Der Start in die Playoffs hatte es in sich: Die Bills müssen deutlich mehr zittern als gedacht, die Jaguars schocken die Chargers. SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt zurück auf die Spiele - mit Fokus auf die Verlierer: Wie geht es für sie jetzt weiter? Welche Themen bleiben aus dieser Saison hängen? Und welche Geschichten aus der Regular Season waren in den Playoffs ebenfalls zu sehen?
1. Der Chargers-Kollaps muss Konsequenzen haben
Man kann zumindest nicht sagen, dass die Chargers nicht mit einem klaren Plan in diese Saison gegangen sind. Auch - oder gar erst recht - nicht nach dem bitteren Aus gegen die Jacksonville Jaguars, eine historische Niederlage; erstmals in der Postseason-Geschichte hat ein Team ein Spiel verloren, das ein Turnover Differential von +5 auf seiner Seite hatte.
Der Plan für diese Saison, und damit irgendwo auch für dieses gesamte Fenster, war dieser: Die Phase, so lange Justin Herbert günstig ist, ausnutzen, um eine dominante Defense aufzubauen. Das sollte die Grundlage sein, um ein Titelfenster aufzustoßen.
Der Gedankengang dahinter ist auf mehreren Ebenen zumindest aus Perspektive der Chargers in sich schlüssig: Brandon Staley ist ein Defense-Head-Coach. Die Chargers wollen eine ballkontrollierte Offense spielen.
Die "defensive" Chargers-Offseason:
Neuzugang | Vertrag/Ablöse |
Cornerback J.C. Jackson | 5 Jahre, 82,5 Mio. Dollar (40 Mio. garantiert) |
DT Sebastian Joseph-Day | 3 Jahre, 24 Mio. Dollar (16,5 Mio. garantiert) |
DT Austin Johnson | 2 Jahre, 14 Mio. Dollar (10,625 Mio. garantiert) |
SCB Bryce Callahan | 1 Jahr, 1,2 Mio. Dollar (152.500 garantiert) |
Edge Kyle Van Noy | 1 Jahr, 2,25 Mio. Dollar (750.000 garantiert) |
Edge Khalil Mack | 2nd Rounder 2022, 6th Rounder 2023 |
Sie wollen keine Shootouts bestreiten, sondern Spiele kontrollieren, und insofern ergibt diese Strategie schon irgendwo Sinn. Es ist ein merklich anderer Ansatz als das, was Teams wie Kansas City oder Buffalo machen, die immer wieder in das offensive Waffenarsenal investieren, die Speed und Explosivität suchen - die Idee geht eher in die Richtung von dem, was die Packers dieses Jahr versucht haben.
Welche Art Team sollte man für Justin Herbert bauen?
Jetzt könnte man hier eine übergreifende, generalisierende Schlussfolgerung erwarten: Dass dieser Ansatz nicht funktioniert, dass man immer in die Offense investieren sollte, und so weiter.
Und auch wenn ich immer diesen Weg - also Fokus auf die Offense, ein Team aufbauen, dass offensive Shootouts gewinnen kann - wählen würde, mit einem Quarterback wie Justin Herbert, so kann man sicher auch argumentieren, dass man die Defense priorisieren und auf diese Art und Weise in den Playoffs gewinnen kann.
Was bei den Chargers aber viel mehr negativ auffällt als die generelle Fokussierung auf die Defense, ist die Tatsache, dass sie bewusst ein Team gebaut haben, das enge Spiele gewinnen soll - statt eines, das mit einem Top-5-Quarterback-Talent Spiele dominieren soll.
Und das liegt an der Art und Weise, wie Staley sich seine Offense vorstellt - und wofür er Joe Lombardi als, zugegebenermaßen passenden, Architekten auserkoren hat.
Chargers bauen eine Offense ohne Explosivität
Es ist eine Offense, die Spiele kontrollieren soll. Die Chargers haben über mehrere Offseasons die Offensive Line priorisiert, mit Corey Linsley, dem teuren Free-Agency-Neuzugang, sowie Rashawn Slater und Guard Zion Johnson, den beiden Erstrunden-Picks 2021 und 2022.
Ihr bester Receiver ist Keenan Allen, ein in die Jahre gekommener, aber noch immer guter Slot-Receiver - dessen Qualität mehr das Chain-Moving und der Possession-Receiver ist. Austin Ekeler ist ein fantastischer (Receiving-)Back, eine echte Matchup-Waffe im Passspiel. Aber er ist kein dynamischer Spieler, als Runner nicht, und auch nicht nach dem Catch.
Was die Chargers aufgebaut haben, ist eine Offense, die wenig Spielraum für Fehler hat, die immer wieder lange Drives hinlegen muss. Doch für diese Spielweise kreieren die Chargers zu wenig nach dem Catch und sie haben zu wenig schematische Antworten.
Das Ergebnis sind dann Spiele wie das gegen die Jaguars: In denen der Gegner anfängt, die Routes für die Receiver zu laufen. In denen niemand offen ist. Und dann das Run Game als Floor zu verwenden, was Lombardi und auch Staley offensichtlich als essenzielle Säule betrachten, das hat für die Chargers in den letzten Jahren nie funktioniert. Auch weil die Line dafür nicht gut genug ist.
