Zwölf deutsche Radprofis starteten am 26. Juli in die 108. Tour de France. Einer fuhr überraschend ins Rampenlicht, ein anderer erfüllte seine ungewohnte Rolle als Edelhelfer, andere erwischte es bei Stürzen schlimm. Das Zeugnis.
Emanuel Buchmann (Ravensburg/Bora-hansgrohe): Der Edelhelfer
Seine ungewohnte Rolle als Edelhelfer erfüllte Buchmann nach seiner überstandenen Erkältung mit Bravour. Der Tour-Vierte von 2019 hatte vor allem mit seinen Diensten in den Pyrenäen großen Anteil am fünften Platz seines Kapitäns Wilco Kelderman im Gesamtklassement. Als Kelderman am Fuße des Col du Portet auf der 17. Etappe etwa unglücklich stürzte, trug ihn der 28-Jährige hoch zum Gipfel. Buchmann hatte die Saison eigentlich auf den Giro d'Italia im Mai ausgerichtet. Dort stürzte der Ravensburger allerdings und schied vorzeitig aus. Seine äußerst kurzfristige Teilnahme an der Frankreich-Rundfahrt rechtfertigte er - 2022 würde er gerne wieder ums Klassement mitkämpfen.
Andre Greipel (Rostock/Israel Start-up Nation): Der Oldie
Der Sprint-Oldie fuhr fünf Top-10-Resultate ein, am vorletzten Tour-Tag hatte der im Peloton "Gorilla" genannte Greipel sein Karriereende zum Saisonende angekündigt. Der 39-Jährige feierte in seiner Laufbahn insgesamt 158 Karriere-Siege und ist mit bislang elf Tagessiegen dritterfolgreichster Deutscher bei der Tour de France. Bei seinem letzten Auftritt hinterließ der gebürtige Rostocker nochmal einen starken Eindruck, besonders in Paris: Dort raste er auf den Champs-Elysees auf Platz fünf.
Nils Politt (Köln/Bora-hansgrohe): Der Etappensieger
Seine Qualitäten hat Nils Politt schon öfter angedeutet, seit der 12. Etappe in Nimes darf sich der Kölner Tour-Etappensieger nennen. Mit seinem sensationellen Überraschungssieg beendete der 27-Jährige die deutsche Durststrecke und feierte seinen größten Karriereerfolg. Zwölf Kilometer vor dem Ziel setzte der Roubaix-Zweite von 2019 die entscheidende Attacke und düpierte die Mitglieder seiner Fluchtgruppe. Das nächste große Ziel hat er nach seinem erst zweiten Karrieresieg schon vor Augen: den Sieg beim Kopfsteinpflaster-Klassiker Paris-Roubaix am 3. Oktober.
Simon Geschke (Berlin/Cofidis): Der Unauffällige
Routinier Geschke fuhr eine unauffällige Große Schleife. Der 35-Jährige erledigte seinen Job als Helfer des Franzosen Guillaume Martin. Auf der 14. Etappe unternahm Geschke zwei Ausreiß-Versuche. Das nächste Highlight wartet schon am Samstag auf den Berliner. Dann unterstützt er Maximilian Schachmann auf dem erhofften Weg zu einer Medaille im olympischen Straßenrennen in Tokio.
Tony Martin (Cottbus/Jumbo-Visma): Der Unglücksrabe
Martin bestritt die Tour zum 13. Mal. Zum sechsten Mal erreichte er das Ziel in Paris nicht. Für den viermaligen Zeitfahrweltmeister nahm das Unheil direkt zu Beginn seinen Lauf. Rund 45 km vor dem Ziel der ersten Etappe in Landerneau hielt eine Zuschauerin am Straßenrand ein Schild in die Höhe, bemerkte das heraneilende Peloton aber nicht. Martin konnte bei hoher Geschwindigkeit nicht mehr ausweichen, fast das gesamte Peloton ging zu Boden. In der Folge stürzte er zu Beginn der Mont-Ventoux-Etappe und stieg aufgrund der schweren Sturzfolgen vor dem 12. Teilstück aus.
Jasha Sütterlin (Freiburg/DSM), Jonas Koch (Schwäbisch Hall/Intermarche-Wanty-Gobert Materiaux) und Roger Kluge (Eisenhüttenstadt/Lotto-Soudal): Die weiteren Pechvögel
Der durch die Zuschauerin ausgelöste Massensturz hatte für Jasha Sütterlin schwere Folgen. Der Freiburger musste schon während der ersten Etappe aussteigen. Es folgte wegen gesundheitlicher Probleme Jonas Koch auf dem zehnten Teilstück. Der 35 Jahre alte Routinier Roger Kluge wurde auf der 13. Etappe knapp 65 km vor dem Ziel in Carcassonne in einen Sturz mit mehreren Fahrern verwickelt und gab wenige Minuten später wegen schwerer Schürfwunden an Rücken, rechter Hüfte und Ellbogen auf. Der Unfall hat aber keine Auswirkungen auf die Teilnahme von "Pocket Rocket" an den Olympischen Spielen in Tokio.
Georg Zimmermann (Augsburg/Intermarche-Wanty-Gobert Materiaux): Der Debütant
Seinen stärksten Auftritt bewahrte sich Zimmermann bei seinem Tour-Debüt bis zur drittletzten Etappe auf. Auf dem 19. Teilstück nach Libourne kam der 23-Jährige in einer hektischen Fluchtgruppe als starker Achter ins Ziel. Mehrere Stürze hatte er zuvor unbeschadet überstanden. Den Augsburger sollte man in den kommenden Jahren auf dem Zettel haben.
Jonas Rutsch (Erbach/EF Education-Nippo): Der stabile Helfer
Rutsch hinterließ in den drei Tour-Wochen einen starken Eindruck. Der 23-Jährige überzeugte als Helfer von Rigoberto Uran und stand seinem Kapitän in den Bergen immer lange zur Seite. Zudem versuchte er sich auf der drittletzten Etappe als Ausreißer. "Ich habe heute Morgen gesagt, dass ich in die Gruppe will. Und wenn ich sage, ich will in die Gruppe, versuche ich, Wort zu halten", sagte der 23-Jährige nach dem Teilstück. Das dürfte nur der Anfang gewesen sein.
Max Walscheid (Neuwied/Qhubeka Assos): Der Nebendarsteller
Walscheid spielte bei seiner zweiten Großen Schleife erneut nur eine Nebenrolle. Erst in der Schlusswoche zeigte sich der 1,99 m große Neuwieder als Ausreißer.
Rick Zabel (Unna/Israel Start-up Nation): Der Podcaster
Der Sohn der Sprinter-Ikone Erik Zabel half seinem Kumpel und Teamkollegen Andre Greipel in den Sprints, wo er konnte. Gegen Dominator und Rekordhalter Mark Cavendish hatte das Duo aber keine Chance. Sonst fiel der 27-Jährige am Ende jeder Tour-Woche nur mit seinem Podcast "Plan Z" auf, in dem er die Etappen der Vorwoche ausführlich analysierte.