Heiliger Rasen wird zur deutschen Hölle

SPOX
05. Juli 201500:10
Sabine Lisicki ist in Wimbledon in der dritten Runde ausgeschiedengetty
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Dustin Brown zeigt zwei Tage nach seinem Coup gegen Rafael Nadal eine Leistung zwischen Genie und Wahnsinn. Leider überwiegt der Wahnsinn. Und die Mädels: Angelique Kerber? Raus! Sabine Lisicki? Raus! Tatjana Maria? Raus! Roger Federer zieht derweil ins Achtelfinale ein, Marin Cilic gewinnt ein Marathon-Match.

Damen - 3. Runde (alle Matches):

Garbine Muguruza (ESP/20) - Angelique Kerber (GER/10) 7:6 (14:12), 1:6, 6:2

Was für ein Drama auf Court 2! Mit 3:0 lag Kerber im ersten Durchgang bereits in Führung, dazu gab's ein komfortables 40:0 bei Aufschlag Muguruza. Die große Chance war da, doch die Spanierin biss sich zurück in ihr Service und feierte tatsächlich noch den Spielgewinn. Was folgte waren ein Break und ein weiteres Aufschlagspiel zu Gunsten der 21-Jährigen. Im Anschluss lieferten sich beide Kontrahentinnen ein sehenswertes und packendes Duell auf Augenhöhe, bei dem vor allem die Mentalität der Spanierin, die sich über die gesamte Partie erstreckte, im Fokus stand. Insgesamt 57 Winner standen 43 Unforced Errors gegenüber.

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"Es war ein Auf und Ab, aber ich kann mir nichts vorwerfen", sagte Kerber, die bereits bei den French Open in Paris in Runde drei gegen Muguruza verloren hatte: "Ich habe zwar wenig Fehler gemacht, aber sie hat mehr Winner geschlagen."

Im Tie Break des ersten Durchgangs nahm Kerber dann das Heft in die Hand und legte mit 5:2 eigentlich den Grundstein für den so wichtigen Satzgewinn. Erneut kam Muguruza zurück, neun Satzbälle wehrte die Spanierin im ersten Satz insgesamt ab. Es kam, wie es kommen musste: Beim Stand von 12:13 leistete sich die Deutsche den entscheidenden Patzer und ging mit 0:1 nach Sätzen in Rückstand. Wer nun dachte, dass die Geheimfavoritin auf den Turniersieg in ein mentales Loch fallen würde, der irrte allerdings gewaltig. Kerber drehte auf und marschierte zu einem lockeren 6:1 in Durchgang zwei.

Im entscheidenden Satz wechselte das Momentum dann jedoch erneut die Seiten. Kerber, die nur vier ihrer 19 Breakchancen nutzen konnte, hatte zusehends Probleme mit dem eigenen Service, es fehlten Länge und Präzision in den eigenen Schlägen. Muguruza, die in der Partie insgesamt sieben Asse verbuchte, hatte all dies und schnappte sich ein Spiel nach dem anderen. Nach etwas mehr als zweieinhalb Stunden war es dann soweit: Ein langer Ball der Spanierin landete auf der Linie. Kerber zog das Hawk-Eye hinzu. Ohne Erfolg, der Schlag war knapp im Feld, Muguruza mit 6:2 im dritten Durchgang die Siegerin.

Timea Bacsinszky (SUI/15) - Sabine Lisicki (GER/18) 6:3, 6:2

Es war alles andere als ein prickelnder Auftritt von Sabine Lisicki, die Timea Bacsinszky in nahezu jeder Statistik unterlegen war. Gravierend war dabei die Nachlässigkeit der Deutschen bei ihren Break-Möglichkeiten: Während Lisicki nur einen von sieben dieser Bälle nutzte, verwandelte die Schweizerin vier ihrer neun Chancen.

Zudem gelangen Lisicki zwar mehr Winner (17 zu 12), allerdings produzierte die 25-Jährige auch deutlich mehr Unforced Errors (24 zu 10). So geriet Lisicki, die den ersten Satz nach zwei kassierten Breaks verlor, auch im zweiten Durchgang früh in Rückstand.

Lisicki kämpfte zwar gegen die drohende Niederlage und wehrte die ersten Matchbälle noch ab, am Ende war sie aber bei Bacsinszkys Service zu ungefährlich. "Die Enttäuschung ist sehr groß", sagte Lisicki: "Aber ich habe gegen eine Gegnerin verloren, die die Saison ihres Lebens spielt."

Madison Keys (USA/21) - Tatjana Maria (GER) 6:4, 6:4

Tatjana Maria fand gegen den Aufschlag von Madison Keys einfach kein Mittel - und wenn sie dann doch mal die Chance auf ein Break hatte, vergab sie die Möglichkeit. So gelang ihr trotz drei Chancen kein Break.

