Die Baltimore Ravens haben den Kansas City Chiefs durch einen 36:35-Erfolg die erste Niederlage beigebracht und dabei sehr viel Mut bewiesen. Am Ende war es ein Rookie, der die Weichen auf Sieg stellte.
Die Ravens eröffneten das Spiel mit Ballbesitz, doch waren es die Chiefs, die zuerst punkteten: Lamar Jackson überwarf einen Pass Richtung Wide Receiver Hollywood Brown, der in den Armen von Safety Tyrann Mathieu landete, der daraus prompt einen 34-Yard-Interception-Return-Touchdown machte.
Es folgte jedoch ein schneller Ravens-Drive mit sehr viel Laufspiel und einem kuriosen Ende: Running Back Ty'Son Williams lief über 8 Yards bis kurz vor die Endzone, wo ihm der Ball aus den Händen geschlagen wurde - zu seinem Glück pflückte ihn jedoch Wide Receiver Devin Duvernay aus der Luft für eine Fumble-Recovery in der Endzone zum Touchdown - Ausgleich Ravens!
Anschließend durften Patrick Mahomes und seine Offense auch endlich an den Ball und der QB drehte direkt auf - am Ende des Drives stand ein 33-Yard-Deep-Ball zu Demarcus Robinson zum Touchdown.
Nach ein paar brotlosen Drives in der Folge - darunter eine weiteren Mathieu-Interception - legten die Hausherren wieder eine gute Angriffsserie hin und schafften durch einen 5-Yard-TD-Run von Latavius Murray den erneuten Ausgleich drei Minuten vor der Pause. Das jedoch war genügend Zeit für die Gäste, nochmal nachzulegen. Mahomes brachte sein Team mit zwei längeren Pässen auf seine Tight Ends Travis Kelce und Blake Bell in Position, Running Back Darrel Williams vollendete schließlich von der 2. Da waren jedoch noch 52 Sekunden auf der Uhr. Zeit, die Lamar Jackson und Co. genügte, um noch ein 43-Yard-Field-Goal durch Justin Tucker aufzulegen. Pausenstand: 21:17 Kansas City.
Nach der Pause öffneten beide Teams allmählich ihre offensiven Playbooks und wurden kreativer. Los ging's mit einem 40-Yard-Touchdown-Catch von Byron Pringle, der in einer Bunch-Formation eine simple Comeback-Route lief, völlig frei war und dann einfach schneller war als die Secondary auf dem Weg in die Endzone.
gettyRavens vs. Chiefs: Spektakuläre Touchdowns nach der Pause
Im Gegenzug fand Jackson einen weit offenen Brown für einen 42-Yard-Touchdown, der aus dem Slot eine Post-Route lief und in der Mitte des Feldes sträflich allein gelassen wurde. Der ihm mutmaßlich zugeordnete Charvarius Ward spielte Zone und ließ den Receiver schlicht passieren. Beeindruckend machte das Play vor allem der Jump-Pass von Jackson, der die ganze Aktion einleitete.
Wenig später profitierten die Chiefs dann vom blinden Verständnis zwischen Mahomes und Kelce - Kelce lief eine Out-Route, orientierte sich dann per Körpertäuschung nach innen, während Mahomes aus der Pocket ausbrach und Kelce dann anspielte. Anschließend marschierte dieser dann mit der Hilfe von ein paar Blockern quer über den Platz zu einem 46-Yard-Touchdown. 35:24 Chiefs.
Vorbei war die Partie da aber noch nicht, denn kurz darauf gelang den Ravens eine Interception - nach Delayed Pressure von Rooki-Linebacker Odafe Oweh versuchte Mahomes im Fallen einen abenteuerlichen Pass, der bei Defensive Back Tavon Young nahe der Mittellinie landete. Anschließend marschierten die Ravens gen Red Zone, von wo sie zu Beginn des vierten Viertels durch Jackson per Read-Option-Keeper auch die Endzone fanden und zurück im Spiel waren. Die anschließende 2-Point-Conversion ging jedoch doppelt schief - beim ersten Anlauf war Guard Kevin Zeitler "ineligible Downfield", beim zweiten Versuch warf Jackson einen Pick.
Die Chiefs kamen danach nicht sonderlich weit und punteten den Ball zurück zu den Ravens, die unaufhaltsam marschierten. Am Ende sprang Jackson mühelos per Salto nach einem weiteren Read-Option-Keeper von der 1 in die Endzone zum Touchdown - eine weitere verfehlte 2-Point-Conversion hielt den nun erspielten Vorsprung jedoch bei nur einem Punkt - 3:14 Minuten vor Spielende.
Die Chiefs machten sich also auf den Weg zum entscheidenden Field Goal, doch in der gegnerischen Hälfte verlor Running Back Clyde Edwards-Helaire einen Fumble, die Ravens eroberten ihn und spielten anschließend die Uhr herunter, auch weil sie einen 4th and 1 ausspielten, anstatt den Ball mit 1:05 Minuten zu spielen zu den Chiefs zurück zu punten. Das gelang und so war die erste Chiefs-Pleite in dieser Saison besiegelt.
