"Ich weiß oft selbst nicht, wer ich bin"

Florian Regelmann
03. August 201511:12
Andrea Petkovic ist eine der spannendsten Persönlichkeiten im deutschen Sportgetty
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SPOX-Sports-Chef Florian Regelmann traf Andrea Petkovic in Ihrer Heimat in Darmstadt zum Interview. Herausgekommen ist ein Gespräch über Gott und die Welt. Das Hinterfragen ihrer Identität, eine geraubte Illusion, Hass auf Tennis - Petkovic erzählte offen über ihr Selbst und erklärte, warum sie es ärgert, guter Durchschnitt zu sein. Außerdem: Was macht die 27-Jährige eigentlich nach der Tenniskarriere? Spinnereien hat Petkovic schon im Kopf.

SPOX: Wir sitzen hier gemütlich in Ihrer Heimat in Darmstadt zusammen, wo Sie als Gegensatz zum hektischen Tourleben einen Zwischenstopp einlegen. Was bedeutet es Ihnen, immer wieder nach Hause zu kommen?

Andrea Petkovic: Für mich ist Heimat sehr stark mit den Menschen verbunden, die ich mein Leben lang kenne. Viele fragen mich auch: Warum wohnst Du in Darmstadt von allen Städten auf dieser Welt? (lacht) Aber ich bin hier aufgewachsen, meine engsten Freunde kommen aus Darmstadt. Viele habe ich hier im Tennisclub kennengelernt. Mit vielen habe ich Abi gemacht. Vieles erinnert mich an meine wahnsinnig schöne Jugend, die ich hier verbracht habe. Diese Erinnerungen möchte ich nicht missen. Dazu ist meine Familie hier. Ich stamme ja ursprünglich aus Serbien, wo die Familienbande noch ein Stück ausgeprägter ist. Wenn ich nach Hause komme, ist es für mich sofort die pure Entspannung. Hier kann ich so sein, wie ich bin und muss nicht versuchen, irgendwelche Fassaden von der taffen Ollen aufrechtzuerhalten, die durch das Tourleben prescht und da versucht, die anderen Mädels fertig zu machen. Hier bin ich ganz ich selbst.

SPOX: Einer Ihrer Darmstädter Freunde ist Johnny Heimes, der seit seiner Jugend an Krebs erkrankt ist. Gemeinsam haben Sie die Aktion "Du musst kämpfen!" gegründet. Wie hat die enge Berührung mit so einem schwierigen Thema Ihr Leben verändert?

Petkovic: Meine Einstellung zum Leben hat sich auf jeden Fall verändert. Es ist zwar ein Klischee, aber als junger Mensch vergisst man ab und zu, dass das Leben endlich ist und der Tod irgendwann auf dich wartet. Auch wenn keiner weiß, ob es morgen, übermorgen oder in 100 Jahren soweit ist. Die Konfrontation mit extremen Krankheitsfällen und das Zusammensein mit Kindern, die schon so früh damit zu tun haben, hilft mir einerseits, den Moment sehr viel mehr zu genießen und dankbarer zu sein für das, was man hat. Auf der anderen Seite weckt es zumindest bei mir auch ein Gefühl der Verantwortung. Auch ein Gewissen. Ich will nicht sagen, ein schlechtes Gewissen, aber ein Gewissen dafür, was das Leben mir alles geschenkt hat und wie viel Glück ich eigentlich hatte. Davon will ich etwas zurückgeben. Ich merke, wie mir der Sport geholfen hat, als Persönlichkeit zu reifen und stärker zu werden, oder mit Rückschlägen besser umgehen zu können. Johnny war ja selbst ein super Tennisspieler in der Jugend. Ich glaube, dass auch ihm der Sport sehr geholfen und ihn stark gemacht hat - der Sport hat ihm diese Willensstärke gegeben, die er ausstrahlt. Deshalb ist Sport auf seine Art und Weise schon wichtig, er hat aber eben auch nicht die höchste Priorität. Das wird mir durch die Verbindung zu unserem Projekt immer wieder vor Augen geführt.

SPOX: Der Sport verleiht Stärke, er kann aber auch zur Qual werden. Tennis gehört mental sicher zu den anspruchsvollsten Sportarten überhaupt. Wenn wie bei Ihnen in der Vergangenheit auch noch schwierige Verletzungsphasen hinzukommen, wird es doppelt schwierig. Was ist für Sie mental gesehen die größte Herausforderung?

