Die laufende Free Agency war für die meisten Running Backs eher eine frustrierende Angelegenheit - für manche ist sie es auch noch. Adrian Peterson etwa sucht nach wie vor ein Team, Eddie Lacy hat in Seattle lediglich einen Einjahresvertrag erhalten. Zumindest Marshawn Lynch sorgt für frischen Wind, doch woran liegt der schwierige Markt für Running Backs? Welchen Teams sind dennoch gute Verpflichtungen gelungen, die noch unter dem Radar fliegen? Und was kann Lacy bei den Seahawks reißen?
1. Warum ist der Markt für Peterson und Co. so schwierig?
Keine andere Positionsgruppe tat sich seit dem Start der Free Agency auch nur ansatzweise so schwer wie die Running Backs: Adrian Peterson wurde zwar mit mehreren Teams in Verbindung gebracht, nicht selten kamen diese Gerüchte allerdings aus seinem Lager. Ein möglicher Wechsel zu den Patriots, den Raiders, oder den Seahawks wurde diskutiert. Herausgekommen ist bislang nicht mehr als ein ergebnisloser Besuch in Seattle.
Peterson ist in gewisser Weise das Gesicht des mehr als zähen Running-Back-Marktes, doch ist er längst nicht das einzige Opfer. Auch etwa ein Jamaal Charles oder ein LeGarrette Blount suchen noch immer nach einem neuen Team. Auch Latavius Murray musste sich eine ganze Weile gedulden ehe er schließlich bei den Vikings unterschrieb und das gilt ebenfalls für Eddie Lacy, der inzwischen bei den Seahawks untergekommen ist.
Was also macht es den Running Backs in dieser Free Agency so schwer? Es gibt verschiedene Gründe - individuelle, aber auch übergreifende. Zu letzterem Punkt zählen unter anderem die Bedürfnisse der sonst für ihre Spendierhosen bekannten Teams. Die Jaguars, Browns, Dolphins, Titans oder auch die Cowboys, also Teams, die in der Free Agency gerne mal Geld ausgeben oder sich einen großen Namen holen, brauchten allesamt keinen Running Back.
Wo also etwa Jacksonville im Vorjahr noch Geld für Chris Ivory in die Hand nahm, wurde dieses Mal anderweitig investiert. Cleveland (Isaiah Crowell, Duke Johnson) und San Francisco (Carlos Hyde), die beiden Teams mit dem meisten Cap Space, haben zumindest auf dieser Position Talent. Dazu kommt die Tatsache, dass es ein tiefer Running-Back-Draft ist. Warum also mehrere Millionen für einen Routinier in die Hand nehmen, wenn man einen Viert-, Fünft-, oder Sechstrunden-Pick für entschieden weniger Geld verpflichten kann, der zumindest als Co-Starter funktioniert?
Gewinner und Verlierer der Free Agency: Fullbacks, Patriots - und die Browns?!
Die zehn Running Backs, die in der Vorsaison Teams den größten Cap Hit verursacht hatten, waren: Adrian Peterson, Jonathan Stewart, Doug Martin, LeSean McCoy, DeMarco Murray, C.J. Anderson, Lamar Miller, Jamaal Charles, Darren Sproles, und Shane Vereen. Aus dieser Gruppe rangierten sechs Spieler außerhalb der Top-50 was Rushing-Yards angeht. Teure Verträge für Running Backs lohnen sich schlicht in den meisten Fällen nicht (mehr), außerhalb von Running Back/Receiver-Hybriden wie Le'Veon Bell und David Johnson ist der Wert der Backs klar gesunken.
Investitionen in die Offensive Line sind dann meist zweckdienlicher, das war im Vorjahr in Minnesota und auch in Seattle deutlich sichtbar. Peterson ist in diesem Zusammenhang nochmals ein Sonderfall: Der inzwischen 32-Jährige dürfte sich kaum mit einer Rolle als 2-Down-Back - realistisch betrachtet angesichts seiner mangelnden Fähigkeiten als Pass-Protector und Receiver sein Platz in der heutigen NFL - zufrieden geben, will für einen Titelanwärter spielen, und dabei noch mutmaßlich ordentlich verdienen. Eine mehr als unrealistische Kombination.
2. Was dürfen die Seahawks von Eddie Lacy erhoffen?
Für Lacy ging es dann letztlich, nachdem die erste große Free-Agency-Welle vorüber war, doch vergleichsweise schnell. Der 26-Jährige einigte sich zu Beginn der vergangenen Woche mit den Seahawks, also "nur" fünf Tage nach dem offiziellen Beginn der Free Agency.
