Patrick Mahomes und Jalen Hurts werden in Super Bowl LVII Geschichte schreiben, denn sie sind die ersten zwei schwarzen Quarterbacks, die im Big Game aufeinander treffen. Doch warum dauerte das so lange und wer sind ihre wenigen Vorgänger?
Rassismus ist kein exklusiv-amerikanisches Problem, es ist ein weltweites Problem. Auch noch im Jahr 2023.
Betrachtet man diese Thematik mit Bezug auf die NFL, herrscht auch dort noch sehr viel Nachholbedarf. Erst am Mittwoch kam Roger Goodell ins Straucheln, als ihn NFL-Media-Reporter Jim Trotter mit der fehlenden Diversität im Milliarden-Unternehmen NFL konfrontierte. Eine Frage, die er bereits ein Jahr zuvor gestellt hatte.
Es ging dabei nicht mal um die Tatsache, dass es Stand jetzt nur drei schwarze Head Coaches in der NFL gibt. Oder dass Teameigner mit überwältigender Mehrheit weiß sind. Trotter ging es nur darum, dass es im NFL-Media-Segment keinen schwarzen Funktionär und nicht mal einen schwarzen Vollzeitangestellten am Newsdesk gibt.
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Der NFL fehlt es an Diversität. Das ist kein Geheimnis. Zwar gilt das nicht auf dem Spielfeld, wo laut Trotter irgendwo zwischen 60 und 70 Prozent der Spieler Schwarze sind. Doch auch dort herrscht zumindest immer noch eine merkliche Diskrepanz, was den Anteil schwarzer Quarterbacks angeht.
Umso wichtiger ist es, dass mit Patrick Mahomes und Jalen Hurts erstmals zwei schwarze Quarterbacks in einem Super Bowl gegeneinander antreten. Es ist ein klares Signal, dass Hautfarbe auch auf dieser Position kein Faktor ist. Und die NFL hat einen langen Weg hinter sich, um zu diesem Statement zu kommen.
NFL: Der Quarterback war per se ein Weißer
Vorurteile und Rassenhass spielten Jahrzehnte lang eine enorme Rolle, was die Positionen im Football angeht.
Auch wenn man schwarze Spieler lange Zeit schon geduldet hat, weil sie meist die besseren Athleten waren - das erkannte man damals schon zu Zeiten von Jim Brown, der in den 50er und 60er Jahren reihenweise Leuten davon oder durch sie durch lief und sicher der beste Spieler der Liga war -, so war ein Quarterback im Grunde per se ein Weißer. Schließlich ging es da nicht nur um körperliche Stärke, so die gängige Meinung der Vergangenheit.
Unvergessen bleibt etwa die Einschätzung des Hall-of-Fame-Funktionärs (!) Bill Polian, der einem Lamar Jackson vor dem Draft nahelegte, doch eher Wide Receiver oder Running Back zu spielen. Hat das irgendjemand von einem weißen QB verlangt? Kann sich jemand erinnern, dass Tim Tebow dies vor dem Draft gesagt wurde? Und Tebow hatte nicht im Ansatz die Fähigkeiten, die Lamar Jackson von Anfang an mitbrachte.
"Es ist ein historischer Moment, wir sind Teil davon. So viele vor uns haben das Fundament gelegt. Das wird ein spezieller Moment, der hoffentlich unsterblich wird", sagte Chiefs-QB Mahomes zum Start der Super-Bowl-Woche im Rahmen der Opening Night gegenüber Reportern. Der wohl wichtigste Satz von Mahomes in dem Zusammenhang war jedoch dieser: "Das zeigt Kids: Es ist möglich."
Generationen von Kindern, von angehenden Spielern, wurde immer wieder das Stereotyp eingehämmert, wer welche Position zu spielen hatte. Und das bringt uns auch zu dem traurigen Fakt, dass in 56 bisherigen Super Bowls lediglich sieben verschiedene schwarze Starting Quarterbacks aktiv waren. In neun Spielen, doch das ist immer noch ein verschwindend geringer Wert - lediglich acht Prozent der Starting QBs in Super Bowls waren Schwarze.
gettyNFL: Doug Williams erster schwarzer Quarterback im Super Bowl
Und es dauerte bis 1987, also Super Bowl XXII, bis endlich der Erste ran durfte. Der Pionier war Doug Williams, der die Franchise aus Washington zum Sieg über Star-QB John Elway und seine Denver Broncos führte.
Und Williams' Weg auf den Footballthron war wahrlich kein leichter. Er war ein Erstrundenpick der damals katastrophalen Buccaneers 1978, fuhr danach aber Karriere-Achterbahn. Er erlebte fünf durchwachsene Jahre bei den Bucs, war dann teilweise ganz raus und musste sogar in die USFL ausweichen. 1987 war er dann Backup von Starter Jay Schroeder, der sich gegen Saisonende verletzte, was Williams ins Rampenlicht brachte.
Er führte Washington in den Super Bowl und machte dort ein überragendes Spiel mit 340 Yards und 4 Touchdowns beim 42:10-Erfolg. Entsprechend wurde er zum MVP des Spiels gewählt.1989 beendete er seine Karriere und coachte eine Weile am College und in der NFL Europa. Seit Mitte der 00er Jahre arbeitete er als Funktionär für mehrere NFL-Teams und ist mittlerweile ein Senior Advisor bei den Commanders.
Er war einer, der den Anfang machte. Der weitaus größere Name seiner Generation war jedoch Warren Moon, der es in die Hall of Fame schaffte, aber nie einen Super Bowl spielte. Moon führte die Liga zwei Mal in Passing-Yards an, stand neun Mal im Pro Bowl und sieben seiner zehn Saisons bei den Houston Oilers gingen bis in die Playoffs.
Und wer weiß, wie viel mehr möglich gewesen wäre, hätte Moon seine Karriere auch in der NFL begonnen. Doch weil er trotz einer sehr erfolgreichen College-Karriere vor dem 1978er Draft nur als Late-Round-Pick galt, unterschieb er stattdessen bei den Edmonton Eskimos und ging in die CFL nach Kanada. Erst nach fünf aufeinanderfolgenden Titeln mit Edmonton war er ein begehrter Spieler auch in der NFL, und wagte den Wechsel.
NFL: Schwarze Quarterbacks im Super Bowl
Super Bowl | Quarterback | Team | Gegner | Ergebnis |
XXII | Doug Williams | Washington | Denver Broncos | 42:10 (MVP) |
XXXIV | Steve McNair | Tennessee Titans | St. Louis Rams | 16:23 |
XXXIX | Donovan McNabb | Philadelphia Eagles | New England Patriots | 21:24 |
XLVII | Colin Kaepernick | San Francisco 49ers | Baltimore Ravens | 31:34 |
XLVIII | Russell Wilson | Seattle Seahawks | Denver Broncos | 43:8 |
XLIX | Russell Wilson | Seattle Seahawks | New England Patriots | 24:28 |
50 | Cam Newton | Carolina Panthers | Denver Broncos | 10:24 |
LIV | Patrick Mahomes | Kansas City Chiefs | San Francisco 49ers | 31:20 (MVP) |
LV | Patrick Mahomes | Kansas City Chiefs | Tampa Bay Buccaneers | 9:31 |
LVII | Patrick Mahomes | Kansas City Chiefs | Philadelphia Eagles | TBD |
LVII | Jalen Hurts | Philadelphia Eagles | Kansas City Chiefs | TBD |
Neben Williams haben bisher lediglich Russell Wilson (Super Bowl XLVIII) und Mahomes (Super Bowl LIV) einen Super Bowl gewonnen.
Gerade Steve McNair, der 2003 zum Co-MVP neben Peyton Manning gewählt wurde, kam ganz nah dran, seinen Super Bowl gegen die Rams zu gewinnen, wenn Mike Jones nicht Kevin Dyson Inches vor der Goal Line gestoppt hätte. Und Colin Kaepernick verlor letztlich durch ein spätes Field Goal, nachdem er die Niners ins Spiel zurückgebracht hatte in einem chaotischen Spiel im Superdome.
Und vergessen wir nicht Russell Wilson, der beinahe sogar einen zweiten Super Bowl gewonnen hätte - wenn er Marshawn Lynch den Ball an der Goal Line gegeben hätte.
Auch wenn diese Stars der NFL nicht immer als Sieger vom Platz gegangen sind, haben sie gezeigt, dass man die bekannten Vorurteile so langsam mal ablegen sollte. Wer weiß, ob es ohne Moon und Williams einen McNair gegeben hätte. Ohne einen McNair einen Kaepernick oder Wilson. Und wie lange diese Dinge dann gedauert hätten.
Und ohne die beiden einen Mahomes? Letzterer ist vielleicht der größte QB der nächsten zehn bis 15 Jahre, den wir ohne seine Vorreiter, die mit viel Gegenwind zu kämpfen hatten, vielleicht nie in der Form in der Liga gesehen hätten. Sie haben den Weg geebnet für eine bessere Zukunft für schwarze Quarterbacks in der NFL und damit für eine bessere NFL.
gettyNFL: Diversität auf allen Ebenen muss her!
Allerdings blieb der Weg für schwarze Quarterbacks auch nach diesen Erfolgen in der NFL ein steiniger. Erst im Jahr 2017 hatte jede Franchise mindestens einen schwarzen Starter als Quarterback in ihrer Geschichte - im Dezember des Jahres durfte Geno Smith für die New York Giants ran und ließ auch diese Franchise in diese Liste aufsteigen. Die Colts und Patriots brauchten bis 2016, um aufgenommen zu werden, die Packers bis 2013.
Im Jahr 2022 waren es immerhin 13 schwarze QBs, die mindestens ein Spiel für ihr Team starteten - einige davon allerdings nur als Spot-Starter und zwei fürs selbe Team (Brissett, Watson bei den Browns).
Immerhin darf sich die Liga mit Alabamas Bryce Young auf den designierten First-Overall-Pick im kommenden Draft freuen, doch wird uns dieses Thema noch sehr lange verfolgen.
Mindestens so lange, bis auch der Anteil an schwarzen Coaches, General Managern und - vielleicht sogar - Ownern ausgeglichener sein wird.