Für die Pittsburgh Steelers, die Seattle Seahawks und die Tennessee Titans endet die Saison deutlich früher als noch vor einigen Tagen gedacht - und die drei gestürzten Schwergewichte gehen mit ganz unterschiedlichen Aufgaben in die Offseason. Die könnten auch unangenehm daherkommen. Außerdem: Was ist los bei den Houston Texans? Und worauf kommt es in der nächsten Playoff-Runde an? SPOX-Redakteur Adrian Franke bringt Euch am Montag mit seinen zehn wichtigsten Punkten und Einschätzungen zum vergangenen NFL-Wochenende auf Stand.
1. Die Seahawks müssen die richtigen Lehren ziehen
Dass die Rams für die Seahawks kein einfaches Matchup werden würde, war klar. Dafür hatte man sich nur das Duell zwischen diesen beiden Teams vor zwei Wochen zu Gemüte führen - oder einen genaueren Blick auf die Seahawks-Offense über die letzten Wochen selbst werfen müssen.
Was ist der Takeaway? Ja, Seattle hat in der ersten Saisonhälfte begeistert. Aber davon sollte man sich in der Selbstevaluierung nicht blenden lassen; zu offensichtlich und zu konstant waren die Probleme. Allen voran darin, dass Wilson massive Probleme hatte, aus der Pocket zu spielen.
Defenses passten sich an die Seahawks-Offense an und bereiteten Wilson insbesondere mit 2-High-Looks deutliche Schwierigkeiten, weil so die vertikalen Pässe schwieriger wurden. Das lässt sich auch statistisch untermauern: Im Vergleich zu Single-High-Coverages fallen Wilsons Werte gegen 2-High-Defenses bei der Touchdown-Quote (8,7 Prozent auf 4,8 Prozent), den Yards pro Pass (8,32 auf 7,34), den Expected Points Added pro Passversuch (0,18 auf 0,11) und die Interception-Quote geht hoch (1,4 auf 2,4 Prozent).
Das führte dazu, dass er zögerlicher wurde, dass er in der Pocket hektisch spielte, regelmäßig in den Druck lief, offene Passfenster verstreichen ließ und sich auf ein Timing-Kurzpassspiel einlassen musste, das er nur bedingt in seinem Arsenal hat. Das ist nicht Wilsons Stärke und war es auch noch nie, sein Spiel steht und fällt mit den Big Plays. Und die Offensive Line spielte zunehmend schlechter.
Diese Probleme schaukelten sich gegenseitig hoch, das Ergebnis war eine Offense ohne Baseline, ohne ein konstantes Passspiel, die vor allem von individuellen - und zu häufig improvisierten - Big Plays abhängig war. So auch gegen die Rams. Wilson hatte ein ganz schwaches Spiel, längst nicht zum ersten Mal dieses Jahr, und an diesem Punkt muss man vielleicht auch einfach die Frage stellen, ob man sich darauf verlassen kann, dass er sich schon selbst da wieder raus zieht.
Seahawks: Wilsons Defizite eingestehen - und adressieren
Bei den Seahawks sagen wir seit Jahren - häufig war die Kritik aber auch überzogen - dass mehr in die Offensive Line investiert werden muss. Aktuell ist die Aussage aber wieder zutreffend, gerade in die Interior Line. Wilson benötigt eine viel sauberere Interior Pocket - und muss dann auch daraus noch deutlich konstanter spielen. Und es muss ein noch größerer Fokus der Offense sein, Wilson per Design über Rollouts und dergleichen in Bewegung zu bringen.
Dieses Playoff-Spiel war desolat gecoacht, auf beiden Seiten des Balls, und die Seahawks, mit all ihrer Erfahrung, präsentierten sich in vielerlei Hinsicht wie ein Team, das gerade erstmals Playoff-Luft schnuppert. Ein Team, das über die zweite Saisonhälfte in seinem Ansatz konservativer wurde und keine Antworten fand, um die Passing-Offense wieder in die Spur zu bringen. Das geht maßgeblich auf Brian Schottenheimer, der auch am Samstagabend gehörig angezählt wurde, zurück.
Der drastische Umbruch in Seattle wird ausbleiben. Aber mit einer enorm enttäuschenden Leistung, die man zumindest in Teilen schon seit Wochen kommen sehen musste, endet eine letztlich bittere 12-Siege-Saison. Aus der gilt es, im Rahmen des denkbaren Umbruchs, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Und das beinhaltet auch, sich Wilsons Defizite einzugestehen und diese bestmöglich zu kaschieren. Womöglich mit einem anderen Offensive Coordinator.