Auch die Packers hatten Interesse an einem Verbleib gezeigt. Das wäre womöglich noch größer gewesen, hätte Lacy 2016 mehr als fünf Spiele absolvieren können. Immerhin kam er körperlich fit in die Saison und stand bei 5,1 Yards pro Run (360 Rushing-Yards insgesamt), als die Spielzeit für ihn vorzeitig beendet war.
Erlebe die NFL Live und auf Abruf auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat
Und doch bleiben große Fragen, was Lacys Disziplin angeht. Der einstige Zweitrunden-Draft-Pick soll bei einem seiner drei Free-Agency-Teambesuche (Seattle, Green Bay, Minnesota) rund 121 Kilo gewogen haben - deutlich über seinem normalen Spielgewicht. Hawks-Coach Pete Carroll kündigte zwar schon an, dass er Lacy "schwer" wolle. Dennoch hat Seattle einen Gewichtsbonus in Höhe von 385.000 Dollar in den Einjahresvertrag geschrieben, um den Running Back auf sein Idealgewicht (Carroll will ihn wohl auf etwa 108 Kilogramm) zu bekommen und ihn darauf zu halten.
Falls Lacy also abspeckt und diszipliniert bleibt - und das ist ein großes "falls": Was kann Seattle sportlich erwarten? Das Tape aus der vergangenen Saison gibt, auch wenn es vergleichsweise wenige Snaps sind, einige Hinweise. So fällt auf, dass Lacy insgesamt etwas langsamer ist, die Explosivität fehlt ihm teilweise deutlich. Das führt dazu, dass er Probleme damit hat, Runs aus der Mitte nach außen zu tragen. Nicht selten war er dafür schlicht zu langsam.
Green Bay konterte das, indem man ihm immer wieder Pitches, also einen zur Seite geworfenen statt direkt übergebenen Handoff durch den Quarterback, gab. Dadurch erhielt Lacy einen "Vorsprung" auf dem Weg zur Seite. Sichtbar ist aber auch, dass er nach wie vor Power hat, vor allem durch die Mitte (im Schnitt 3,4 Yards nach erstem Gegnerkontakt, 19 durchbrochene Tackles). Dabei profitierte Lacy ganz besonders von blockenden Fullbacks, worauf die Packers auffallend häufig setzten. Hieran dürfte auch Seattle anknüpfen, um wieder eine Spur von dem Marshawn-Lynch-Run-Game zu bekommen.
Jackson, Marshall und Co.: Die Top-Verpflichtungen der Free Agency
Seattle hatte zwischen 2012 und 2015, als Lynch das Herzstück der Offense war, im Schnitt 517,5 Runs und 442 Pässe pro Jahr. Erstmals seit 2012 verzeichneten die Seahawks in der vergangenen Saison mehr Pässe als Runs, und das deutlich (567:403), in der Folge stand Seattle lediglich auf Rang 18 in Sachen Punkte pro Spiel. Somit ist es wenig überraschend, dass Carroll wieder zurück zumindest zu einer besser ausbalancierten Offense will.
Dabei muss Seahawks-Fans allerdings auch klar sein, dass man Lynchs Rolle zu seinen Hochzeiten nicht einfach so kopieren kann. Lacy hat über die ersten beiden Jahre seiner Karriere zwar gezeigt, dass er ein Top-10-Back sein kann und die Kombination aus Power und Explosivität ist grundsätzlich auch vorhanden. Noch hat er keine Saison mit unter 4,1 Yards pro Run beendet.
Doch ist Seattles O-Line deutlich schwächer, als die der Packers - und Lacy braucht Platz und gute Blocks, um in den zweiten und dritten Gang zu schalten. Im Schnitt haben die Hawks im vergangenen Jahr pro Run nur 1,7 Yards vor ersten Gegnerkontakt frei geblockt, 2015 waren es gar nur 1,5.
3. Wo liegen die Under-the-Radar-Verpflichtungen?
Rex Burkhead (Bengals) zu den Patriots: Ein Jahr, 3,15 Millionen Dollar - für Patriots-RB-Verhältnisse erhielt Burkhead schon fast einen Mega-Deal. Der 26-Jährige glänzt, wie so viele Spieler in New England, mit seiner Vielseitigkeit: In Cincinnati war er einer der Top-Special-Teamer. Es wird spannend sein zu sehen, wie New England Burkhead in der Offense einsetzt, bedenkt man, dass die Patriots mit Dion Lewis und James White schon zwei sehr gute Pass-Catching-Backs haben. Burkhead (74 ATT, 344 YDS, 2 TD; 17 REC, 145 YDS 2016) könnte also bei First und Second Down eingesetzt werden, für die Bengals zeigte er hier gute Ansätze: In der vergangenen Saison gelangen ihm durchschnittlich drei Yards nach erstem Gegnerkontakt, zudem erzwang er elf Missed Tackles bei nur 74 Laufversuchen.