Selbst als die Chargers in der ersten Hälfte gegen Jacksonville deutlich führten, kam das vor allem dank der zahlreichen Jaguars-Turnovers zustande. Los Angeles hätte hier keine Wunderdinge vollbringen müssen, nachdem man das Spiel auf dem Silbertablett serviert bekommen hatte. Doch die Chargers bewegten den Ball in dieser Partie viel zu selten konstant gut, und während sich Jacksonvilles Offense anpassen konnte, konnte man das einmal mehr über die Chargers nicht sagen.
Chargers: Die Offense hat versagt
Aber hier kommt man auch zu einem ganz kritischen Knackpunkt, wenn es darum geht, diese Chargers-Saison zu evaluieren, und gleichzeitig die Weichen für die nächsten Schritte zu stellen: Wenn man eine solche Offense spielen will, in der der Quarterback ein High-Level-Ballverteiler sein muss - und Justin Herbert kann das -, dann muss man schematische, aber auch individuelle Antworten liefern können.
Beides haben die Chargers in dieser Saison nicht geschafft. Die Offense beendete die Regular Season in puncto Success Rate auf Platz 18, hinter unter anderem den Steelers, den Falcons, den Saints und den Ravens, die signifikante Teile der Saison mit dem zweiten - und teilweise dritten - Quarterback spielen mussten.
Der Mangel an Explosivität war omnipräsent, genau wie der Mangel an Antworten. Umso mehr gegen die Jaguars, als mit Mike Williams die eine verlässliche Big-Play-Waffe fehlte.
Hier ist der Plan, welchen die Chargers in dieser Saison verfolgt haben, gescheitert. Die Defense hat ihren Teil erfüllt, maßgeblich durch eine klare Leistungssteigerung im letzten Saison-Drittel: Ab Woche 12 belegten die Chargers defensiv Platz 5 in Expected Points Added pro Play, Platz 6 in Success Rate, Platz 2 in Dropback Success Rate.
Kann Brandon Staley auch Head Coach?
Staley kann Defense coachen, das hat er gezeigt; dieses Jahr in meinen Augen am eindrucksvollsten, weil er sich umstellen musste und weil er mehrere gravierende Ausfälle kompensieren musste.
Was er bisher nicht gezeigt hat, ist, dass er ein guter Head Coach sein kann. Die Entscheidung, im bedeutungslosen Week-18-Spiel die Starter spielen zu lassen, hat sich mit dem Ausfall von Mike Williams massiv gerächt. Auch sein medialer Umgang mit der Situation im Anschluss.
Sein Game Management in der Vorsaison hatte eine klare Linie, dieses Jahr wirkte er zunächst - vermutlich mit der Idee einer dominanten Defense im Kopf - deutlich konservativer, im Laufe der Saison war es zunehmend schwierig, eine klare Linie zu erkennen.
Die größte Head-Coach-Probe - davon ausgehend, dass die Chargers ihn weiter in dieser Rolle behalten - erwartet ihn jetzt aber zum Start der Offseason.
Wenn ein Plan so krachend scheitert, muss das Konsequenzen haben. In meinen Augen muss Staley als Head Coach mindestens angezählt sein. Vor allem aber muss er sich jetzt selbst dahingehend hinterfragen, ob die Idee der Offense, die er für dieses Team hatte, nicht die falsche Idee war. Und ob Joe Lombardi nicht so oder so der falsche Coach ist, um eine Contender-Offense aufs Feld zu bringen.
In eine weitere Saison mit Joe Lombardi als Offensive Coordinator zu gehen, muss in jedem Szenario vom Tisch sein. Wenn diese Saison aus Chargers-Sicht irgendeinen Takeaway bieten sollte, dann ist es dieser.
2. Wie realistisch schätzen sich die Vikings selbst ein?
Die Vikings haben in dieser Saison einen Rekord für die meisten Siege in One-Score-Games aufgestellt. Sie waren das erste Team, das bei 13 Siegen ein negatives Point-Differential hatte. Dieses Team war in der Regular Season kurios in jeder Hinsicht, ein Team, bei dem einen, unabhängig vom Gegner, ein knapper Sieg genauso wenig überrascht wie eine hohe Niederlage - warum sollte es da in den Playoffs anders sein?
Warum sollte beispielsweise die Defense, die über den absoluten Großteil der Saison riesige Probleme hatte, einen Zugriff zu finden, mal die Aggressivität hochzuschrauben, mal eine 180-Grad-Drehung im Matchplan hinzulegen - warum sollte diese Defense plötzlich in den Playoffs ein anderes Gesicht zeigen?
Die Vikings spielten es merklich anders als im Regular-Season-Spiel gegen die Giants: Sie waren wieder mehr auf Sicherheit bedacht, saßen viel in Zone Coverages und blitzten wenig - doch die Giants konnten die Coverage-Zones immer wieder erfolgreich attackieren, regelmäßig waren Räume offen, und wenn nicht, dann war Daniel Jones als Scrambler mehrfach die Antwort.