Petkovic: Für mich ist die größte mentale Herausforderung, dass es Tage gibt, an denen ich das, was ich am meisten liebe, nämlich Tennis, hasse. Ich bin so ehrgeizig und habe so unheimlich hohe Ansprüche an mich und mein Umfeld, dass die manchmal gar nicht zu erfüllen sind. Ich bin sehr perfektionistisch veranlagt und erwarte perfekte Ergebnisse, was im Tennis nun mal absolut nicht möglich ist. (lacht) Vielleicht bin ich auch deswegen in den Sport gegangen, weil es mich herausfordert und ich nicht alles perfekt machen kann. Wenn ich eine Hausarbeit schreibe, ist es leichter, alles unter Kontrolle zu halten. Das ist für mich als kleiner Kontroll-Freak spitze. Aber im Tennis ist es anders. Sobald die Gegnerin dazu kommt, sobald die Umstände schwierig werden, kann ich es nicht mehr kontrollieren. Das ist einerseits der Reiz, aber andererseits kommt es deshalb immer wieder zu Phasen, in denen es nicht so läuft und ich beginne, alles zu hinterfragen.

SPOX: Ob Sie komplett was anderes machen sollten?

Petkovic: Genau. Dann frage ich mich: Soll ich das noch machen? Warum studierst du nicht? Du solltest lieber etwas anderes machen. Dieses ständige Hinterfragen seiner Identität ist für mich unglaublich anstrengend. Es gibt immer wieder Phasen, in denen ich gut spiele und ich weiß: Ja, hier gehöre ich hin, das ist meins, das füllt mich aus. Aber wenn es weniger gut läuft, geht es schnell in die andere Richtung. Wahrscheinlich liegt das in meiner Natur und es wäre vielleicht in einem BWL-Studium auch nicht anders gewesen, aber im Tennis kommt es emotional stärker an mich heran. Da fühle ich mich wie entblößt auf dem Platz, wenn jeder in meinem Gesicht sieht, was sich gerade in mir abspielt. Aber für mich ist es gleichzeitig die Herausforderung, mich immer wieder zu motivieren und weiterzumachen, weil ich weiß, dass am Ende des Tunnels auch wieder Licht kommen wird. Ich muss nur durch diesen Tunnel durch.

SPOX: Sie erleben auf dem Tennisplatz so viele Emotionen, sowohl positiv als auch negativ. Brauchen Sie abseits des Courts dann mehr Ruhe, oder gab es da auch schon verrückte Sachen, die Sie gemacht haben?

Petkovic: Ich bin tatsächlich nicht so der Adrenalin-Freak. Ich brauche keine Achterbahnfahrten, dafür bin ich nicht so zu haben. Ich lasse es außerhalb des Platzes eher ruhig angehen und habe eigentlich noch nicht wirklich was Verrücktes gemacht. Mal abgesehen von dem obligatorischen mit den Freunden mit dem Taxi nach Paris fahren.

SPOX: Mit dem Taxi?

Petkovic: (lacht) Okay, vielleicht eher mit dem Zug nach Paris, weil da am Abend eine coole Party war. Solche Geschichten habe ich schon gemacht, aber ansonsten nichts, das zeitungswert wäre. Ein guter Freund hat die Strecke nach Paris tatsächlich mal mit dem Taxi zurückgelegt - er hatte keine Wahl, es war sein Junggesellenabschied.

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SPOX: Viele würden jemanden wie Sie, der sich in seiner Freizeit Horrorserien wie Penny Dreadful reinzieht, gleichzeitig aber Tolstoi liest, ohnehin als etwas verrückt bezeichnen. Wie würden Sie sich denn selbst beschreiben?