Keys hingegen kam mit dem Aufschlag von Maria besser zurecht und zeigte sich in den entscheidenden Situationen nervenstärker: Im ersten Satz verwandelte sie eine ihrer drei Breakmöglichkeiten, im zweiten Durchgang nutzte sie ihre einzige Chance.

Auch in Sachen Winner war die US-Amerikanerin deutlich überlegen. Ihrer finalen 33 steht bei Maria in dieser Statistik am Ende nur eine magere neun gegenüber. Die US-Amerikanerin dominierte das Geschehen und zog souverän in die nächste Runde. Trotzdem kann Maria, die erstmals überhaupt in Runde drei eines Grand-Slams-Turnier stand, erhobenen Hauptes nach Hause fahren.

Caroline Wozniacki (DEN/5) - Camila Giorgi (ITA/31) 6:2, 6:2

Bis zum Stand von 2:2 sahen die Zuschauer eine ausgeglichene Begegnung. Danach entwickelte sich das Duell zu einem einzigen Break-Festival Wozniackis. Zwei Mal nahm die Dänin ihrer Gegnerin den Aufschlag ab. Dass der erste Satz eine deutliche Angelegenheit war, lag jedoch zu großen Teilen an Georgi. Ganze sechs Doppelfehler und 20 (!) Unforced Errors leistete sich die Italienerin. Zum Vergleich: Bei Wozniacki stand in beiden Kategorien die Null.

Giorgi konnte ihre Fehler im zweiten Durchgang zwar minimieren, spielte allerdings dennoch zu passiv. Gerade mit dem zweiten Aufschlag erzeugte sie keinerlei Gefahr. Die Weltranglisten 36. verbuchte deshalb lediglich 25 Prozent der Punkte nach eigenem ersten Service. Wozniacki dagegen agierte fast fehlerlos, zauberte ihr aggressives Grundlinienspiel auf den Rasen und brachte sämtliche Aufschlagspiele souverän durch. "The Danish Dynamite" darf als Folge auch weiterhin vom Titel träumen.

Jelena Jankovic (SRB/28) - Petra Kvitova (CZE/2) 3:6, 7:5, 6:3

Faustdicke Überraschung auf dem Centre Court! Titelverteidigerin Petra Kvitova musste sich in einem hart umkämpften Match der Weltranglisten-30. Jelena Jankovic in drei Sätzen geschlagen geben. Dabei erwischte Kvitova den besseren Start in die Partie. Die Tschechin schlug von Beginn an gut auf und zwang Jankovic mit ihrem druckvollen Spiel in die Defensive. Im vierten Spiel gelang ihr ein Break - Kvitova ließ sich diesen Vorteil in der Folge nicht mehr nehmen und schnappte sich nach nur 29 Minuten den ersten Durchgang.

Der Beginn des zweiten Satzes war ein Spiegelbild des ersten Durchgangs: Kvitova spielte weiter hochkonzentriert und schaffte das frühe Break. Doch im Anschluss verlor die Favoritin den Faden, Jankovic kam besser in der Partie. Die Serbin schlug nun besser auf und konnte der Weltranglisten-Zweiten zudem zweimal den Aufschlag abnehmen. Der dritte Satz musste folglich die Entscheidung herbeiführen.

Beide Spielerinnen begegneten sich nun absolut auf Augenhöhe. Bis zum 5:4 brachten beide ihren Aufschlag meist souverän durch, doch in der entscheidenden Phase war Jankovic hellwach. Zunächst lag die 30-Jährige mit 0:30 zurück, holte sich im Anschluss jedoch die nächsten vier Punkte und breakte Kvitova damit zum Matchgewinn. Kvitova unterliefen unter dem Strich ein paar zu viele Unforced Errors (21-11). Trotzdem machte sie mehr Punkte als ihre Gegnerin (85-84).

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Die WTA-Weltrangliste

Herren - 3. Runde (alle Matches):

Viktor Troicki (SRB/22) - Dustin Brown (GER) 6:4, 7:6 (7:3), 4:6, 6:3

Das Wimbledon-Märchen ist für Brown beendet! Der Nadal-Bezwinger avancierte auf Court Nummer drei zwar endgültig zum Publikumsliebling, war gegen Troicki unter dem Strich aber von der Grundlinie zu limitiert und am Netz nicht zwingend genug.

Dabei begann Brown im ersten Satz energischer als sein Kontrahent, begeisterte unter anderem mit einem sensationellen Beckerhecht und brachte seine Aufschlagspiele souveräner nach Hause. Doch schwächelte er ausgerechnet bei eigenem Service beim Stand von 4:5 - und der Serbe schlug, wie im ganzen Match, eiskalt zu, wenn er die Chance auf die Big Points bekam.

Dustin Brown im SPOX-Interview: "Millionär bin ich noch lange nicht"

Mit zwölf Assen, 20 Winnern und 91 Prozent Punkten nach dem starken ersten Aufschlag ließ sich Troicki im zweiten Durchgang auch nicht von einem frühen Break verunsichern, sondern holte den Satz zur vermeintlichen Vorentscheidung im Tie Break.

"Er hat großartig gespielt und vor allem großartig serviert. Wenn er vier Asse und einen Service-Winner im Tiebreak schlägt, kann ich halt nichts machen", sagte Brown: "Trotzdem bin ich glücklich mit meinem Turnier. Wenn mir jemand vor der Qualifikation gesagt hätte, dass ich ins Hauptfeld komme und da Rafa schlage, hätte ich das sofort unterschrieben."

Mit einem verbesserten Service und einer guten Phase auch aus dem Feld heraus schnappte sich Dreddy aber - teils mit unmöglichen Schlägen - den dritten Durchgang.

Die Effektivität und Wucht im Spiel am Netz, die Nadal vor zwei Tagen noch zur Verzweiflung getrieben hatten, fehlten jedoch das komplette Match über. Die Unbekümmertheit brachte er nicht auf den Court, Brown jagte zu vielen Bällen ans Netz hinterher, die Troicki vor keine Probleme stellten. Der Serbe stabilisierte sich vor allem gegen Ende der Partie was den Aufschlag anging und ließ dem Deutschen zwar die Show-Momente - aber keine Hoffnung auf ein Weiterkommen.

Roger Federer (SUI/2) - Sam Groth (AUS) 6:4, 6:4, 6:7 (5:7), 6:2

Nach der Partie gegen Groth dürfte sich Federer nur über eine einzige Sache ärgern: Die Extraschicht nach Durchgang drei. Während der Schweizer in den ersten beiden Sätzen das Geschehen nach Belieben diktierte und beide durch Breaks zum richtigen Zeitpunkt mit jeweils 6:4 sichern konnte, ließ er im dritten Satz die Zügel schleifen.

Die Quittung folgte prompt: Mit sieben Assen und starken 21 Winner schaffte es sein australischer Kontrahent nicht nur in den Tie Break, sondern verbuchte auch den Satz für sich. Für den Schweizer war es der erste Satzverlust in Wimbledon 2015.

Der Unmut war Federer im Anschluss deutlich anzumerken. Der 17-fache Grand-Slam-Sieger zog das Tempo ordentlich an, schlug sechs Asse und nahm seinem Gegner gleich zwei Mal den Aufschlag ab. Nach 30 Minuten verwandelte FedEx seinen ersten Matchball und trifft im Achtelfinale nun auf Roberto Bautista Agut.

Marin Cilic (CRO/9) - John Isner (USA/17) 7:6 (7:4), 6:7 (6:8), 6:4, 6:7 (4:7), 12:10

Was für ein Fight! Auf dem Court No. 1 lieferten sich Marin Cilic und John Isner ein wahres Marathon-Match, das am Samstag allerdings schneller vorüber war, als viele erwartet hatten. Beim Stand von 10:10 im fünften Satz wurde die Begegnung fortgesetzt und Cilic machte kurzen Prozess.

Der Kroate brachte souverän seinen Aufschlag durch und schaffte es im Anschluss, Isner sofort zu breaken. Der US-Amerikaner schien noch nicht ganz auf dem Platz angekommen zu sein und offenbarte ungewohnte Schwächen bei eigenem Service. Seinen insgesamt fünften Matchball konnte Cilic schließlich nutzen. Allerdings endete die Partie auf unschöne Art und Weise: Isner unterlief ein Doppelfehler.

Bereits am Vortag standen die beiden vier Stunden und 15 Minuten auf dem Platz, ehe die Partie wegen Dunkelheit abgebrochen werden musste. Bis dahin war es ein Duell auf Augenhöhe mit leichten Vorteilen für Cilic.

Der Kroate hatte 21 Punkte mehr als sein Gegenüber erzielt, deutlich mehr Winner und weniger Unforced Errors zu verzeichnen. Auch ist die Nummer neun der Setzliste nach eigenem Service gefährlicher als Aufschlagriese Isner. Doch der US-Amerikaner war in den Tie Breaks der Sätze zwei und vier hellwach und konnte so wiederholt den Satzausgleich erzielen.

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Ivo Karlovic (CRO/23) - Jo-Wilfried Tsonga (FRA/13) 7:6 (7:3), 4:6, 7:6 (7:2), 7:6 (11:9)

Wer braucht schon ein Break, wenn er einen Aufschlag hat wie Karlovic? Der Kroate nahm Tsonga nicht ein einziges Mal das Service ab, setzte sich aber trotzdem durch. Er ist mit 36 Jahren und 174 Tagen der älteste Spieler im Achtelfinale von Wimbledon seit seinem Landsmann Niki Pilic im Jahr 1976.

Im Turnierverlauf hat Karlovic nun 136 Asse in drei Matches geschlagen. In der ewigen Bestenliste liegt er damit auf Platz zwei hinter seinem Landsmann Goran Ivanisevic, der 2001 in Wimbledon triumphiert hatte.

Tomas Berdych (CZE/6) - Pablo Andujar (ESP) 4:6, 6:0, 6:3, 7:6 (7:3)

58! Das ist die Anzahl der Winner, mit denen Berdych das Match gegen Andujar drehte. Dabei begann die Partie für den Tschechen alles andere als nach Plan: Früh kassierte er zwei Breaks und der Durchgang war verloren.

Doch Berdych kämpfte und spielte sich im zweiten Satz förmlich in einen Rausch. 83 Prozent seiner ersten Aufschläge münzte er in einen Punktgewinn um, zudem nutzte er drei seiner vier Breakchancen. Da er auch in der Folge äußerst fokussiert agierte, bekam Andujar im dritten Satz keine Möglichkeit auf ein Break. Berdych ging in Führung.

Im vierten Satz glückte dem Spanier zwar der bessere Start, doch bei 3:5 gelang Berdych das Break. Im Tie Break behielt er dann die Nerven und sicherte sich das Weiterkommen.

Gilles Simon (FRA/12) - Gael Monfils (FRA/18) 3:6, 6:3, 7:6 (8:6), 2:6, 6:2

Was für eine kuriose Partie! Nachdem auf dem Court 1 die Dunkelheit einbrach, wurde das Match bei 2:1-Satzführung für Simon unterbrochen. Die Fans gingen davon aus, dass der Tennis-Tag damit zu Ende sei. Doch Fehlanzeige - offenbar einigten sich Spieler und Schiedsrichter auf dem Weg in die Kabine darauf, die Partie auf dem Centre Court fortzusetzen.

Dort musste also wieder das Flutlicht angemacht werden, damit die Partie vor halbleeren Rängen zu Ende gebracht werden kann. Keine besonders guten Voraussetzungen, aber offenbar wollte keiner der Beteiligten, dass am Montag noch ein Match aus der dritten Runde absolviert werden muss.

Auf dem neuen Platz konnte Simon seine Führung in einem spektakulärem Krimi ins Ziel bringen. Die Unforced Errors wurden für Monfils zum Verhängnis: Während sein Kontrahent in dieser Statistik bei 30 stehen bleib, fabrizierte Monfils 67 (!) Fehler.

Andy Murray (GBR/3) - Andreas Seppi (ITA/25) 6:2, 6:2, 1:6, 6:1

Murray marschiert weiter! Gegen Seppi hatte der Schotte zwar im dritten Durchgang Probleme, lieferte im Großen und Ganzen jedoch die nächste überzeugende Vorstellung. Murray erwischte einen hervorragenden Start in das Match und konnte Seppi sofort den Aufschlag abnehmen. Bei eigenem Service präsentierte er sich gewohnt konzentriert - Murray gewährte Seppi lediglich einen Breakball, den dieser jedoch nicht nutzen konnte. Bereits nach 29 Minuten war der erste Durchgang Geschichte.

Im zweiten Satz bot sich den Zuschauern ein ähnliches Bild: Murray servierte weiterhin stark, Seppi hatte große Probleme mit seinem Aufschlag. Der Italiener ließ sich wieder zweimal breaken und zog den Kürzeren.

Anfang des dritten Satzes nahm Seppi, der offensichtlich Probleme am rechten Bein hatte, ein Medical Timeout. Murray ließ sich dadurch offenbar aus dem Rhythmus bringen, denn beim Weltranglisten-Dritten ging plötzlich gar nichts mehr. Der Außenseiter nutzte die Chance und verkürzte nach Sätzen.

Auch im vierten Durchgang gelang Seppi sofort im ersten Spiel das Break. Im Anschluss ließ sich auch Murray aufgrund von Schulter- und Rückenproblemen behandeln - kurioserweise war im Anschluss der Lokalmatador wieder am Drücker. Murray dominierte nach Belieben, gewann die nächsten sechs Spiele und damit das Match. Über die gesamte Partie schlug Murray deutlich mehr Winner als sein Kontrahent (32:22) und produzierte weniger Unforced Errors (26:39). Im Achtelfinale bekommt es Murray mit dem Aufschlag-Riesen Ivo Karlovic zu tun.

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Die ATP-Weltrangliste