Die NFL und NFLPA sollen Medienberichten zufolge schon in diesem Jahr über ein neues Collective Bargaining Agreement verhandeln, zwei Saisons vor Ende des aktuellen. Warum wäre eine Einigung schon 2019 sinnvoll, was sind die entscheidenden Faktoren und was passiert, wenn es zu keiner Einigung kommt?
Die Basis der Zusammenarbeit zwischen Spielern und Teams im US-Sport ist das jeweilige Collective Bargaining Agreement, gewissermaßen der Grundlagenvertrag zwischen Teambesitzern und der etwaigen Spielergewerkschaft. In der NFL läuft dieses CBA nach der Saison 2020 aus. Seit ein paar Monaten wird Medienberichten zufolge schon verhandelt.
SPOX blickt auf den aktuellen Stand der Verhandlungen zwischen der NFL und der Spielergewerkschaft NFLPA und erklärt, worum es im Einzelnen geht. Was sind die wichtigsten Faktoren und woran könnten Verhandlungen sogar scheitern?
NFL CBA: Die Aufteilung der Gesamteinnahmen
Wie immer geht es auch bei diesen Verhandlungen ums liebe Geld. Der NFL werden Gesamteinnahmen in Höhe von mehr als 15 Milliarden Dollar pro Jahr nachgesagt - genaue Zahlen gibt es seit der Änderung des Organisationsstatus der Liga von Non-Profit-Organisation hin zu einer For-Profit-Organisation nicht mehr. Diese gigantische Summe will natürlich aufgeteilt werden.
Stand jetzt erhalten die Spieler 47 Prozent der (Brutto-)Gesamteinnahmen der NFL. Gemeint sind damit 47 Prozent der Gesamteinnahmen über die zehnjährige Laufzeit des aktuellen CBA. Im vorherigen CBA waren dies noch 60 Prozent, allerdings von den Netto-Einnahmen. Teambesitzer hatten das Recht, gewisse Beträge für diverse Zwecke für sich zu beanspruchen, was die Nettosumme entsprechend senkte. Im aktuellen CBA jedoch haben Spieler mehr Einfluss darauf, wie viel Geld die Eigner vom Brutto-Gesamtbetrag beanspruchen können und zu welchem Zweck.
Nun muss man kein Experte sein, um zu erahnen, dass auch in den Verhandlungen zum neuen CBA dieser Punkt wieder eine tragende Rolle spielen wird. Eine Seite wird Zugeständnisse machen müssen, um einen neuen Deal zu erzielen.
NFL: Stadionzuschüsse im neuen CBA
Ein zentraler Zweck zur Verwendung von Geld, das die Teambesitzer von den Gesamteinnahmen für sich beanspruchen wollen würden, ist die Finanzierung von Stadionprojekten. Im aktuellen CBA etwa wurde den Teameignern das Recht eingeräumt, einen Teil der Gesamteinnahmen für Stadion-Neubauten und -Renovierungen zu nutzen, bevor sie diese mit den Spielern aufteilten.
Die Eigner haben diesen Fonds aber bereits vor ein paar Jahren komplett erschöpft. Daher spekuliert nicht zuletzt Dan Graziano von ESPN, dass die NFL-Teameigner vor allem deshalb motiviert seien, ein neues CBA so schnell wie möglich auszuhandeln.
Der Journalist nennt beispielhaft Buffalo, Cleveland, aber auch Los Angeles als Standorte, an denen finanzielle Unterstützung für Stadionprojekte in Anspruch genommen werden könnte.
Die Frage in dieser Sache wird sein, wie wichtig den Teameignern dieser Punkt wirklich ist und welche Zugeständnisse sie gewillt sind, der Spielerseite zu machen, um hier das Einverständnis der Spieler zu bekommen.