2. Die Titans: An der eigenen Sturheit gescheitert
Ein spannender Ansatz, um auf ein Team nach dem Playoff-Aus zu blicken, ist für mich immer: Was bleibt hängen? Was hat das Playoff-Aus definiert - und lässt sich die Antwort hierauf womöglich auf die gesamte Saison projizieren? Bei den Titans trifft genau das für mich zu.
Meine Kernkritik zu Tennessee im Laufe der Saison - abgesehen von der schlechten Pass-Defense, insbesondere dem enttäuschenden Pass-Rush - bezog sich fast immer darauf, dass Tennessee zu stur beim Run Game blieb, auch wenn es nicht funktionierte. Selbst wenn Henry dann im 20. Versuch einen langen Run durchbrach, wie viele Drives hatte es die Titans bis zu diesem Punkt gekostet? Wie häufig musste man über lange Third Downs gehen, weil man immer wieder an Henry bei First Down festhielt?
Nach der Niederlage gegen Baltimore blieb genau das bei mir hängen. Tennessee hatte früh Erfolg durch die Luft, allen voran A.J. Brown war direkt ein schwieriges Matchup. Insbesondere, wenn die Ravens in ihre aggressive Eins-gegen-Eins-Coverage gingen; und Baltimore blitzte von Anfang an aggressiv, obwohl Tannehill den Blitz einige Male schlug.
Doch was passierte Tennessee wieder? Die Titans gaben Henry abermals den Ball, erneut und erneut. Und das obwohl die Ravens konstant die Box vollpackten, wohlwissend, dass Tennessee beim Run Game bleiben würde. Henry lief 72 (!) Prozent seiner Runs gegen acht oder mehr Verteidiger in der Box. In der Regular Season kam er hier auf 28 Prozent.
Es dauerte bis tief in die zweite Hälfte, ehe Tennessee sein erstes First Down per Run kreierte - per QB-Sneak wohlgemerkt. Die Titans beendeten das Spiel mit -0,26 Expected Points Added pro Run bei First und Second Down, und mit 0,14 Expected Points Added pro Pass bei First und Second Down. Tennessee verzeichnete im Schnitt keine 2,5 Yards pro Run bei Early Down, ihr schlechtester Schnitt in dieser Saison. Und trotzdem blieben die Titans dabei, callten 18 Early-Down-Runs, bei 19 Pässen.
Diese Sturheit bereitet nichts vor, es öffnet nicht das Passspiel, es bringt Henry nicht ins Rollen - und wenn man schon so spielt, dann sollte man wenigstens auch wann immer es sich halbwegs sinnvoll anbietet mit vier statt drei Downs spielen. Doch Tennessee präsentierte sich auch hier wieder viel zu rückständig, puntete in absurden Situationen. Laut dem Surrender Index gelang so unter anderem auch der "feigste Punt" dieser Saison. Vrabel erklärte später, dass er auf Field Position spielen wollte, was nicht für sein Situationsverständnis spricht.
Tennessee hat kein schlechtes Team, ganz im Gegenteil. Aber dieses Spiel war ein Musterbeispiel dafür, wie man offensiv zu unflexibel und bei den In-Game-Entscheidungen komplett ohne Gefühl für die Situation agieren und sich so ein Spiel kosten kann. Und das eben längst nicht zum ersten Mal in der Vrabel-Ära in Tennessee.
3. Die Houston Texans mit Volldampf ins Debakel
Zugegeben, dieser Punkt gehört nicht direkt zum Playoff-Wochenende; und doch bestimmte er am Sonntag die Schlagzeilen.
Es brodelte bereits gehörig rund um die Houston Texans, ehe sich schließlich am Wochenende auch die großen ESPN-Insider zu Wort meldeten: Adam Schefter vermeldete, dass Quarterback Deshaun Watson laut einer Quelle auf einer Skala "nach dem Trade von DeAndre Hopkins auf einer 2 war. Jetzt ist er bei 10." Chris Mortensen fügte hinzu, dass die Berichte korrekt sind, Watson höchst unzufrieden sei und ein Trade womöglich zu den Miami Dolphins eine denkbare Option sein könnte.
