Warum jetzt? Warum so günstig?

Von Adrian Franke
31. Oktober 201710:40
Jimmy Garoppolo wechselt von den New England Patriots zu den San Francisco 49ersgetty
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Die NFL hat endlich mal wieder einen Schocker zur Trade-Deadline! Jimmy Garoppolo verlässt die New England Patriots und wechselt zu den San Francisco 49ers. Es ist ein Trade, der die komplette Liga verändern könnte - was aber genau bedeutet er für beide Teams? Was heißt es für Tom Brady? Und warum war Jimmy G. so günstig? SPOX blickt auf die wichtigsten Fragen.

1. Was ist passiert?

Es war der Kracher am Montagabend, der dem Sieg der Chiefs über die Broncos mal eben die Show stahl: Die San Francisco 49ers holen wenige Stunden vor der Trade-Deadline Quarterback Jimmy Garoppolo von den Patriots und schütteln somit den Quarterback-Markt 2018 schon im Vorhinein kräftig durch.

Besonders überraschend dabei? Der günstige Preis. San Francisco bezahlt übereinstimmenden Berichten zufolge "nur" einen Zweitrunden-Pick für Garoppolo, nachdem vor einigen Monaten noch ganz andere Preise genannt wurden. Gleichzeitig teilten die 49ers mit, dass Quarterback Brian Hoyer entlassen wurde. Hoyer hatte seinen Startplatz nach ganz schwachen Auftritten zuletzt bereits an Rookie C.J. Beathard verloren.

Allerdings bedeutet das nicht, dass Garoppolo in San Francisco zwangsläufig sofort in die Startformation rückt. Die Niners haben riesige Probleme in der Pass-Protection, Beathard steckte in den vergangenen Wochen viele heftige Hits ein. Gut denkbar ist ein Szenario, in dem Niners-Coach Kyle Shanahan Garoppolo einige Wochen reinkommen und das System lernen lässt.

Gleichzeitig aber wird San Francisco den Ex-Patriots-Quarterback früher oder später reinwerfen und mit eigenen Augen sehen wollen, was Garoppolo in Shanahans System zeigt. Immerhin läuft sein Vertrag nach der Saison aus und die 49ers müssen dann eine Entscheidung darüber treffen, ob und zu welchen Bedingungen sie Garoppolo halten wollen.

2. Warum war der Preis so niedrig?

Letztlich geht der geringe Preis auf zwei Dinge zurück: Tom Brady und Garoppolos kleine Sample Size. Garoppolo ist in seiner vierten NFL-Saison und hat zwei Starts auf dem Konto, was es extrem schwierig macht, den 25-Jährigen wirklich zu bewerten. Sicher, die Ansätze waren extrem vielversprechend (dazu bei Frage 3 mehr) und nicht umsonst brodelte die Gerüchteküche im Frühjahr. Vor allem die Cleveland Browns galten als heißer Interessent.

Es gibt Gerüchte, wonach Belichick den Browns aufgrund von alten Wunden - Belichick wurde im Februar 1996 von der Franchise im Zuge des Umzugs nach Baltimore entlassen, obwohl ihm eigentlich der Verbleib zugesagt worden war - auf der Quarterback-Position nicht helfen wollte. Auch dürfte New Englands Mastermind kein allzu großes Interesse daran gehabt haben, den vielversprechenden jungen Quarterback innerhalb der AFC an ein anderes Team abzugeben.

Vor allem aber wollte New England sich selbst nicht die Chance nehmen, mit Garoppolo Bradys Erben direkt verfügbar zu haben und so den seltenen fließenden Übergang von Franchise-Quarterback zu Franchise-Quarterback zu meistern. Das dürfte, auch wenn es viele Ursachen geben mag, der Hauptgrund dafür gewesen sein, dass im Frühjahr kein Trade zustande kam. Die Patriots taten das damals in dem Wissen, dass sie Garoppolo nach der Saison mit einem neuen Vertrag oder mindestens dem Franchise Tag würden halten müssen.

Kein langfristiger Deal mit Garoppolo möglich?

Dass die Browns wirklich, wie teilweise berichtet, mehrere Erstrunden-Picks geboten haben, darf angesichts der kleinen Kostprobe von Garoppolo in der NFL ernsthaft bezweifelt werden. Mehr als der eine Zweitrunden-Pick, der es jetzt wohl wird, dürfte es aber schon gewesen sein und so stellt sich die Frage: Warum haben die Patriots bis jetzt gewartet und dann das vergleichsweise niedrige Angebot angenommen?

