UFC-Superstar Khabib Nurmagomedov hat bei UFC 254 seinen Rücktritt bekannt gegeben. Bleibt er aber vielleicht doch der UFC erhalten und ist das nun die Chance für Conor McGregor? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen.
Dieser Artikel wurde im Oktober 2020 veröffentlicht.
1. Was ist eigentlich passiert?
Nachdem Khabib Nurmagomedov bei UFC 254 Interims-Champion Justin Gaethje bereits in der zweiten Runde durch Submisson besiegte, legte er demonstrativ seine Handschuhe in die Mitte des Octagons. Wenig später ließ er die Bombe platzen. "Das war mein letzter Kampf. Keine Chance, dass ich ohne meinen Vater weiterkämpfe", sagte Khabib nach dem Kampf im Octagon.
Grund dafür war ein Versprechen an seine Mutter. Nachdem sein Vater Abdul Anfang Juli im Alter von 57 Jahren nach einer Corona-Infektion und Herzkomplikationen gestorben war, hatte er seiner Mutter versprochen, nach UFC 254 aufzuhören. "Ich habe ihr versprochen, dass es heute mein letzter Kampf sein wird. Wenn ich ihr mein Wort gebe, muss ich diesem auch folgen", erklärte er weiter, nachdem er sich niedergekniet hatte und von seinen Gefühlen überwältigt wurde.
Der Wille, einen letzten großen Kampf abzuliefern und danach aufzuhören, war so groß, dass Khabib mit einem gebrochenen Fuß kämpfte. Erst im Nachhinein wurde die Verletzung bekannt.
Dennoch war es Khabib bereits im Vorfeld des Kampfes anzumerken, dass es ihm schwerfiel, sich zu fokussieren. Er schaffte gerade so den Weight Cut, seine Erleichterung war dabei enorm. Auch beim Walk Out wirkte der sonst so kühle Russe nachdenklich, wie auch UFC-Präsident Dana White erklärte.
Ohne seinen Vater, der seine gesamte Karriere hinweg an seiner Seite stand und ihn sogar trainierte, geht seine Reise in der UFC nun zu Ende. Vater Abdul war selbst ein Kämpfer, Khabib bezeichnete ihn immer wieder als sein Idol. Unvergessen ist, wie sein Vater ihn im Alter von neun Jahren gegen einen Bären antreten ließ.
Nach dem Kampf richtete er via Instagram eine Grußbotschaft an ihn: "Danke für alles, Du hast mir das Leben gelernt, möge Allah dir das höchste Paradies gewähren."
Khabibs letzter Wunsch war es, dass ihn die UFC auf die Nummer 1 der Pound-for-Pound-Liste, eine gewichtsklassenübergreifende Rangliste, setzen wird. "Ihr müsst das einfach machen, weil ich es verdient habe", sagte der 32-Jährige abschließend. UFC-Präsident White verkündete nach dem Kampf, dass die UFC diesem Wunsch nachkommen werde.
2. Wie geht es für Khabib weiter?
Bereits 2014 und 2016, nachdem sich Khabib mehrfach verletzte, hatte er mit einem Rücktritt aus der UFC geliebäugelt. Nur der Einspruch seines Vaters konnte ihn damals umstimmen. "Aufgeben ist der leichteste Weg, aber wir warten alle auf deine Titelkämpfe", sagte ihm sein Vater.
Die UFC und der Superstar hatten eigentlich noch zahlreiche Pläne. Im April nächsten Jahres sollte er gegen UFC-Legende Georges St-Pierre antreten, wie Khabib im Interview mit SPOX und DAZN verriet. Erst danach wollte er mit einer makellosen Kampfbilanz von 30-0 aus der UFC aussteigen.
imago images / ITAR-Tass"Wir warten jetzt erstmal ab und lassen ihm Zeit. Er muss jetzt heilen, vor allem mental", sagte der UFC-Präsident nach dem Kampf. Neben dem Kampf gegen GSP hatte die UFC Khabib angeboten, zusammen mit Erzfeind Conor McGregor als Trainer für die Reality-TV-Serie The Ultimate Fighter zu fungieren. Khabib signalisierte zwar sein generelles Interesse, lehnte aber eine Zusammenarbeit mit McGregor ab.
Da die kommende Staffel allerdings bereits nächste Woche gedreht wird, ist es ausgeschlossen, dass er dort mitwirken wird.
Eine kleine Hintertür auf eine Rückkehr, zumindest in den Boxring, gibt es aber noch: Im März diesen Jahres gab es ein Angebot über 100 Millionen Dollar von einem Konsortium aus Saudi-Arabien, die Khabib für einen Kampf gegen Box-Superstar Floyd Mayweather erhalten hätte. Diese Variante ist immer noch möglich, da Khabib nur seinen Rücktritt aus dem MMA-Sport bekannt geben hat.
3. Ist Khabib der Beste aller Zeiten?
Erst im Juni hatte Dana White erklärt, dass er Khabib Nurmagomedov nicht auf der Stufe des besten Kämpfers aller Zeiten sehe. Für ihn waren zu dem Zeitpunkt Jon Jones und Georges St-Pierre noch höher anzusiedeln. Khabib sei aber eine "Legende", genauso wie Conor McGregor oder Anderson Silva. Nach UFC 254 sagte er nun: "Khabib gehört auf jeden Fall in die Diskussion des besten Kämpfers aller Zeiten."