Die aggressive Patriots-Free-Agency: Mit Pauken und Trompeten
Danny Woodhead (Chargers) zu den Ravens: Seit Jahren einer der besten Pass-Catching-Backs in der NFL. In seiner letzten vollen Saison (2015) verzeichnete Woodhead 80 Catches für 755 Yards und sechs Touchdowns, die vergangene Spielzeit verpasste er dann infolge eines Kreuzbandrisses nahezu komplett. Die Ravens waren in der vergangenen Saison mit 679 Pässen (ligaweit die meisten) und nur 367 Runs (die drittwenigsten) eines der unausgeglichensten Teams der Liga, Joe Flacco warf 204 Mal bei Third Down. Hier ist Woodhead die perfekte Antwort: Nicht zwangsläufig für mehr Balance, wenngleich er bei den Chargers auch an der Goal Line eingesetzt wurde. Aber um Flacco eine exzellente Option bei Third Down zu geben.
Andre Ellington (Cardinals) bleibt in Arizona: Die Cardinals haben mit David Johnson einen der Top-3-Backs der NFL - und einen der in der ersten Frage angesprochenen Hybrid-Running-Backs. Der 25-Jährige verpasste in der Vorsaison eine 1.000/1.000-Yard-Saison nur knapp (1.239 Rushing-Yards, 879 Receiving-Yards; insgesamt 20 Touchdowns) und steht noch zwei Jahre unter seinem Rookie-Vertrag zur Verfügung. Ellington ist dahinter fast ein wenig in Vergessenheit geraten, dabei hatte er in seinen ersten beiden Jahren (2013 und 2014) 39 beziehungsweise 46 Catches, bei 652 und 660 Rushing-Yards. Der 28-Jährige ist längst nicht so ein physischer Freak wie Johnson, in vielerlei Hinsicht aber eine Art Johnson Light. Für ein Jahr und 905.000 Dollar haben die Cards hier eine günstige Absicherung.
Darren McFadden (Cowboys) bleibt in Dallas: Ähnlicher Fall wie in Arizona. Dallas hat seinen Running Back für die nächsten Jahre im Draft gefunden, Ezekiel Elliott wurde den angesichts seiner starken Offensive Line zusätzlich hohen Erwartungen mehr als gerecht. McFadden dagegen absolvierte vereltzungsbedingt nur drei Spiele, doch der 29-Jährige hat 2015 mit 1.089 Rushing-Yards (4,6 Yards pro Run) gezeigt, dass er durchaus noch etwas im Tank hat. Ein fitter McFadden sollte die Last auf Elliotts Schultern ein wenig erleichtern und so verhindern, dass der Youngster nochmals 354 Touches in der Regular Season hat. Auch McFadden ist zudem mit 980.000 Dollar für ein Jahr ein Schnäppchen.
4. Wer profitiert vom zähen Running-Back-Markt?
Die College-Running-Backs sind die wohl größten Nutznießer. Immer mehr Teams verstehen, dass es sinnvoller ist, regelmäßig einen Back zu draften und, wenn einer einschlägt, ihn nach vier Jahren ziehen zu lassen und das Spielchen zu wiederholen. Bestes Beispiel hierfür sind aktuell die Raiders: Latavius Murray gelangen in drei Jahren 2.278 Rushing-Yards und 20 Touchdowns, der ehemalige Sechstrunden-Draft-Pick erhält seinen zweiten (und somit teuren) Vertrag jetzt von den Vikings (3 Jahre, 15 Millionen Dollar, 8,5 Millionen garantiert).
Der Brock-Schock: 5 Fragen zum Trade von Brock Osweiler
Fast gleichauf allerdings liegen die Offensive Linemen. Ob Kevin Zeitler (31,5 Mio. garantiert), Matt Kalil (31 Mio. garantiert), Russell Okung (25 Mio. garantiert) oder Riley Reiff (26,3 Mio. garantiert) - O-Liner haben in dieser Free Agency kräftig abgeräumt. Gleich neun Spieler erhielten Garantien über mindestens 15 Millionen Dollar.
