Die NFL geht in ihre alljährlich ruhigste Phase, erst mit dem Start der Training Camps Mitte Juli nimmt sie wieder volle Fahrt auf. Doch für wen geht es dann um richtig viel? Wer kämpft um seine Karriere, wer muss die Weichen 2017 richtig stellen? SPOX erklärt, für welche elf Stars in der kommenden Saison warum viel auf dem Spiel steht.
Cam Newton, QB, Carolina Panthers: What a difference a year makes! Newtons MVP-Saison 2015, die erst im Super Bowl durch die Defense der Denver Broncos ein unschönes Ende fand, war noch im Rückspiegel - da legte der Panthers-Quarterback eine umso enttäuschendere 2016er Saison aufs Parkett. Auf 35 Touchdowns und 10 Interceptions folgte eine 19:14-Quote, die Rushing-Yards gingen um fast 300 runter (636 auf 359) und die Rushing-Touchdowns wurden halbiert (10 auf 5).
Gleichzeitig aber, und hier wird 2017 äußerst spannend, waren die Vorjahres-Werte äußerst nah dran an Newtons Karriere-Durchschnitt - abgesehen von den Rushing-Yards. 2015 war dagegen in nahezu jeder wichtigen Kategorie der deutliche Ausreißer nach oben, was die Frage aufwirft: Hatte Newton 2015 sein Career-Year und 2016 zeigte eher den Standard, auf den man sich in Charlotte künftig einstellen sollte?
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Dazu kommt eine womöglich signifikante Umstellung: Newton führte die NFL 2016 in durchschnittlicher Wurf-Distanz an (11 Yards pro versuchtem Pass), noch vor Jameis Winston (10,8), Marcus Mariota (10,1) und Carson Palmer (10). Dabei versuchte er, mehr in der Pocket zu stehen (nur 1,8 Prozent Scrambles bei Dropbacks, persönlicher Karriere-Tiefstwert), und das trotz schwacher Line.
Doch mit Christian McCaffrey und Curtis Samuel haben die Panthers im Draft ein klares Statement abgegeben: Eine stärker auf kurze, schnelle Pässe ausgelegte Offense scheint das Ziel zu sein. Newton muss jetzt zeigen, dass er in diesem System funktionieren und ein akkurater Rhythmus-Pocket-Passer sein kann. Und all das, nachdem er bislang in der Saisonvorbereitung infolge seiner Schulter-OP nicht werfen konnte. Natürlich geht es für den 28-Jährigen dabei nicht um den Stammplatz oder die Karriere. Trotzdem aber wird 2017 klare Hinweise darauf geben, welche Art Quarterback Newton in seiner zweiten Karriere-Hälfte sein kann.
Eddie Lacy, RB, Seattle Seahawks: Über die letzten drei Spielzeiten hat ligaweit (von allen Running Backs mit mindestens 500 Runs) nur Le'Veon Bell durchschnittlich mehr Yards nach erstem Gegnerkontakt geholt (2,82) als Lacy (2,79). Lacys 169 durchbrochene Tackles rangieren zudem über die letzten vier Jahre auf dem ligaweit vierten Platz und trotz seiner Gewichtsprobleme verzeichnete er in der Vorsaison noch 5,1 Yards pro Run.
Und trotzdem hielt sich das Interesse an Lacy in Grenzen, letztlich wurde es der Einjahresvertrag für den 26-Jährigen - und das unter strikten Bedingungen: Die Seahawks haben in Lacys Kontrakt mehrere Klauseln eingebaut, um ihn dazu zu bringen, sein Gewicht zu halten beziehungsweise stückweise zu reduzieren. Es zeigt die Ernsthaftigkeit der Situation, Lacys Gewichtsprobleme waren in Green Bay zuletzt eher größer geworden.
