Kommentar zur Aussetzung der WTA-Turniere in China: Tennis-Szene stellt Thomas Bach, Gianni Infantino und Co. bloß

Filippo Cataldo
02. Dezember 202115:54
Der Tennis-Frauenverband WTA setzt die Turniere in China aus.getty
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WTA-Chef Steve Simon und mit ihm die gesamte Tennis-Szene haben Moral und die unverhandelbaren Prinzipien des Gemeinwohls über finanzielle Interessen gestellt. Sie haben mit der Aussetzung der Tennisturniere in China einfach das Richtige getan. Damit sind sie einerseits Vorbilder. Andererseits wurden Thomas Bach, Gianni Infantino und andere Funktionäre, Sportverbände und Klubs bloßgestellt. Endlich! Ein Kommentar.

Die Aussetzung aller WTA-Turniere in China ist deutlich mehr als ein Zeichen der Solidarität mit der früheren Tennisspielerin Peng Shuai und ein starker Ausdruck ihrer echten Sorge um das körperliche und seelische Wohlergehen der Doppel-Spezialistin, die nach Anschuldigungen der sexuellen Belästigung gegen einen hochrangigen chinesischen Funktionär wochenlang verschollen war.

WTA-Chef Steve Simon und mit ihm die gesamte Tennis-Szene haben Moral und die unverhandelbaren Prinzipien des Gemeinwohls (aka "Menschenrechte") über finanzielle Interessen gestellt.

Indem sie einfach das Richtige gemacht haben, zeigen sie den Thomas Bachs, Gianni Infantinos, Bayern Münchens, FC Arsenals, Manchester Citys, Paris Saint-Germains, Newcastle Uniteds (die Liste ließe sich leider beinahe ins Unendliche fortsetzen) dieser Welt, wie man in solchen und ähnlichen Situationen handeln muss.

Damit sind sie einerseits Vorbilder und andererseits haben sie Bach und die anderen Funktionäre bloßgestellt.

Fall Peng Shuai: China einer der wichtigsten WTA-Partner

Das Hauptproblem ist nicht, dass Sportverbände oder Profivereine bereitwillig beim Sportswashing von mehr oder weniger lupenreinen Unrechtsregimes mitmachen.

Schlimmer ist, dass sie sich um die Beantwortung von Menschenrechtsfragen drücken, etwa mit dem quatschigsten aller Verweise, dass der Sport unpolitisch sei. Der FC Arsenal hat dieses Argument zum Beispiel einmal bemüht, nachdem Mesut Özil auf die Situation der muslimischen Minderheit der Uiguren in China aufmerksam gemacht hatte.

Schlimm ist auch, dass Verbände, Vereine und Funktionäre wie einst Franz Beckenbauer, der keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen haben wollte, bei solchen Fragen mutwillig wegschauen.

Oder dass sie, wenigstens ehrlich, auf das Geld verwiesen, dass man in solchen Ländern verdienen könne und diese Bekenntnisse noch mit ein paar leeren Slogans wie "Dialog, Stille Diplomatie, Runde Tische, Sorge, Fairplay, Diversität, Toleranz und Solidarität" garnieren.

Um viel Geld geht es bei der WTA im Übrigen auch: China ist einer der wichtigsten Partner des Frauentennis. Als die WTA Finals 2019 zum bisher letzten Mal in Shenzhen ausgetragen wurden, konnte die Siegerin bis zu 4,75 Millionen Dollar kassieren. Zum Vergleich: Alexander Zverev gewann mit seinem Sieg beim ATP-Finalturnier in Turin zuletzt 2,14 Millionen Euro. Aber, wie gesagt, Geld aus China und anderen Regimes anzunehmen, ist nicht per se verwerflich.

Thomas Bach ließ sich vor den Karren der Propaganda spannen

Der Gipfel aber ist, wenn sich Funktionäre - naiv oder mutwillig - vor den Karren der Propaganda spannen lassen. Dass IOC-Präsident Bach in seinem Video-Telefonat mit Peng Shuai nicht einmal nach ihren zuvor geäußerten Vorwürfen der sexuellen Belästigung durch den früheren chinesischen Vizepremier und IOC-Funktionär Zhang Gaoli fragte, ist schlicht skandalös. Immerhin war Peng Shuai, nachdem sie diese Vorwürfe veröffentlicht hatte, wochenlang verschollen.

Bach, so heißt es, verzehrt sich seit Jahren nach dem Friedensnobelpreis. Als bei den letzten Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang ein gemischtes nord- und südkoreanisches Frauen-Eishockeyteam aufs Eis geschickt wurde und die Schwester des nordkoreanischen Diktators Kin Jong-Un freundlich von den Tribünen winkte, könnte sich Bach, der einige Spezialdemokraten wie Wladimir Putin zu seinen guten Bekannten zählt, womöglich ganz nah am Ziel gesehen haben.

Doch den Friedensnobelpreis 2018 erhielten schließlich in Nadia Murad und Denis Mukwege eine geflüchtete Menschenrechtsaktivistin aus dem Irak und ein kongolesischer Arzt. Beide kämpfen übrigens seit Jahren für die Rechte von Vergewaltigungsopfern und kümmern sich aktiv um diese.