Wie unfassbar dämlich - sofern die Berichte stimmen - die Texans die Sitution um Deshaun Watson gemanagt haben, das grenzt schon an Selbstsabotage. Watson hatte um gar nicht viel gebeten, es ging ihm in erster Linie darum, dass sein Input bei der Suche nach einem neuen Head Coach und einem neuen GM gehört wird. Die Texans verzichteten darauf.
Als ob das nicht schlimm genug wäre, taten sie es angeblich, obwohl sie Watson zugesagt hatten, dass sie dessen Input mitnehmen. Und das sollte sowieso ein No-Brainer sein, unabhängig von möglichen Zusagen: Der wichtigste Spieler deiner Organisation sollte grundsätzlich in derartige Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden.
Das heißt nicht, dass Watson den neuen Coach aussucht und vorgibt, welche GM-Kandidaten in Frage kommen. Aber das fällt für mich eher in die Kategorie gesunder Menschenverstand und vernünftiges Leiten einer Organisation. Warum solltest du nicht Watsons Input haben wollen? Und wenn er gerne mit Eric Bieniemy arbeiten würde - solltest du dir dessen Pitch nicht wenigstens anhören? In Zeiten, in denen ein Head-Coach-Interview keine Tagesangelegenheit in den Büros ist, sondern ein Zoom-Call über ein paar Stunden?
Die Antwort für mich ist ein klares Ja, und bei den Texans, beginnend mit der Personalie Jack Easterby, bekommt man mehr und mehr den Eindruck, dass Machtspielchen und persönlicher Machthunger gerade die Richtung der Franchise vorgeben. Vielleicht kann Nick Caserio die Segel in eine andere Richtung setzen - Watson zu verlieren wäre das absolute Horrorszenario.
Was bleibt den Texans jetzt? Watson ist erstmal im Urlaub und vermutlich ist es der beste Weg für Houston, die Situation abkühlen zu lassen und sich dann wieder zusammen zu setzen, um all das, was sich über die letzten Tage angesammelt hat, im Idealfall aus der Welt geschaffen werden kann. Ultimativ rechne ich Stand heute auch trotz allem nicht damit, dass es wirklich zum Bruch in Form eines forcierten Trades kommt.
Natürlich hat Watson gerade seinen neuen Vertrag unterzeichnet. Aber man wäre naiv, wenn man die Situation mit Verweis auf Watsons mangelnde Druckmittel abtun würde. Wenn Watson weg will, und das fernab finanzieller oder vertraglicher Unzufriedenheit, dann wird es schwer für die Texans sein, das trotzdem hinzubekommen.
4. Die NFC-Playoff-Verlierer: Wie geht es weiter?
Für insgesamt sechs Teams endet die Saison nur eine Woche später als für die Franchises, die die Playoffs gleich komplett verpasst haben. Und für einige stehen jetzt potenziell Franchise-verändernde Entscheidungen und Fragen im Mittelpunkt.
Washington Football Team: Ist Alex Smith noch der Starter? Sieht man in der Hauptstadt Alex Smith noch als mögliche Lösung für ein Jahr, um weiter aufzubauen und die Quarterback-Frage dann perspektivisch anzugehen? Smith gewissermaßen als Game Manager und Übergangslösung, vielleicht auch für einen Rookie? Oder erhofft sich Washington zeitnah ein mögliches Titelfenster, wenn man ein schnelles Quarterback-Upgrade - womöglich auch dann per Free Agency oder Trade - findet? Hat sich Taylor Heinicke mit seinem tollen Auftritt vielleicht sogar eine Chance erspielt? Auf der Quarterback-Position scheint in der Hauptstadt mit dem Ende dieser Saison so einiges denkbar zu sein.
Seattle Seahawks: Wie soll die Defense aussehen? Neben den bereits ausführlicher thematisierten Offense-Punkten muss auch Seattles Defense im Fokus stehen. Der Last-Minute-Trade für Carlos Dunlap unterstrich nur nochmals, wie drastisch Seattle den Pass-Rush in der Offseason ignoriert hatte. Stattdessen wurde viel in Jamal Adams investiert, der gegen die Rams einmal mehr ein beliebtes Matchup für die gegnerische Offense darstellte - böse Zungen würden sagen, dass Adams die Investition in den Edge-Rush war. Doch so steht eine Defense, in der Quinton Dunbar auch verletzungsbedingt nicht funktioniert hatte, Shaq Griffin einen Schritt zurück gemacht hat, und Adams nur sehr eindimensional funktioniert hat, während Bobby Wagner langsam aber sicher älter wird. Seattle könnte defensiv schon bald eine Kernsanierung benötigen.