Es gilt für Lacy somit, zweierlei zu beweisen: Er muss zeigen, dass er sich abseits des Platzes wie ein disziplinierter Profi verhalten kann - um dann an seine sportlich guten Zahlen anzuknüpfen. Das Run Game der Seahawks lebte jahrelang davon, dass Marshawn Lynch die schwache O-Line mit Yards nach Kontakt kaschierte. Im Idealfall könnte Lacy eine ähnliche Rolle einnehmen, und das dürfte nötig werden: Seattles Line blockte in der vergangenen Saison laut Pro Football Focus bei Hand-Offs im Schnitt ganze 1,7 Yards vor erstem Gegner-Kontakt. Klar ist: Schafft Lacy die Gewichtsgrenzen nicht, wird er es schwer haben, 2018 ein neues Team zu finden.
Doug Martin, RB, Tampa Bay Buccaneers: Auf die mehr als enttäuschende Vorsaison folgte die Vier-Spiele-Sperre, drei davon muss Martin zum Start der kommenden Spielzeit absitzen. So galt er für viele Experten als Streichkandidat und die Bucs als heißer Anwärter auf einen Running Back früh im Draft.
Doch es kam anders. Tampa wählte Tight End O.J. Howard in der ersten Runde und keinen Running Back vor Jeremy McNichols in Runde 5. Martin derweil machte einen Entzug und wurde dabei vom Team und seinen Mitspielern unterstützt - was sich auf den ersten Blick gelohnt hat. Der Running Back hat in den bisherigen Trainingseinheiten alle beeindruckt, hat noch abgenommen, wirkt agiler und läuft gleichzeitig mit mehr Explosivität.
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Kaum ein Spieler hatte über die letzten fünf Jahre derartige Leistungsschwankungen wie Martin: Der 28-Jährige hatte eine großartige Rookie-Saison, zwei desolate Jahre und schließlich wieder eine sehr gute Spielzeit im Vertragsjahr. Anschließend gab es den Absturz in der vergangenen Saison - welchen Martin werden die Bucs 2017 sehen? Tampa könnte den Running Back ohne Dead Cap entlassen, die Hemmschwelle in dieser Hinsicht hält sich also in deutlichen Grenzen.
Sammy Watkins, WR, Buffalo Bills: Es war durchaus überraschend, als sich die Bills bei Watkins gegen die Option auf das fünfte Vertragsjahr entschieden. Zu groß das Potential, zu vielversprechend die Anlagen, die er in der NFL bereits mehrfach zeigen konnte. Gleichzeitig aber hat Watkins über die letzten beiden Jahre elf Regular-Season-Spiele verletzt verpasst, es ist die traurige Konstante seiner NFL-Karriere. Somit wird 2017 eine echte Weichenstellung für Watkins: Kann der erst 24-Jährige fit bleiben und sich für einen langfristigen Vertrag empfehlen? Oder muss er sich mit einem Einjahresvertrag begnügen?
Tyrann Mathieu, S, Arizona Cardinals: Drei seiner bislang vier NFL-Spielzeiten endeten für Mathieu auf der Injured-Reserve-Liste, in der Vorsaison konnte er nach ausgeheiltem Kreuzbandriss sein eigenes Potential nie vollständig ausschöpfen. 2015 konnte Mathieu das endlich zeigen - und nicht wenige sahen ihn als Kandidaten für die Auszeichnung zum Defensiv-Spieler des Jahres.
Mathieu muss seine Explosivität wieder voll zurückerlangen, um dann instinktiv an der Line of Scrimmage und im Slot spielen zu können. Dort hat er den größten Wert, in diese Fähigkeiten haben die Cardinals 21,25 Millionen Dollar garantiert investiert. Vor allem aber muss der 25-Jährige fit bleiben. Mit Rookie Budda Baker hat Arizona jedenfalls einen möglichen Ersatzmann in der zweiten Runde des vergangenen Drafts gefunden.
