucs werden sich dementsprechend genauestens überlegen, ob sie Winston ein Angebot für einen neuen Vertrag machen und wenn, in welcher Höhe.
Jameis Winston in schwieriger Verhandlungsposition
Winston geht in das finale Jahr seines Rookie-Vertrages. Die Drei-Spiele-Sperre kostet ihn 125.000 Dollar des Basis-Gehaltes. Vor der Saison haben die Bucs die Option für das fünfte Vertragsjahr eines Erstrundenpicks gezogen. Dadurch stehen ihm 2019 21 Millionen Dollar zu, falls Geschäftsführer Licht an ihm festhält.
Ein teures Unterfangen, welches ein zu großes Risiko bedeuten könnte. Über die Möglichkeit eines Trades für Jets-Quarterback Teddy Bridgewater wird bereits genauso spekuliert wie über den Draft eines neuen Quarterbacks. Seit Winstons Ankunft 2015 haben die Bucs keinen mehr im Draft ausgewählt. Dies wird sich im nächsten April aller Voraussicht nach ändern, denn die Bucs brauchen einen Plan B.
Ryan Fitzpatrick übernimmt erste drei Spiele
Vorübergehend lautet dieser Plan B Ryan Fitzpatrick. Der Veteran wurde für ein weiteres Jahr gehalten und bietet neben der angenehmen Erfahrung von 13 Jahren in der Liga auch den Vorteil, dass die Bucs nicht allzu viel an ihrem Scheme ändern müssen. Fitzpatrick kam in der letzten Saison nicht nur auf fünf Einsätze, drei davon als Starter, er steuerte das Piratenschiff auch gleich zu zwei Siegen.
Bei über 300 Snaps warf der 35-Jährige für 1103 Yards, 7 Touchdowns und 3 Interceptions. Er brachte 58 Prozent seiner Pässe an den Mann und stellte mehrmals unter Beweis, dass er den Ball dorthin werfen kann, wo er hin muss.
Für Fitzpatrick kommt es nun in den drei Starts knüppeldick - mit den New Orleans Saints, den Philadelphia Eagles und den Pittsburgh Steelers stehen gleich drei Playoff-Teams der letzten Saison auf der Matte - doch kann er den Bucs zumindest ein solides Spiel bieten, wie er letztes Jahr unter Beweis stellte. Streikt allerdings das Run Game und Fitzpatrick wird dazu gezwungen zu improvisieren, könnte der Auftakt genauso gut in einem Debakel enden.
Jameis Winston bleibt Tampa Bays Zukunft
Und genau dieser Punkt ist der ausschlaggebende, warum sich die Bucs am Ende des Tages nicht von Winston trennen werden - oder zumindest sollten. Jameis hat nicht nur das Potenzial in diesen Spielen ordentlich mit starken Gegnern mitzuhalten. Er bietet der Franchise die beste Chance, diese Spiele gewinnen zu können.
In der vergangenen Saison legte er einen Karriere-Bestwert von 63,8 Prozent angekommener Pässe auf und rückte damit näher in die Richtung Franchise-Quarterback, in der ihn die Bucs sehen wollen. Er warf 2017 19 Touchdowns und 11 Interceptions obwohl er größtenteils mit einer Schulterverletzung spielte. Winston verfügt physisch und technisch über nahezu alles, was NFL-Teams von einem Franchise-Quarterback verlangen.
Es geht um Konstanz und Reife, an der Winston arbeiten muss. Der 24-Jährige trennte sich nach der Bekanntgabe der Strafe von seinen Agenten und ist jüngst Vater seines ersten Kindes geworden. Dinge, die schon anderen Spielern zu einer Kehrtwende verholfen haben.
Erfolgt diese, könnte der Fehltritt von vor zwei Jahren in Vergessenheit geraten. Die Liga und ihre Fans vergessen solche ohnehin gerne einmal, wenn es um ihre Superstars geht. Jameis wird mit dem Spiel in Week 4 gegen die Bears seine vielleicht letzte, aber zumindest eine weitere Chance erhalten, um zu beweisen, dass er der Franchise-Quarterback der Buccaneers ist.
Jameis Winston bekommt die Chance zu beweisen, dass es sich lohnt, an der Beziehung zwischen Franchise und Quarterback festzuhalten. Und das in guten wie in schlechten Zeiten.