Chicago Bears: Was ist der Quarterback-Plan? Mitchell Trubisky ist nicht die Antwort. Nick Foles noch weniger. Und die Bears sind in einem schwierigen Spot: Der defensive Kader ist stark besetzt, es werden teure Verträge - konkret jetzt der von Allen Robinson - fällig. Und die Draft-Ressourcen sind überschaubar. Zumindest aber gibt es wieder einen Erstrunden-Pick. Die Bears waren zuletzt regelmäßig aggressiv mit ihren Draft-Uptrades - gibt es jetzt den aggressiven Move für einen Quarterback? Mit Foles als halbwegs günstigem Backup? Einen kompletten Rebuild des Kaders würden die aktuellen Verantwortlichen wohl nicht im Amt überstehen.
5. Die AFC-Playoff-Verlierer: Wie geht es weiter?
Indianapolis Colts: Was macht Philip Rivers? Rivers selbst erklärte nach dem Spiel in Buffalo: "Wenn es Gottes Wille ist, dass ich auch nächstes Jahr bei den Colts bin, dann werde ich da sein. Wenn nicht, werde ich an der Seitenlinie stehen und ein Team coachen." Ein ernsthaft angedachter Rücktritt klingt anders, und Rivers spielt definitiv auch nach wie vor gut genug, um mit ihm noch einmal anzugreifen. Zumal Indianapolis die Ressourcen hat. Gerüchte um Carson Wentz werden die Colts über die nächsten Wochen allein durch die Frank-Reich-Connection mit hoher Wahrscheinlichkeit begleiten, und die Idee, sich eher für die Zukunft auszurichten, hat auch ihren Reiz. Aber wenn die Colts gewillt sind, das Team um Rivers herum nochmal zu verbessern und noch einen Anlauf zu starten, könnte ich das gut nachvollziehen.
Tennessee Titans: Was passiert, falls Arthur Smith geht? Tennessees Offensive Coordinator ist dieser Tage ein gefragter Mann, und das frühe Playoff-Aus könnte diesen Prozess jetzt noch zusätzlich anschieben. Alle sechs Teams mit offenen Head-Coach-Posten haben Smith zum Interview angefragt - was wird aus der Titans-Offense, wenn Smith geht? Jene Offense, die so ideal zu Tannehill, zu Henry, zu Brown und Co. passt? Kann Tennessee die enorme Explosivität, gerade durch die Luft, aufrechterhalten? Und in ähnlicher Kategorie: Entschließt sich Mike Vrabel, einen Defensive Coordintor anzustellen? Es wäre wohl eine durchaus empfehlenswerte Schlussfolgerung aus dieser Saison.
Pittsburgh Steelers: Umbruch oder erneuter Angriff? Um die Steelers soll es gleich noch ausführlicher gehen, und natürlich steht dabei Ben Roethlisberger im Fokus. Das ist die weichenstellende Personalie in Pittsburgh: Gibt es den Neustart, oder greift man mit Big Ben nochmals an? Diese Überlegungen gehen aber auch darüber hinaus, wenn es um die Frage des Offensive Coordinators geht - und wenn es um die Kaderplanung geht. Unter anderem Bud Dupree, Alejandro Villanueva, Matt Feiler, JuJu Smith-Schuster, James Conner, Cameron Sutton und Tyson Alualu sind angehende Free Agents.
6. Das Steelers-Debakel: War es das für Big Ben?
Die Häme - gemischt mit einer Art kollektivem Mitfreuen mit den leidgeprüften Browns-Fans - für die Steelers war am Sonntagabend während des Debakels gegen die Browns natürlich allgegenwärtig. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, wie es so schön heißt.
Vielleicht kann man es am ehesten so zusammenfassen: Im Spiel zwischen Cleveland und Pittsburgh musste ein Team ohne seinen Head Coach und mit massiv gestörter Vorbereitung antreten - und das andere Team spielte so, als wäre das der Fall. Die Browns boten eine tolle Vorstellung, insbesondere an der Line of Scrimmage, aber auch in Person von Baker Mayfield und Jarvis Landry, und konnten dadurch immer wieder antworten, wenn die Steelers das Spiel doch wieder eng machten.
