NFL - Nach Draft und Free Agency: Diese Baustellen der Teams bestehen immer noch

Marcus Blumberg
19. Mai 202108:47
Ben Roethlisberger muss sich um seine Offensive Line sorgen.getty
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Im Draft und der Free Agency gehen Teams alljährlich ihre größten Schwachstellen an und versuchen, diese so gut es geht auszumerzen. Doch gelingt das nicht immer: Auch in diesem Jahr bleiben einige große Fragezeichen zurück. SPOX gibt den Überblick die größten noch offenen Baustellen der Teams.

Nach Draft und Free Agency: Diese Baustellen bestehen immer noch

Die Offensive Line der Pittsburgh Steelers

Die wichtigsten Neuzugänge: Offensive Tackle Joe Haeg, Center Kendrick Green, Offensive Tackle Dan Moore Jr., Offensive Tackle Demar Dotson, Center B.J. Finney, Guard Aviante Collins.

Auf dem Papier war die Offensive Line der Steelers laut Football Outsiders die beste in Sachen Pass Protection. Sie ließ nur 14 Sacks und eine Adjusted Sack Rate von 2,7 Prozent zu - beides mit Abstand Bestwerte der Liga.

Das hatte allerdings auch damit zu tun, dass Quarterback Ben Roethlisberger den Ball mit Abstand am schnellsten loswurde. Nur 2,3 Sekunden brauchte er im Schnitt für einen Pass. Entsprechend waren seine Pässe meist sehr kurz - seine 4,6 Average Completed Air Yards belegten laut Next Gen Stats den fünftletzten Platz aller Passgeber, die genügend Pässe warfen.

Das heißt: Der Quarterback half der O-Line enorm dabei, Pressure und Sacks abzuwenden. Dass die O-Line insgesamt gar nicht mal so gut aussah, zeigen dagegen die 3,78 Adjusted Line Yards im Run Game - diese bedeuten den letzten Platz der NFL.

Und dies erklärt auch das insgesamt brachliegende Laufspiel des Teams. Die Frage ist also, wie die Steelers hier für Besserung gesorgt haben.

Die Antwort ist ernüchternd. Im Grunde haben sie nämlich diese Baustelle ignoriert, und mehr noch: Die Line verlor drei Starter, die nicht überzeugend ersetzt wurden.

Für Center Maurkice Pouncey wird wohl Rookie Kendrick Green übernehmen. Für Left Guard Matt Feiler ist wohl Kevin Dotson eingeplant und für Left Tackle Alejandro Villanueva könnte der bisherige Right Tackle Chukwuma Okorafor einspringen, während Right Tackle Zach Banner von seiner Verletzung zurückkommt.

Unter dem Strich droht den Steelers hier ein Flickenteppich mit der Hoffnung, dass Draft-Picks wie Dan Moore und Kendrick Green möglichst schnell einschlagen. Aber auch dann bleibt die Frage, ob all die Teile so zusammen passen, zumal gerade auf Left Tackle eindeutig gespart wurde - was nicht nur Roethlisberger in seiner wohl letzten Saison zum Verhängnis werden könnte.

Welche Positionsgruppen haben sich nach Draft und Free Agency am meisten verbessert?

Ben Roethlisberger muss sich um seine Offensive Line sorgen.getty

Die Quarterback-Situation der Denver Broncos

Der wichtigste Neuzugang: Quarterback Teddy Bridgewater.

Die Entscheidung, im Draft das Hauptaugenmerk auf die Defense zu legen und speziell mit dem neunten Pick Cornerback Patrick Surtain zu ziehen, anstatt etwa Quarterback Justin Fields zu nehmen, könnte noch lange nachhallen.

Stand jetzt gehen die Broncos mit Drew Lock und Teddy Bridgewater in einem offenen Zweikampf in die Saison - Brett Rypien ist auch noch da, dürfte aber nur die Notfalllösung bleiben.

Bei Lock dürfte den meisten mittlerweile klar sein, woran man bei ihm ist. Gibt man ihm ein Scheme mit klaren, einfachen Reads, kann er sicherlich im Rahmen dessen glänzen. Doch alles, was darüber hinausgeht, macht ihm Schwierigkeiten. Wenn seine ersten Reads nicht verfügbar sind, bekommt er Probleme und neigt zu Fehlern.

