NFL: Chiefs vs. Patriots: Die Lehren aus der Vergangenheit

Marcus Blumberg
16. Januar 201911:25
Rob Gronkowski könnte ein wichtiger Faktor für die Patriots gegen die Chiefs werden.getty
Werbung

Die Kansas City Chiefs empfangen die New England Patriots im AFC Championship Game (Mo., 0.40 Uhr live auf DAZN - auf Deutsch und mit US-Originalkommentar). Beide Teams trafen bereits früher in der Saison aufeinander. Was hat damals funktioniert, welche Schlüsse lassen sich für das nächste Duell ziehen und was wird anders sein?

Duelle mit den Kansas City Chiefs haben für die Patriots und speziell Quarterback Tom Brady seit jeher eine besondere Bedeutung - auch wenn sie in der Regel schmerzhaft enden.

Die Chiefs waren der Gegner, als sich Brady in Woche 1 der Saison 2008 einen Kreuzbandriss zuzog, der ihn den Rest der Saison kostete. In jüngerer Vergangenheit sticht jedoch das heute rund um die Pats fast legendäre Aufeinandertreffen in Woche 4 der Saison 2014 heraus.

Die Patriots kassierten seinerzeit eine 14:41-Klatsche und Brady zuvorderst spielte erbärmlich. Er warf für ganze 159 Yards und leistete sich zwei Interceptions. Es war so schlecht, dass gegen Ende Rookie-QB Jimmy Garoppolo ran durfte und sogar noch einen Touchdown-Drive hinlegte. Anschließend wurde Head Coach Bill Belichick mit Fragen nach der QB-Position konfrontiert. Seine Antwort war freilich nur ein genervtes Grinsen. Angesprochen auf seine Eindrücke zum Spiel, ließ er dann das berühmte "We're on to Cincinnati" folgen.

Der Rest dieser Geschichte ist bekannt.

Chiefs vs. Patriots: Erstes Duell in Woche 6

Dann war da natürlich das Duell zum Saisonstart der vergangenen Saison, als Titelverteidiger New England die Saisoneröffnung zuhause von KC kräftig verhagelt bekam; 42:27 Chiefs hieß es am Ende.

In Woche 6 dieser Saison kam es erneut zum Duell mit den Chiefs, dieses Mal mit glücklicherem Ende für New England. Mit auslaufender Uhr besiegelte damals Kicker Stephen Gostkowski den 43:40-Heimerfolg mit einem 28-Yard-Field-Goal nach epischem Game-Winning Drive in den Schlussminuten. Das eher antiklimaktische Ende eines spektakulären Shootouts.

Doch was führte zu diesem Ergebnis, das Rückschlüsse aufs anstehende AFC Championship Game zuließe?

Die Patriots hatten in diesem Spiel meist Heavy Sets auf dem Feld, Fullback James Develin sah äußerst viel Einsatzzeit. Dennoch waren die Patriots nicht eindimensional unterwegs. 37 Passspielzüge standen 38 Laufspielzüge gegenüber. Schon damals war Sony Michel der Lead-Rusher (24 CAR, 106 YDS, 2 TD), während James White insgesamt elf Touches bekam (6 CAR, 5 REC).

Gerade in der Red Zone fiel auf, dass New England alle drei damals zur Verfügung stehenden Tight Ends und Develin auf dem Feld hatte, was etwa direkt zu den Michel-Touchdowns führte.

Zudem attackierte Brady immer wieder die äußeren Cornerbacks der Chiefs, was damals mit Josh Gordon als klarer Nummer 1 in dem Bereich des Feldes auch gut funktionierte. Er kam auf 5 Receptions im Spiel bei 9 Targets.

Patriots: Laufspiel als Schlüssel zum Erfolg

Die Chiefs hatten darauf kaum eine Antwort, ebenso wenig auf das Laufspiel New Englands. Außer in der Red Zone ging es auf dem Boden meist Off-Tackle, also weg von Defensive Tackle Chris Jones, der als bester Run-Stuffer der Chiefs identifiziert wurde.

Bei Passspielzügen fand Brady zudem immer wieder die günstigsten Matchups. Edelman etwa schien bei seinem 17-Yard-Touchdown Ende des ersten Viertels entweder von einem Linebacker oder einem Safety im Slot gecovert worden zu sein. Betonung liegt auf "schien", denn letztlich fühlte sich in der Zone keiner zuständig und Edelman hatte freie Bahn bis zur Endzone.

