Taktik-Analyse Championship Game: Welche Offense sticht im Superdome?

Von Adrian Franke
18. Januar 201915:57
Drew Brees und die New Orleans Saints empfangen im NFC Championship Game die Los Angeles Rams.getty
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Am Sonntagabend (ab 21.05 Uhr live auf DAZN) empfangen die New Orleans Saints die Los Angeles Rams zum NFC Championship Game - es ist das Rematch eines der besten Spiele der Regular Season. Doch welche Lehren lassen sich aus jenem Spiel mitnehmen? Worauf können beide Teams aufbauen? SPOX blickt durch die Taktik-Brille auf das Duell im Superdome.

Die diesjährigen Championship Games bringen - neben der ganzen "das Super-Bowl-Ticket steht auf dem Spiel"-Sache - eine zusätzliche Dimension an Spannung mit: es sind nicht nur die vier besten Offenses, die sich am Sonntag gegenüberstehen; beide Duelle hat es auch schon in der Regular Season gegeben.

Und beide Spiele enttäuschten nicht. Das Patriots-Chiefs-Duell wurde ein spektakulärer Shootout, der seine ganz eigenen Lehren für das AFC Championship Game mitbringt, während Saints gegen Rams beinahe in einem tollen Comeback der Rams geendet hätte - ehe Brees und Michael Thomas diesen Traum zerschossen. 45:35 New Orleans hieß es am Ende einer packenden Show im Superdome.

Beide Teams hatten in jenem Spiel damit Erfolg, ihren Stil zu spielen. Klare taktische Ansätze, die sich die ganze Saison über beobachten ließen, waren in diesem Spiel erfolgreich - genau wie einige Plays, die es spezifisch mit Blick auf dieses Matchup und das Championship Game im Auge zu behalten gilt.

Saints-Offense vs. Rams: Das Michael-Thomas-Problem

Eine der zentralen Story-Lines dieses Week-9-Duells war die Tatsache, dass die Rams-Defense mit Michael Thomas komplett überfordert war. Thomas zerlegte insbesondere Rams-Cornerback Marcus Peters nach allen Regeln der Kunst und verzeichnete insgesamt 211 Yards bei zwölf Receptions. Ganz besonders im Underneath-Passing-Game war er dabei ein riesiges Problem - und das führt gleich zu einem Kernelement der Saints-Offense.

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New Orleans ist keine vertikale Offense. Brees wirft den Ball nur in 11,2 Prozent der Fälle 20 Yards oder weiter, einer der niedrigsten Werte. Im Schnitt wirft er lediglich 7,1 Air Yards tief, was ebenfalls im untersten Bereich dieser NFL-Saison anzusiedeln ist. New Orleans baut stattdessen darauf, Yards nach dem Catch individuell genau wie über das Scheme zu produzieren, darin sind die Saints vermutlich besser, als irgendein anderes Team in der NFL.

Umso leichter ist es nachvollziehbar, wie hier abgebildet, Thomas im Slot aufzustellen. 159 Snaps verbrachte Thomas in dieser Saison im Slot, und das mit herausragendem Erfolg: von allen Spielern mit mindestens 100 Slot-Snaps hatte keiner auch nur ansatzweise Thomas' Production, was Yards pro gelaufener Route (3,63) angeht. Nur Tyreek Hill und DeAndre Hopkins kommen hier überhaupt auf über 2,7 Yards.

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Das Underneath Passing Game gegen Zone und gegen Man Coverage über Thomas ist ein ganz elementarer Baustein der Saints-Offense. Hier kann New Orleans Mismatches gegen Linebacker und Safeties kreieren, gegnerische Nummer-1-Cornerbacks in den Slot zwingen - wo sich die meisten Outside-Cornerbacks nicht wohl fühlen - und Thomas am allerbesten einsetzen.

Auch der 72-Yard-Touchdown der am Ende für die Entscheidung sorgte, kam so zustande. Thomas ist hier der zweite Receiver von oben und läuft eine vertikale Route gegen Peters, der ihm gefolgt ist. Die Rams spielen eine Cover-1, also Man Coverage mit einem tiefen und einem Underneath-Zone-Verteidiger. Die Saints bedrohen den tiefen Safety mit zwei vertikalen Routes und wissen, dass sie Peters mit Thomas riesige Probleme hatte.

Hier müssen die Rams Antworten finden. Aqib Talib ist inzwischen zurück, doch geht er nur äußerst selten in den Slot - und generell hat Los Angeles in den vergangenen Wochen mehr Zone Coverage gespielt. Das schraubt die Eins-gegen-Eins-Duelle runter, gibt den Saints aber gleichzeitig noch mehr Möglichkeiten, um gezielt bestimmte Bereiche des Feldes zu attackieren.