Petkovic: Ich weiß oft selbst nicht so genau, wer ich bin. Es gibt immer wieder Phasen, da meine ich, es herausgefunden zu haben. Aber dann überrasche ich mich auch immer wieder selbst. Wenn ich denke, eine Sache könnte sehr emotional für mich werden, reagiere ich ganz kühl. Dann gibt es Fälle, bei denen ich denke, dass sie mich nicht so berühren, ich aber total emotional reagiere. Mich überrascht auch manchmal selbst, was mich interessiert. Ich hätte niemals gedacht, dass mich so etwas wie Penny Dreadful interessiert. Hätte mir das jemand gesagt, hätte ich geantwortet: Das schaue ich mir nie im Leben an. Ich muss aber an der Stelle auch mal sagen, dass ich auch liebend gerne total sinnlose Sachen anschaue. Friends ist zum Beispiel eine meiner absoluten Lieblingsserien. Viele Reporter lassen das dann weg und picken sich nur die Kirschen auf der Torte heraus. So entsteht dann der Eindruck: Oh, die Andrea liest nur Tolstoi und schaut nur französische Chanson-Movies. So ist es aber nicht. Ich schaue auch genauso gerne amerikanische Liebeskomödien, aber das wird nie geschrieben. Ob zu meinem Vor- oder Nachteil weiß ich nicht so richtig. Aber Leute, die mich kennenlernen, denken am Ende noch, dass ich nur intellektuelle Weisheiten und literarische Zitate von mir geben müsste, da fühle ich mich manchmal etwas unter Druck gesetzt. (lacht)

SPOX-Sports-Chef Florian Regelmann traf sich mit Andrea Petkovic in Darmstadtspox

SPOX: Fakt ist, dass Sie unglaublich vielseitig interessiert sind. Ein Freund von Ihnen hat einen "Online-Shop" für kuriose Sachen entwickelt, dort gibt es unter anderem ein Kriegsquartett oder Nordic Stalking Stöcke im Angebot. Hinter dieser Geschichte steht aber eine bestimmte Message.

Petkovic: Genau. Sobald du wirklich was bestellen willst, bekommst Du eine Message: Wenn du gerade 20 Minuten damit verbracht hast, so einen sinnlosen Scheiß kaufen zu wollen, dann könntest du auch dein Geld an diese oder jene Organisation spenden. Ich finde die Idee super, weil es dein Gehirn fordert, ein bisschen um die Ecke zu denken. Außerdem zeigt es, wie wenig man eigentlich hinterfragt. Ich bin da ja selbst draufgegangen und habe versucht, Sachen zu bestellen.

SPOX: Ich auch.

Petkovic: Eben. Im ersten Moment fühlst du dich schlecht, dass du jetzt deine Zeit damit verplempert hast, anstatt etwas Sinnvolles zu machen. Ich habe mir schon überlegt, ob ich es mit meiner Charity irgendwie kombinieren kann. Vielleicht mache ich mal ein typisches Video der Generation YouTube, wo gezeigt wird, wie man sich schminkt oder so. Das wäre ja genau der gleiche Fall: Wenn Ihr die Zeit hattet, Euch diesen Quatsch anzuschauen, dann könnt Ihr in der Zeit doch auch was Sinnvolles und Gutes tun.

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Seite 2: Petkovic über den Grand-Slam-Traum, Serena-Wahnsinn und ein Leben in NY

Seite 3: Petkovic über Olympia, Traditionalismus und die Karriere danach

SPOX: Ein bisschen positiv verrückt ist ein Attribut, das viele mit Ihnen in Verbindung bringen. Ein anderes ist sicher: lustig. Der Petko-Dance war Ausdruck Ihrer Fröhlichkeit, aber selbst da gab es Leute, denen es nicht so gefallen hat.

Petkovic: Darüber war ich wirklich sehr überrascht. Ich wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, dass es irgendwie böse gegenüber jemand anderem rüberkommen könnte, der Tanz hatte mit der Gegnerin oder sonst jemand ja gar nichts zu tun. Aber spätestens ab da habe ich auch verstanden: Wenn du im Rampenlicht stehst, wird es immer Leute geben, die dich angreifen, warum auch immer. Vielleicht weil du blöd geschaut hast, vielleicht weil du was Blödes gesagt hast, vielleicht weil du eine andere Einstellung hast - irgendwas kann man immer finden. Es soll Leute geben, die Roger Federer blöd finden, weil er zu langweilig ist. Oder Rafael Nadal blöd finden, weil er ihnen zu kämpferisch ist. Für mich war der Tanz dann irgendwann nicht mehr spontan. Es wurde mehr zum Spektakel, wenn sich der Platz am Ende des Matches gefüllt hat, weil es die Fans sehen wollten. Manchmal habe ich mich aber gar nicht danach gefühlt. Manchmal habe ein bescheidenes Match gespielt, irgendwie glücklich gewonnen und mir war nach allem anderen zumute, als jetzt ein Tänzchen zu machen. So habe ich es dann zum Wohle von mir und zum Wohle aller anderen sein lassen.