Die Vikings verlieren ihr erstes One-Score-Game
Minnesota wirkte so häufig in dieser Saison defensiv zu passiv, zu soft in seinen Coverages, und dieser Eindruck bestätigte sich gegen die Giants - was noch, in diesem Fall von meiner Seite, zu soft ausgedrückt wirkt angesichts einer enttäuschenden Vorstellung einer Defense, die eigentlich die Playmaker-Qualität auf allen drei Leveln hat, um eben auch anders aufzutreten.
All das war umso auffälliger, weil eben auch defensive Big Plays möglich waren, als die Vikings im Laufe der zweiten Hälfte einige Blitzes brachten.
Einmal wurden sie dafür dann auch in der Red Zone zum Touchdown verbrannt, aber das gab ihnen zumindest defensiv die Chance auf Big Plays, als längst klar war, dass Minnesotas regulären Coverages und Fronts hier nicht funktionieren würden. Diese Flexibilität hätte ich mir auch schon früher gewünscht, statt erneut und erneut offene Receiver oder offene Runs zuzulassen.
Anders war vor allem das Endresultat. Nach dem historischen 11-0-Run in One-Score-Games während der Regular Season verlor Minnesota zum ersten Mal in dieser Saison ein enges Spiel. Und auch wenn das Ergebnis in diesem Sinne nicht zur bisherigen Vikings-Saison "passte", so passte es eigentlich doch ganz genau.
"Wie gut sind die Vikings wirklich?"
Denn die ganze Saison über war das ein Diskussionspunkt rund um dieses Team, mit der Kernfrage: Wie gut sind die Vikings wirklich?
Diese Diskussionen sind umso kontroverser, wenn der Record einen Titelkandidaten andeutet, mehrere Spiele - deutliche Niederlagen einerseits, haarscharfe Siege andererseits - ein ganz anderes Bild zeichnen.
Ich sehe die Realität so: Die 2022er Vikings waren ein Team im oberen Mittelfeld, das in einzelnen Ausreißern, maßgeblich dank Justin Jefferson, über seiner Gewichtsklasse boxen konnte, aber das nie die Konstanz an den Tag legte, die es braucht, um wirklich ganz oben mitzuspielen.
Daran hatte die Defense maßgeblich ihren Anteil, offensiv fiel mir vor allem auf, dass Minnesota nie irgendeine Identität im Run Game fand. Selbst als man gegen die Giants früh im Spiel den Ball gut laufen konnte, gingen die Vikings in Short-Yardage-Situationen mehrfach weg vom Run Game.
Und Cousins ist eben Cousins. Cousins ist in der Lage, ein sehr gutes Spiel abzuliefern; wie am Sonntag gegen die Giants, als er extrem viel unter Druck stand, und das gut managte. Aber dann hat er diese Aussetzer, die immer verhindern werden, dass ihn irgendjemand in die Quarterback-Elite zählt. Der Checkdown zu einem gecoverten Tight End bei Fourth Down, bei dem es um alles ging, war auch mit Druck vor sich so ein bitterer Moment.
Wie realistisch sehen die Vikings ihre eigene Saison?
Ein Team, dessen zentrale Identität darin lag, enge Spiele zu gewinnen, kann dann auch mal ein enges Spiel verlieren, das sollte niemanden wirklich überraschen. Spannender werden jetzt die nächsten Wochen und Monate. Denn jetzt werden wir wirklich etwas über dieses Team lernen - die kritische Frage nämlich, inwieweit die Vikings-Verantwortlichen ihr Team selbst realistisch einschätzen können.
Es wäre leicht, nach einer 13-Siege-Saison und einem knappen Aus in der Wildcard Round auf dieses Team zu schauen und sich selbst einzureden, dass man ein, zwei Moves noch machen muss, um im nächsten Jahr ein Titelanwärter zu sein. Gerade in der NFC, die nicht allzu viele Top-Teams zu bieten hat.
Und ich denke, niemand wird die Vikings auffordern, jetzt den gesamten Kader zu entkernen und neu aufzustellen. Aber was ist mit dem Posten des Defensive Coordinators? Was ist mit der generell alternden Defense? Was ist mit Spielern wie Adam Thielen?
Es gibt hier Nuancen in der Betrachtung. Man kann die nächste Entwicklungsstufe dieses Kaders einleiten, auch ohne einen kompletten Rebuild anzuzetteln. Man könnte auf der anderen Seite auch versuchen, mit ein, zwei großen Signings oder Trades einen Titelanwärter zu basteln.
Wie die noch - in jeder Hinsicht - junge Vikings-Führung diese Saison einschätzt, und welche Schlüsse sie aus dieser Saison für die jetzt anstehenden Weichenstellungen für die kurz- und langfristige Zukunft zieht, das wird uns sehr viel darüber verraten, ob die Vikings in guten Händen sind.
3. Die Seahawks: Der Weg ist klar - oder?
Eine unerwartet positive, unterhaltsame Saison der Seahawks endete letztlich mit einer deutlichen Klatsche. Das 23:41 gegen die 49ers liest sich zunächst einmal wie eine komplette Playoff-Abreibung; eine Demontage, welche selbst den antizipierten Unterschied zwischen diesen beiden Teams nochmal deutlich übertraf.
Doch das war, auch wenn es am Ende die deutlichste Niederlage setzte, das kompetitivste Spiel, welches die Seahawks den Niners in dieser Saison geliefert haben.