Die Statistiken sprechen für Khabib. Er gewann insgesamt 13 Kämpfe in der UFC, nur Anderson Silva konnte mehr Kämpfe in Folge gewinnen (16). Einen Rekord hält Khabib zudem bei den Takedowns inne. Unfassbare 21 Takedowns, die für gewöhnlich sehr kräfteraubend sind, schaffte er bei UFC 160 im Kampf gegen Abel Trujillo, zuvor lag der Rekord bei 16.
Seine drei Titelverteidigungen sind außerdem Rekord für die Leichtgewichts-Division.
Mit seiner Dynamik, dem erzeugten Druck und der Art und Weise, wie er seine Gegner dominierte, gehört Khabib ohne Frage zu den größten aller Zeiten. Nur zwei Runden, eine gegen McGregor und die erste Runde im Kampf gegen Gaethje, wurden von den Wertungsrichtern gegen den Dagestani gewertet (Die Analyse: Warum Khabibs Kampfstil so außergewöhnlich ist).
Auf seiner Reise zu einer Kampfbilanz von 29-0 besiegte er unter anderem Al Iquinta, Conor McGregor, Dustin Poirier und nun Justin Gaethje. Einzig ein Kampf gegen Tony Ferguson blieb trotz fünfmaligem Ansetzen aus. Bis auf ihn hat Khabib das "Who's Who" der Division besiegt.
4. Wie geht es für die UFC weiter?
Mit Khabib als Zugpferd hatte die UFC zahlreiche Verträge mit Firmen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, dort gilt Khabib als Superstar des Landes, und Russland abgeschlossen. Durch einen Deal mit einer Investmentfirma in Abu Dhabi wurde garantiert, dass Khabib zudem nur zu einer Uhrzeit kämpfen würde, die für den Nahen Osten "angenehm" sein würde. Dafür verzichtete die UFC sogar auf die sonst so wichtigen Einschaltquoten aus China.
Khabib sollte dadurch nur noch ausschließlich in Abu Dhabi kämpfen, was er gegen Dustin Poirier bei UFC 242 und nun gegen Gaethje tat. Die Investmentfirma richtete zudem weitere Pläne auf Khabib aus: So entsteht im kommenden Jahr auf Yas Island eine neue Arena, die knapp 20.000 Zuschauer fassen soll.
Nun steht die UFC ohne Zugpferd im nahen Osten da. Ein zukünftiger Star steht aber schon in der Pipeline: Khamzat Chimaev. Der in Russland geborene Chimaev sorgte in diesem Jahr mit zahlreichen dominanten Vorstellungen für Furore. Ohne in einer Rangliste vorzukommen, wird Chimaev am 19. Dezember bei einem Fight als Main Event gegen den im Mittelgewicht an Nummer 3 platzierte Leon Edwards antreten. Bei einem Sieg könnte die UFC ihn als neue Marketingmaschine nutzen.
Die anderen Stars wie Israel Adesanya, Stipe Miocic oder Amanda Nunes, die fast schon spielerisch die Frauen-Rankings dominiert, zeigten zuletzt zwar eindrucksvolle Leistungen, brachten aber nicht die gewünschten Quoten im Pay-Per-View-Verkauf ein. Daher gibt es bereits Planungen, einen möglichen Superkampf zwischen Adesanya und dem langjährigen Halbschwergewichts-Champion Jon Jones anzusetzen.
Zudem will die UFC in Zukunft mehr auf die "Fan-Duelle" setzen, die bessere Quoten bringen sollen. Colby Covington gegen Jorge Masvidal, Nate Diaz gegen Dan Hooker oder Deiveson Figueiredo gegen Cody Garbrandt sind Duelle, die aufgrund von zahlreichen Fanwünschen angesetzt werden sollen.
5. Ist das die Chance für Conor McGregor?
Lange Zeit war Conor McGregor das Aushängeschild der UFC. Nachdem er sich sowohl den Fliegen- als auch den Leichtgewichtstitel sicherte, verließ er die UFC und kämpfte gegen Floyd Mayweather. Als er bei UFC 229 gegen Khabib verloren hatte, wollte der Ire unbedingt einen Rückkampf erhalten, den ihm Khabib nicht gewährte.
Nachdem er in den in die Jahre gekommenen Donald Cerrone bei UFC 246 im vergangen Januar bereits nach 40 Sekunden besiegte, beendete er Monate danach seine Karriere. Offiziell, da ihn in der UFC niemand mehr rausfordern könne.
Da es aber bereits der dritte angekündigte Rücktritt war, rechnete man nicht damit. Nun wurde bekannt, dass McGregor höchstwahrscheinlich bei UFC 257 am 23. Januar gegen Dustin Poirier kämpfen wird.
Als der Kampf angesetzt wurde, ging die UFC noch von einem Platzierungskampf aus. Nun ist es wahrscheinlich, dass die beiden um den vakanten Titel im Leichtgewicht kämpfen werden. Gerüchten zufolge soll der Sieger gegen den Gewinner des Duells Tony Ferguson gegen Michael Chandler, der aus der Konkurrenzserie Bellator in die UFC wechselte, antreten und den alleinigen Titelhalter auskämpfen.
McGregor könnte aus dem Rücktritt von Khabib also als großer Gewinner hervorgehen. "Gute Leistung, Khabib. Ich mache weiter", twitterte er Sekunden nach dem Rücktritt seinen Erzfeindes. Womöglich hätte er nie wieder eine Chance auf einen Titelkampf gegen Khabib bekommen. Zuvor hatte er daher fast jeden namhaften Kämpfer in der UFC, ob Weltergewichts-Champion Kamaru Usman, Nate Diaz oder Jorge Masvidal, herausgefordert.