Dabei muss man mit Blick auf das Steelers-Debakel natürlich ein wenig sortieren: Der Snap, der über den Kopf fliegt und dann in einem Touchdown endet, die abgefälschte Interception, es war so ein Tag, an dem einfach überhaupt nichts lief und an dem eine Defense, die das Team über weite Teile der Saison getragen hat, plötzlich auch komplett in sich zusammenbricht.
Aber was bleibt, wenn man sich durch die Dinge mit der Überschrift "blöd gelaufen" durcharbeitet? Oder anders gefragt: Was ist der Kern der Problematik?
Das war für die Steelers immer die eigene Offense. Auch beim 11-0-Run zu Beginn der Saison, der über die Probleme hinwegtäuschte. Eine Offense, die auf ein extremes Kurzpassspiel setzte, in welchem Roethlisberger den Ball konstant wahnsinnig schnell warf. Eine Offense, die sich selbst so minimalen Spielraum für Fehler gab, die absolut überhaupt keine schematische Verbindung zwischen dem Run Game und dem Passing Game herstellte, und so fand alles in Isolation statt. Die Play-Designs, genau wie die Routes der Receiver innerhalb dieser Designs.
Was passiert, wenn dann eben doch Fehler kommen, hat man über die vergangenen Wochen gesehen. Dann wird die Offense extrem schnell lahmgelegt, und es gab mitunter extrem hässliche Auftritte, wie gegen Washington und Cincinnati.
Steelers: Wie geht es für Pittsburgh nach dem Playoff-Aus weiter?
Was ist jetzt die Lektion aus dieser Saison? Wie viel Schuld trifft Offensive Coordinator Randy Fichtner - hier sollte man so oder so ein Upgrade suchen -, wie viel Roethlisberger? Pittsburgh spielt etwa mit Abstand am wenigsten Play Action in der NFL und wenn sie es spielen, ist es auffallend desolat. Würde Fichtner das gerne mehr nutzen, aber Big Bens mangelnde Mobilität und womöglich ein Unwillen, sich mit dem Rücken zur Defense in Bewegung zu setzen, verhindern das? Ist das vielleicht auch ein Grund dafür, dass das Run Game und das Passing Game so überhaupt gar nicht aufeinander abgestimmt sind?
Oder anders formuliert: Roethlisberger gibt der Offense eine Baseline - aber er limitiert möglicherweise auch alles, was über diese Baseline hinaus geht, signifikant. Dass Pittsburgh dann noch bei Vierter-und-Eins an der eigenen 46-Yard-Line bei zwölf Punkten Rückstand puntete und Cleveland im Gegenzug den Deckel drauf machte, passte ins Gesamtbild. Tomlin und Tennessees Mike Vrabel bekleckerten sich beide nicht mit Ruhm in dieser Hinsicht und trugen so maßgeblich zur Niederlage ihres Teams bei.
Doch welche Schlussfolgerungen lassen sich für die Steelers jetzt daraus ziehen? Wenn mit Roethlisberger nicht mehr viel mehr als eine mittelmäßige Offense möglich ist, nimmt man das hin? Bei einem Cap Hit in Höhe von 41,25 Millionen Dollar 2021? Oder zieht man jetzt den Schlussstrich, schluckt den Dead Cap über 22,25 Millionen Dollar und wagt den Neustart auf der Position? Oder ist Fichtner das primäre Problem, und eine andere Offense würde aus Big Ben nochmals mehr herausholen?
Das ist die zentrale Frage für die Steelers-Offseason, die viel früher als in Pittsburgh erhofft beginnt, und umso größere Fragen mit sich bringt. Meine Analyse frisch nach der Saison: Mit Roethlisberger wird Pittsburgh keinen Titel mehr gewinnen. Ein Quarterback mit einem Cap Hit jenseits der 40 Millionen Dollar in einem Jahr, in dem der Cap runter geht und andere Verträge auslaufen, ist dann eigentlich nicht zu rechtfertigen.
7. Finden die Bills ihren Groove in der nächsten Runde?
Die Colts hatten gegen Buffalo eine echte Chance, dieses Spiel zu gewinnen. Buffalo hatte ziemliche Startschwierigkeiten, und Indianapolis hatte jede Menge Möglichkeiten - und abgesehen von dem Punt bei Vierter-und-Fünf in der gegnerischen Hälfte in der ersten Hälfte auch den Fuß auf dem Gaspedal.