SPOX: Also kein Petko-Dance mehr, aber dafür hoffentlich noch viele Erfolge. Sie standen bislang einmal in einem Grand-Slam-Halbfinale und haben immerhin sechs Titel eingefahren, dazu sich nach Verletzungen stark zurückgekämpft. Wenn Sie sich in Ihrer Karriere den Lebenstraum Grand-Slam-Titel nicht mehr erfüllen können, wären Sie trotzdem zufrieden?

Petkovic: Da ich so perfektionistisch bin, wäre ich wahrscheinlich unzufrieden. Manchmal ärgere ich mich darüber, dass ich irgendwie so guter Durchschnitt bin. Ja, ich habe viel erreicht, stand in den Top 10 und bin jetzt zumindest nahe dran, aber das ist nicht mehr als guter Durchschnitt. Das reicht mir nicht für meine Ansprüche und das nervt mich dann manchmal. Das Problem ist, dass die Konkurrenz unglaublich stark geworden ist. Als ich vor fünf Jahren in den Top 10 stand, war ich eine viel schlechtere Spielerin als heute. Ich habe so viel dazugelernt, mein Aufschlag ist so viel besser geworden, ich habe viel mehr Variation in meinem Spiel, ich bewege mich besser, ich bin agiler geworden, ich habe sogar ein bisschen abgenommen, ich bin fitter und ernähre mich besser. Das sind alles Aspekte, die mich zu einer besseren Spielerin machen, aber trotzdem reicht es nicht immer. Alle Spielerinnen arbeiten inzwischen so professionell und haben vier oder fünf Mann in ihrem Team. Dazu merkt man, dass sich viele Frauen speziell für Tennis entscheiden, weil man dort als Frau etwas erreichen und es als Frau in die absolute Öffentlichkeit und Weltspitze schaffen kann, was nicht immer so einfach ist. Wahrscheinlich muss ich es akzeptieren, wenn ich das große Ziel nicht erreiche, aber ich arbeite trotzdem weiter hart daran, dass ich irgendwann Grand-Slam-Siegerin bin.

SPOX: Es ist ja auch nicht ganz einfach aktuell, weil Serena Williams jeden Titel abräumt und wegnimmt. Serena ist in den einzelnen Matches nicht immer überlegen und schaut verwundbar aus, aber am Ende findet sie praktisch immer einen Weg, um doch als Siegerin den Court zu verlassen. Was macht Serena so einzigartig?

Petkovic: Serena ist Wahnsinn. Ich habe ja schon häufiger gegen sie gespielt und auch mal einen Satz gewonnen. Von der Grundlinie geht es einigermaßen. Es ist nicht so, dass du auf den Platz gehst und denkst, dass du von hinten keine Chance hast, weil sie dich weghaut. Du kannst sie schon unter Druck setzen. Die Krux ist, dass du bei ihrem Aufschlag viele Punkte verlierst, weil sie zu gut serviert. Viele Punkte gehen einfach so weg, das akkumuliert sich über längere Zeit. Ich habe einige Matches gegen sie 4:6, 4:6 oder in dem Muster verloren. Eigentlich gut gespielt, zweimal ein blödes Break bekommen und bei ihrem Aufschlag kommst du nicht ran, Ende. Der Aufschlag macht einen ganz großen Unterschied. Dazu hat sie das, was alle Champions haben. Sie hat irgendwas in sich, was sehr besonders ist. Wenn du sie reizt, wird sie wütend und kann diese Wut in Energie transformieren und spielt noch besser. Ich glaube, dass sie zwar auch Angst hat vor engen Situationen, aber diese Angst beeinträchtigt ihr Spiel nicht. Sie hat den unbedingten Willen.

SPOX: Serena hat in Wimbledon so gut wie immer auf dem Centre Court gespielt, einige andere Topspielerinnen nicht, was zur Debatte führte, ob Frauen bei der Ansetzung benachteiligt werden. War es Ihrer Meinung nach eine berechtigte Kritik?