Zweieinhalb Minuten vor dem Ende des dritten Viertels führte San Francisco mit lediglich sechs Punkten, und die Seahawks standen in der Red Zone, mit der Chance, erneut die Führung zu übernehmen. Dann hielt Geno Smith den Ball in der Pocket zu unvorsichtig, Charles Omenihu bekam die Hand an den Ball und schlug ihn raus. Bosa sicherte den Fumble, und keine acht Spielminuten später stand es 38:17 für die 49ers.
Es war der Wendepunkt in einem Spiel, in dem Seattle in der ersten Hälfte die beiden kritischsten Fragen beantwortet hatte.
Nachdem die Niners-Front die ersten beiden Drives eindrucksvoll erstickt hatte, legten die Seahawks zunächst einen Touchdown-Drive hin, bei dem das Run Game konstant funktionierte, nur um dann im nächsten Drive mit dem langen Touchdown-Pass auf DK Metcalf zu zeigen, dass man sehr wohl explosive Plays gegen diese Niners-Defense auflegen kann.
Seattle muss weiter in die Line investieren
Das Spiel erinnerte, als diese beiden Teams in die Halbzeitpause gingen, aus Seahawks-Sicht gar nicht an die ersten beiden Saisonspiele gegen die 49ers. Dennoch kann man einige klare Ideen mitnehmen: Seattle sollte, auch nachdem man mit zwei (!) Rookie-Tackles im vergangenen Draft den Grundstein für die Zukunft gelegt hatte, weiter in die Offensive Line investieren.
Denn beide Dinge können wahr sein: Die beiden Rookie-Tackles, die nach gutem Start in die Saison in der zweiten Saisonhälfte - nicht Rookie-untypisch - abbauten, werden sich stabilisieren und werden sich steigern; und gleichzeitig muss die Line weiter adressiert und weiter verbessert werden, mit Blick eben auf die Interior Line.
Was generell nämlich auffiel, ist, wie inkonstant das Run Game war. Seattle konnte bestenfalls durch Big Plays am Boden etwas bewegen; in puncto Success Rate, also wie konstant die Seahawks positive Runs kreierten, belegten sie in der Regular Season Platz 32.
Hier merkte man die Defizite in der Offensive Line noch mehr als in der Pass-Protection, was dann zusätzliche Auswirkungen auf das Passing Game hatte: Weil das Run Game bestenfalls inkonstant war und die eigene Defense immer mehr auseinanderfiel, standen Geno und das eigene Passing Game umso mehr unter Druck - was dann wiederum dazu führte, dass die Line in Pass-Protection ebenfalls mehr im Fokus stand.
Seahawks zeigen offensive Fortschritte
Und damit schließt sich der Kreis zu den Duellen gegen San Francisco. Geno Smith hatte in der Regular Season vier Spiele mit einer durchschnittlichen Target-Tiefe von unter 5,5 Yards, und damit signifikant unter seinem Saison-Schnitt von 8,2 Yards: Zwei davon kamen gegen die 49ers, mit 5,4 Yards im ersten und gerade einmal 4,4 Yards im zweiten Spiel.
Er hatte auch vier Spiele, in denen er weniger als zwei tiefe Pässe überhaupt versucht hatte; auch hier waren beide Spiele gegen San Francisco dabei, mit einem tiefen Shot im ersten und keinem im zweiten Duell gegen die 49ers.
Die Niners-Defense ist außergewöhnlich gut darin, Shot-Plays zu verhindern - gegen Seattle war das besonders eklatant, weil die Seahawks-Offense eindimensional wurde und dann den Pass-Rush nicht blocken konnte.
Zumindest in der ersten Hälfte war das im dritten Matchup über weite Strecken nicht der Fall. Erst in der zweiten Hälfte entglitt das Spiel - beginnend mit dem Strip-Sack - den Seahawks. Natürlich war in Phasen die Dominanz der Niners-Front zu sehen, doch bis zum Schlussviertel war es kein Spiel, in dem Seattle an der Line dominiert wurde.
Seahawks haben einen riesigen Sprung gemacht
Und generell gilt: All das sollte aber nicht von dem gigantischen Schritt ablenken, den die Seahawks als Franchise in diesem Jahr geschafft haben. Denn, so viel ist klar: Seattle steht jetzt viel, viel besser da, als man das im vergangenen März, nachdem der Trade von Russell Wilson in trockenen Tüchern war, für diesen Punkt auch nur ansatzweise realistisch prognostizieren konnte.
Daran hat einerseits eine allem Anschein nach sensationelle Draft-Klasse großen Anteil. Es ist gut möglich, dass Seattle mit dem vergangenen Draft seine beiden Starting-Tackles, seinen Nummer-1-Corner, einen weiteren Starting-Corner, seinen Starting Running Back und zumindest einen Rotations-Edge-Rusher gefunden hat - eine gigantische Ausbeute.