Alshon Jeffery, WR, Philadelphia Eagles: Jeffery ist in gewisser Weise schon einen Schritt weiter als Watkins. Nach der verletzungsgeplagten 2015er Saison verpasste er 2016 vier Spiele aufgrund einer Sperre und so war der Free-Agency-Markt alles andere als ein Zuckerschlecken. Letztlich erhielt er einen Einjahresvertrag in Philly, wo er sich jetzt für einen lukrativen Kontrakt empfehlen muss.
15,8 Yards pro Catch verzeichnete Jeffery in der vergangenen Saison, hier wird es spannend: Wentz' Deep Ball war in seiner Rookie-Saison noch überschaubar, Jeffery punktet vor allem als Deep-Pass Jump-Ball-Receiver. Können die Eagles die beiden Scheme-technisch effizient zusammenbringen, so dass auch Jeffery in der Eagles-Offense glänzen kann? Receiver-Kollege Jordan Matthews jedenfalls dürfte profitieren: Matthews rückt jetzt wohl vollends in den Slot, wo er zwischen 2014 und 2016 die meisten Yards aller Receiver aus dem Slot heraus produzierte (2389).
Jared Goff, QB, Los Angeles Rams: Nein, Jared Goff muss nicht schon in seinem zweiten NFL-Jahr um die Karriere zittern. Aber jeder weiß, wie schnelllebig das Geschäft ist und welche Mechanismen bei jungen Quarterbacks greifen können - insbesondere, wenn ein Team einen neuen Head Coach hat. Bei den Rams ist genau das der Fall, und der neue Boss Sean McVay bringt klare Ideen mit.
In Washington zog er zuletzt als Offensive Coordinator ein auf der West Coast Offense basierendes Passspiel auf, mit einem brandgefährlichen Play-Action-Spiel. Sollte Goff, dann hinter einer verbesserten Offensive Line, nicht in der Lage sein, diese Offense auf den Platz zu bringen, könnte die Leine für ihn kürzer sein, als mancher denkt. Schließlich hat der neue Trainerstab mit dem teuren Draft-Trade für Goff nichts zu tun, der Finger am Abzug des Quarterback-Wechsels sitzt in diesen Szenarien meist lockerer.
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Die Rams haben jetzt zwei Jahre in Folge die Saison auf dem jeweils letzten Platz in puncto Total Yards abgeschlossen. Das liegt mitnichten nur am Quarterback, die Offensive Line, die Receiver und auch Todd Gurley müssen hier ebenso in die Verantwortung gezogen werden. Trotzdem muss Goff in seinem zweiten NFL-Jahr einen merklichen Sprung nach vorne machen und die zentralen Elemente von McVays Offense umsetzen können. Andernfalls hat er womöglich eher einen internen Konkurrenten, als ihm lieb sein kann.
Immerhin hatte McVay Anfang Juni Goff medial klar gemacht, dass es keine Job-Garantien gibt. Mit Blick auf seine Quarterback-Situation betonte McVay damals auf der Team-Website offen: "Ich denke wir haben versucht, den Spielern klarzumachen, dass die Besten auch spielen. Wir wollen Football-Spiele gewinnen und wer auch immer uns in unseren Augen die beste Chance darauf gibt, der wird eingesetzt."
Richard Sherman, CB, Seattle Seahawks: Auch der letzte Seahawks-Romantiker dürfte inzwischen eingesehen haben, dass die Trade-Gerüchte rund um Richard Sherman im Frühjahr alles andere als ein Offseason-Lückenfüller waren. Seattle war bereit, seinen Star-Cornerback abzugeben, das haben alle Beteiligten mehrfach offen angesprochen. Letztlich kam das richtige Angebot nicht, und so bleibt Sherman in Seattle. Zumindest in der kommenden Saison.
