NFL: Wie gut passt Cam Newton zu den New England Patriots? Fünf Fragen zur Unterschrift des Ex-MVPs

Jan Dafeld
29. Juni 202015:16
Cam Newton könnte 2020 für die New England Patriots auflaufen.imago images/ZUMA Press
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Die New England Patriots und Cam Newton haben sich auf einen Vertrag geeinigt. Zählt das Team damit jetzt wieder zum Kreis der Super-Bowl-Anwärter? Was wird aus Jarrett Stidham? Und was hat die Einigung mit Colin Kaepernick zu tun? SPOX beantwortet fünf Fragen zum Newton-Deal.

NFL: Was bedeutet der Deal für Cam Newton?

Zunächst mal bedeutet es, dass Newton eine echte Chance auf einen Starterposten erhält. Mit Ausnahme der Patriots schienen alle Teams ihre Planungen bezüglich eines Starting Quarterbacks abgeschlossen zu haben. Ohne das Interesse aus New England wäre Newton somit nur die Rolle eines Backups geblieben oder er hätte auf die Verletzung eines etatmäßigen Quarterbacks hoffen müssen.

Bei den Patriots wird der ehemalige MVP den Posten des Starting Quarterbacks noch nicht garantiert in der Tasche haben, das verdeutlicht bereits sein Gehalt von nur etwas mehr als einer Million Dollar. Angesichts der Konkurrenz durch Jarrett Stidham und Brian Hoyer stehen Newtons Chancen aber sehr gut. Ist er fit und kann er sein Potenzial in den kommenden Monaten abrufen, sollte ihm der Starterposten nicht zu nehmen sein.

Bei den Patriots kommt Newton zudem in einer seit vielen Jahren herausragend geführten Organisation unter. Head Coach Bill Belichick und Offensive Coordinator Josh McDaniels zeigten bereits in der Vergangenheit, dass sie flexibel genug sind, um die Ausrichtung des Teams auf die Stärken ihrer Spieler abzustimmen. Das wird Newton, der natürlich eine andere Offense als Tom Brady spielen wird, ohne Frage entgegenkommen.

Darüber hinaus erhält der MVP von 2015 somit die Chance, nach zwei zuletzt eher enttäuschenden Jahren 2020 - sofern die Saison denn tatsächlich stattfindet - um einen Division-Titel oder womöglich sogar den Super Bowl mitzuspielen. Die Patriots zogen zuletzt 17-mal in Serie in die Playoffs ein und gewannen elfmal in Folge ihre Division. Ohne Brady bricht 2020 fraglos ein neues Zeitalter in New England an, die Qualität, um auch ohne ihn noch viele Spiele zu gewinnen, ist jedoch nach wie vor vorhanden.

Langfristig erhält Newton somit die Chance, sich im Kreis der klaren Starting Quarterbacks zurückzumelden und auch nochmal ein dementsprechendes Gehalt einzustreichen: Nach mehreren verletzungsgebeutelten und enttäuschenden Jahren in Serie genügte Ryan Tannehill zuletzt eine sehr gute halbe Saison, um eine Vertragsverlängerung über 118 Millionen Dollar einzustreichen.

NFL: Cam Newtons Statistiken

JahrSpieleTouchdownsInterceptionsCompletion Percentage
201116351760,0 %
201216271257,7 %
201316301361,7 %
201414231258,5 %
201516451059,8 %
201615241452,9 %
201716301659,1 %
201814281367,9 %
201920156,2 %

NFL: Was bedeutet der Deal für die Patriots?

Die Patriots sichern sich einen Quarterback, dessen reines Talent es dem Team möglich macht, die Zeit unmittelbar nach dem Abgang von Brady tatsächlich ohne große Übergangsphase auf der wichtigsten Position im Football zu gestalten. Dass dies Ende Juni, so spät in der Offseason, noch möglich war, wäre in nahezu jedem anderen Jahr praktisch undenkbar gewesen. Für gewöhnlich gibt es in der NFL weniger Quarterbacks mit Starterpotenzial als zu vergebende Starterposten.