Man kann es nur mit mehreren Argumenten erklären: Die Pats-Bosse waren sich inzwischen sicher, dass sie Garoppolo - abgesehen vom Franchise Tag - nicht würden halten können. Der 25-Jährige, dessen Vertrag nach der Saison ausläuft, will endlich spielen und es muss sich abgezeichnet haben, dass ein langfristiger Deal nicht zustande kommt.

Der zweite Punkt: Bradys Leistungen in der laufenden Saison sind so gut, dass die Patriots - und auch das verdeutlicht der Trade - davon ausgehen dürften, dass er noch mehrere Jahre spielen kann. Im Vergleich zu März und April musste der Preis jetzt runter gehen, da Teams in der Offseason in Quarterbacks investiert haben, insbesondere mit hohen Draft-Picks etwa in Mitch Trubisky und Deshaun Watson. Die Interessenten-Liste war somit schlicht kürzer.

In der Summe der verschiedenen Aspekte wird die Erklärung für den Trade langsam klarer, trotzdem muss man New Englands Entscheidung auch kritisch hinterfragen. Dazu mehr bei Punkt 4.

3. Was bedeutet der Garoppolo-Trade für die 49ers?

Auf den ersten Blick ist es ein toller Deal für San Francisco. Natürlich muss Garoppolo erst zeigen, dass er den enormen Vorschusslorbeeren auch wirklich gerecht wird und auf der anderen Seite liegt es jetzt an den 49ers, mit dem 25-Jährigen einen langfristigen Deal für die kommenden Jahre auszuhandeln.

Doch Cap Space ist definitiv nicht das Problem, ersten Prognosen zufolge gehen die Niners mit über 50 Millionen Dollar an Cap Space in die Free Agency 2018. Auch der Preis und somit das Risiko sind für San Francisco, das durch Trades mit den Saints und Bears ohnehin einen zusätzlichen Zweit- sowie einen zusätzlichen Drittrunden-Pick 2018 hat, mehr als überschaubar.

Also kann man sich auf die sportlichen Bereiche konzentrieren, und hier wird vor allem deutlich: San Franciscos Head Coach Shanahan hat an dieser Verpflichtung in seinem Kopf wohl schon jahrelang gearbeitet.

Shanahans Begeisterung für Garoppolo

Bereits kurz vor dem vergangenen Super Bowl, noch als Offensive Coordinator der Atlanta Falcons, aber mit dem Niners-Job bereits in der Tasche, gab Shanahan zu, dass Garoppolo ihm als College-Prospect schon gefiel. Im damaligen Draft hatte er ihn auf seiner Quarterback-Liste direkt hinter Derek Carr. Als Carr und Garoppolo in die NFL kamen, war Shanahan noch Offensive Coordinator der Browns und hatte Carr und Garoppolo vor Johnny Manziel und Teddy Bridgewater eingestuft.

"Ein sehr guter Passer, der hart im Nehmen in der Pocket ist und die Augen Downfield behält. Kann den Ball auch schnell loswerden, außerdem gefiel er mir als Mensch", zitierte cleveland.com Shanahans Beurteilung des jungen Quarterbacks. Er hatte sich damals schon vor dem Draft mit Garoppolo zum Essen getroffen. Cleveland entschied sich jedoch gegen Shanahans Einschätzung, was wohl auch eine Rolle darin spielte, dass Shanahan die Browns letztlich verlassen wollte.

Garoppolo gilt als reifer Typ, niemand, der seine Emotionen die Oberhand gewinnen lässt. Im College spielte er in einer blitzschnellen Offense und bewies dabei schon großes Spielverständnis und Präzision, gleichzeitig ist er athletisch und bewegt sich gut in der Pocket.

Die Falcons-Offense der Vorsaison war unter Shanahan historisch gut (eine ausführliche Analyse gibt es hier), und Shanahans Konzepte werden Garoppolo helfen. Das beginnt mit dem starken Fokus auf Play Action und Rollouts, wo Garoppolos Athletik genutzt und die Reads für den Quarterback einfacher werden. Es geht weiter mit Pässen aus Bunch-Formationen, die Receiver einen freien Release ermöglichen. Dazu kommen tolle Passing-Designs für tiefe Routes, Pre-Snap-Motions um die Defense zum Reagieren zu zwingen sowie das gezielte Attackieren gegnerischer Schwachstellen.

