Die Washington Redskins haben sich vor der Saison gegen die andauernde Franchise-Tag-Saga mit Kirk Cousins und für eine Zukunft mit Alex Smith entschieden. Der bis vor letzter Saison als Risiko meidender Quarterback verschriene 34-Jährige legte im letzten Jahr Karrierehöchstwerte auf und eine ungewohnte Aggressivität an den Tag. Doch wie ist nun der Plan der Redskins mit Smith?
Es war eine ruhige Offseason in Washington. Eine sehr ruhige. Davon war nach dem großen Quarterback-Trade während der Super-Bowl-Woche keineswegs auszugehen. Denn die Redskins investierten teuer für eine vermeintlich sicherere Zukunft. Cornerback Kendall Fuller und ein Drittrundenpick wurden für den 34-jährigen Alex Smith nach Kansas City gesendet.
Doch verpflichteten die Redskins daraufhin weder einen Hochkaräter in der Free Agency, noch kündigten sie ihrem Coach oder ihrem Eigentümer. Und dank dem Smith-Trade gehört auch das Hick-Hack um die Vertragsverlängerung von Kirk Cousins der Vergangenheit an.
Der neue Quarterback der Minnesota Vikings trieb die Franchise nämlich über die vergangenen Offseasons mit seinen Forderungen schier in den Wahnsinn. Forderungen, die ihm nun im hohen Norden endlich erfüllt wurden. Der kontinuierliche Stillstand im Vertragspoker, der gleich zweimal in einem teuren Franchise Tag und beinahe sogar in einem weiteren resultierte, ist endlich vorbei. In Smith erhalten die Redskins einen Veteranen, der in seine 14. Saison geht und sich erst 2017 seines eigentlichen Rufes entledigte. Dem des risikoscheuen Verwalters.
Alex Smith glänzt als effektiver Deep Passer
Hier nämlich überraschte er schon in Week 1 mit einer hervorragenden Performance den Super-Bowl-Champion, nur um das Niveau im weiteren Verlauf der Saison aufrecht zu erhalten. Mit 62 Pass-Versuchen über 20 Yards oder mehr warf er achtmal häufiger über die Distanz als in der Saison 2006. Seiner ersten Saison als Starter und der Saison, die den bisherigen persönlichen Höchstwert in Sachen Pässen über diese Entfernung darstellte.
Stattdessen ging Smith nach einer schweren Schulterverletzung, die ihn die gesamte 2008er-Saison kostete, immer seltener Risiko. Weniger als 9 Prozent seiner Passversuche flogen in den letzten beiden Spielzeiten seiner Ära in San Francisco 2012 über 20 Yards oder mehr. Coach Andy Reid trimmte diese Zahl 2014 in Kansas City sogar auf 5,2 Prozent.
Nichts also sprach dafür, dass Smith jemals als gefährlicher Deep Passer gegnerische Defensive Coordinators Sorgenfalten ins Gesicht treiben könnte. Doch strafte er seine Kritiker lügen. Nicht nur unternahm er den angesprochenen Karrierehöchstwert in weiten Pass-Versuchen, er brachte sie auch noch in enorm effizientem Maße an seine Receiver. Mehr als die Hälfte dieser Pässe (54,2 Prozent) kamen an und sorgten für 30 Prozent der gesamten Passing Yards der Chiefs 2017. Zweitbester in der Kategorie Completion Percentage bei weiten Pässen war zum Vergleich Drew Brees mit 46 Prozent bei 61 weiten Pass-Versuchen.
Washington Redskins: Supporting Cast für Smith kaum schlechter?
Angesichts des enorm starken Supporting Casts und den meist günstigen Ausgangssituationen in Spielen der Chiefs wird Smith diese Zahlen in Washington voraussichtlich nicht bestätigen können. Aus den Super-Waffen, die Smith im Arrowhead in Tyreek Hill, Travis Kelce und Kareem Hunt zur Verfügung hatte, sind nun nämlich Paul Richardson, Jordan Reed und Derrius Guice geworden.