Dass Newton seit seiner MVP-Saison 2015 keine überzeugenden Leistungen mehr gezeigt habe, wurde zuletzt oft als Argument gegen den 31-Jährigen angeführt, ist faktisch aber kaum haltbar. 2017 führte er seine Panthers mit einer soliden Saison zu elf Siegen und 2018 spielte er in einer veränderten Kurzpass-Offense die erste Saisonhälfte beinahe auf MVP-Niveau, ehe eine schwere Schulterverletzung sein Spiel zerstörte.

Sollte Newton nach einer Schulter- und einer Fuß-Operation tatsächlich wieder fit sein und an seine Bestform anknüpfen können, erhalten die Patriots somit einen Quarterback, der definitiv mehr als nur eine Übergangslösung sein kann. Das weiß auch Belichick. "Wenn man von mobilen Quarterbacks spricht, Spielern, die werfen können, laufen können und gute Entscheidungen treffen, dann würde ich Newton ganz oben auf diese Liste setzen", erklärte der Coach 2017 voll des Lobes.

Für New England hält sich das Risiko ohnehin stark in Grenzen: Überzeugt Newton, sichert sich den Starterposten und spielt für die Patriots eine gute Saison, kostet er das Team maximal 7,5 Millionen Dollar - ein Schnäppchenpreis für einen Starting Quarterback. Bleibt er dagegen tatsächlich hinter den Erwartungen zurück und hat gegen Stidham und Hoyer das Nachsehen oder verletzt sich gar erneut, wird er den Cap mit etwas mehr als einer Million Dollar kaum belasten.

Empfiehlt sich Newton 2020 tatsächlich als langfristiger Starter in New England, verfügen die Patriots zudem über die Mittel, um ihn zu halten - selbst wenn beide Parteien vereinbart haben sollten, dass das Team den Franchise Tag bei Newton nicht anwenden darf. Das ist aktuell noch unklar. Im Anschluss an die kommende Saison verfügt New England über mehr als 80 Millionen Dollar an Cap Space.

NFL: Wie passt Cam Newton zu den Patriots?

Dass die Patriots ihre Offense nach dem Abgang von Brady verändern müssen, war bereits klar, bevor das Team Newton unter Vertrag nahm. Kaum ein Quarterback ist so gut darin, gegnerische Defenses vor und nach dem Snap zu lesen wie Brady. Kaum ein Quarterback kann so schnell die richtige Entscheidung treffen. Kaum ein Quarterback agiert im Kurzpassspiel so genau und sicher.

Diese Veränderungen machten sich bereits die gesamte Offseason über bemerkbar: New England hielt Joe Thuney per Franchise Tag und investiert damit deutlich mehr in die Guard-Positionen als irgendein anderes Team, zudem verpflichtete das Team mit Danny Vitale einen neuen Fullback und wählte im Draft zwei Blocking-Tight-Ends aus. Ein erhöhter Fokus auf das Run Game war somit bereits vor Newtons Verpflichtung erkennbar.

Diese Bestrebungen dürften sich nun nur noch weiter verstärken. Ein mobiler Quarterback kann das Laufspiel eines Teams auf ein neues Level heben, indem er der Defense ihren numerischen Vorteil bei Running Plays nimmt (elf gegen zehn, da der Quarterback dabei für gewöhnlich kein Teil des Plays ist), das ist nicht erst seit Lamar Jackson und dem Erfolg der Baltimore Ravens bekannt.

Belichick und McDaniels haben die Flexibilität, um ihre Offense auf die Qualitäten ihres neuen Quarterbacks abzustimmen, das deuteten sie in der Vergangenheit auch schon mit Jacoby Brissett an. Im Passing Game dürfte dabei auch die Panthers-Offense von Norv Turner aus den vergangenen zwei Jahren als Vorbild dienen. Newton gelang darin ein neuer Karrierebestwert bei der Completion Percentage und zeigte 2018 die besten Leistungen seit seiner MVP-Saison 2015.

Der Receiving Corps der Patriots ist, wie bereits in der vergangenen Saison, ein großes Fragezeichen. Die Gruppe aus Julian Edelman, Mohamed Sanu, N'Keal Harry, Marqise Lee, Matt LaCosse, Devin Asiasi und Dalton Keene gehört auf dem Papier zu den schlechteren der Liga, für Newton ist das allerdings keine gänzlich neue Erfahrung. Bereits in Carolina arbeitete er - mit Ausnahme von Tight End Greg Olsen - meistens mit wenig spektakulären Receivern zusammen.