Spieler | Snaps (Liga-Vergleich in der Regular Season) |
OT Charles Cross | 1.088 (Platz 13 unter allen Tackles) |
OT Abraham Lucas | 975 (Platz 32 unter allen Tackles) |
CB Tariq Woolen | 1.135 (Platz 3 unter allen Cornerbacks) |
CB Coby Bryant | 757 (Platz 48 unter allen Cornerbacks) |
RB Kenneth Walker | 258 (Platz 15 unter allen Running Backs) |
Edge Boye Mafe | 423 (Platz 86 unter allen Edge-Verteidigern) |
Das gibt auch berechtigten Grund für Optimismus. Dass die Niners noch mindestens eine Nummer zu groß sind, sollte niemanden ernsthaft überraschen: San Francisco ist nicht nur ein ganz furchtbares Matchup aus Sicht der Seahawks, die Niners sind in ihrer Kaderentwicklung auch schlicht mehrere Jahre weiter.
Und in gewisser Weise können die Seahawks ihr jetzt fantastisches Sprungbrett auch in einer ähnlichen Art und Weise ausrichten, wie es die Niners geschafft haben. Indem man weiter klare Identitäten auf beiden Seiten des Balls entwickelt, und so einen nicht nur sehr robusten, sondern auch einen in sich stimmigen Kader aufbaut, der Stürmen - wie etwa in Form gleich zweier Quarterback-Verletzungen - auffangen kann.
Seahawks: Geno Smith wird bleiben
Davon ist Seattle zugegebenermaßen noch weit weg, und gerade die Seahawks, mit ihren legendären Drafts zu Beginn der 2010er, gefolgt von mehreren Flop-Drafts im weiteren Verlauf des Jahrzehnts, sind ein gutes Beispiel dafür, dass eine absolut herausragende Offseason uns nichts darüber aussagt, wie die nächste Offseason abläuft.
Klar ist, dass die Seahawks Kapital haben, um weiter am Kader zu basteln. Neben dem eigenen Erstrunden-Pick gehören der Nummer-5- genau wie der Nummer-38-Pick im kommenden Draft via Denver den Seahawks. Kaum ein Team hat in der jetzt anstehenden Offseason so viele Ressourcen zu seiner Verfügung wie Seattle.
Und einiges davon wird, zumindest was den Cap Space angeht, in Geno Smith investiert werden. Hier sprechen wir nicht von einem Top-5-Quarterback-Deal, aber Smith hat gezeigt, dass er zumindest einen Vertrag in der Ryan-Tannehill-Region wert sein kann; auch den Franchise Tag würde ich nicht ausschließen. Bereits vor dem Spiel gegen die 49ers kursierten Berichte, wonach Smith bleiben wird.
Smith selbst sagte nach dem Spiel, dass er seine Karriere in Seattle beenden möchte und dass er dankbar dafür ist, wie er in Seattle aufgenommen wurde. Dafür wolle er "etwas zurückgeben". Seine zweite Saisonhälfte war schwächer, aber wie bereits erwähnt, lag das auch daran, dass die Passing-Offense zu viel tragen musste.
Seattle muss jetzt einerseits den Floor seines Kaders stabilisieren, um eben nicht von einzelnen Spielern dermaßen abhängig zu sein. Wenn man aber auf einen Spieler angewiesen sein muss, dann sollte es im Idealfall der Quarterback sein, und ich denke, dass Smith nicht nur gezeigt hat, dass er ein essenzieller Treiber der Offense sein kann, sondern dass er auch die Art Quarterback ist, auf die Pete Carroll bauen will.
4. Miami Dolphins: Die Tua-Frage hängt jetzt über allem
Als historischer Underdog - noch nie war ein Team als 14-Punkte-Außenseiter in ein Wildcard-Spiel gegangen -, mit dem dritten Quarterback auf dem Platz durfte es einen nicht wirklich überraschen, dass Miami Buffalo im dritten Duell dieser Saison mit weitem Abstand am wenigsten entgegenzusetzen hatte.
So jedenfalls schien es früh in dieser Partie. Als die Bills marschierten, und Miami dem wenig entgegenzusetzen hatte.
Neben den Ausfällen lag das auch daran, dass sich die verfügbaren Stars früh im Spiel Fehler leisteten. Der Drop von Jaylen Waddle gleich zu Beginn verhinderte ein explosives Play beim ersten Drive, Tyreek Hill hatte einen Drop im ersten Viertel, Terron Armstead einen Flase Start und Tre'Davious White schlug Waddle am Catch Point, was ein weiteres Big Play verhinderte.
Manchmal kann es so simpel sein, und die Geschichte dieses Spiels schien schon geschrieben: Wenn man der klare Außenseiter ist, wenn man einen Rookie-Third-String-Quarterback mit durchschleppen muss, dann braucht man ein nahezu fehlerfreies Spiel, und ein Spiel, in dem die Stars den Rest mit tragen. Bekommt man das nicht, kann es auch schnell einseitig werden. Als die Dolphins ihr erstes First Down erarbeiteten, stand es bereits 14:0 für die Bills. Nach dem Field Goal zum 17:0 hatten die Bills elf First Downs (Miami: 1), 186 Total Yards (19) und 7,4 Yards pro Play (1,7).
Doch das war längst nicht die gesamte Story dieser Partie, die buchstäblich kein Ende zu finden schien. Es ist den Dolphins hoch anzurechnen, dass sie sich defensiv im Laufe des Spiels anpassten, und die Fehler, die sich Buffalos Offense leistete, bestraften. Dass sie in dieses Spiel zurückkamen und zwischenzeitlich sogar führten, spricht ganz klar für dieses Team, für das Coaching.