Petkovic: Ich bin grundsätzlich für absolute Gleichheit. Für mich heißt das, dass man die Leistung beurteilt, nicht das Geschlecht. Ich will jetzt kein Match Petkovic vs. Dyas auf dem Centre Court sehen, wenn ich Federer gegen wen auch immer haben kann. Leistung muss entscheidend sein. Wenn Roger immer auf dem Centre Court spielen würde und Serena immer auf Court 1, könnte man sich fragen, ob da was falsch läuft. Aber wenn ich die Wahl zwischen Federer oder Djokovic und Petkovic habe, dann ist die Sache klar. (lacht) Ich will keine Frauenquote aufgrund der Frauenquote.

SPOX: Bei den US Open gibt es diese Debatte nicht, dort gibt es mindestens so viele Damen-Matches auf Arthur Ashe als Herren-Matches. Für Sie war New York in Ihrer Karriere nicht immer ein gutes Pflaster.

Petkovic: Das stimmt, ich habe bei den US Open ganz oft in der ersten Runde verloren. Ich habe aber auch positive Erinnerungen. In New York habe ich zum ersten Mal bei einem Grand Slam die zweite Woche erreicht, was für mich als junge Spielerin ein Meilenstein war. Dazu stand ich 2011 im Viertelfinale und war gegen Caroline Wozniacki relativ nahe am Halbfinale, den zweiten Satz hätte ich im Tiebreak eigentlich gewinnen müssen. Insgesamt sind die US Open sehr besonders. New York kann dich definitiv überrollen. Es ist so viel los. Die Stadt ist so voller Energie, sie kann aber auch viel Energie saugen. Wenn du in New York ankommst, musst du wirklich in einem guten Zustand sein. Normalerweise spiele ich ganz gerne in der Woche vor einem Grand Slam, jetzt habe ich mich entschieden, vorher Pause zu machen und nochmal Kräfte zu sammeln. Gerade bei den US Open ist es nochmal wichtiger, ausgeruht an den Start zu gehen, weil es am Ende der Saison ist und die Anstrengungen bis dahin schon sehr an den Kräften gezehrt haben. Mal schauen, ob der Plan aufgeht.

SPOX: New York als Stadt muss Ihnen ja eigentlich sehr gefallen. Könnten Sie sich vorstellen, dort zu leben?

Petkovic: Ich könnte mir auf jeden Fall vorstellen, in New York zu leben. Das denke ich mir immer wieder. Ich würde aber jetzt nicht unbedingt in Manhattan wohnen wollen. Ich würde dann nach Brooklyn oder Queens gehen, gerade wollte ich schon Bronx sagen, warum auch immer. (lacht) Manhattan wäre zu viel. Es ist so schon der Fall, dass du nach einigen Wochen in New York völlig fertig mit den Nerven und der Welt bist, weil so viele Eindrücke auf dich einprasseln. Du gehst nur auf die Straße und hast sofort so viele Eindrücke. Aber ich finde die Stadt super. Ich bin ja auch große Kunstliebhaberin und versuche, immer in Soho abzusteigen, weil es da die tollsten Galerien gibt. New York und Paris sind für mich ganz nah beieinander als die beiden besten Städte der Welt.

SPOX: Serena kann in New York den Grand Slam schaffen, bei den Herren dominiert Novak Djokovic aktuell das Geschehen. Gibt es etwas, das Sie sich vom Djoker abschauen können?

Petkovic: Seitdem ich bei den French Open alleine beim Mittagessen saß und Boris Becker sich zu mir gesetzt hat, nerve ich ihn und löchere ihn mit Fragen. Der Arme tut mir schon ganz leid. (lacht) Aber für mich ist es natürlich super. Von wem kann ich bitte mehr lernen als von ihm? Wenn ich ihn dann frage, dann frage ich ihn auch nach Djokovic. Nole ist anscheinend auch ein extremer Perfektionist, der seinen Tagesablauf extrem akribisch einteilt. Was ich mir vor allem ein bisschen abschauen und in meinen Trainingsplan integrieren will, ist das extrem Dehnbare. Seine unglaubliche Balance und seine unglaublichen Verteidigungskünste kommen ja genau daher. Ob er auf Rasen oder auf Hartplatz rutscht, macht für ihn gar keinen Unterschied mehr. Bei ihm liegt da sehr viel in der Natur, er ist ja ein bisschen agiler gebaut als ich. Aber ich will das auch versuchen, zum Beispiel dadurch, dass ich ein bisschen Yoga reinbringe. Ich nehme das jetzt im zweiten Halbjahr dazu und dann bin ich gespannt, ob ich eine Verbesserung feststelle.

