Elegant, cool, hochtalentiert, mit viel Herz und nicht zu stoppen: Das war Walter Payton. Der legendäre Running Back der 70er und 80er Jahre prägte die erfolgreichste Ära der Chicago Bears wie kein Zweiter. Eine Geschichte von Talent, Erfolg und Freundschaft - mit einem tragischen Ende.
Getty"Michael Jordan hat das Spiel verändert. Walter Payton hat das Spiel nicht verändert, er hat es bloß besser als jeder andere gespielt", umschrieb Schauspieler und Chicagoer Ashton Kutcher die Legende von Walter Payton in der Dokumentation "A Football Life". Er mag zwar kein NFL-Experte sein, aber war Zeuge des Mannes, den alle nur "Sweetness" nannten.
Schließlich sind auch Experten und frühere Größen des Sports begeistert, wenn sie über den Mann reden, der die Chicago Bears nach einer Durststrecke Anfang der 70er wieder relevant gemacht hat. Ray Lewis etwa beschrieb Walter Paytons Schaffen so: "Das ist kein Talent. Das ist Herz", und meinte damit die Art und Weise, wie Payton das Spiel spielte.
Der beste Running Back?
Man kann viel debattieren über den besten Spieler, den eine Sportart je gesehen hat. Auf der Running-Back-Position gab es viele herausragende Spieler, doch nur wenige schaffen es in die GOAT-Diskussion. Vielleicht nur Jim Brown - und eben Walter Payton.
Jim Brown: Der Alleskönner vom dreckigen Dutzend
Brown trat mit allen wichtigen Rekorden im Gepäck ab, Payton brach sie Jahrzehnte später allesamt und sorgte mit seiner ganzen Art für Furore. Immer mit einem Stirnband bewaffnet, ging er nie leicht zu Boden, kämpfte bis zum letzten und ist wohl der größte Spieler, der je die Uniform der Chicago Bears überstreifte.
Never die easy!
Bevor Payton zu einem der Superstars der NFL wurde, verdiente er seine Sporen am College Jackson State, damals in der Division-I-AA, gewissermaßen der zweiten Liga des College Footballs. Dort erlangte er auch seinen lieblichen Spitznamen. Wie der genau zustande kam, ist unklar, doch es gibt Theorien: Es könnte seine angenehme Persönlichkeit gewesen sein, seine sportliche Grazie - oder einfach Sarkasmus ob seines aggressiven Spielstils.
In Jackson zeigte er unzählige herausragende Leistungen, doch ein Spiel stach heraus: Jackson State gewann gegen Lane College mit 72:0, Payton erzielte sieben Touchdowns - und lief auch noch für zwei Two-Point Conversions in die Endzone. Das bedeutete einen neuen Scoring-Rekord in der Southwestern Athletic Conference (46 Punkte in einem Spiel).
Jahre später erklärte Payton, was ihm sein College-Coach Bob Hill damals mit auf den Weg gab: "Never die easy, die hard!" Und das nahm sich der Running Back zu Herzen und machte diese Weisheit zu seinem Lebensmotto. So erklärte sich dann auch der rigorose Spielstil des furiosen Läufers. Seine Spezialität: Der Stutter-Step, den er Jahre später als eine Art Option-Play bezeichnete. Ein extrem schneller und abrupter Richtungswechsel, bei dem kaum ein Gegenspieler mithalten konnte. So kreierte Payton immer wieder Platz in den gegnerischen Reihen.
Er ging nicht einfach ins Seitenaus, wenn eine Schar von Tacklern auf ihn zustürzte, er ging teilweise wirklich mit dem Kopf durch die Wand. Er ging dorthin, wo es auch mal weh tat. Diese Einstellung machte ihn bei seinen Fans berühmt und bei seinen Gegenspielern berüchtigt - die mussten ebenfalls einiges einstecken, um Chicagos Nummer 34 zu stoppen.
Payton's Hill
Später in Chicago rannte er praktisch jeden Morgen auf dem wilden, steilen Nickol Hill in Arlington Heights im Norden Chicagos. Ein extrem harter Laufparcours, der ihm die nötige Härte fürs Spiel gab.
Heute steht dort ein Golfplatz, doch der Hügel erinnert immer noch an Walter. Von den Fans wurde das Gebiet in "Payton's Hill" umgetauft. Stilecht dekoriert mit Plaketten, die an die Sportlegende erinnern.
Heimat? Jackson!
Payton stammte ursprünglich aus Columbus/Mississippi und wuchs auf in einer Zeit, in der Rassenhass und Segregation noch immer gang und gäbe waren. Doch er selbst kannte keine Farben, stand vielmehr dafür, die Farbbarriere zu durchbrechen. Zwar nicht im großen Stil wie ein Jackie Robinson im Baseball, aber dazu war er auch noch zu jung in dieser Zeit.
Fragte man ihn allerdings später nach seiner Heimat, so nannte er stets Jackson, nie Columbus. Der Grund dafür liegt im tragischen Tod seines Vaters. Dieser wurde wegen angeblicher Trunkenheit am Steuer von weißen Polizisten verhaftet und starb schließlich im Gefängnis. Ihm wurde medizinische Versorgung verwehrt, die bitter nötig gewesen wäre, hatte er doch ein Aneurysma im Gehirn. Betrunken war er keineswegs. Dieser Vorfall hinterließ Spuren bei Payton.
Beste Freunde
Seine "Farbblindheit" trübte dies jedoch nicht. Im Gegenteil: Sein später wohl bester Freund überhaupt war ein Weißer: Fullback Matt Suhey, der ihm nicht nur auf dem Platz den Weg freiräumte. Beide waren beste Kumpels und man witzelte schon, auch über sie würde irgendwann ein Film gedreht werden. So wie einst über die zwei Kumpels Gale Sayers und Brian Piccolo, die Ende der 60er Jahre zusammen bei den Bears spielten. Piccolo verstarb schließlich viel zu jung an Krebs. Die Geschichte dieser Freundschaft wurde im Film "Brian's Song" (1971) mit Sonny-Corleone-Darsteller James Caan und "Lando Calrissian" persönlich, Billy Dee Williams, verewigt.
Über Payton und Suhey gab es zwar keinen Film, aber filmreif war die Freundschaft dennoch. Sie ging so weit, dass Suhey Ende der 90er zum Verwalter von Paytons Anwesen wurde, nachdem der schwer erkrankte.
Walter Payton - der Heilsbringer
Auch wenn Payton nur auf einem kleinen College der "zweiten Klasse" spielte, hielt es die Chicago Bears nicht davon ab, ihn 1975 mit dem vierten Pick des Drafts zu ziehen. Er sollte der Heilsbringer werden, nachdem Chicagos Legende Gale Sayers 1971 zurückgetreten war und sich die Bears bis zu jenem Punkt nicht erholt hatten. In den folgenden Jahren konnte man nur noch negative Bilanzen aufweisen.
All das sollte sich mit Payton natürlich ändern. Aber sein Debüt verlief alles andere als ideal: Gegen die Baltimore Colts bekam er acht Carries und erzielte kein einziges Yard. Schlimmer noch: Der ebenfalls als großartiger Ballfänger bekannte Back fing obendrein noch einen Pass - für vier negative Yards. Der Rookie war daraufhin am Boden zerstört, doch das Gefühl hielt nicht lange an, er fing sich. 1977 brachte er es sogar zum MVP der Liga.
Ebenfalls 1977 gelang ihm auch der Rekord für die meisten Lauf-Yards in einem Spiel mit 275 gegen die Minnesota Vikings. Damit übertraf er O.J. Simpsons Bestmarke um zwei Yards. Bis heute haben nur drei Spieler mehr Yards in einem Spiel auf dem Boden zurückgelegt: Corey Dillon (Bengals) im Jahr 2000, Jamal Lewis (Ravens, 2003) und Adrian Peterson (Vikings, 2007).
1985er Bears
Nachdem es in den ersten Jahren mit Payton nicht zum erhofften Erfolg für die Bears kam, obwohl der Running Back für Furore sorgte und die Offense belebte, wurde ein Wechsel auf der Trainerposition nötig. Neill Armstrong musste seinen Hut nehmen und Mike Ditka übernahm im Jahr 1982.
Bis 1985 hatte dieser dann eines der besten Teams mit einer der besten Defenses überhaupt auf die Beine gestellt. Für Payton hieß dies, das Rampenlicht mit anderen großen Namen zu teilen. Allen voran Quarterback Jim McMahon, der ähnlich wie Payton immer mit einem fragwürdigen Stirnband herumlief, und natürlich Defensive Tackle William "The Refrigerator" Perry. Sie wurden ebenfalls zu Figuren, die man nicht übersehen konnte, die auch abseits des Platzes präsent waren.
Nichtsdestotrotz blieb Payton der Leader.
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GettySuper Bowl XX
Vor allem dank der historischen Defense schaffte es das Team nach einer 15-1-Saison, Super Bowl XX zu erreichen. Ditkas Taktik in diesem Spiel ging als großartiger Schachzug in die Geschichte ein - doch sie sorgte auch für viel Unmut beim Superstar des Teams.
Die New England Patriots wurden mit 46:10 regelrecht verhauen, doch Payton hatte nahezu keinen Einfluss auf das Spiel. Jedenfalls nicht direkt. Er fungierte eigentlich nur als Lockvogel, als Ablenkungsmanöver. Wie Ditka richtig vorhersah, stürzten sich die Spieler von Coach Raymond Berry - wie Ditka Hall-of-Fame-Tight-End - fast exklusiv auf den Running Back der Bears und ignorierten alles andere.
Das führte am Ende dazu, dass McMahon selbst zwei Touchdowns erzielte, Suhey einmal den Weg in die Endzone fand, und sogar The Fridge rammte den Ball aus einem Yard über die Goal Line. Nur Payton, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, blieb ohne Score und verkam zur Randnotiz.
Ditkas Bedauern
Nach dem Spiel schmollte er in der Kabine, wollte mit niemandem reden und eigentlich nur im Erdboden versinken, es hätte schließlich seine Show werden sollen. Als ihm sein Agent aber vor Augen führte, dass dieser Vorfall potenziell seinem Ruf schaden könnte, trat er dann doch vor die Presse und machte gute Miene zum bösen Spiel.
Coach Ditka selbst sagte Jahrzehnte später, dass er im Moment des Spiels gar nicht an Payton und seinen möglichen Touchdown gedacht habe. Doch im Nachhinein bereue er wohl nichts mehr, als Payton die Chance auf einen TD im Super Bowl genommen zu haben.
"Grüß Nancy von mir!"
Payton wurde zur Ikone der 80er Jahre. Er tanzte in der populären Musik-TV-Sendung "Soul Train", wo er seinem Spitznamen Sweetness alle Ehre machte. Den Super-Bowl-Triumph der Bears wiederum feierte er mit den Kollegen im legendären Musikvideo "Super Bowl Shuffle". Später war er zusammen mit Niners-QB Joe Montana Co-Host der Comedy-Show "Saturday Night Live".
Sweetness war außerhalb des Platzes meist cool und hatte immer einen Spruch auf den Lippen. Als er Jim Browns Allzeit-Rushing-Yard-Rekord brach, war einer der Gratulanten US-Präsident Ronald Reagan höchstpersönlich, per Telefon direkt aus Air Force One. Sweetness' Reaktion am Telefon: "Danke! Und grüßen Sie Nancy von mir!", mit anschließendem Gelächter der anwesenden Presseschar.
Doch all dies spielte sich außerhalb des Footballfeldes ab. Auf selbigem sah die Welt anders aus. In den 80ern etablierte sich so langsam der Trend, nach Touchdowns extravagante Jubelarien zu starten. Die Nummer 34 wollte davon nichts wissen. Er gab den Ball eher einem Teamkollegen oder dem nächstbesten Schiedsrichter. Am Tag als er Browns Rekord brach und das ganze Stadion inklusive beider Seitenlinien stand, wirkte er eher peinlich berührt und wollte lieber schnell zur Tagesordnung übergehen, anstatt sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen.
Turbulente Zeit nach dem Karriereende
Einmal, ja einmal wollte er dann aber doch allein im Mittelpunkt stehen. Nach seinem letzten Snap in der NFL, so ist es überliefert, inszenierte er sein letztes Bild als NFL-Spieler: Er allein auf der Bank, nachdenklich, andächtig. Er trat ab von der großen Bühne mit nahezu allen relevanten Rushing-Rekorden im Gepäck - er hielt sogar den All-Purpose-Yards-Rekord für die meisten Yards Raumgewinn überhaupt, den ihm erst Jerry Rice Jahre später abnahm.