Die Saints sind unheimlich gut darin, Defenses mit unterschiedlichsten Formationen vor permanente Herausforderungen zu zwingen - das bekamen die Rams im Regular-Season-Duell ebenfalls zu spüren. New Orleans' Offense ist hier gewissermaßen das klare Gegenteil zur Rams-Offense - beides ist, wenn es gut umgesetzt wird, auf seine Art sehr unangenehm für eine Defense.

Saints vs. Rams: Das Alvin-Kamara-Problem

Das zweite Matchup-Problem, das die Rams lösen müssen, lautet Alvin Kamara. Der hatte im ersten Duell zwar nur vier Receptions (34 YDS, TD), packte aber noch 82 Rushing-Yards obendrauf und war so in der Summe für herausragende zehn First Downs verantwortlich.

Dieses Problem wird mit Blick auf die Zone Coverages der Rams potentiell noch gefährlicher. Gerade ein Spieler wie Kamara kann so von der Offense sehr gezielt in Underneath-Mismatches gebracht werden und ein Schlüsselspieler am Sonntag werden.

Zwei Plays zeigen exemplarisch, was die Saints mit Kamara machen - und wo ganz besonders für die Rams eine größere Gefahr lauert.

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Da wäre zunächst das Run Game. Die Saints erliefen gegen L.A. in Week 9 141 Yards bei einem Schnitt von 4,5 Yards pro Run. Ganz besonders erfolgreich war New Orleans dabei aus 11-Personnel (ein Running Back, ein Tight End, drei Wide Receiver): hier kamen die Saints laut Sharp Football Stats auf 9,9 Yards pro Run bei sieben Runs; kein Team war in der vergangenen Saison schlechter gegen den Run aus 11-Personnel als die Rams-Defense.

Die Erklärung dafür ist relativ simpel: die größte Schwachstelle der Rams-Defense ist auf dem Linebacker-Level zu finden. Hier ist L.A. sehr anfällig, auch gegen den Run; Football Outsiders listet die Rams mit einer der schwächsten Second-Level-Run-Defenses der gesamten NFL.

Wenn die Saints, so wie hier, in 11-Personnel gehen und die Defense in die Breite ziehen, ergeben sich daraus zwei logische Schlussfolgerungen: Die Defense wird eine leichtere Box präsentieren (müssen), und für New Orleans ist es dadurch viel einfacher, Blocker schnell und gezielt auf das Linebacker-Level zu bringen.

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Mindestens so gefährlich wird Kamara für die Linebacker im Passing Game. Die Saints schieben den 23-Jährigen überall in der Formation herum (75 Snaps als Outside-Receiver, 106 Snaps im Slot diese Saison) und haben dann auch Passing-Designs, die gezielt Kamara Platz verschaffen.

So etwa beim Touchdown-Pass zu Kamara. Neben dem konstanten Kreieren von Mismatches gelingt es den Saints auch, Kamara in den freien Raum zu bringen. Eine Underneath-Route hinter einer vertikalen Route oder Hi-Lo-Konzepte über die Mitte, bei denen ein Zone-Verteidiger eine Route hinter sich und eine Route vor sich gesetzt bekommt - das könnte für die Rams-Linebacker auch am Sonntag ein riesiges Problem werden.

NFC Championship Game: Wer passt sich besser an?

Eine zentrale Frage vor dem NFC Championship Game lautet somit: wer passt sich besser an?

New Orleans hat auf die gesamte Saison gesehen eine der ligaweit niedrigsten 11-Personnel-Quoten (55 Prozent) und ist daraus auch sehr Pass-lastig (63 Prozent) - gegen die Rams aber wäre es ratsam, genau hierüber auch ins Run Game zu kommen. 21-Personnel, eine der bevorzugten Aufstellungen der Saints, war im Run Game gegen L.A. auffallend ineffizient; gelingt es New Orleans, aus 11-Personnel zu laufen und aus 12-Personnel die tieferen Play-Action-Shots anzubringen?

Die Rams auf der anderen Seite könnten New Orleans vielleicht auf dem falschen Fuß erwischen, wenn sie zurück zur Man Coverage als Basis der Defense gehen. Es wäre der einfachste Weg, um eine Wiederholung des Thomas-Peters-Desasters zu vermeiden und gleichzeitig selbst die Matchups im Slot und Underneath diktieren zu können.