NFL: Franchise Tags, Rookie-Verträge und die "Fully funded Rule"
Generell sind Verträge in der NFL immer wieder ein kontroverses Thema. Schon deshalb, weil sie anders als in anderen US-Ligen nicht voll garantiert sind. Das allerdings ist kein CBA-Thema, denn auch das aktuelle CBA verbietet solche nicht. Das Beispiel Kirk Cousins unterstreicht dies. Analog dazu sind solche Garantien in MLB oder NBA auch nicht vorgeschrieben, Spieler und ihre Agenten bestehen aber darauf, weshalb Teams nicht daran vorbeikommen und es gängige Praxis wurde, nur noch solche Verträge auszuhändigen.
Was die Gewerkschaft jedoch erreichen könnte, wäre gewisse andere Faktoren zu eliminieren, die die Einnahme-Möglichkeiten der Spieler aktuell noch behindern.
Ein großer und vor allem antiquierter Punkt wäre hier die sogenannte "Fully funded Rule", die besagt, dass Teams den Gesamtbetrag der zukünftigen garantierten Gehälter eines jeden Spielers auf ein Treuhandkonto überweisen müssen, um sicherzustellen, dass die Spieler auch wirklich ihr Geld erhalten werden. In der Praxis sah das bei Cousins etwa so aus, dass er aufgrund seines vollständig garantierten Vertrags fast 60 Millionen Dollar erst in den Jahren zwei und drei erhalten wird. Und diese Summe liegt nun auf einem solchen Treuhandkonto.
Dieser Fakt wird von Teams gerne als Hindernis dargestellt, einen solchen Vertrag auszuhändigen - wer hat schon so viel Cash herumliegen? Heutzutage braucht es eine solche Regelung aber eigentlich auch gar nicht mehr. Wir reden schließlich über eine milliardenschwere Liga.
Ein weiterer Dorn im Auge eines jeden Spielers ist der Franchise Tag - sowie in Abstrichen der Transition Tag. Teams haben damit die Möglichkeit, ihren Top-Free-Agent quasi garantiert zu halten.
Nun ist es zwar unwahrscheinlich, dass die Teameigner auf dieses Recht verzichten würden, doch es besteht zumindest die Chance aus Sicht der Spieler, die Bedingungen in dieser Sache zu verändern. Die NFLPA könnte darauf drängen, den Tag aus Teamsicht unattraktiver zu machen. Die Zahl der Häufigkeit, mit der ein Spieler mit dem Tag belegt werden kann, könnte etwa weiter reduziert werden. Ebenso könnte das Spielergehalt erhöht werden.
Darüber hinaus könnte die NFLPA auch versuchen, die Option für ein fünftes Jahr eines Standard-Rookie-Vertrags für Erstrundenpicks anzupassen oder vielleicht gänzlich zu eliminieren. Auch denkbar wäre es, dass die vorgegebene Länge eines Rookie-Vertrags von aktuell vier Jahren verringert werden könnte. Dadurch könnte ein seltener Superstar wie Patrick Mahomes schon sehr viel früher einen hochdotierten Vertrag unterschreiben. Zum Vergleich: In der NBA dauert ein Rookie-Vertrag für Erstrundenpicks nur zwei (garantierte) Jahre und bereits nach drei Jahren könnte ein solcher Spieler lukrativ und langfristig verlängern.
NFL: Kommt die 18-Spiele-Saison?
Schon seit geraumer Zeit geistert der Plan der NFL herum, die Regular Season von 16 auf 18 Spiele aufzustocken. Ein Vorhaben, das bislang an der strikten Weigerung der Spieler gescheitert war, die 16 Spiele schon als taxierend genug ansehen.
Und auch wenn vereinzelte Teameigner das immer noch als Ziel betrachten, sollen Untersuchungen der NFLPA laut ESPN ergeben haben, dass eine Erweiterung auf 18 Spiele die durchschnittliche Karrierelänge von Spielern von 3,4 auf 2,8 Jahren senken würde.