Ein weiterer Blick auf das Statistik-Brett verrät aber, dass die Effizienz des Supporting Casts auch für Kirk Cousins bei den Redskins 2017 keineswegs schlecht war. Während Smith in Kansas City auf eine Supporting-Cast-Effizienz von +13,79 bauen konnte, was dem ligaweit zweitbesten Wert entspricht, waren es für Cousins +7,76, dem fünftbesten Score der Liga.
In Tight End Vernon Davis, Chris Thompson und Josh Doctson standen Cousins durchaus brauchbare Optionen zur Verfügung. Ein großes Problem war die Verletzungsanfälligkeit, die beispielsweise Reed und Thompson einen Großteil der Saison auf die Seitenlinie zwangen, doch wird Smith dank der Neuzugänge gerade in der Breite auf gute und vielseitige Spieler auf den Skill-Positionen hoffen dürfen.
Die Verletzungsanfälligkeit, eine Problematik, die in der Hauptstadt ohnehin seit jeher für Verzweiflung sorgt, war auch in der Offensive Line der Redskins allgegenwärtig. Bei 12,9 Prozent seiner Snaps war Cousins in der abgelaufenen Saison unter Druck. Der fünftschlechteste Wert der Liga. Die konstante Gefahr einen Sack hinnehmen zu müssen und womöglich den Ball zu verlieren, spielte also ständig eine Rolle. Die Line war vor der 2017er Saison allerdings eine Konstante. Gerade Center Chase Roullier und Right Tackle Morgan Moses müssen zurück in die Spur finden, soll Smith nicht mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben.
Alex Smith: Wiedersehen mit einem alten Freund
Die Reise nach Washington bedeutet für Smith nicht nur ein neues Abenteuer, sondern auch das Wiedersehen mit einer seiner Lieblings-Anspielstationen aus früheren Jahren. Tight End Vernon Davis verbrachte die ersten sieben Jahre seiner Karriere bei den 49ers und sah zumeist Würfe aus der Hand von Smith in seine Richtung fliegen.
In dieser Zeit entwickelte sich Davis zu einem der gefährlichsten Tight Ends dieser Ära und sammelte über 4000 Yards bei über 500 Receptions und 40 Touchdowns. "Er ist zum Überflieger geworden", freute sich Davis nach der Ankunft des alten Kumpanen. "Sein Spiel hat sich stark entwickelt. Die Fähigkeit, wie er sich in der Pocket bewegt und ausbrechen kann. Die Downfield-Pässe kommen genau dort hin, wo sie hinmüssen. Und dann macht er das auch noch so effektiv."
Davis musste in den letzten beiden Jahren in Washington häufig für den Nummer-1-Tight-End Reed einspringen, da dieser immer wieder mit langwierigen Verletzungen zu kämpfen hatte. Reed wird auch künftig wieder die erste Option im Offensive Scheme der Redskins sein, doch wird Smith in Davis eine Sicherheits-Option zur Verfügung haben, die er ziehen kann, wann immer er sie braucht.
Auch Jay Gruden spielt die West Coast Offense
Das Offensive Scheme von Jay Gruden ist im Übrigen einer der Gründe, warum viele Experten positiv bezüglich Smiths bevorstehender Ära in Washington gestimmt sind. Gruden wird eine Ausrichtung der West Coast Offense nachgesagt, in der immer wieder ähnliche Plays zu erkennen sind, wie die, die auch Andy Reid in Kansas City spielen ließ. Plays, in denen Tight Ends und Running Backs viele Receptions erhalten.
Smith selbst aber will von einer deshalb einfacheren Ausgangssituation nichts wissen: "Klar, es sind beides Coaches aus der West-Coast-Welt, deshalb scheint die Sprache, die sie sprechen, ähnlich. Aber sie ist nicht die gleiche", erklärt Smith. "Es gibt Ähnlichkeiten in der Struktur des Playbooks, wie wir Dinge nennen und so weiter. Aber deshalb ist es nicht dieselbe Sprache."