Richtet L.A. seinen Gameplan so drastisch nach dem Gegner aus? Und gelingt es den Saints im Gegenzug vielleicht, Peters mit Tre'Quan Smith und Ted Ginn zu attackieren? Wie schwierig Zone Coverage gegen Thomas sein kann, bekamen die Eagles in der Divisional-Runde zu spüren; der Nummer-1-Receiver der Saints hatte sechs Catches (drei davon für First Downs) gegen Linebacker.

Kann die Rams-Offense dieses Mal mithalten?

Zwischenzeitlich schien das Spiel in Week 9 zwischen diesen beiden Teams schon entschieden. die Saints gingen kurz vor der Halbzeitpause mit 35:14 in Führung und dominierten die Rams phasenweise nach Belieben - doch L.A. kam zurück, einerseits weil New Orleans offensiv etwas konservativ wurde, andererseits aber auch, weil die Rams-Offense ins Rollen kam.

Vier Scoring-Drives nacheinander (FG, TD, FG, TD) brachten L.A. nochmals ran, ehe der lange Thomas-Touchdown für die Entscheidung sorgte. Einige der Offensiv-Plays spiegelten dabei auch aufseiten der Rams mustergültig genau das wider, was die Rams-Offense stilistisch auszeichnet und was auch am Sonntag eine gewichtige Rolle spielen wird.

Die Rams-Offense: Alles eng, alles 11

Wer sich Rams-Spiele anschaut, dem fällt dabei vor allem eine Sache konstant auf: die Rams spielen offensiv bevorzugt aus sehr engen Formationen - also mit den Receivern nah an der Offensive Line - und sie spielen nahezu ausschließlich aus 11-Personnel. 90 Prozent ihrer Snaps kamen aus 11-Personnel, die mit Abstand höchste Quote (Liga-Schnitt: 65 Prozent).

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Bunch- und Stack-Formations, also drei oder zwei Receiver direkt nebeneinander postiert (wie hier bei diesem Big Play gegen die Saints zum Tight End, der am weitesten links in der Formation postierte Spieler) sind das zentrale Element in den Passing-Designs von Sean McVay.

Sie erlauben immer wieder Receivern einen freien Release, weil sie hinter den Mitspielern loslaufen, und weil sie so zentral im Feld aufgestellt werden, müssen die Verteidiger beide Richtungen gleichwertig verteidigen - das Seitenaus als "Hilfe" fällt weg. Das macht die Routes schwerer ausrechenbar und erschwert die Arbeit für die Cornerbacks um ein Vielfaches.

Und ein weiteres Element, neben den Bunch- und Stack-Formations, zeigt das hier abgebildete Pass-Design: die Rams sind stark darin, gezielte Zonen in einer Zone Defense auf verschiedenen Ebenen zu attackieren und mit Hi-Lo-Plays sowie verschiedenen anderen Route-Kombinationen zu arbeiten.

Auch der 41-Yard-Touchdown zu Cooper Kupp fällt in diese Kategorie: Kupp "versteckt" seinen Release dabei auf der rechten Seite der Formation hinter dem Tight End. Die Rams spielen daraus ein Mesh-Konzept (zwei aufeinander zulaufende Routes über die Mitte des Feldes) und Kupp ist im Moment des Catches komplett frei, weil sein Gegenspieler in der Man Coverage zunächst um mehrere Spieler in der Mitte des Feldes herum navigieren musste.

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Das Run Game der Rams: Ein Top-Designer

Die andere große Gefahr, welche von der Rams-Offense ausgeht, sind die Play-Designs in sich. Dadurch, dass die gesamte Offense aus 11-Personnel funktioniert und auch im Passspiel konstant mit diesen engen Formationen arbeitet, sehen sich Run- und Pass-Play-Designs ungewöhnlich ähnlich - selbst unmittelbar nach dem Snap ist es oft schwer zu sehen, ob Goff den Ball übergibt, oder ob er ihn zurückzieht und doch selbst wirft.

Somit kommt es wenig überraschend, dass die Rams die höchste Play-Action-Quote der gesamten NFL haben (34,6 Prozent von Goffs Pässen) und die Liga in Play-Action-Touchdowns (13) anführen. Die Reads der Verteidiger sind somit gegen die Rams noch viel kritischer, und resultieren überdurchschnittlich häufig in Fehlern - und Defenses präsentieren gegen L.A. extrem viele leichte Boxes.