Baltimore Ravens (1-1) - Kansas City Chiefs (1-1)
Ergebnis: 36:35 (4:14, 10:7, 7:14, 12:0) BOXSCORE
Ravens vs. Chiefs - die wichtigsten Statistiken
- Bei Kelces Touchdown erzielte Kelce 43 Yards nach dem Catch. Laut Next Gen Stats waren das +27 YAC over Expected. Zudem war die Wahrscheinlichkeit beim Catch, bei diesem Play einen Touchdown zu erzielen, 3,3 Prozent.
- Pringles Wahrscheinlichkeit auf einen Touchdown war beim Catch sogar nur 0,7 Prozent. Die Chance, den Ball zu fangen, war dagegen sehr hoch, denn Pringle hatte 6,9 Yards Separation vom nächsten Verteidiger, der in dem Fall Linebacker Patrick Queen war.
- Mahomes' Interception durch Tavon Young war der erste Pick, den Mahomes jemals im September geworfen hat. Dem gegenüber stehen nun allerdings 38 Touchdowns. Zudem war es Mahomes' erste Niederlage überhaupt im September. Zuvor war er 11-0.
- Für Jackson war es derweil der erste Sieg überhaupt im direkten Duell mit Mahomes. Die ersten drei hatte er allesamt verloren.
Der Star des Spiels: Odafe Oweh (Linebacker, Ravens)
Lamar Jackson (18/26, 239 YDS, TD, 2 INT / 16 CAR, 107 YDS, 2 TD) machte ein spektakuläres Spiel und machte seine frühen Interceptions und Fehlwürfe bei 2-Point-Conversions mehr als wett, doch die Ravens gewinnen dieses Spiel nicht ohne die zwei Big Plays von Rookie Odafe Oweh. Er war es, der mit seinem Pressure die Interception von Mahomes ermöglichte. Und er war es auch, der den Fumble gegen Edwards-Helaire erzwang und eroberte, als die Chiefs auf dem Weg zum entscheidenden Field Goal waren im vierten Viertel. Sonderlob geht auch an John Harbaugh, der sich ganz am Ende gegen einen Punt entschied und den vierten Versuch ausspielen ließ. Die Gefahr, dass Mahomes mit einer Minute auf der Uhr doch noch das Spiel drehen würde, war einfach zu groß.
Der Flop des Spiels: Chris Jones (Edge-Rusher, Chiefs)
Jones steht hier auch stellvertretend für die gesamte defensive Front der Chiefs, die 251 Rushing Yards (6,1 Yards pro Carry) abgegeben hat. Aber Jones wird herausgestellt, weil er nun als Edge-Verteidiger gegen einen Backup-Right-Tackle (Mekari) kein Faktor war. Jones, der Inside eine Macht war, sah außen kein Land, hatte keinen Tackle und keinen Pressure im gesamten Spiel. Teilweise wusste er gar nicht, wie ihm geschah und half gegen den Run im Grunde überhaupt nicht.
Analyse: Ravens vs. Chiefs - die Taktiktafel
- Die Ravens sind als eine der aggressivsten Defenses überhaupt in der NFL bekannt, wenn es ums Blitzen geht. Mahomes jedoch ist im Grunde immun gegen den Blitz. Das sorgte dafür, dass die Ravens nahezu komplett auf zusätzliche Rusher verzichteten. Vor der Pause schickten sie nur einmal überhaupt den Blitz. Nach der Pause wurden sie aggressiver, was Mahomes jedoch direkt bestrafte - Pringles Touchdown war letztlich auch die Folge eines Nickle-Blitzes.
- Die Ravens-Defense setzte auf einen sogenannten Layered Pass Rush. Sinnbildlich dafür war der Pressure, denn Rookie Odafe Oweh vor Mahomes' Interception erzeugte. Nach dem 3-Man-Rush aus der Front kam Oweh von seiner Edge-Position gewissermaßen mit Verspätung in die Mitte zu Mahomes durch. Die Idee dahinter ist, dass Mahomes zumeist mit seinem zweiten Schritt vorwärts innerhalb der Pocket den größten Schaden anrichtet. Entsprechend ist es sinnvoll, erst dann Druck zu machen, wenn er zum zweiten Vorwärtsschritt ansetzt.
Die Chiefs hatten zwar gute Erfolge gegen den Pass, doch auf dem Boden taten sie sich schwer mit den Read Options und Läufen nach RPOs. Das lag auch daran, dass es der Offensive Line der Ravens immer wieder gelang, die Edges zu schließen oder mit Misdirections die Defense auf die falsche Fährte zu lenken. Auch war nie abzusehen, von wo genau ein Blocker gepullt wurde.
- Die Ravens mussten auf den verletzten Left Tackle Ronnie Stanley verzichten. Das hatte zur Folge, dass Neuzugang Alejandro Villanueava von Right Tackle auf die linke Seite wechselte - eine Rolle, die er bei den Pittsburgh Steelers seit Jahren bekleidet hatte. Auf der rechten Seite spielte daher Patrick Mekari, der im Vorjahr noch als Center aktiv war.
- Was Personnel anging, spielten die Ravens eigentlich durchweg im Sub-Package, was es den Chiefs des Öfteren erlaubte, auch auf dem Boden Raumgewinn zu erzielen. Zudem operierten sie häufig mit kürzeren Pässen und Screens. Das Hauptaugenmerk der Defense lag derweil auf Tyreek Hill, der meist mit Safety-Hilfe doppelt gecovert wurde. Das ließ dann aber auch die Mitteldistanz und die Mitte des Feldes offen für die anderen Receiver.