Das Training Camp wird Smiths beste Chance sein, Grudens Sprache zu adaptieren. Hier wird der Pro Bowler zum ersten Mal mit seinen neuen Teamkollegen in voller Montur trainieren und versuchen, auch bei einem weitaus höheren Tempo Chemie mit den neuen Mitspielern zu entwickeln.
Dies ist eine Grundvoraussetzung, will der 34-Jährige seinem Vier-Jahres-Vertrag über 94 Millionen Dollar gerecht werden. Smith wird 2018 satte 40 Millionen Dollar davon sehen. 27 Millionen davon sind dem Signing Bonus zuzuschreiben. Kein günstiges Unterfangen für einen Playcaller, der Erfolg in der Postseason bislang schuldig geblieben ist. Doch die Redskins haben einen positiven Eindruck gewonnen.
Bringt Alex Smith den Erfolg zurück nach Washington?
"Er hat die Offense bereits sehr gut unter Kontrolle", gibt sich Coach Gruden zufrieden. "Er hat eine gute Kontrolle über den Huddle und baut gerade ein Gefühl für die Receiver auf. Er beginnt zu verstehen, wie wir Dinge callen. Aber bislang bin ich außerordentlich zufrieden, da er sehr schnell Fortschritte gemacht hat."
Fortschritte will die Franchise gerade in Sachen Siege machen. Über fünf Saisons in Kansas City sammelte Smith durchschnittlich elf Siege. Das letzte Mal, dass den Redskins elf Siege in einer Spielzeit gelungen sind, ist 27 Jahre her.
Geplagt von Problemen auf der Quarterback-Position seit dem Trade für Donovan McNabb, dem Verletzungspech um Robert Griffin und der angesprochenen Cousins-Saga, wünscht man sich in Washington nichts sehnlicher als Konstanz auf der wichtigsten Position. Smith könnte diese endlich gewährleisten. Er sprach zuletzt davon, ein "hungriges Team" erkannt zu haben. Eines mit der "richtigen Arbeitsmoral, der richtigen Einstellung und dem Verständnis für die Situation".
Alex Smith: Sind die Running Backs der Schlüssel zum Erfolg?
Kann Smith seine Leistungen aus der 2017er-Saison, in der er laut Pro Football Focus der beste Deep Passer der NFL war, reproduzieren, so bringt er eine Fähigkeit mit in die Hauptstadt, die den Redskins seit Jahren gefehlt hat. Alleine jedoch kann auch er den Erfolg nicht erbringen. Gerade das Running Game muss im Vergleich zum Vorjahr wieder einiges gut machen.
Die Rückkehr von Chris Thompson sollte für Washington großen Grund zur Erleichterung bedeuten. Er spielte vor der Verletzung in der letzten Saison die wohl beste seiner Karriere und würde das ideale Komplementärstück zu Rookie Guice darstellen, der selbst zumindest am College sehr selten als Receiver eingesetzt wurde.
Smith konnte sich in Kansas City auf die Receiving-Fähigkeiten seines Running Backs Kareem Hunt verlassen. Es öffnete große Teile der hervorragend funktionierenden Offense, da es gegnerische Defenses dazu zwang, auch dann den Running Back verteidigen zu müssen, wenn er den Ball nicht selbst trug oder im ersten Moment nur Blocking-Aufgaben zu erfüllen schien. Dies gibt dem Quarterback zusätzliche Zeit in der Pocket. Zeit, die er und seine Receiver brauchen, um Deep-Ball-Connections zu ermöglichen.
Von wechselnden Offensive Coordinators in San Francisco bis zu kollabierenden Defenses in der zweiten Halbzeit von Playoff-Spielen in Kansas City. Der Ball ist bislang sicher nicht immer in die Richtung von Smith gerollt. Will er in Washington nicht wieder zu "Captain Checkdown" verkommen, sondern seine Legacy in der NFL als "Alex der Große" zementieren, so wird er seine plötzlichen Fähigkeiten als Deep Passer auch in der neuen Heimat ausspielen müssen.
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