NFL: Was bedeutet der Deal für Jarrett Stidham?

Stidham wird vermutlich nicht als Starting Quarterback in die kommende Saison gehen, für den 23-Jährigen muss diese Entwicklung der Dinge aber keineswegs zwingend eine schlechte sein.

Newton wird nicht als feststehender Starter in das Training Camp der Patriots gehen. Sollte Stidham sich über das vergangene Jahr also tatsächlich zu dem Quarterback entwickelt haben, den so mancher Patriots-Fan bereits in dem Youngster zu sehen gehofft hatte, könnte er sich somit trotzdem den Posten des Starting Quarterbacks sichern. Dies liegt nach wie vor in seiner Hand.

Braucht Stidham allerdings noch Zeit und ist (noch) nicht bereit für die Rolle des Starting Quarterbacks für ein Team mit Playoff-Ambitionen - die deutlich wahrscheinlichere Variante -, so erhält er weitere wertvolle Zeit, um hinter einem erfahrenen Quarterback zu lernen und das Team erst übernehmen zu müssen, wenn er dazu bereit ist.

Bislang hatten weder Stidhams College-Leistungen noch seine Handvoll Snaps in der NFL wirklich Anlass dazu gegeben, in ihm mehr als einen soliden Backup auf dem höchsten Level zu sehen. Dass Belichick aber offenbar wirklich dazu bereit gewesen wäre, mit Stidham als seinem möglichem Starter ins Training Camp zu gehen, sollte stutzig machen.

Sollte Newton in der kommenden Saison doch Probleme haben oder sich einmal mehr verletzen, könnte der ehemalige Viertrundenpick seine Kritiker womöglich doch noch eines Besseren belehren.

NFL: Was bedeutet der Deal für den Rest der Liga?

Dass die Patriots, das erfolgreichste Team der vergangenen 20 Jahre, im Jahr des Abgangs seines herausragenden Quarterbacks einen potenziell würdigen Nachfolger zum Preis eines schlechteren Backups bekommt, kann dem Rest der Liga nicht schmecken. Mit Stidham und Hoyer als Quarterbacks wirkte New England erstmals seit einer Ewigkeit nicht wie ein klarer Playoff-Anwärter, mit einem fitten Newton würde dieses Bild schon wieder ganz anders aussehen.

Gleichzeitig wirft die Verpflichtung der Patriots, ähnlich wie schon die Einigung zwischen Jameis Winston und den New Orleans Saints, allerdings auch ein schlechtes Bild auf viele der Konkurrenten: Die Praxis vieler Teams, Backup-Quarterbacks, die schlicht nicht über das Niveau eines Starters verfügen, teuer zu bezahlen, war bereits in den Vorjahren häufig fragwürdig, wirkt 2020 aber schlicht bizarr.

Die Detroit Lions statteten Chase Daniel, einen 33-jährigen Quarterback, der in seiner zehnjährigen Karriere auf sieben Touchdowns bei fünf Interceptions kommt, mit einem Dreijahresvertrag über mehr als 13 Millionen Dollar aus. Sein garantiertes Gehalt beträgt dabei mehr als das Doppelte (!) als die Vertragsgarantien von Newton (240 Touchdowns und 108 Interceptions) und Winston (131 Touchdowns und 88 Interceptions) zusammen.

Auch der Trade der Chicago Bears, die für Nick Foles (76 Touchdowns und 35 Interceptions) einen Viertrundenpick abgaben und diesen mit einem Vertrag mit mindestens 17 Millionen Dollar garantiertem Gehalt ausstatteten, wirkt nach der Einigung zwischen Newton und den Patriots noch schlechter als ohnehin schon.

Eine weitere Person, für die der Deal größere Auswirkungen haben könnte, ist Colin Kaepernick: Bislang wurde die Tatsache, dass mit Newton ein noch besserer und noch gestandenerer Quarterback ebenfalls ohne Team ist, von Kritikern oft als Argument gegen eine Verpflichtung Kaepernicks angeführt.

Nun dürfte dieser der talentierteste unter den verbliebenen Quarterbacks auf dem offenen Markt sein. Teams wie die Titans oder Rams stehen derzeit noch ohne etablierten Backup da. Ob Kaepernick diese Rolle überhaupt einnehmen will, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt.