Mit den Washington Redskins erlebte Pierre Garcon zuletzt turbulente Jahre - inklusive des Quarterback-Wechsels von Robert Griffin III hin zu Kirk Cousins. Im SPOX-Interview spricht der Receiver über Vergleiche zwischen Cousins und Peyton Manning, berichtet vom zähen Draft-Prozess und gewährt Einblicke in seine Fußball-Vergangenheit. Den deutschen Receiver-Kollegen Moritz Böhringer hat der 29-Jährige bereits unter seine Fittiche genommen.
SPOX: Herr Garcon, die vergangene Spielzeit ist längst im Rückspiegel: Wie läuft die Saisonvorbereitung?
Pierre Garcon: Ich trainiere im Moment zuhause, in Florida: Morgens von etwa 8.30 bis 10 Uhr wird trainiert, dazu kommt manchmal noch eine Einheit am Nachmittag oder am Abend. Ich arbeite mit einigen anderen Sportlern, anderen Profis zusammen. Wir sind jeden Tag etwa zehn bis zwölf Jungs, abends aber trainiere ich dann alleine. Ich persönlich versuche dabei, mich auf die Basics zu konzentrieren. Zwischendurch nehme ich mir aber auch Zeit für die Familie.
SPOX: In Washington hatten Sie eine ziemlich verrückte Saison, kamen dann aber sogar noch in die Playoffs - mit Kirk Cousins als Quarterback. Sie als Receiver waren von dem QB-Wechsel von Robert Griffin III hin zu Cousins natürlich besonders betroffen. Wie bewerten Sie den Tausch und die Saison rückblickend?
Garcon: Oh, es war eine tolle Saison! Wir hatten einige Game-Winning-Drives und haben Spiele spät gewonnen, so etwas bleibt dir natürlich in Erinnerung. Solche Erlebnisse brauchst du als Team und darauf willst und kannst du dann auch aufbauen. Ich freue mich auch deshalb jetzt schon extrem auf die kommende Saison. Einige Schlüsselspieler wurden gehalten und ich bin unheimlich motiviert, mich mit dem ganzen Team weiter zu entwickeln.
SPOX: Robert Griffin III ist keiner der Spieler, die zurückkommen - stattdessen hat er vor kurzem bei den Cleveland Browns unterschrieben. Stehen Sie beide noch in Kontakt?
Garcon: Ja absolut, wir unterhalten uns noch gelegentlich, wir sind noch immer Freunde. Robert ist ein toller Typ! Aber wir sind in der NFL, und jeder hier weiß, dass man irgendwann einmal das Team wechselt. Die wenigsten Spieler verbringen ihre komplette Karriere bei einem Team. Aber wir sind wie gesagt nach wie vor Freunde.
SPOX: Haben Sie ihn schon gefragt, warum er sich ausgerechnet für Cleveland entschieden hat?
Garcon: Ich bin mir sicher: Jeder hat seine Gründe für seine Entscheidungen. Aber ich habe nicht konkret nachgefragt, nein. Ich freue mich einfach für Robert, dass er ein neues Team gefunden hat und seine Football-Karriere weiter verfolgen kann.
RG3 in Cleveland: Umweg statt Sackgasse?
SPOX: Als ich für das Interview recherchiert habe, habe ich festgestellt: Sie haben ja mal Fußball gespielt! Wie steht es denn um die Fußball-Skills?
Garcon: Ich kann einen Ball noch auf dem Fuß jonglieren! (lacht) Ich habe Fußball gespielt, als ich aufgewachsen bin, bis in die High School. Wir haben jeden Samstag gespielt. Es hat mir immer viel Spaß gemacht und ich bin froh, dass ich früher Fußball gespielt habe. Natürlich habe ich irgendwann dann voll zum Football gewechselt, aber Fußball war für mich eine perfekte Grundlage, um später zum Football zu gehen.
SPOX: Dann kehren wir doch auch zum Football zurück. Ihre Profi-Karriere haben Sie in Indianapolis ja gleich mit einem der besten Quarterbacks überhaupt begonnen: Peyton Manning war Ihr erster NFL-Quarterback. Wie ist es, Receiver von Peyton Manning zu sein? Wie kann man sich die Vorbereitung und das Zusammenspiel vorstellen?
Garcon: Es war wirklich toll, mit Manning zusammen zu arbeiten! Ein toller Mensch, natürlich ein toller Quarterback und ein extrem harter Arbeiter. Für ihn war es immer extrem wichtig, dass alle auf der gleichen Wellenlänge sind. Peyton will, dass seine Receiver das Spiel so sehen, wie er es sieht: dass wir die Coverage erkennen, dass die Kommunikation stimmt, dass jeder genau versteht, was er will. Ich bin wirklich froh darüber, dass ich mit ihm arbeiten durfte. Ich habe sehr viel von ihm gelernt.
SPOX: War es in Ihren Augen die richtige Entscheidung, dass Manning seine Karriere nach der vergangenen Saison beendet hat?
Garcon: Ich glaube schon, ja. Ich freue mich wirklich für ihn, dass er den Super Bowl gewonnen hat und als Champion abtreten kann. Man will doch, dass eine solche Karriere mit einem Titel endet. Peyton muss niemandem mehr etwas beweisen, er hat in der NFL alles erreicht. Jetzt hat er zwar seine aktive Karriere beendet, aber ich bin mir sicher, dass er dem Football erhalten bleiben wird.
SPOX: Vielleicht ein gewagter Vergleich, aber sehen Sie schon Dinge von Peyton in Kirk Cousins? Natürlich steht Kirk noch ganz am Anfang seiner Karriere als Starter...
Garcon: ...doch, einige Ähnlichkeiten kann man schon beobachten. Kirk stellt dir unter der Woche viele Fragen, wie Peyton auch. Die Kommunikation ist ihm sehr wichtig und daran arbeitet er auch die ganze Zeit. Er weiß, wo er sich verbessern will, er schaut viel Tape. Kirk arbeitet hart, und auch wenn er natürlich noch einen weiten Weg vor sich hat: Er bewegt sich in die richtige Richtung.
SPOX: Stichwort "richtige Richtung": Moritz Böhringer steht tatsächlich noch komplett am Anfang seiner Football-Karriere, mit seinem starken Pro Day hat er allerdings Scouts und Medienvertreter gleichermaßen in seinen Bann gezogen.
Garcon: Das war wirklich eine Überraschung. Hier arbeiten viele der jungen Spieler monatelang auf die Combine hin, um da gute Zahlen abzuliefern. Ich weiß noch, dass wir drei Monate dafür trainiert und uns vorbereitet haben. Das ist einer der wichtigsten Tage auf dem Weg zum Draft: Wenn du eine gute Combine hinlegst, verbesserst du deine Draft-Chancen. Wenn dann jemand einfach aus dem Flieger steigt, hier herkommt und ohne gezieltes Combine-Training dann solche Zahlen auflegt zeigt das, wie talentiert er ist.
Böhringer: "QB? Langweilige Position"
SPOX: Dann gibt's natürlich auch die Interviews. Da hört man ja immer wieder von den verrücktesten Fragen, die Teams den Prospects stellen...
Garcon: (lacht) ... und du darfst auf keinen Fall eine verrückte Antwort geben! Ich habe mich auf diesen Aspekt nicht gezielt vorbereitet, ich kam ja von einem kleinen College, Teams haben da nicht so extrem nachgefragt. Für mich gab's keine verrückten Fragen.
SPOX: Wie ist ansonsten Ihr Eindruck von Böhringer? Sie sehen ihn im Moment ja häufiger, auch im Training.
Garcon: Die meisten von uns spielen schon ihr ganzes Leben lang Football. Mo muss natürlich noch einige der Grundlagen verinnerlichen, damit er noch besser wird, darüber haben wir gesprochen. Er hatte es noch nicht mit absoluten Top-Gegnern zu tun, aber mit seiner Größe und seiner Geschwindigkeit bringt er schon viel mit. Jetzt muss er einfach weiter hart arbeiten. Ich habe ihm schon einige Tipps gegeben.
SPOX: Arbeiten Sie selbst gerne mit jungen Receivern und greifen ihnen unter die Arme? Immerhin könnten die Ihnen irgendwann ja mal den Job streitig machen.
Garcon: Keine Frage, das macht mir wirklich Spaß. Ich sehe es immer gerne, wenn sich andere Jungs gut schlagen, eine Karriere in der NFL hinlegen und so ihre Familien unterstützen können. Ich gebe den jungen Spielern gerne Tipps - denn in der NFL zu spielen ist ein toller Job. Wenn du das einmal gemacht hast, willst du nichts anderes mehr machen. Ich selbst kann ohnehin nicht für immer spielen, deshalb gebe ich den Jungs gerne etwas weiter.
SPOX: Da dürfte im Moment auch die eine oder andere Frage auf Sie zukommen, immerhin haben Sie den ganzen Draft-Prozess selbst auch durchgemacht - und mussten damals bis in die sechste Runde warten. Wie sind diese Tage für ein Prospect? Ich stelle mir das als eine ziemliche Nervenprobe vor...
Garcon: Ja, das trifft es ganz gut. Letztlich weißt du einfach nicht, was passiert. Du könntest plötzlich früher gedraftet werden, oder du wartest vielleicht auch länger als erwartet. Gleichzeitig aber macht es auch Spaß, immerhin entscheidet sich auch ein Stück weit deine Zukunft. Ich war die Tage über bei meiner Familie, und es war schon eine Achterbahnfahrt. Letztlich musste ich bis in die sechste Runde warten, aber so etwas gibt mir nur zusätzliche Motivation. Du musst unter dem Strich einfach das Beste daraus machen.
SPOX: Für Sie steht sicher auch die kommende Saison wieder unter diesem Motto - immerhin läuft Ihr Vertrag aus. Was ist dran an dem Gerücht, dass Sportler immer besonders motiviert in ein Contract Year gehen?
Garcon: Ich bin immer motiviert, weil ich mich immer darauf freue, Football zu spielen. Ich will immer gut spielen und liebe den Wettbewerb, egal ob es das letzte Vertragsjahr ist. In der NFL kann man ohnehin jederzeit entlassen werden, unabhängig von deiner Vertragssituation. Man könnte sagen: Ich gehe jeden Tag so an, als wäre es ein Contract Day.
SPOX: Immerhin kennen Sie die Situation ja zumindest zum Teil schon: Nach dem Ende Ihres Rookie-Vertrages haben Sie die Colts verlassen und in Washington unterschrieben. Wie ist es für einen Spieler, zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere plötzlich auf den Markt zu kommen?
Garcon: Das ist in meinem Fall einfach zu beantworten: Washington hat mich als erstes angerufen und eingeladen. Ich wollte zu einem Team gehen, das mich auch wirklich will und den Eindruck hatte ich schnell bekommen. Deshalb habe ich mich dann auch relativ schnell für Washington entschieden.
SPOX: Also stimmt es, dass in der Free Agency das erste Team, das ernsthaftes Interesse zeigt, gleich mal in der Pole Position ist?
Garcon: Das spielt eine große Rolle, absolut. Klar, Spieler haben bestimmte Vorstellungen was das Gehalt oder das neue Team generell angeht. Aber wenn dich ein Team wirklich verpflichten will, dann musst du es auch zumindest in Betracht ziehen.