Hatten die Chiefs den Ball, machte New England gerade zu Beginn einen großartigen Job in Sachen Coverage-Verschleierung. Das führte etwa zur ersten Interception von Mahomes, der einfach Dont'a Hightower in der Mitte übersah. Generell zeigten die Patriots sehr häufig Blitz, um dann immer irgendwen anders zu schicken beziehungsweise sich in Coverage fallen zu lassen.

Dass die Chiefs dennoch Erfolg hatten, was die 40 Punkte deutlich untermauert, lag auch am Gegner. Die Patriots hatten häufig Zuordnungsprobleme. Gerade Hill in den Griff zu bekommen, gestaltete sich äußerst schwierig. Er taucht des Öfteren im Slot auf und es fehlte an einer klaren Deckung für ihn. Bei seinem ersten Touchown lief er eine einfache Drag Route und wurde nicht so richtig aufgenommen.

Sein zweiter Touchdown (75 Yards) im vierten Viertel schließlich dürfte bei Belichick für richtig Frust gesorgt haben: Essenziell lief Hill einfach eine lange Sluggo Route (Slant and Go), kein Defensive Back ging mit und so war schließlich Safety Duron Harmon allein auf weiter Flur und sah nur noch die Rücklichter des Cheetahs.

Tom Brady zollt Chiefs Respekt

"Es ist schwer, diese Jungs zu verlangsamen, sie haben das ganze Jahr über schon sehr viele Punkte erzielt", sagte Tom Brady über die Chiefs-Offense: "Sie werden ziemlich schwer zu stoppen sein. Zum Glück hatten wir als letztes den Ball und nutzten das aus", konstatierte Brady nach dem Spiel in Woche 6.

Zudem erzielte Kareem Hunt auch noch einen Touchdown durch einen 67-Yard-Catch-and-Run. Dies war das Resultat einer guten, alten Wheel Route, bei der sich niemand für den Running Back zuständig fühlte. Jason McCourty war als Cornerback auf der Seite, doch in aller Regel ist der nicht für einen Running Back, der im Backfield positiniert ist, zuständig. Und so wurde es letztlich ein Sprintduell mit McCourty, da auch kein Safety im Bild war.

Mahomes warf zudem noch eine Interception in die Endzone. In der Situation wollte er zu viel und warf in Double Coverage. Brady wiederum verlor im dritten Viertel einen Fumble, da er den Ball schlicht länger hielt, als seine Pocket den Pass-Rush aufhalten konnte. Es war ein eindeutiger Coverage-Sack, doch Brady muss in dieser Situation einfach den Ball loswerden.

"Wir werden einiges von diesem Spiel lernen. Wir haben uns am Anfang ein bisschen ins eigene Fleisch geschnitten und das kannst du gegen gute Teams nicht machen", urteilte Andy Reid nach dem ersten Duell mit New England in dieser Saison.

Das war damals. Seither haben sich beide Teams in Schlüsselaspekten verändert.

Chiefs vs. Patriots: Personal-Abgänge auf beiden Seiten

Am offensichtlichsten ist dabei natürlich das Personal. Bei den Chiefs ist Hunt nicht mehr Teil des Teams, was die Qualität im Backfield signifikant mindert. Die Patriots wiederum können nicht mehr auf Gordon zählen.

Ohne Hunt hat mittlerweile Damien Williams den Job des 3-Down-Backs übernommen und war gegen die Colts auch im Passspiel ein Faktor (25 CAR, 129 YDS, TD/5 REC, 25 YDS). Und eine heftige Workload für Williams sollte auch gegen die Patriots wieder an der Tagesordnung stehen, auch um den Pass Rush des Teams abzumildern. Und weil die Patriots-Laufverteidigung nach wie vor zu hinterfragen ist. Dass sie gegen die Chargers lediglich 19 Yards auf dem Boden zuließen, lag zuvorderst am aus L.A.-Sicht früh aussichtslosen Spielstand.

Die Antwort der Patriots wiederum dürften auch diese Woche wieder exotische Formationen sein, um Mahomes das Leben schwer zu machen. Zudem und anders als gegen Rivers und die Chargers sollte das Rezept dieses Mal jedoch lauten, den Quarterback in der Pocket zu halten und ihn nicht aus selbiger zu treiben. Besonders dann ist Mahomes nämlich unberechenbar und hat besonders mit Hill blindes Verständnis.

Ein wichtiger Unterschied zum Game Plan gegen die Chargers könnte sein, dass dieses Mal weniger geblitzt wird. Mahomes zerstörte im Dezember die Ravens - ein extrem aggressives Blitz-Team -, wenn diese fünf oder mehr Pass Rusher geschickt haben. Er war in diesen Downs 16/22 für 180 Yards!