Das wiederum ist eine große Sache für die Spieler, denn nach aktuellen Regularien bekommt man als NFL-Spieler erst dann eine volle NFL-Rente, wenn man mindestens drei ganze Saisons in der NFL aktiv war. Zudem würde eine solche Erweiterung pro Team wohl nur knapp zehn Millionen Dollar an Mehreinnahmen bedeuten.
Das Thema wird sicherlich auch dieses Mal wieder zur Sprache kommen, es erscheint jedoch sehr unwahrscheinlich, dass sich die Spieler darauf einlassen werden.
NFL: Lebenslange Gesundheitsvorsorge für Spieler und Familien
Öfter mal diskutiert wurde im Laufe der Jahre die Möglichkeit, dass NFL-Spieler und deren Familien lebenslang durch die NFL versichert werden könnten. Allerdings gibt es rein rechtlich einige Hindernisse für diese Idee.
Das größte Problem für einen NFL-Spieler ist da wohl die Tatsache, dass Verletzungen am Arbeitsplatz von dieser Regelung ausgenommen wären. US-Arbeitsrecht sieht vor, dass in solchen Fällen eine Extra-Versicherung fällig wäre. Und eine solche wollte die NFL schon bei den letzten CBA-Verhandlungen nicht zahlen, weil sie höchstens bereit gewesen wäre, allen Teams die gleichen Gelder zur Finanzierung solcher bereitzustellen.
In den USA ist es aber so, dass solche Versicherungen je Bundesstaat mehr oder weniger kosten. Das wiederum führte Anfang des Jahrzehnts dazu, dass Teams, die deutlich mehr hätten investieren müssen, die Maßnahme ablehnten.
Und was die generelle Gesundheitsvorsorge betrifft, erkannte die NFLPA nach eingehenden Untersuchungen bereits, dass die Kosten dafür - auf ein Leben lang gerechnet - einfach viel zu hoch wären und diese Thematik daher wohl nicht im Vordergrund stehen wird.
Die Drogenrichtlinien der NFL
Ein weiterer, wenn auch nicht zentraler, Punkt dürfte der Marihuana-Konsum zur Schmerzlinderung einiger Spieler sein. Erst kürzlich gaben NFL und NFLPA in einem gemeinsamen Statement bekannt, sich nach neuen Wegen zur Sicherung der geistigen Gesundheit der Spieler umzusehen. Ein Weg dahin wäre etwa die Nutzung von Marihuana als Schmerzmittel. Aktuell ist jeglicher Drogenkonsum in der NFL noch verboten, was immer wieder zu Sperren aufgrund von Marihuana-Konsum führt.
Die NHL etwa testet zwar weiterhin auch auf Marihuana, es gibt jedoch keine Strafen für positive Tests. ESPN spekuliert, dass man auf diese Weise Indikatoren hätte, dass ein Spieler, der positiv testet, vielleicht eine Verletzung verheimlichen oder geistige Probleme lindern wolle und professionelle Hilfe benötige.
Dieser Punkt erscheint nicht wichtig genug, um ihn als Verhandlungschip seitens der Spieler zu betrachten, aber eine Änderung der Richtlinien könnte dennoch anstehen, vor allem um etwaigen Reibereien zwischen der Gewerkschaft und den Teams vorzubeugen.
Die Disziplinar-Macht des Commissioners der NFL
Deflategate, Spygate und diverse Fälle häuslicher Gewalt haben eines deutlich gemacht: Die Strafen, die NFL Commissioner Roger Goodell unter dem Dach der Personal Conduct Policy ausspricht, sind in einigen Fällen vor allem eines - willkürlich. Und gemäß des CBA sind sie auch rechtens, denn dem Commissioner wird im Grunde genommen ein Blankoscheck ausgestellt, wenn es darum geht, solche Strafen auszusprechen.
Ein Umstand, den viele Spieler schon offen angeprangert haben. Schon länger steht die Forderung im Raum, dass für solche Strafen ein unabhängiges Schiedsgericht, das nicht dem Commissioner untersteht, zuständig sein sollte.