Wie es anschließend dagegen aussieht ist offen, und die kommende Saison dürfte Aufschluss darüber geben, wo Shermans NFL-Karriere in seinen 30er Jahren stattfindet. 2016 hatte er, auch verletzungsbedingt, einige schwächere Spiele, gleichzeitig zeigten die Seahawks die Tendenz, häufiger Man Coverage zu spielen. Nicht, dass Sherman das nicht könnte, seine Spezialität aber ist die bekannte Cover-3 Zonen-Deckung, mit der Seattle seine größten Erfolge hatte.
Seit 2011 hat kein Cornerback in Coverage ein niedrigeres Passer-Rating zugelassen als Sherman (53,1), trotz einiger Anfälligkeiten ließ er in der Vorsaison noch immer nur alle 14,9 Coverage-Snaps einen Catch zu. Der 29-Jährige hätte 2018 aber auch noch einen stolzen Cap Hit in Höhe von 13,2 Millionen Dollar - bei einer Entlassung blieben lediglich 2,2 Millionen an Dead Cap und auch ein Trade-Partner dürfte sich mit dann nur noch einem Jahr auf dem Vertrag eher finden lassen.
Adrian Peterson, RB, New Orleans Saints: Bis 37 oder 38 wolle er noch spielen, hatte Peterson jüngst verlauten lassen. Mindestens, wohlgemerkt. Erste Voraussetzung dafür: Eine sehr gute Comeback-Saison beim neuen Team. Von den Mitspielern gab es nach den ersten Trainingseinheiten rundum großes Lob und fast schon ehrfürchtiges Erstaunen für Peterson, der sich explosiv und als harter Arbeiter präsentierte.
Die Saints bestechen durch gutes (Inside-)Blocking, mit Blick auf das Run-Blocking könnte der 32-Jährige sehr gut nach New Orleans passen. Um aber noch eine längerfristige Zukunft in der NFL zu haben, muss er im Passing Game und im Pass-Blocking besser werden - die Saints sind dafür von ihrem Scheme her ein sehr guter Arbeitgeber. Erleben wir also 2017 tatsächlich trotz einer weiteren schweren Verletzung einen "modernen" Adrian Peterson? Es wäre in Kombination mit der Saints-Line und Drew Brees eine hochexplosive Mischung.
Blake Bortles, QB, Jacksonville Jaguars: Kein Geheimnis hier: Head Coach Doug Marrone hat gegenüber Mike Garafolo vom NFL Network jüngst bereits mehr oder weniger offensichtlich angekündigt, dass er um seinen Job spielt. Laut Garafolo hat Marrone zu Bortles gesagt: "Wenn du dir weiterhin Turnover leistest, wirst du nicht mehr unser Quarterback sein. Um alles andere können wir drum herum arbeiten. Aber das ist nicht verhandelbar."
Über drei Jahre hat Bortles 51 Interceptions angesammelt, 16 davon 2016 - das lag auch an seiner desolaten Mechanik, bei der er mehrere Schritte zurück machte. Seine vierte NFL-Saison ist somit für Bortles eine absolut richtungsweisende. Kann er das Ruder wieder herumreißen? Oder geht der Trend weiter nach unten? Es wird maßgeblich mitentscheidend, wie und wo Bortles' NFL-Karriere 2018 und darüber hinaus weiter geht.
Mike Glennon, QB, Chicago Bears: Glennon darf auf dieser Liste natürlich nicht fehlen, auch wenn ihm eine zumindest undankbare Saison bevorsteht. Als vermeintlich sicherer Starter 2017 und im Idealfall auch darüber hinaus nach Chicago gekommen, hat er durch die Investition in Mitchell Trubisky eine Art Ablaufdatum erhalten. Trotzdem sollte er in die Regular Season als Starter gehen - es könnte mittelfristig seine einzige echte Chance sein, sich als Starter für ein anderes Team zu empfehlen. Spielt Glennon schlecht, muss man davon ausgehen, dass die Bears die Trubisky-Reißleine doch schon früher ziehen.