Die Rams haben ohnehin eine Top-3-Run-Blocking-Line, zusätzlich aber hatte, bedingt durch das Scheme, kein Running Back mit mindestens 150 Rushing-Versuchen auch nur ansatzweise so wenige Stacked Boxes (acht oder mehr Verteidiger direkt um die Offensive Line herum) gegen sich, wie Todd Gurley, bei dem das lediglich in 8,2 Prozent der Runs der Fall war. Zum Vergleich: bei Jacksonvilles Leonard Fournette (35,3 Prozent), Derrick Henry (32 Prozent) oder auch James Conner (28 Prozent) sprechen wir hier von komplett anderen Zahlen.

Das ist auch ein maßgeblicher Grund dafür, dass Gurley in der MVP-Debatte nichts verloren hat, doch ist das ein anderes Thema. Klar ist: Defenses tun sich noch immer extrem schwer damit, die Rams-Offense zu lesen - die schwachen Auftritte der Offense gegen Chicago und Philadelphia kamen maßgeblich daher, dass der Gegner mit dem 4-Men-Rush die Line of Scrimmage kontrollieren konnte, was sich auf die gesamte weitere Struktur der Defense auswirkte.

Das Play Action Game: Ein schwer lesbares Buch

Ein Beispiel dafür, wie diese Spielzüge sich ähneln können, bietet dieser erfolgreiche Inside-Run von C.J. Anderson in der Divisional-Runde gegen Dallas, verglichen mit diesem Big Play im Passing Game gegen die Saints zu Brandin Cooks direkt vor dem zweiten Touchdown der Rams.

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Beide Male ist die Offense nahezu identisch aufgestellt: ein Receiver auf der rechten Seite, zwei in einer Stack-(ähnlichen)Formation auf der linken Seite, der Tight End leicht versetzt hinter der Offensive Line und der Running Back tief im Backfield, mit dem Quarterback Under Center und nicht in der Shotgun.

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Und der spannende Part: das Blocking - worauf Verteidiger ihre Augen richten, um ein Play zu identifizieren - bietet keinen Aufschluss über das tatsächliche Play. Beide Male blockt die Line im Zone Blocking nach rechts, während der Tight End dahinter als Blocker auf die andere Seite zieht.

Wo gegen Dallas aber tatsächlich auch Anderson den Ball bekam, täuschte Goff gegen die Saints die Übergabe nur an und fand Cooks mit der tiefen Out-Route an der Seitenlinie zum langen Pass, ein toller Wurf von Goff und ein tolles Design.

Zusätzlich dazu arbeitet L.A. sehr gut mit Jet Motions, weshalb dieses spezifische Play-Design mit dem Tight End als Blocker hinter der Formation sehr häufig zu sehen ist. Laut Sports Info Solutions bedeutete der Einsatz von angetäuschter Jet Motion vor dem Run einen Anstieg von den Yards vor erstem Gegnerkontakt (1,6 auf 2,2) sowie der Yards pro Run (4,1 auf 4,9).

Die Rams, die dieses Mittel häufiger nutzten, als irgendein Team (17 Prozent der Snaps), steigerten sich dabei auf 2,7 Yards vor Kontakt. Übersetzung: das Antäuschen eines Receivers, der hinter der Formation durchsprintet und als potentieller Runner in Frage kommt, half zusätzlich dabei, Lücken in der Mitte des Feldes zu kreieren.

Fazit: Können die Saints Goff unter Druck setzen?

Zurück zu den Spielen, in denen die Rams-Offense Probleme hatte - das Saints-Spiel, in dem Goff nur knapp die 400 Yards verpasste (9,8 Yards pro Pass) und drei Touchdowns auflegte, gehörte definitiv nicht dazu.

Teams hatten gegen L.A. Erfolg, wenn sie mit vier Defensive Linemen Goff unter Druck setzen und das Run Game stoppen konnten, um dahinter eine tiefe Zone Coverage zu spielen und Goff so konstant in den Checkdown-Pass zwingen zu können. Nichts davon ist die Stärke oder die Identität dieses Saints-Teams, und der Ausfall von Sheldon Rankins wird sich hier noch drastischer bemerkbar machen.

New Orleans ist stattdessen ein Man-Cover-Team, das gerne - ganz besonders bei Third Down - blitzt. Mit dem Blitz allerdings tat sich Goff entschieden leichter, als mit 4-Men-Pressure; hier könnte sich ganz zentral entscheiden, in welche Richtung das Spiel auf dieser Seite des Balls geht. Die Saints haben vielleicht die beste Run-Defense dieser Saison, können sie das Spiel in Goffs Hände zwingen - und ihn dann unter Druck setzen?