Auch hier gilt, dass es kein gravierender Punkt ist, an dem sich die Gewerkschaft aufhängen würde. Aber wenn selbst ein Superstar wie Tom Brady davon betroffen sein kann, könnte es auch jeden anderen treffen. Und das könnte die NFLPA motivieren, aktiv zu werden.
NFL: Die Gesundheit und Sicherheit der Spieler
Schon im aktuellen CBA war die Gesundheit und Sicherheit der Spieler ein zentraler Faktor für die Spielergewerkschaft. Das "Concussion"-Protokoll wurde etabliert, Die Anzahl der Vollkontakt-Trainings während der Saison wurde reduziert und in Offseason-Trainingsprogrammen sogar gänzlich gestrichen.
Letzteres sorgte besonders aus Coachs-Sicht für Unmut, fühlen sie sich dadurch schließlich in ihrer Arbeit eingeschränkt. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass Teambesitzer in dieser Sache Druck ausüben werden, zumal die Verhandlungsbereitschaft der Spieler hier gen Null tendieren dürfte.
Vielmehr könnte die NFLPA die Durchsetzung dieser Richtlinien noch konsequenter fördern. Etwa durch Einführung gravierenderer Strafen bei Verstößen gegen das Protokoll für Gehirnerschütterungen oder überhartem Training.
Unterstützung für ehemalige Spieler
Ein Aspekt, den die NFLPA nach Abschluss des aktuellen CBA besonders herausstellte, war die finanzielle Unterstützung für ehemalige Spieler. Ein sogenannter "Legacy Fund" wurde ins Leben gerufen, in den die Teambesitzer einzahlen, um mehr als 4700 Spieler zu unterstützen, die sich vor 1993 für das NFL-Rentenprogramm qualifiziert hatten.
Es ist anzunehmen, dass die NFLPA auf dieses Programm aufbauen wollen wird, um diese Unterstützungen weiter zu verbessern.
Collective Bargaining Agreement: Was passiert, wenn Verhandlungen zwischen NFL und NFLPA scheitern?
Das vorherige CBA zwischen NFL und NFLPA erreichte nicht ihr finales Jahr, weil die NFL selbiges vorzeitig kündigte, um die Spieler unter Druck zu setzen. Ein ähnliches Szenario erscheint dieses Mal unwahrscheinlich. Aus mehreren Gründen: Die NFL geht in ihre 100. Saison und will schlechte Presse vermeiden. Auf der anderen Seite wäre die Verkündung einer Einigung noch vor besagter Jubiläumssaison ein deutlich positives Zeichen für die Zukunft.
Mehr noch: Es würde einen großen Punkt von der Agenda nehmen. Innerhalb der nächsten zwei bis vier Jahre läuft nicht nur das CBA (2020) aus, auch die lukrativen TV-Verträge neigen sich ihrem Ende zu (2022) und sollen nach Möglichkeit lange vor Ablauf verlängert - oder neu vergeben - werden. Hätte man das CBA vor 2020 in trockenen Tüchern, könnte man seine komplette Aufmerksamkeit den TV-Verhandlungen widmen.
Zudem droht für 2020 ohne neues CBA ein Ausnahmezustand - im wahrsten Sinne des Wortes!
Geht man in die letzte Saison eines laufenden CBA, dann greifen gewisse Notfallprotokolle. Das hieße unter anderem, dass es keine Provisionen für Entlassungen nach dem 1. Juni gäbe und Teams auch keine Franchise oder Transition Tags verwenden könnten. Auch die Salary Cap wäre dadurch betroffen, ebenso bestimmte Vertragsregularien.
Schlimmstenfalls könnte es zudem wie schon 2011 zu einem Lockout der Spieler durch die Teameigner oder umgekehrt zu einem Streik seitens der Spieler kommen. Eine frühzeitige Einigung würde all dies verhindern und viel bösem Blut vorbeugen.
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