Die Interception von Skylar Thompson tief in der eigenen Hälfte war ein Wendepunkt, umso bitterer, da Thompson zuvor im Rahmen seiner Möglichkeiten ordentlich gespielt hatte und mehrfach von seinen Mitspielern im Stich gelassen worden war. Doch selbst nach dieser Interception blieb Miami in Schlagdistanz, während Buffalo offensiv so gar keinen Rhythmus fand. Aus Bills-Sicht gab es hier mehrere alarmierende Takeaways, angefangen damit, dass die Offense sich nicht selbst so sabotieren darf, indem sie auf Shot nach Shot geht, statt zumindest ein wenig auch für den eigenen Rhythmus zu tun. Miami nutzte das zu seinem Vorteil.
Wie gut war Tua Tagovailoa dieses Jahr wirklich?
Dieses Spiel unterstich die Qualitäten von Mike McDaniel, aber auch die Qualitäten einiger der jungen Dolphins-Verteidiger, allen voran Jaelan Phillips und Christian Wilkins. Es unterstrich, dass Miami durchaus einiges an Qualität in diesem Team hat.
Doch mit diesem Wissen im Hinterkopf umso mehr gingen zumindest bei mir die Gedanken nach der Partie in eine übergreifende Richtung: Was muss passieren, damit Miami nächstes Jahr auf diesem Level, in den hart umkämpften AFC-Playoffs, nicht nur mithalten, sondern vielleicht sogar einen Run hinlegen kann? Ist dieses Szenario überhaupt noch erreichbar?
Wie nah dran wären sie dieses Jahr schon an einem Run gewesen, hätte Tua Tagovailoa gespielt? Eine Frage, die nach diesem unerwartet knappen Spiel gegen die Bills umso mehr diskutiert werden wird.
Tua Tagovailoas Saison-Stats
Statistik | Regular-Season-Platzierung |
Quarterback Rating | Platz 3 |
Passer Rating | Platz 1 |
Expected Points Added pro Play | Platz 2 |
Deep Passing Completion Percentage | Platz 1 |
Deep Passing Yards pro Pass | Platz 1 |
Yards pro Pass | Platz 1* |
Durchschnittliche Target-Tiefe | Platz 1* |
*unter Quarterbacks mit mindestens 375 Dropbacks in der Regular Season
All diese hier aufgeführten Statistiken haben ihre eigenen Macken und Schwachstellen, all diese Statistiken sind im Kontext der Offense zu betrachten. Gerade Expected Points Added pro Play, eine Statistik, die ich grundsätzlich sehr gerne verwende, ist für mich ganz eindeutig in erster Linie eine Stat, die die Offense, und nicht primär den Quarterback beschreibt.
Aber natürlich lässt es einen schon aufhorchen, wenn ein Quarterback über eine Saison in so vielen Kategorien ganz weit oben zu finden ist. Es verrät uns etwas über die Qualität des Designs und der Playmaker in der Offense - beides war in Miami unbestreitbar hoch. Aber es verrät uns auch etwas zumindest darüber, wie gut der Quarterback seine Aufgabe erfüllt hat. Auch wenn man daran eben nicht ablesen kann, wie anspruchsvoll eben jene Aufgabe des Quarterbacks innerhalb einer spezifischen Offense war.
Was bei mir mit Blick auf Tua und diese Frage am meisten hängengeblieben ist, sind zwei Punkte: Einerseits, dass er das System gut umgesetzt hat, ohne dabei eine konstante zusätzliche Dimension zu kreieren. Und andererseits, dass sein schneller Release mit der Antizipation - und dem Vertrauen ins Scheme - es den Dolphins ermöglichte, blitzartig nach dem Snap vertikal zu attackieren.
Hier sind Nuancen wichtig: Tuas Qualitäten waren ein Treiber der Offense, aber sie waren nicht der maßgebliche Grund für den Erfolg.
Als dann die Gegner besser wurden und die defensiven Game Plans präziser auf die Dolphins-Offense eingestellt waren, wurde deutlich, dass Tua nicht derjenige ist, der Lösungen findet oder gar kreiert - und gleichzeitig verhinderte die zweite bestätigte, und vielleicht sogar dritte, Gehirnerschütterung des Quarterbacks in dieser Saison, dass mehr Datenpunkte entstehen konnten, wenn es eben maßgeblich darum geht, Lösungen zu finden.
Waren die Dolphins zu aggressiv?
Damit hängen jetzt zwei Themen wie dunkle Wolken während der Hurrikansaison über Miami.
Das erste Thema kann niemand hier beantworten, oder auch nur vernünftig spekulieren: Wann kommt der Punkt, an dem Tua Tagovailoa wegen zu vieler Kopfverletzungen seine Karriere beendet? Denkt er vielleicht sogar jetzt schon genau darüber nach? Und wie beeinflussen diese nunmehr sehr präsenten Fragen die weitere Planung der Dolphins?
Die andere Frage lässt sich da deutlich besser diskutieren: Die Dolphins sind All-In in dieses Fenster gegangen. Haben sie sich hier verkalkuliert?
Jaylen Waddle hat, durch den Trade-Up, zwei First-Round-Picks gekostet. Hill hat unter anderem einen Erst-, einen Zweit- und zwei Viertrunden-Picks gekostet. Und dann legte Miami im Laufe dieser Saison nochmals nach, mit dem Trade für Pass-Rusher Bradley Chubb, welcher den übrigen Erstrunden-Pick der Dolphins im kommenden Draft kostete.
In der Folge hat Miami im kommenden Draft keine Picks in den Runden eins, vier und fünf, immerhin aber durch den DeVante-Parker-Trade den Drittrunden-Picks der Patriots - nachdem sie bereits keine Picks in den Runden eins, zwei, fünf und sechs im vergangenen Draft hatten.
Die Dolphins sind sehr bewusst All-In in dieses Fenster gegangen, und Stand jetzt muss man zu dem Schluss kommen, dass die Dolphins hier ein Fenster aggressiv gespielt haben, für das sie mutmaßlich nicht den Quarterback haben. Das gibt ihnen ein gutes Team - das hat man am Sonntag in Buffalo eindrucksvoll gesehen -, aber geht auch mehr?
Miami: Wie weit kann es mit Tua gehen?
Tua Tagovailoa hat sich als guter Game Manager präsentiert, aber auch nicht mehr. Und man kann mit einem Game Manager weit kommen; die 49ers unter Mike McDaniels' langjährigem Mentor Kyle Shanahan haben das über die letzten Jahre mehrfach gezeigt. Dafür aber braucht es einen sehr kompletten Kader, und selbst mit den prominenten Neuzugängen der jüngsten Vergangenheit haben die Dolphins diesen Kader noch nicht.
Baustellen in der Offensive Line, der Secondary, auf Linebacker - das ist schon sehr viel, um All-In zu gehen. Man könnte es auch anders argumentieren: Man muss sich schon sehr sicher bei seinem Quarterback sein, um in dieser Situation All-In zu gehen. Waren die Dolphins das? Sind sie das heute noch?
Hier steckt eine interessante Diskussion darüber drin, wie sicher man sich bei seinem Quarterback sein sollte, ehe man im Roster Building so aggressiv aufs Gaspedal drückt. Und ich will hier keineswegs ausschließen, dass Tagovailoa diesen nächsten Schritt macht, aber aktuell erinnert mich der Versuch, um Tua ein Titelfenster zu öffnen, eher an den Versuch der Bears, um Mitch Trubisky ein solches Fenster zu öffnen.
Davon ausgehend, dass es um Tagovailoa und seine Kopfverletzungen entsprechende Klarheit gibt, bin ich gespannt, inwieweit Miami den eingeschlagenen Weg jetzt weiter verfolgt.
Sind sie der Meinung, dass es jetzt kein Zurück mehr gibt, und dass zumindest für das restliche Fenster von Tuas Rookie-Vertrag alles auf diese eine Karte gesetzt werden sollte? Mit dann womöglich gravierendem Rebuild in zwei Jahren?
Oder versucht man, auch mal wieder hier und da Ressourcen zu sammeln - um etwa auch auf dem Quarterback-Markt flexibel zu bleiben?
5. Die Ravens stehen vor einer wegweisenden Offseason
Als sich die Ravens zum Ende der Regular Season mit großer Mühe in die Playoffs schleppten, wurde das für mich ein Team mit drei übergreifenden Storylines, welche die laufende Saison in Baltimore, aber auch die Zukunft der Ravens prägen.
- die Ravens-Defense hat sich fantastisch entwickelt im Laufe der Saison. Baltimore hat hier nach dem Coordinator-Wechsel in der Offseason eine komplett neue Identität entwickelt und spielt deutlich flexibler. Baltimore reiht sich für mich hinter den 49ers gemeinsam mit den Patriots als Top-Defense dieser Saison ein.
- die eklatanten Probleme im Waffenarsenal sind bereits seit einer Weile ein Thema in Baltimore. Nachdem sich die Ravens in der Offseason von Marquise Brown getrennt, und dann Rashod Bateman verletzungsbedingt verloren haben, fehlte nahezu komplett die Qualität auf den Skill-Positions, um auf Playoff-Level zu spielen.
- die Situation um Lamar Jackson wurde immer dubioser. Aus einer Verletzung, die Jackson in erster Prognose nicht länger als drei Wochen außer Gefecht setzen sollte, wurde eine längerfristige Geschichte. Und je mehr Wochen verstrichen, desto genervter wurde Coach John Harbaugh, wenn er Fragen zu Jackson beantworten musste.
Vielleicht interpretiere ich hier zu viel rein, das ist ganz bestimmt möglich. Aber mit der offenen Vertragssituation im Hinterkopf war es eine Situation, die zumindest mal angespannter wirkte, je mehr Zeit verging.
Insider Ian Rapoport vermeldete bereits vor dem Playoff-Start, dass sich die Ravens nach dem Ende der Saison mit Jackson wieder an den Verhandlungstisch setzen wollen.
Dabei gibt es mehrere Hindernisse: Jackson vertritt sich selbst, das heißt, hier gibt es keinen Agenten als potenziellen Puffer zwischen Team und Spieler. Auch ist es ein offenes Geheimnis, dass er viel garantiertes Geld sehen will, vielleicht sogar einen voll garantierten Vertrag.
Die Ravens-Offense steht vor einer Zäsur
Selbst wenn wir über diese Hürden, die nicht gerade klein sind, und die Jacksons Zukunft in Baltimore durchaus gefährden könnten, mal hinausgehen: Selbst rein sportlich betrachtet fühlt sich diese Saison auf der offensiven Seite des Balls wie eine Zäsur an.
Natürlich wäre es eine komplette Zäsur, sollten sich die Ravens dazu entscheiden, Jackson zu traden. In dem Szenario würde Jackson den Franchise Tag bekommen und dann würde es fraglos ein wildes Wettbieten auf dem Markt geben - während sich die Ravens mit einem Draft-Pick-Haul dann nach einem neuen Quarterback umschauen würden.
Aber eine Zäsur war es in meinen Augen, weil nicht zuletzt die Phase ohne Lamar Jackson überdeutlich unterstrichen hat, wie groß die Defizite in dieser Offense sind. Das betrifft das Play-Calling und die generelle offensive Struktur, es betrifft aber eben auch die individuelle Receiver-Qualität.
Hier hat man letztlich darauf gesetzt, dass Mark Andrews nahtlos an seine dominante Vorsaison anknüpfen kann, und dass Rashod Bateman den Schritt zum Nummer-1-Receiver hinlegen kann. Dermaßen auf den absoluten Best Case zu hoffen, in einem Scheme, das nachweislich Schwierigkeiten damit hat, offene Receiver zu designen und einen schematischen Floor im Passspiel zu bereiten, war eine äußerst riskante Strategie, gelinde gesagt.
Ravens untermauern ihre Qualität gegen Cincinnati
Der Teil der Strategie, der voll ins Schwarze getroffen hat, ist der defensive Aspekt und das war selbst beim Playoff-Aus gegen die Bengals deutlich sichtbar: Die Ravens stoppten Cincinnatis Run Game und setzten Joe Burrow sehr konstant unter Druck, mal mit dem Blitz, mal mit gut designten Pass-Rush-Konzepten.
Den Ravens auf dieser Seite des Balls zuzuschauen hat nahezu die ganze Saison über Spaß gemacht, und das Spiel am Sonntagabend war da keine Ausnahme. Letztlich spielte man auch gegen einen außergewöhnlichen Quarterback, und Joe Burrow zerlegte dieses Mal die Split-Safety-Coverages der Ravens, etwas, womit er in beiden Regular-Season-Spielen so seine Mühe hatte.
Dass die Ravens hier bis zum Schluss im Spiel waren, und dass der am Ende spielentscheidende Touchdown ein 98-Yard-Fumble-Return der Bengals-Defense war, als die Ravens drauf und dran waren, ihrerseits in Führung zu gehen, untermauert, wie gefestigt dieses Ravens-Team ist. Auf der anderen Seite war der 41-Yard-Touchdown-Pass auf Demarcus Robinson zum Ausgleich beim Drive davor der erste Versuch von Huntley in diesem Spiel überhaupt, einen Ball tiefer als zehn Yards zu werfen.
Will sagen: Die Ravens konnten den Ball besser laufen als ich das gedacht hatte, die Offensive Line gab Huntley häufig eine saubere Pocket, aber die Explosivität im Passspiel, die permanente Gefahr, das ist für Baltimore in seinem aktuellen Setup ohne Lamar Jackson schwer zu kreieren.
Ravens: Der Weg zum Titelanwärter ist nicht so weit
Ich denke, dass die Ravens bei beiden Aspekten ansetzen müssen: Auch wenn diese Offense anders funktioniert, auch wenn sie mit Lamar Jackson immer Run-heavy sein werden, brauchen sie mehr individuelle Qualität im Passspiel, um wirklich nach einem Titel zu greifen.
Und ich würde auch klar dafür plädieren, dass die Offense in ihrer aktuellen Variante ihr Limit erreicht hat. Mit der Verletzung von Lamar Jackson wäre dieses Jahr vermutlich so oder so kein tiefer Playoff-Run drin gewesen; gleichzeitig sehen wir gerade in diesem Jahr auch andere Teams, die mit Backup-Quarterbacks weit mehr als nur eine funktionale Offense aufs Feld bringen.
Für die Ravens liegt der einzige Plan B im Run Game, was aber ohne Jackson selbstredend auch eine kritische Dimension verliert.
Mit dem, was in Baltimore auf der defensiven Seite des Balls entsteht, können die Ravens weit kommen. Mit den Qualitäten von Lamar Jackson können sie weit kommen. Jetzt ist es an der Zeit, der Offense die Struktur und die qualitative Hilfe zu geben, damit auch sie ihren Teil beitragen kann.
Zunächst aber muss die Jackson-Frage selbst beantwortet werden. Wir wissen natürlich nicht, was alles hinter den Kulissen abgeht, aber rein sportlich ist ein Quarterback wie Lamar Jackson in seiner Prime ein Spieler, den ich niemals abgeben würde. Für mich liegt der Weg für Baltimore darin, ein besseres offensives Supportsystem um Jackson herum aufzubauen - und nicht darin, eine komplett neue Offense zusammenzustellen.