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SPOX: Einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen, ist ein sportlicher Lebenstraum. Ein anderer heißt sicher Olympische Spiele, nachdem Sie für London verletzt passen mussten. Was verbinden Sie persönlich mit Olympia?

Petkovic: Ich verbinde mit Olympia vor allem ein Gemeinschaftsgefühl, das wir im Tennis nicht in der Form haben und das mir viel bedeutet. Deshalb blühe ich ja auch im Fed Cup immer besonders auf. Bei einem normalen Match auf der Tour kannst du dich auch mal sehr verlassen fühlen auf dem Platz, aber im Fed Cup habe ich dieses Gefühl nie. Egal, wie es mir geht, da steht die komplette Bank hinter mir. Alle ziehen an einem Strang, wollen gemeinsam ein Ziel erreichen und schöpfen daraus eine Menge Energie. Das ist ein unglaublich schönes Gefühl. Ich glaube, dass das bei Olympia, wenn sich alle deutschen Sportler gegenseitig unterstützen, auch so ist. Deshalb habe ich da total Bock drauf und bin sicher, dass es eine sehr coole Erfahrung wird.

SPOX: Was sind denn die Träume für die Zeit nach der Karriere? Eine eigene Familie gründen zum Beispiel?

Petkovic: Das weiß ich noch nicht. (lacht)

SPOX: Tatjana Maria hat das sogar schon während der Karriere vorgemacht und reist jetzt als beste Tennis-Mama durch die Welt.

Petkovic: Das könnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Ich kenne die Tadde schon sehr lange und bin sehr gut mit ihr befreundet, deshalb weiß ich auch genau, warum ich das niemals könnte und warum sie es aber kann. Tadde war schon immer der entspannteste Mensch, den ich kannte. Sie hat noch nie etwas gestresst. Wenn ich mir vorstelle, ich wache nachts um 3 Uhr auf, weil mein Kind schreit, würde bei mir schon Panik einsetzen. Ich würde sofort denken: Oh Gott, wenn ich jetzt eine Stunde nicht schlafe, dann kann ich morgen nicht spielen. Aber Tadde würde nur meinen: passt schon. Deshalb passt es zu Ihr auch so gut. Ich habe die Familie auch zusammen erlebt. Da herrscht so eine große Liebe und ihr Mann unterstützt sie so wahnsinnig toll - es ist echt schön zu sehen.

SPOX: Okay, das mit der eigenen Familie muss sich noch klären, was ist mit der Karriere nach der Karriere? Sie haben zum Beispiel mal laut überlegt, in die Politik zu gehen. Ist das immer noch eine Option?

Petkovic: Politik interessiert mich nach wie vor total, aber ich war sehr naiv, als ich das gesagt habe. Für mich war Politik immer so ein bisschen wie in amerikanischen Filmen. Ich gehe in den Plenarsaal, halte eine flammende Rede, alles ist geregelt und es herrscht Weltfrieden. (lacht) Mit 27 Jahren habe ich jetzt schon verstanden, dass die Welt ein bisschen anders läuft. Da wurde mir komplett die Illusion geraubt. Ich würde generell einfach sehr gerne etwas anderes machen als Tennis. Ich interessiere mich sehr für die Künste, ob das Film oder Literatur ist. Ich würde sehr gerne in dieser Richtung etwas machen, was auch immer das genau sein wird. Vielleicht in die Richtung einer literarischen Informationssendung a la literarisches Quartett, ich weiß es noch nicht. Ein eigenes Magazin gestalten, würde mich auch sehr interessieren. Aber das sind im Moment erstmal nur Spinnereien in meinem Kopf.

SPOX: Wie wäre es mit Sportjournalismus? Wollen Sie mal für einen Tag SPOX-Chefredakteurin spielen?