Auf der anderen Seite ist eigentlich auch klar, was von Bridgewater zu erwarten ist. Er ist ein Game Manager. Nicht mehr, nicht weniger. Er wirft in aller Regel kurze, sichere Pässe und wird den Ball schnell los. So spielt er schon immer und es ist einigermaßen klar, dass er zu weitaus mehr nicht in der Lage ist.

Dass er damit nicht unbedingt zum Personal in Denver passt, das aufgrund der großen und schnellen Outside-Optionen durchaus auf vertikales Spiel ausgerichtet ist, dürfte klar sein. Jedoch bleibt sein Vorteil gegenüber Lock, dass er eben den Ball nicht zu lange hält und sein Spiel weniger fehleranfällig ist.

Sollte es jedoch nicht doch noch zum Blockbuster-Trade für einen Aaron Rodgers kommen, hält sich die Upside auf der QB-Position für die Broncos in Grenzen. Beide haben klare Limitierungen, die im Zweifel das Team zurückhalten könnten - speziell in einer Division mit Patrick Mahomes und Justin Herbert.

Das Receiving Corps der Detroit Lions

Die wichtigsten Neuzugänge: Breshad Perriman, Tyrell Williams, Kalif Raymond, Amon-Ra St. Brown, Damion Ratley, Jonathan Adams Jr.

Die Lions mussten ihr komplettes Receving Corps im Vergleich zur Vorsaison umkrempeln. Mit Kenny Golladay und Marvin Jones verließen die zwei Top-Optionen des Vorjahres das Team und hinterließen große Fragezeichen, auch Slot-Receiver Danny Amendola ist nicht mehr da, genau wie Receiver/Returner Jamal Agnew.

Hinzu kommt mit Jared Goff ein neuer Quarterback, bei dem noch überhaupt nicht klar ist, wie genau er ins zudem neue Konzept von Offensive Coordinator Anthony Lynn passen wird. Wir blicken hier also auf eine Großbaustelle - was allerdings auch für die Defense gilt, obgleich die Offense schon aufgrund ihrer Bedeutung in der heutigen NFL im Fokus steht.

Es wurden diverse neue Wide Receiver reingeholt und letztlich dürfte das Feld weit offen sein, was die Starting Spots angeht. Was direkt auffällt, ist, dass es den klaren X-Receiver nur mit Abstrichen gibt. Tyrell Williams kann diese Rolle bekleiden, gehört aber nicht zur Elite. Breshad Perriman hatte seine beste Zeit als Nummer-3-Option, zeigte aber auch in Ansätzen in New York, dass er als Deep Threat Gefahr ausstrahlt.

Die große Frage wird sein, wer im Slot spielt. Bei den Chargers ließ Lynn hier gerne seinen Top-Receiver Keenan Allen ran, einen solchen gibt es in Detroit aber nicht. Insofern ergeben sich hier gewisse Chancen für Rookie Amon-Ra St. Brown, der wohl ein direktes Duell mit Kalif Raymond haben wird, der auch in Tennessee nicht zu den Topleuten zählte und eher ein vertikaler Speedster ist.

St. Brown könnte auch außen spielen, hat seine besten Start-Chancen aber sicherlich im Slot, zumal Perriman und Williams zunächst mal außen gesetzt sein dürften. Mit der Physis, die der Deutsch-Amerikaner mitbringt, könnte er früh ein verlässliches Target darstellen.

Insgesamt ist dies ein Puzzle mit vielen Teilen. Die Tatsache, dass auch der Trainerstab komplett neu ist, macht die Lösung dessen auch nicht gerade einfacher.

Die Quarterback-Situation der New England Patriots

Der wichtigste Neuzugang: Mac Jones.

Die Passing Offense war das größte Problem der Patriots im Vorjahr. Die Anspielstationen um Cam Newton - den man ebenfalls gehalten hat - herum wurden in der Offseason hochkarätig und teuer verbessert. Der Fokus geht damit also wieder auf die Quarterback-Situation.

