"Becker macht einen exzellenten Job"

Florian Regelmann
29. Juni 201512:06
Boris Becker will mit Schützling Novak Djokovic den nächsten Wimbledon-Sieg einfahrengetty
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Es ist wieder Wimbledon-Time! Im All England Lawn Tennis and Croquet Club startet am Montag (alle Infos ab 12.30 Uhr in Rund um Wimbledon) das berühmteste Tennisturnier der Welt. SPOX sprach mit Trainerlegende Nick Bollettieri über die Big Four, neue US-Stars am Horizont, Sabine Lisickis Problem und seine schönsten Wimbledon-Erinnerungen.

SPOX: Nick, Sie sind jetzt bald 84 Jahre alt und waren in Ihrem Leben schon so oft in Wimbledon. Was sind eigentlich Ihre schönsten Erinnerungen aus all den Jahren?

Nick Bollettieri: Das kann ich Ihnen genau sagen. Es gibt vor allem zwei Momente, die ich im Zusammenhang mit Wimbledon niemals vergessen werde. 1987 spielte Andre Agassi als 17-Jähriger zum ersten Mal in Wimbledon mit und traf in der ersten Runde auf Henri Leconte.

SPOX: Und er bekam eine brutale Klatsche. 2:6, 1:6, 2:6.

Bollettieri: Richtig. Nach dem Match hatte ich noch nicht einmal die Zeit, um mich hinzusetzen, da kam Andre schon an und sagte: 'Hier werde ich nie mehr spielen, dieser Rasen ist für Kühe.' Wir kehrten in den nächsten Jahren ja tatsächlich nicht zurück, umso spezieller war es dann für mich, als Andre 1992 nacheinander Boris Becker und John McEnroe schlug, im Finale Goran Ivanisevic besiegte und Wimbledon-Champion wurde. Und das als Baseliner! Das war sensationell und wird für immer einer meiner schönsten Momente bleiben.

SPOX: Sie sprechen es: 1992 gewann Agassi gegen Becker. 1995 im Halbfinale hatte das Match den umgedrehten Ausgang - und Sie saßen in der anderen Box.

Bollettieri: Dieser Sieg als Coach von Boris gehört ohne Zweifel auch zu meinen Highlights. Generell haben viele meiner schönsten Erinnerungen mit deutschen Spielern zu tun. (lacht) Ob es Boris war, der Halbfinal-Einzug von meinem Jungen Tommy Haas 2009, oder natürlich das Finale von Sabine Lisicki vor zwei Jahren.

Auch mit 83 steht Nick Bollettieri in seiner Tennis Academy in Florida noch auf dem Platz getty

SPOX: Wenn wir bei Haas und Lisicki bleiben. Bei Lisicki wartet man weiter auf den wirklichen Durchbruch, sie stand in Ihrer Karriere trotz der Wimbledon-Erfolge und des unbestrittenen Potenzials noch nie in den Top 10. Was ist aus Ihrer Sicht Ihr größtes Problem?

Bollettieri: Es ist ganz einfach: Sabines Problem ist die fehlende Konstanz. Sabine hat das Potenzial zur Top-5-Spielerin in der Welt. Aber um eine Top-5-Spielerin zu sein, darfst du keine Matches gegen Gegnerinnen verlieren, gegen die du mit deiner Klasse nicht verlieren solltest. Sabine hat die Schläge, um ganz oben zu stehen. Wenn sie irgendwann von der Mentalität auf das gleiche Niveau kommt wie von den Schlägen, wird sie auch in den Top 5 stehen.

SPOX: Tommy Haas hat sich jetzt mit 37 Jahren gefühlt das tausendste Mal auf sehr beeindruckende Art und Weise zurückgekämpft und ist in Wimbledon nochmal am Start. Wie stolz sind Sie auf ihn?

Bollettieri: Tommy ist ein ganz besonderer Sportler und Mensch. Nur sehr wenige sind imstande, das zu leisten, was er mit 37 Jahren jetzt wieder gezeigt hat. Ich sage es mal so: Wenn die Welt aus mehr Tommy Haas' bestehen würde, die niemals aufgeben und diesen bärenstarken Willen haben, dann wäre die Welt eine viel bessere. Die Welt braucht mehr Menschen wie Tommy.

SPOX: Lassen Sie uns auf das Turnier vorausblicken und einen kleinen Favoritencheck machen. Wenn Roger Federer noch einmal einen Grand-Slam-Titel einfährt und sein Konto auf 18 erhöht, dann in Wimbledon. Würden Sie dieser These zustimmen?

Bollettieri: Absolut. Roger fühlt sich nirgendwo so wohl wie auf dem Rasen von Wimbledon, auch wenn die Bedingungen über die Jahre so viel langsamer geworden sind. Damit Roger eine Chance auf den Titel hat, muss er vor allem zwei Wochen lang sehr gut aufschlagen. Das ist der Schlüsssel. Dazu muss er den Weg ans Netz suchen. Ich glaube nicht, dass er Wimbledon von der Baseline nochmal gewinnen kann, das wird nicht funktionieren. Er muss hervorragend servieren und gut variieren, also auch immer wieder Stopps einstreuen. Wenn wir Paris mal außen vor lassen, dann spielt Roger seit Monaten überragendes Tennis. Die Möglichkeit für einen weiteren Triumph ist sicher da, aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass es inzwischen bestimmt sechs, sieben, acht Leute gibt, die das Turnier gewinnen können. Es gibt einfach keine leichten Matches mehr bei den Herren. Du musst vom ersten Tag an dein bestes Tennis spielen, sonst fliegst du sofort raus. Aber ich würde es Roger sehr gönnen, wenn er es noch einmal packt. Roger ist mit seiner Persönlichkeit der Inbegriff dafür, wofür Tennis stehen sollte, auf und außerhalb des Courts. Es gibt kein besseres Vorbild für Kinder als Roger Federer.

SPOX: Novak Djokovic geht als Titelverteidiger an den Start, musste aber jetzt in Paris die riesengroße Enttäuschung des verpassten Karriere-Grand-Slams verdauen.

Bollettieri: Seien wir ehrlich: Djokovic hatte das Pech, dass er auf einen Stan Wawrinka traf, der an diesem Tag alles getroffen hat. Niemand hätte ihn geschlagen. Aber ich glaube auch, dass Djokovic diesen French-Open-Sieg zu sehr wollte. Wenn du im Leben oder im Sport etwas unbedingt mit aller Macht zu erreichen versuchst, schadet es dir manchmal mehr, als es dir nutzt. Das war bei Novak der Fall. Er wollte diesen Sieg einen Tick zu sehr.

SPOX: Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach der Einfluss, den Boris Becker auf Djokovic hat?

Bollettieri: Boris macht einen exzellenten Job als Coach von Novak. Warum? Weil er nicht versucht hat, das Spiel von Novak großartig zu verändern. Boris hat die Fähigkeit, die kleinen Dinge zu erkennen und an Novak weiterzugeben. Eine Nuance hier, eine Nuance da, mehr braucht es gar nicht. Außerdem verleiht allein die Anwesenheit von Boris in seiner Box Novak jede Menge Selbstvertrauen. Die beiden haben aus meiner Sicht eine hervorragende Beziehung und bilden eine super Partnerschaft.

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SPOX: In Roland Garros stand ihm Wawrinka im Weg. Wie sehen Sie die Perspektiven von Stan the Man? Erwarten Sie, dass er zu seinen zwei Grand-Slam-Titeln noch weitere hinzufügt?

Bollettieri: Jemand, der so Tennis spielen kann wie Stan Wawrinka, ist in der Lage, noch mehr Grand Slams zu gewinnen. Das ist ja klar. Wenn ich an seine Rückhand-Winner aus dem Finale denke: Das sah aus wie im Training, wie er die Djokovic um die Ohren gehauen hat. Seit Wawrinka mit Magnus Norman zusammenarbeitet, hat er sich enorm verbessert. Allerdings weiß man bei ihm nie so ganz genau, was kommt. Wir dürfen nicht vergessen, dass es in den Monaten vor Paris eigentlich nicht so gut lief. Aber genau zur richtigen Zeit konnte er dann sein bestes Tennis abrufen.

SPOX: Wir haben noch gar nicht über Rafael Nadal gesprochen. Er scheint sich nach seiner sehr schwierigen Phase langsam wieder seinem alten Niveau anzunähern, aber als Wimbledon-Sieger hat ihn eigentlich keiner auf der Rechnung.

Bollettieri: Ich kann nur jedem sagen, der Rafael Nadal abschreiben will: Vorsicht! Er hatte eine schlechte Phase, in der er sich schlecht bewegte und vor allem extrem an Selbstvertrauen verlor. Das hat er ja selbst zugegeben. Wenn du dein Selbstvertrauen verlierst, dann tut das deinem Spiel natürlich sehr weh. Aber er ist gerade dabei, es sich wieder zu erarbeiten. Ich bin sehr gespannt, wie es in den nächsten Monaten für ihn weitergeht. Eines kann ich sagen: Ich bin sicher, dass er wieder gewinnen wird. Niemand fightet mehr als Nadal. Deshalb kann ich nur nochmal den Rat geben: Schreibe Nadal niemals ab, niemals.

SPOX: Wir müssen auch noch über den letzten Teil der Big Four sprechen: Andy Murray. Wenn man nach aktueller Form geht, spricht dieses Jahr ziemlich viel für einen zweiten Wimbledon-Erfolg von Murray. Wie sehen Sie seine Entwicklung?

Bollettieri: Andy Murray ist in der Form seines Lebens. Sein Coaching-Team mit Amelie Mauresmo an der Spitze hat einen tollen Job mit ihm gemacht. Murray war schon immer der beste Returnspieler auf der Tour. Niemand bringt den Ball so schnell zurück, das macht ihn so verdammt gut. Aber jetzt hat er sich weiter verbessert. Sein Spiel ist offensiver geworden, was ihn noch viel gefärlicher macht. Er steht näher an der Grundlinie und ist viel aggressiver geworden.

SPOX: Murray, Djokovic, Federer, Nadal, Wawrinka, vielleicht auch Kei Nishikori oder Milos Raonic: Was in der Liste an möglichen Champions aktuell fehlt, ist weiterhin ein US-Amerikaner. Jack Sock nähert sich der Elite und bei den French Open standen mit Tommy Paul und Taylor Harry Fritz jetzt zwei US-Boys im Junioren-Finale. Fritz ist sogar die Nummer eins in der Junioren-Weltrangliste, insgesamt vier US-Boys stehen da in den Top 10. Erleben wir in den nächsten Jahren die Wiedergeburt des US-Herrentennis?

Bollettieri: Ich bin noch etwas zögerlich. Es wäre mir noch zu früh, davon zu sprechen. Wir wissen nicht, ob wir hier zukünftige Superstars sehen und müssen jetzt erst einmal abwarten, wie sich diese Jungs in den nächsten Jahren entwickeln. Aber es ist natürlich ein ziemlich gutes Zeichen, dass wir jetzt bei den Junioren so gut dastehen und zwei Jungs im Finale der French Open hatten. Wir müssen den leichten Aufschwung jetzt weiter nutzen und alles dafür tun, dass die besten Athleten unseres Landes nicht alle Football, Baseball oder Basketball spielen, sondern auch wieder Tennis. Das ist ganz entscheidend.

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