Petkovic: Vielen Dank für die Einladung. Dann würde ich Fußball erstmal weiter nach hinten verbannen (lacht). Sportjournalismus würde mich auch sehr interessieren, aber ich habe mir vorgenommen, nach der Karriere erstmal weg vom Tennis zu gehen und mir eine ganz neue Herausforderung zu suchen. Aber wer weiß, vielleicht komme ich später dann nochmal zum Tennis zurück.

SPOX: Sie meinten gerade im Spaß, dass Sie Fußball erstmal von der Seite schmeißen würden. Die Übermacht des Fußballs, gerade in der TV-Berichterstattung, ist ja absolut ein Problem. Bevor Spitzentennis gezeigt wird, kommt eher die Regionalliga live. Es gibt immer wieder Diskussionen, ob man Tennis nicht TV-kompatibler machen müsste, zum Beispiel die Sätze nur noch bis 4 spielen sollte. Wie ist Ihre Haltung dazu?

Petkovic: Ich bin da sehr traditionalistisch unterwegs und kann mir das ehrlich gesagt gar nicht vorstellen. Ich habe mich schon sehr darüber aufgeregt, als im Doppel die No-Ad-Regel und der Champions Tiebreak eingeführt wurden. Für mich ist es eigentlich perfekt, weil es kürzer ist und ich so auch mal Doppel spielen kann, aber ich will es trotzdem nicht. Jeder, der selbst Tennis spielt, weiß, was es bedeutet, wenn du dich nach einem 2:5-Rückstand auf 5:5 herankämpfst und wie viel passiert, bis es mal 6:6 steht. Wahrscheinlich würde sich das irgendwann geben, wenn man nur bis 4 spielt, aber ich kann mir echt nicht vorstellen, wie mich da jemand überzeugen will. An welche Matches erinnern wir uns? An die absurden 5-Satz-Matches bei den Grand Slams oder an Boris Beckers 6-Stunden-Schlacht im Davis Cup. Und ganz ehrlich: Wie hoch sind die Einschaltquoten beim Biathlon, nur weil es bei ARD und ZDF läuft? Wenn stattdessen den ganzen Nachmittag Tennis laufen würde, glaube ich nicht, dass die Leute nicht auch Tennis schauen würden. Vielleicht bin ich auch bescheuert, aber ich kenne keinen Menschen auf der Welt, der nicht mal selbst Tennis gespielt hat, auch wenn es nur einmal war. Das Grundinteresse am Tennis ist doch da.

SPOX: Die einzige Chance, dass es sich wirklich verändert, wäre wohl dennoch ein Grand-Slam-Triumph von Ihnen oder einer anderen deutschen Spielerin. SPOX

Petkovic: Da haben Sie Recht. Wenn wir die große Masse erreichen und Leute gewinnen wollen, die nicht eh schon interessiert sind, geht es nur durch ganz große Erfolge. Ich strenge mich an, versprochen. (lacht)

SPOX: Wir haben mit Ihrer Heimat angefangen, wenn Sie jetzt hier sitzen und daran zurückdenken, wie Sie mit 15 Jahren alleine in Antalya bei einem Turnier waren, es am Ende auch gewannen, und wie weit Sie jetzt gekommen sind - macht Sie das stolz?

Petkovic: Auf jeden Fall. Auch wenn ich schon immer hohe Ansprüche an mich hatte, hätte ich das als kleines Kind nie erwartet. Klar, ich habe davon geträumt und mir ausgemalt, dass ich eines Tages ein Grand-Slam-Turnier gewinne, aber ich habe erst letztens gemerkt, wie krass es eigentlich ist, dass ich überhaupt in diesem Kreise dabei bin. Ich sehe mich noch vor mir, wie ich als Kind einmal bei den French Open war, diesen Tag werde ich nie vergessen. Es hat den ganzen Tag geregnet und ich stand den ganzen Tag am Spielerausgang. Egal, wer auch rauskam, ob es die Nummer zwei der Welt war oder die Nummer 90 - ich stand mit großen Augen da und fand es unglaublich. Wenn ich mir überlege, dass ich jetzt eine von denen bin, die aus dem Spielerausgang kommen und von den Kindern bewundert werden, dann habe ich glaube ich schon eine ganz akzeptable Karriere gemacht.

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