Hier sind Newton und Jarrett Stidham aus dem Vorjahr übrig, hinzu kommt Erstrunden-Rookie Mac Jones, der gerade eine sensationelle College-Saison hingelegt hat.

Aber eben diese Personalie führt zu einem großen Fragezeichen, denn wer letztlich über die Saison hinweg starten wird, ist völlig offen. Newton könnte dies sein, genauso gut wäre aber auch Jones vom Start weg als Starter denkbar.

Newtons Vorteil ist die Tatsache, dass er nun im zweiten Jahr in New England ist und die Abläufe sowie das System besser kennt. Und durch die Upgrades der Offense kommt diese ihm theoretisch nun besser entgegen, speziell mit den starken Receiving-Tight-Ends. Auf der anderen Seite muss Newton aber nun auch Topleistungen zeigen, die über seine offensichtliche Gefahr in der Red Zone hinausgehen.

Eine Option wäre es, mit Newton zu beginnen und zu schauen, ob Jones im Laufe des Jahres nicht vielleicht doch ein signifikantes Upgrade wäre, da er in einer klassischeren Offense als Pocket Passer klare Vorteile gegenüber Newton hatte, was Decision-Making und Reads angeht. Dass aber eben dies überhaupt zur Diskussion steht, und wie drastisch der stilistische Unterschied zwischen den beiden Quarterbacks wäre, zeigt, dass hier eine größere Baustelle besteht.

Die Wide Receiver der Tennessee Titans neben A.J. Brown

Die wichtigsten Neuzugänge: Josh Reynolds, Dez Fitzpatrick, Racey McRath, Marcus Johnson, Fred Brown

Insgesamt machte die Offense der Titans einen guten Eindruck und legt sehr viel vom Play-Action-Spiel, in dem Quarterback Ryan Tannehill aufblüht.

Im Vorfeld der neuen Saison stellt sich jedoch die Frage, zu wem er künftig eigentlich werfen soll. Klar ist, dass A.J. Brown die beste Anspielstation bleibt. Doch gingen mit Corey Davis, Adam Humphries und Tight End Jonnu Smith - neben Offensive Coordinator Arthur Smith - drei der Top-5-Passempfänger des Vorjahres von Bord. Und es sieht nicht so aus, dass jene adäquat ersetzt wurden.

Josh Reynolds könnte sich als Glücksgriff erweisen, nachdem er seine beste Saison bislang im Vorjahr bei den Rams hatte und auch in Tennessee im Slot spielen dürfte. Jedoch dürfte er seine ideale Rolle als Nummer 3 oder 4 in einer Offense haben. Aktuell jedoch sieht er wie die Nummer 2 aus, da hinter Brown wenig offensichtliches Potenzial vorhanden scheint.

Freilich könnte ein Trade bis zum Saisonstart - wie zum Beispiel für Julio Jones - die Situation deutlich verbessern. Aber wie realistisch ist das? Und wie teuer?

Stand jetzt müssen die Titans hoffen, dass sich unter den zahlreichen Ergänzungsspielern, die sich im Kader befinden, ein paar Glücksgriffe herauskristallisieren. Einer davon könnte Viertrundenpick Dez Fitzpatrick sein. Doch vor dem Training Camp ist es schwierig, hier eine Hierarchie zu erahnen.

Die Offensive Line der New York Giants

Die wichtigsten Neuzugänge: Center Jonotthan Harrison, Guard Zach Fulton, O-Liner Jackson Barton.

Die Offensive Line der Giants gehörte 2020 zu den schlechtesten der Liga, wobei speziell die Pass Protection das größte Problem darstellte. Sie ließ 50 Sacks und eine Adjusted Sack Rate von 7,9 Prozent zu (Platz 27 der Liga).

Infolgedessen gaben die G-Men ihren womöglich besten O-Liner, Guard Kevin Zeitler, an die Ravens ab. In puncto Neuzugängen hielten sie sich anschließend zurück, bekommen aber Offensive Tackle Nate Solder zurück, der auf die Vorsaison aufgrund von Covid-Bedenken verzichtete. Wie genau er nun ins große Ganze passt, wird sich zeigen. Die Vermutung ist jedoch, dass er Right Tackle spielen wird. Diese Rolle bekleidete im Vorjahr der geborene Backup Cameron Fleming, der letztjährige Rookie Matt Peart, der bei wenigen Einsätzen einen guten Eindruck hinterließ, ist aber auch ein Kandidat.