Das Fourth Down vor der Halbzeitpause kurz vor der Endzone auszuspielen, war in der Entscheidung richtig, genau wie die erste versuchte 2-Point-Conversion. Das Problem mit der "Prozess vor Resultat"-Rechnung? Die Theorie ist gut, doch die Colts waren gerade in diesen Momenten in puncto Play-Calls ganz, ganz schwach. Sie hatten auch viel zu viele Drops.
Sie haben Timeouts verschwendet, die sie am Ende gebraucht hätten. Sie hatten die defensive Strafe, welche einen Bills-Scoring-Drive am Leben hielt. Und sie hatten zu viele Runs, die ins Nichts liefen, welche Rivers noch einige Male dann bei Third Down wieder ausbügelte. Auch weil Buffalos Blitzes häufig ins Nichts liefen.
Dann ist es am Ende doch eine simple Floskel: Zu viele individuelle Fehler kosten Spiele, und in den Playoffs erst recht. Für die Colts ist es umso bitterer, weil die Bills hier definitiv schlagbar gewesen wären. Aber Indianapolis stand sich selbst im Weg - und mit zweieinhalb Minuten Zeit für das Field Goal kamen sie gerade so über die 50-Yard-Linie.
NFL-Playoffs: Der Motor der Bills-Offense stottert
Spannender für den weiteren Playoff-Verlauf ist natürlich die Bills-Perspektive. Vielleicht war das das Spiel, das sie jetzt aus ihrem System bringen mussten. Nach dem Debakel in der Wildcard-Runde im Vorjahr gegen Houston, in dem Josh Allen seinen persönlichen Meltdown hatte. Und eine gewisse Nervosität - auch bei Brian Daboll - war spürbar.
Buffalo war über weite Strecken der Partie ungewohnt vorsichtig, setzte auf das Run Game, und das auch merkwürdig hartnäckig. Das ist weder die Identität dieser Bills-Offense, noch die empfehlenswerte Marschroute gegen die Colts-Front. Auch wenn die Starting Field Position gerade in der ersten Hälfte mehrfach nicht gut war, doch Indianapolis bekam nur wenig Druck auf den Passer. Die Bills wären mit ihrem gewohnten Early-Down-Passing-Game auch in diesen Situationen wohl besser beraten gewesen. Und Allen selbst hatte enormes Glück, dass er das Spiel spät nicht weg fumbelte.
Es musste über individuelle Big Plays gehen. Dieser Monster-Catch von Stefon Diggs, die beiden Plays von Gabriel Davis an der Seitenlinie. Die QB-Draws von Allen. Die sehr kurios anmutende Run Pass Option zum Touchdown zu Dawson Knox. Buffalos Offense fühlte sich lange an wie Stückwerk. Und trotzdem sind sie immer noch so unheimlich explosiv. Zu explosiv, als dass man gegen sie Scoring-Gelegenheiten ungestraft liegen lassen kann. Aber die Bills müssen sich offensiv im Gesamtverbund deutlich steigern.
8. Hut ab vor Taylor Heinicke
Weniger eine taktische Lehre oder eine perspektivische Weichenstellung für ein Team, als mehr schlicht und ergreifend die Chance, einen Spieler mal zu loben. Das Duell zwischen Washington und Tampa Bay war das erste Wildcard-Auswärts-Spiel in der Karriere von Tom Brady, es war sein erstes Playoff-Spiel für ein anderes Team als die Patriots, es war das erste Playoff-Spiel für die Bucs seit 2007 und der erste Playoff-Sieg seit dem Super Bowl im Januar 2003.
Aber die Story nach und schon während der Partie war Taylor Heinicke. Jener Heinicke, der nur spielte, weil Alex Smiths Wade doch nicht mitmachte und das Dwayne-Haskins-Missverständnis beendet worden war. Der das Jahr bei den St. Louis Battlehawks in der schon wieder dicht gemachten XFL begonnen hatte.
Jetzt musste er gegen den erfolgreichsten Postseason-Quarterback aller Zeiten und eine aggressive, komplexe Bucs-Defense ran - und Heinicke verkaufte sich nicht nur ordentlich. Er hielt das Spiel eng, mit einem unheimlich abgezockten Auftritt aus der Pocket, mehrfach zeigte er ein spektakuläres Gefühl für die über ihn hereinbrechenden Pass-Rusher und er nutzte seine Athletik wahnsinnig effizient.