Außerdem richtet Shanahans Offense viel Fokus auf Tight Ends und Running Backs im Passspiel, wo es für den Quarterback regelmäßig simple Completions gibt, die große Raumgewinne erzielen können. Und nicht zu vergessen: Shanahan setzt stark auf das Run Game, um den Quarterback zusätzlich zu entlasten. Ein Quarterback mit Garoppolos Anlagen - auch wenn, das muss man betonen, die Sample Size klein ist - kann in dieser Offense großartig aufspielen.

4. Was bedeutet der Garoppolo-Trade für die Patriots?

In jedem Fall mindestens eine Sache: Tom Brady wird noch eine Weile lang spielen. Wer Bradys Spiele in dieser Saison sieht, wird davon kaum geschockt sein - in puncto Pocket-Movement und Downfield-Passing hat Brady über die letzten zwei Jahre trotz seines Alters nochmals einen Schritt nach vorne gemacht. Berichte über ein mögliches Karriereende nach dieser Saison kann man angesichts des Abgangs von Garoppolo getrost ignorieren.

Weiter bedeutet es aber auch, dass New England bei der Quarterback-Frage wieder bei Null anfängt. Jacoby Brissett wurde bereits kurz vor Saisonbeginn an die Colts abgegeben, jetzt ist mit Garoppolo auch der designierte Thronerbe weg, in den New England seit Jahren Ressourcen in Form von Trainings-Snaps und generellem Coaching gesteckt hat.

Die kurzfristige Lösung liegt auf der Hand: Nein, New England wird nicht Colin Kaepernick verpflichten, Brian Hoyer dürfte zurückkehren. Der kennt New Englands Offense und soll sogar in den ursprünglichen Trade involviert gewesen sein. Hoyer ist günstig, könnte notfalls wohl schnell einspringen und die Coaches kennen ihn. Es dürfte nicht lange dauern, bis hier Vollzug gemeldet wird.

Man muss die Entscheidung der Patriots allerdings auch kritisch betrachten. Unter dem Strich erhalten die Pats jetzt mehr oder weniger das, was sie im Draft 2014 investiert haben - einen Zweitrunden-Pick. Der wird zwar etwas höher (mutmaßlich zwischen Position 33 und 38) sein als der Pats-Pick 2014 (Nummer 62). Dafür aber tut sich jetzt eine riesige Baustelle auf einer Position auf, die New England eigentlich scheinbar spektakulär gut geregelt hatte. Und bei Brady weiß niemand, wann Vater Zeit plötzlich auch bei ihm zuschlägt.

Die Entscheidung, Garoppolo jetzt abzugeben, wirkt rückblickend betrachtet für Patriots-Verhältnisse ungewohnt kurzsichtig. Selbst wenn man konservativ schätzt, wäre im März wohl ein Vielfaches des Preises möglich gewesen, den San Francisco jetzt bezahlt. Der Franchise Tag für Garoppolo nach dieser Saison wäre mit Blick auf 2018 und darüber hinaus möglicherweise die bessere Wahl gewesen.

5. Was bedeutet der Garoppolo-Trade für den Quarterback-Markt?

Schon seit Wochen kündigte sich für 2018 ein äußerst spannender Quarterback-Markt an. In Minnesota steht die Entscheidung zwischen Teddy Bridgewater und Sam Bradford bevor. In Washington spielt Kirk Cousins im zweiten Jahr in Folge unter dem Franchise Tag und dürfte 2018 nicht mehr zu halten sein. Spieler wie Tyrod Taylor oder auch Andy Dalton gelten als potentielle Wundertüten und ganz nebenbei kündigt sich noch eine sehr starke Quarterback-Draft-Klasse an.

Der Garoppolo-Trade verändert das Bild. Die Niners galten gemeinhin als der klare Favorit auf die Dienste von Cousins, plötzlich könnte der ganz woanders landen. Bei den Jets etwa, oder in Cleveland. Jacksonville wäre mit Cousins angesichts der eigenen Defense und der Qualitäten von Leonard Fournette wohl ein sofortiger Contender.

Ohne San Francisco als finanzstarker Faktor und für einen Quarterback spielerisch hochinteressantes Ziel ist auch nicht auszuschließen, dass es Washington nach allem hin und her doch noch gelingt, Cousins zu halten. Neben Garoppolo - bei dem man bisher davon ausging, dass New England ihn halten würde - war Cousins der dickste Fisch auf dem Quarterback-Markt 2018. Diesen Status hat er jetzt endgültig exklusiv, die vielleicht attraktivste Option aber ist vom Markt.