Die von Zeitler gerissene Lücke soll derweil Will Hernandez im Verbund mit Shane Lemieux schließen. Unter dem Strich wurde die Qualität auf dieser Baustelle nicht verbessert.

Dass auch Quarterback Daniel Jones eher zum Problem als zur Lösung beiträgt mit seiner Tendenz, den Ball zu lange zu halten, ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Aber die Idee ist aktuell eher, um ihn herum zu verbessern, damit er selbst auf dem Platz einen Schritt nach vorn machen kann. Und abgesehen davon, dass das Receiving Corps namhaft verstärkt wurde, scheint mit der O-Line an der falschen Stelle gespart worden zu sein.

Die Wide Receiver und Tight Ends der New Orleans Saints

Die wichtigsten Neuzugänge: Wide Receiver Kawaan Baker, Wide Receiver Easop Winston Jr., Wide Receiver Jalen McCleskey, Tight End Nick Vannett, Tight End Dylan Soehner

Abgesehen von der Frage, wer denn nun künftig Quarterback für die Saints spielen wird nach dem Karriereende von Drew Brees - hier herrscht zumindest eine gewisse Perspektive mit Jameis Winston und Ian Book neben Taysom Hill -, ist vor allem die Gruppe der Pass-Empfänger ein großes Fragezeichen.

Klar ist, dass Michael Thomas der Top-Receiver bleibt. Er gehört zur Elite der Liga und ist unumstritten. Doch was kommt dahinter? Tre'Quan Smith zeigte im Vorjahr ordentliche Ansätze, aber nicht die nötige Konstanz. Und die übrigen Receiver sind auf den ersten Blick bestenfalls Ergänzungsspieler.

Und auf Tight End wird die Sache nicht besser. Hier muss in erster Linie die Produktion von Jared Cook ersetzt werden, ein Abgang, der auf den ersten Blick nicht wirklich adressiert wurde. Wenn man so will, ist der beste Play-Making-Tight-End des Teams nun Taysom Hill, der aber QB spielen könnte, will und vielleicht auch aus Sicht von Head Coach Sean Payton auch sollte. Und das sorgt für ein gewisses Problem beim generellen Ansatz dieser Offense.

Wie das Scheme nun komplett ohne Brees aussehen wird, ist offen. Die vorhandenen QBs, Hill und Winston, sind jedenfalls keine Spezialisten fürs Kurzpassspiel - hier kann immerhin Running Back Alvin Kamara als Top-Target neben Thomas herhalten -, sodass der gesamte Ansatz wohl vertikaler werden sollte. Doch hier wiederum besteht das Problem, dass die vorhandenen Wide Receiver nicht unbedingt den Endspeed mitbringen, um das erfolgreich zu spielen.

Will heißen: Von außen betrachtet passt hier wenig zusammen, weshalb Sean Payton vor der vielleicht größten Herausforderung in seiner Zeit in New Orleans überhaupt steht.

Der Pass Rush der Atlanta Falcons

Die wichtigsten Neuzugänge: Edge-Rusher Barkevious Mingo, Edge-Rusher Jonathan Bullard, Edge-Rusher Ta'Quon Graham, Edge-Rusher Adetokunbo Ogundeji

Der Pass-Rush der Falcons war im Vorjahr eher unterdurchschnittlich unterwegs. Die Hoffnung war zu Beginn der Offseason, dass gerade über den Draft für Abhilfe gesorgt werden würde. Doch daraus wurde letztlich eher wenig.

So bleibt die Situation schwierig. Im Vorjahr sorgten einzig Defensive Tackle Grady Jarrett und Edge Dante Fowler für ein wenig Pass-Rush. Doch damit standen sie gewissermaßen allein da.

Die genannten Neuzugänge gehören derweil auch eher in die Kategorie Ergänzungsspieler, weshalb anzunehmen ist, dass auch in der kommenden Saison hier keine allzu große Steigerung zu erwarten ist.