Washington hatte eine ernsthafte Chance, im Schlussviertel in Führung zu gehen oder zumindest spät noch auszugleichen. Das lag an einer Defense, die mehrfach nur Field Goals statt Touchdowns zuließ - und am Auftritt von Heinicke, der viel mehr zeigte, als irgendwer hätte erwarten können.
Das heißt nicht, dass Heinicke sich damit in den nächsten Starting Spot gespielt hat. Auch wenn es ein außergewöhnlicher Auftritt war. Aber wie ruhig er spielte, wie überdeutlich es war, dass der Moment für ihn nicht zu groß ist - ich könnte mir gut vorstellen, dass Heinicke sich mit diesem Spiel zumindest einen guten Backup-Vertrag verdient hat.
9. Erster Ausblick: Divisional Matchups AFC
Kansas City Chiefs vs. Cleveland Browns: Können die Browns Kansas Citys Offense ausreichend einbremsen, sodass Cleveland das Spiel mit seinem eigenen Run Game gewinnen kann? Die Browns werden in diesem Spiel den Ball laufen können, das scheint relativ klar. Zu dominant ist Cleveland in gerade dieser Disziplin - und zu anfällig sind die Chiefs hier defensiv. Doch selbst wenn die Browns für 250 Yards laufen und viele lange Drives hinlegen, wird das womöglich nicht reichen, wenn die Chiefs ihre explosive Offense aufs Feld bringen können. Die Browns müssen Mahomes mit dem 4-Men-Rush ausreichend unter Druck setzen und KC ein paar Mal ohne Punkte vom Feld jagen. Dann kann Cleveland offensiv mit seinem Plan A für die nächste Überraschung sorgen.
Buffalo Bills vs. Baltimore Ravens: Die Explosivität im Run Game der Ravens war auch gegen die Titans zu sehen - allerdings führte sie nicht zu einer Scoring-Explosion wie in einigen Spielen zuletzt. Tennessee stoppte Baltimores Offense doch einige Male, verpasste es dann aber, mit der eigenen Offense nachzuziehen. Darauf sollten sich die Ravens gegen Buffalo nicht verlassen, auch wenn diese Seite des Balls hochspannend wird. Die Bills müssen zeigen, dass sie die Nervosität des ersten Spiels abgelegt haben. Denn die aggressive Ravens-Defense ist nicht der Sparringspartner, der viele Fehler vergibt. Aber wie viel Man Coverage wollen die Ravens in diesem Matchup wirklich spielen? Auf der anderen Seite dürfte Buffalo mehr Ressourcen in die Front stecken, doch reicht das, um den Run besser zu stoppen als über weite Teile dieser Saison?
10. Erster Ausblick: Divisional Matchups NFC
Green Bay Packers vs. Los Angeles Rams: Ich hatte im Playoff Power Ranking geschrieben, dass die Rams im Vakuum betrachtet eher am unteren Ende der NFC-Playoff-Teams dieses Jahr stehen - und dass sie dennoch für jedes andere Team in der NFC das unangenehmste Matchup sein könnten. Letzteres hat das Seahwks-Spiel eindrucksvoll untermauert, trifft es auch gegen Green Bay zu? Die Rams haben die beste Defense in diesem Playoff-Feld und sind exzellent gecoacht, L.A. könnte auch die gefährliche Packers-Offense limitieren. Das, in Kombination mit Green Bays verbesserter aber noch immer schlagbarer Run-Defense, könnte für ein packendes Duell sorgen.
New Orleans Saints vs. Tampa Bay Buccaneers: Sind für die Saints aller guten Dinge drei? Nachdem New Orleans die Bucs in der Regular Season zwei Mal schlagen konnte - das zweite Mal in Form einer absoluten Demontage -, wollen sie jetzt das seltene Kunststück schaffen, ein Team innerhalb einer Saison drei Mal zu schlagen. Doch das Bucs-Team heute ist kein Vergleich zu jener Version, die in Woche 9 mit 3:38 unterging, insbesondere mit Blick auf die eigene Offense. Kann New Orleans die seit nunmehr rund fünf Wochen signifikant flexiblere Bucs-Offense abermals lahmlegen? Oder muss Brees in einen Shootout gehen? Letzteres würde eine düstere Prognose mit sich bringen - die Saints hatten gegen eine ersatzgeschwächte Bears-Defense doch über weite Strecken enorme Probleme damit, den Ball zu bewegen.