Wehe, wenn Patrick Mahomes zu viel Platz hat

Auffällig ist zudem, dass Mahomes dann gefährlich ist, wenn seine Receiver irgendwo in Space zu finden sind. In der Red Zone hingegen wird es schwieriger, da die Fenster kleiner sind - siehe Mahomes' zweiten Pick in Week 6.

Die Patriots wiederum täten gut daran, erneut den Lauf zu forcieren und aus verschiedensten Formationen die überschaubare Laufverteidigung der Chiefs zu attackieren - gegen die Colts ließen sie 6,2 Yards pro Carry zu - bei nur 14 Läufen.

Zudem dürfte Rob Gronkowski wie gegen die Chargers auch dieses Mal wieder hauptsächlich als Türsteher fungieren und die O-Line im Blocking - Pass wie Run - unterstützen. Ähnlich wie die Chargers sollte der zusätzliche Blocker auch dem Chiefs-Pass-Rush um Justin Houston und Dee Ford Probleme bereiten.

In diesem Zusammenhang könnte Tight End Stephen Anderson, den die Patriots in der Vorwoche bereits von der Practice Squad aktiviert haben, eine brauchbare Option werden, gerade wenn es darum geht, Hilfe im Blocking zu geben. Er ersetzt den verletzten Jacob Hollister (IR) im Team, war gegen die Chargers aber inaktiv.

Chiefs: Man-Coverage als Schlüssel?

Die Chiefs auf der anderen Seite werden wohl als ersten Schluss aus dem Chargers-Spiel eher auf Man-Coverage setzen, Zones funktionieren gegen Brady in der Regel nicht. Gegen Man jedoch dürften die Receiver New Englands die in der Saison gezeigten Schwierigkeiten bei Separation erneut aufweisen. Was also tun? Bunch-Formations, Play Action und Drop-Offs sowie Screens, um mehr Zeit zu haben, die nötigen Blocks zu stellen beziehungsweise Receiver in Position zu bringen.

Unterm Strich hatten die Patriots bereits in Woche 6 einen guten Game Plan, um offensiv erfolgreich zu sein, während sie defensiv auch durch individuelle Fehler auf brutale Art und Weise demonstriert bekamen, wie explosiv und mächtig die Offense der Chiefs sein kann.

Die Chiefs wiederum hatten damals Mühe mitzuhalten, weil es defensiv an Durchschlagskraft fehlte und offensiv schematisch vielleicht nicht alles ideal lief und einiges etwas glücklich verlief.

Personell dürfte aufseiten der Patriots der Ausfall von Gordon schwerer wiegen als der von Hunt für KC. Gordon eins zu eins zu ersetzen, wird New England nicht gelingen, was ihnen einen Matchup-Vorteil im Vergleich zu damals nimmt. Williams jedoch scheint die Rolle von Hunt ohne größere Mühe auszuüben, vielleicht abgesehen von Hunts Fähigkeiten im vertikalen Passing Game. Das Run Game aber repräsentiert einen Bereich, der wohl weiterhin die Achillesferse der Patriots-Defense ist.

Heimrecht spricht für die Chiefs, oder?

Ein nicht zu verachtender Faktor ist zudem die Location. Arrowhead Stadium ist ein Vorteil für die Chiefs, die zuhause nur gegen die Chargers verloren haben. Die Patriots hingegen waren auswärts in dieser Saison 3-5.

"Es wird ein gutes Spiel werden", sagte Brady zur Partie in KC: "Sie sind ein gutes Team. Wir haben schon einmal in dieser Saison gegen sie gespielt. Und ich weiß, dass jeder denkt, dass wir scheiße sind. Und, wissen Sie, wir können nicht jedes Spiel gewinnen, aber wir werden sehen. Es wird ein Spaß."

Was jedoch für New England spricht, ist die Witterung. Laut Wetterbericht sind Temperaturen im Bereich von -12 bis -18 Grad Celsius angesagt. Die Bilanz der Patriots mit Tom Brady in Kaltwetter-Spielen (-1 Grad und kälter) ist seit letztem Sonntag 24-4!

Egal wie das Spiel am Ende ausgeht, Geschichte dürfte sich in irgendeiner Form wiederholen. Entweder mit dem nächsten Tiefschlag für die Patriots gegen die Chiefs - oder durch den nächsten Marschbefehl auf dem Weg nach Cinci ... Verzeihung: Atlanta.