Den Football wollte er dann aber doch nicht ganz hinter sich lassen. Sein Ziel war es, der erste afroamerikanische Besitzer eines NFL-Teams zu werden. Mit einer Investmentgruppe bewarb er sich um eine Expansion-Franchise. Letztlich scheiterte dies jedoch und der erste schwarze Eigentümer wurde Duron Cherry, der die Jacksonville Jaguars bekam.
Payton stürzte sich dann in andere, meist erfolgreiche Investments und wollte so die Lücke, die der Football hinterlassen hatte, schließen. Privat hingegen lief es weniger gut. Nachdem es ohnehin immer wieder Gerüchte um Affären gab, reichte er eines Tages die Scheidung von seiner Frau Connie ein. Er kümmerte sich zwar weiter um seine zwei Kinder, Jarrett und Brittney, doch seine Ehe war gescheitert.
Die letzten Jahre
Gegen Ende der 90er Jahre, nachdem es stiller geworden war um Chicagos größtes Sportidol seit Ernie Banks und vor Michael Jordan, sah man Payton an, dass er viel Gewicht verloren hatte, generell nicht gesund aussah. Gerüchte machten die Runde, er sei homosexuell und habe sich mit HIV infiziert. Das konnte er schon wegen seiner Familie nicht stehen lassen und verkündete stattdessen seine Erkrankung an der seltenen Leberkrankheit Primär Sklerosierende Cholangitis, kurz PSC.
Er gab sich kämpferisch, erinnerte an sein Lebensmotto und quälte sich, solange es ging. Sweetness verbrachte die letzten Jahre damit, eine Stiftung für Organspende aufzubauen - und warb selbst dafür, sich registrieren zu lassen, obwohl für ihn jede Hilfe schon zu spät kam. Er kämpfte bis zum letzten Tag. Als dann auch noch Krebs bei ihm diagnostiziert wurde, kehrte er zu seiner Frau und den Kindern zurück und verstarb schließlich im Jahr 1999 in den eigenen vier Wänden.
spoxGone but not forgotten
Walter Payton ist tot. Seine Legende jedoch lebt weiter. Zu seiner Trauerfeier im Soldier Field kamen Zehntausende. Jesse Jackson, NFL-Commissioner Paul Tagliabue und seine Frau und Kinder hielten Reden. Im privaten Kreis, der auch noch knapp 1000 Leute umfasste, kamen unter anderem John Madden und Teamkollegen wie Jim McMahon, Suhey und Mike Singletary, um Payton die letzte Ehre zu erweisen.
Walter Payton ist immer noch allgegenwärtig in Chicago und den Herzen zahlreicher Fans und späterer NFL-Spieler. LaDainian Tomlinson etwa nannte ihn eine Inspiration und errichtete sich nach Vorbild von Payton's Hill einen steilen Trainings-Hügel im Garten seines Hauses in San Diego. Emmitt Smith von den Cowboys widmete ihm seine gesamte Karriere und huldigte ihm am Tage, als er Paytons Rushing-Rekord endlich brechen sollte.
Walters Sohn Jarrett trug an der "U" die 34 zu Ehren seines Vaters und heiratete im Jahr 2009 am 4. März (March 4th), um die 34 im Datum zu haben. Die Foundation setzt sich noch heute für Organspenden und Kinder in Not ein. Zudem gibt es den Walter Payton Man of the Year Award für den NFL-Spieler, der seiner Gemeinde den größten Dienst erweist.
Another Brian's Song
Bis zum Schluss an Paytons Seite: Matt Suhey. Sein Fullback blieb ein Vertrauter für den schwächer werdenden Sweetness, der eine Woche vor seinem Tod in all seiner Lockerheit zu Suhey sagte: "Matt, dies wird ein weiterer Brian's Song. Der Unterschied ist nur, dass in diesem Film der Schwarze stirbt."
Am Ende war es dann aber doch Connie, seine Ex-Frau, die ihm über die Schwelle half: Im letzten Gespräch zwischen den beiden hatte sie ihm gesagt: "Es ist okay zu gehen." Am nächsten Morgen war die Legende für immer gegangen.
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