Nicht zufällig rüsteten Teams wie Minnesota und Detroit hier auf: Die Vikings (3,2 Yards pro Run) und die Lions (3,7) hatten 2016 je zwei der schwächsten Run Games überhaupt. Zwar kann in seltenen Fällen ein Running Back eine schwache Offensive Line bis zu einem gewissen Grad überspielen. Doch in die O-Line zu investieren und dafür auf der Running-Back-Position günstiger unterwegs zu sein, lohnt sich langfristig schlicht mehr - und hilft etwa auch dem Quarterback.
Eine dritte Gruppe kann man zwar nicht als direkte Profiteure bezeichnen, doch floss zumindest etwas Geld, das früher noch zu den Running Backs ging, in diesem Jahr in die Taschen der Fullbacks. Kyle Shanahan hat in der Vorsaison in Atlanta gezeigt, dass man einen Fullback kreativ in eine moderne Offense einbinden kann: Patrick DiMarco war einer der besten Run-Blocker, überraschte gleichzeitig aber auch als Receiver aus dem Backfield gegnerische Defenses.
Als Run-Blocker, Pass-Protector und Receiver hat ein moderner Fullback fraglos einen Wert - nicht umsonst erhielten DiMarco (4 Jahre, 8,4 Mio., 4,8 Mio. garantiert), der nach Buffalo ging, und Kyle Juszczyk (4 Jahre, 21 Mio., 9,7 Mio. garantiert), den Shanahan prompt nach San Francisco holte, langfristige Verträge, bevor die ersten Running Backs über den Ladentisch gingen.
5. Passt Marshawn Lynch zu den Raiders?
So schwierig der Markt auch sein mag: Die Schlagzeilen der vergangenen Tage gehörten fraglos einem Running Back. Das kolportierte Comeback von Marshawn Lynch sorgt für Interesse und Faszination, Lynch hatte erst nach der 2015er Saison seinen Rücktritt verkündet und die vergangene Spielzeit ausgesetzt.
Informationen von NFL-Network-Insider Ian Rapoport zufolge ist ein Comeback aktuell "wahrscheinlicher als jemals zuvor", darüber hinaus kämen für den 30-Jährigen demnach nur die Raiders in Frage. Lynch ist in Oakland geboren und aufgewachsen, nach wie vor hat er enge Bande zu seiner Heimatstadt. Sollte es letztlich mit den Raiders nicht klappen, würde der Running Back wohl im Ruhestand bleiben. Das wirft die Frage auf: Macht es für Oakland überhaupt Sinn, Lynch zurück zu holen?
Erlebe die NFL Live und auf Abruf auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat
Die Fakten: Klar ist, dass die Raiders nach dem Abgang von Latavius Murray einen neuen First-(und Second-)Down-Back brauchen. Pass-Catching-Backs haben sie mit DeAndre Washington und Jalen Richard bereits. Doch kann Lynch diese Rolle noch ausfüllen? Seine letzte Saison in Seattle war von Verletzungen geprägt, Lynch gelangen in der Regular Season lediglich 3,8 Yards pro Run (417 Rushing-Yards, 3 TDs), und die Seahawks hatten damals noch eine der besseren Run-Blocking-Lines.
Auf der anderen Seite hat Lynch über die letzten vier Jahre 245 Missed Tackles verursacht, kein anderer Spieler hatte über 179 (DeMarco Murray) - und hier ist das Vorjahr, das Lynch ausgesetzt hat, mit einberechnet. Mit seiner Kombination aus Power und Explosivität kann Lynch noch immer ein überdurchschnittlicher Starter sein, vorausgesetzt die Berichte, wonach er sich für 2017 fit gehalten hat, sind korrekt.
Gesundheitlich sollte ihm die einjährige Pause jedenfalls gut getan haben, in Oakland würde er hinter einer der besten O-Lines der Liga laufen. Darüber hinaus kann Lynch vom Scheme her aus verschiedenen Formationen heraus laufen und ist im Passing Game zumindest wertvoller als etwa Adrian Peterson. Als Präsenz im Backfield würde er, in der Theorie, Aufmerksamkeit durch die Defense fordern, und damit das ohnehin starke Passing Game noch effektiver machen.
Nicht zu vergessen ist allerdings: Lynchs Rechte liegen nach wie vor bei den Seahawks, die ihn erst entlassen oder einem Trade zustimmen müssten, damit er anderswo unterschreiben kann.